Verfahrensinformation

Die Klägerin begehrt ihre verwaltungsrechtliche Rehabilitierung als Opfer des DDR Staatsdopings. Sie war in den Jahren 1968 bis 1973 – als 12- bis 17-jährige – in der ehemaligen DDR im Kanusport als Leistungssportlerin aktiv. Ihr wurden verschiedene Dopingsubstanzen verabreicht. Dies führte zu schweren und bis heute anhaltenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen.


Ihren Antrag auf verwaltungsrechtliche Rehabilitierung lehnte der Beklagte ab. Zur Begründung führte er aus, rehabilitierungsfähig seien gemäß § 1 Abs. 2 VwRehaG nur Maßnahmen, die der politischen Verfolgung gedient oder Willkürakte im Einzelfall dargestellt haben. Hieran fehle es. Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen. Politische Verfolgung habe nicht vorgelegen. Willkür im Einzelfall sei nur zu bejahen, wenn die Maßnahme von der Tendenz und Absicht getragen sei, den Adressaten bewusst zu benachteiligen. Es bedürfe einer bewussten Diskriminierung. Daran fehle es im Falle des staatlichen Dopings.


Mit ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie ist der Auffassung, dass jedenfalls eine mittelbare politische Verfolgung darin liege, dass die Nachwuchssportler durch die gesundheitsschädigenden Dopingvergaben zur Erreichung der staatspolitischen Ziele der DDR missbraucht worden seien. Auch ein Willkürakt im Einzelfall liege vor. Dies ergebe sich aus den zutreffenden Gründen eines Urteils des Verwaltungsgerichts Greifswald. Das DDR-Zwangsdoping stelle keinesfalls ein Allgemeinschicksal und keine systemimmanente Maßnahme der DDR dar.


Pressemitteilung Nr. 13/2024 vom 27.03.2024

Keine verwaltungsrechtliche Rehabilitierung für Betroffene des DDR-"Zwangsdopings"

Das systematische staatliche Doping von Leistungssportlern in der ehemaligen DDR stellt weder "politische Verfolgung" noch einen "Willkürakt im Einzelfall" im Sinne des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes dar. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Die Klägerin begehrt ihre verwaltungsrechtliche Rehabilitierung als Opfer staatlichen Dopings in der DDR. Sie war dort von 1968 bis 1973, damals 12- bis 17-jährig, als Leistungssportlerin aktiv. In dieser Zeit wurden ihr verschiedene Dopingsubstanzen verabreicht. Diese führten zu erheblichen und bis heute anhaltenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen. Die Klägerin ist seit ihrem 43. Lebensjahr erwerbsunfähig und schwerbehindert mit einem Grad der Behinderung von 90. Sie erhielt eine einmalige Hilfeleistung des Bundes nach dem am 31. August 2002 in Kraft getretenen Ersten Dopingopfer-Hilfegesetz. Im Jahre 2021 beantragte die Klägerin ihre Rehabilitierung nach § 1 des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes (VwRehaG). Die Beklagte lehnte den Antrag ab. Das Verwaltungsgericht hat die hiergegen erhobene Klage abgewiesen.


Das Bundesverwaltungsgericht hat die Revision der Klägerin zurückgewiesen. Nach § 1 Abs. 2 VwRehaG kommt eine Rehabilitierung nur in Betracht, wenn eine Maßnahme in schwerwiegender Weise gegen die Prinzipien der Gerechtigkeit, der Rechtssicherheit oder der Verhältnismäßigkeit verstoßen und der politischen Verfolgung gedient oder einen Willkürakt im Einzelfall dargestellt hat. Zwar verstieß die heimliche Verabreichung von Dopingsubstanzen, deren gesundheitsschädigende Wirkung den staatlichen Stellen der DDR bekannt war, in schwerwiegender Weise gegen das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Die Maßnahme diente jedoch nicht der politischen Verfolgung und stellte auch keinen Willkürakt im Einzelfall dar. Letzteres setzt voraus, dass die Maßnahme von der Tendenz und Absicht getragen ist, ihren Adressaten bewusst zu benachteiligen. Das folgt aus der Gesetzesbegründung und dem Zweck des Gesetzes. Der Gesetzgeber ging davon aus, dass zu dem objektiven Erfordernis eines schwerwiegenden Verstoßes gegen die Prinzipien der Gerechtigkeit, der Rechtssicherheit oder der Verhältnismäßigkeit die subjektive Zielrichtung hinzutreten muss, dass die Maßnahme der politischen Verfolgung gedient hat oder der Betroffene bewusst gegenüber vergleichbaren Personen diskriminiert worden ist. An einer solchen gezielten Diskriminierungsmaßnahme fehlt es hier. Den später erlassenen Dopingopfer-Hilfegesetzen, die eine finanzielle Hilfe lediglich aus humanitären und sozialen Gründen gewähren, liegt ebenfalls die Annahme zugrunde, dass ein Rechtsanspruch der Opfer staatlichen Dopings nicht besteht. Es ist Sache des Gesetzgebers zu entscheiden, ob und inwieweit er die Opfer staatlichen Dopings in der DDR in die Entschädigungsregelungen des Verwaltungsrechtlichen Rehabilitierungsgesetzes einbezieht. Eine Erweiterung des Kreises der Anspruchsberechtigten durch das Bundesverwaltungsgericht würde die Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreiten.


BVerwG 8 C 6.23 - Urteil vom 27. März 2024

Vorinstanz:

VG Potsdam, VG 11 K 2567/21 - Urteil vom 24. April 2023 -