Beschluss vom 01.11.2007 -
BVerwG 7 B 37.07ECLI:DE:BVerwG:2007:011107B7B37.07.0

Leitsätze:

1. Der Begriff der Umweltinformation in Art. 2 Nr. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (Umweltinformations-RL, Abl. Nr. L 41 S. 26) umfasst keine Informationen über Pläne, die vor ihrer Verwirklichung bereits aufgegeben worden sind.

2. Informationen werden im Sinne von Art. 2 Nr. 4 Umweltinformations-RL für eine Behörde bereitgehalten, wenn sie bei einer selbst nicht informationspflichtigen Stelle angefallen sind und von dieser für eine Behörde aufbewahrt werden, die einen Anspruch auf Übermittlung dieser Information hat.

Beschluss

BVerwG 7 B 37.07

  • OVG Schleswig - 03.05.2007 - AZ: 4 LB 9/05 -
  • Schleswig-Holsteinisches OVG - 03.05.2007 - AZ: OVG 4 LB 9/05

In der Verwaltungsstreitsache hat der 7. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 1. November 2007
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Sailer
und die Richter am Bundesverwaltungsgericht Krauß und Neumann
beschlossen:

  1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgerichts vom 3. Mai 2007 wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
  3. Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

I

1 Der Kläger begehrt von der beklagten Landeshauptstadt Kiel, ihm Einsicht in alle bei der beigeladenen Kieler Flughafengesellschaft geführten Akten sowie Informationen und Informationsträger zu vermitteln, die im Zusammenhang mit dem geplanten Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau betreffend Planung, Vorbereitung und Finanzierung einer Verlegung der B 503 sowie im Zusammenhang mit der Finanzierung des geplanten Ausbaus stehen, ferner den Schriftverkehr der Beigeladenen mit der Beklagten sowie dem Wirtschaftsministeriums des Landes Schleswig-Holstein seit 1998 betreffen und schließlich im Zusammenhang mit der Tätigkeit der Projektgruppe „Flughafenausbau“ stehen, auch, soweit es um eine mögliche Privatisierung des Flughafens geht. Hilfsweise begehrt der Kläger, die Beklagte zu verpflichten, in ihrer Eigenschaft als Anteilseignerin der Beigeladenen ihre Zustimmung zu einer derartigen Einsicht zu erteilen. Der Kläger stützt sein Begehren zum einen auf das Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Schleswig-Holstein (Informationsfreiheitsgesetz für das Land Schleswig-Holstein - IFG-SH –) vom 9. Februar 2000 (GVOBl. S. 166), zum anderen auf das Umweltinformationsgesetz für das Land Schleswig-Holstein - UIG-SH - vom 2. März 2007 (GVOBl. S. 132).

2 Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Es hat zur Begründung im Kern angeführt: Der Kläger habe gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Einsicht in Akten der Beigeladenen und Herausgabe dort vorhandener Informationen aus § 6 Abs. 4 i.V.m. § 3 Abs. 4 IFG-SH, weil die Beklagte sich weder der Beigeladenen zur Erfüllung ihrer öffentlich-rechtlichen Aufgaben bediene noch der Beigeladenen die Erfüllung öffentlich-rechtlicher Aufgaben übertragen habe. Auf das Umweltinformationsgesetz lasse sich der Informationsanspruch nicht stützen. Die vom Kläger begehrten Informationen seien solche i.S.d. § 2 Abs. 3 Nr. 3 und Nr. 5 UIG-SH. Diese Vorschriften erfassten aber nur Maßnahmen oder Tätigkeiten, die sich auf Umweltbestandteile und -faktoren auswirken oder wahrscheinlich auswirken, sowie Kosten-Nutzen-Analysen oder sonstige wirtschaftliche Analysen und Annahmen, die zur Vorbereitung oder Durchführung von Maßnahmen oder Tätigkeiten im Sinne der Nr. 3 verwendet würden. Dazu gehörten die hier begehrten Informationen schon deshalb nicht, weil die Planung, nämlich der Ausbau des Flughafens Kiel-Holtenau, auf den die begehrten Informationen sich bezögen, aufgegeben worden sei. Die bei der Beigeladenen vorhandenen Unterlagen seien dem Kläger auch nicht nach § 2 Abs. 4 UIG-SH zugänglich zu machen. Sie würden nämlich bei der Beigeladenen nicht im Sinne dieser Bestimmung für die Beklagte bereitgehalten.

3 Das Oberverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Klägers.

II

4 Die Beschwerde ist unbegründet. Der Rechtssache kommt nicht die allein geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu.

5 1. Soweit der Kläger Fragen zur Auslegung des Informationsfreiheitsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein aufwirft, kann die Revision nicht zugelassen werden. Die Antwort auf diese Fragen richtet sich nach dem Landesrecht. Fragen des Landesrechts können im Revisionsverfahren nicht geklärt werden (§ 137 Abs. 1 VwGO). Der Senat wäre in dem angestrebten Revisionsverfahren vielmehr an die Auslegung der Vorschriften durch das Oberverwaltungsgericht gebunden (§ 173 VwGO, § 560 ZPO).

6 a) § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO hilft dem Kläger insoweit nicht weiter. Nach dieser Vorschrift kann die Revision auf die Verletzung einer Vorschrift des Verwaltungsverfahrensgesetzes eines Landes gestützt werden, die ihrem Wortlaut nach mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmt. Zwar mögen die vom Kläger für klärungsbedürftig gehaltenen Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes für das Land Schleswig-Holstein mit Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes übereinstimmen. Die Informationsfreiheitsgesetze sind jedoch keine Verwaltungsverfahrensgesetze i.S.d. § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO.

7 b) Zwar kann sich eine Frage des revisiblen Rechts ergeben, wenn das Berufungsgericht eine einschlägige Norm des irrevisiblen Rechts dahin ausgelegt hat, deren Inhalt werde durch eine bundesrechtliche Norm bestimmt (vgl. beispielsweise Urteil vom 25. August 1992 - BVerwG 1 C 38.90 - BVerwGE 90, 337, 343). In einem solchen Fall hat das Berufungsgericht Bundesrecht als zwingenden Maßstab für die Auslegung des Landesrechts angewandt (vgl. ferner Urteil vom 16. Januar 2003 - BVerwG 4 CN 8.01 - BVerwGE 117, 313, 317).

8 Entgegen der Auffassung des Klägers liegt hier aber ein solcher Fall nicht vor. Das Oberverwaltungsgericht hat an keiner Stelle seines Urteils auf die Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes Bezug genommen, um den Inhalt der anzuwendenden Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes des Landes Schleswig-Holstein zu ermitteln.

9 c) Dass die Vorschriften des Informationsfreiheitsgesetzes des Landes Schleswig-Holstein revisibel seien, ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers schließlich nicht aus Art. 99 GG i.V.m. § 327 des Landesverwaltungsgesetzes Schleswig-Holstein (LVwG).

10 Nach § 327 LVwG kann die Revision zwar auch darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung bestimmter Vorschriften des Landesverwaltungsgesetzes beruht. Zu diesen Vorschriften gehört auch § 72 Satz 1 LVwG, auf den der Kläger abstellen möchte. Nach dieser Vorschrift ist die Behörde bei der Erfüllung ihrer Aufgaben an Gesetz und Recht gebunden. § 327 LVwG führt nur dazu, dass § 72 LVwG als solcher revisibel ist. Die Revision könnte deshalb nur dann zugelassen werden, wenn sich zur Auslegung des § 72 Satz 1 LVwG eine klärungsbedürftige Frage ergäbe. Der Inhalt von § 72 Satz 1 LVwG ist indes nicht weiter klärungsbedürftig. Eine klärungsbedürftige Frage zu dieser Norm wird vom Kläger auch nicht aufgeworfen.

11 2. Ebenfalls kein revisibles Recht enthält das Umweltinformationsgesetz für das Land Schleswig-Holstein. Dieses Gesetz dient jedoch der Umsetzung der Richtlinie 2003/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2003 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Umweltinformationen und zur Aufhebung der Richtlinie 90/313/EWG des Rates (Umweltinformationsrichtlinie, ABl. Nr. L 41 S. 26). Die Richtlinie ist als Gemeinschaftsrecht ihrerseits revisibel. Ob eine vom Oberverwaltungsgericht gefundene Auslegung des an sich irrevisiblen Umweltinformationsgesetzes des Landes mit der Richtlinie in Einklang steht, ist eine Frage des revisiblen Bundesrechts. Sie führt zur Zulassung der Revision, wenn in diesem Zusammenhang Fragen der Auslegung und Anwendung der Umweltinformationsrichtlinie grundsätzliche Bedeutung haben. Die klärungsbedürftige Frage muss sich mithin darauf beziehen, welche Vorgaben das Gemeinschaftsrecht, hier die Umweltinformationsrichtlinie, für die Auslegung und Anwendung des Landesrechts macht.

12 Soweit der Kläger die Auslegung des Umweltinformationsgesetzes des Landes Schleswig-Holstein durch das Oberverwaltungsgericht angreift, ergeben sich indes keine klärungsbedürftigen Fragen zur Umweltinformationsrichtlinie.

13 a) Der Kläger möchte geklärt wissen,
ob der Begriff der Umweltinformation in § 2 Abs. 3 UIG-SH dahin auszulegen ist, dass dieser Begriff auch Informationen über geplante Tätigkeiten und Maßnahmen umfasst, die sich als solche auf die Umwelt auswirken würden, deren Planung aber aufgegeben wurde.

14 § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG-SH betrifft Maßnahmen oder Tätigkeiten, die sich auf die Umweltbestandteile oder -faktoren im Sinne des § 2 Abs. 3 Nr. 1 und 2 UIG-SH auswirken oder wahrscheinlich auswirken. Zu diesen Maßnahmen und Tätigkeiten gehören auch politische Konzepte, Rechts- und Verwaltungsvorschriften, Abkommen, Vereinbarungen, Pläne und Programme. Im konkreten Fall ging es um Pläne.

15 § 2 Abs. 3 Nr. 3 UIG-SH stimmt inhaltlich überein mit Art. 2 Nr. 1 Buchst. c der Umweltinformationsrichtlinie. Auch diese Vorschrift erfasst Maßnahmen, wie z.B. Pläne, die sich auf Umweltbestandteile und –faktoren auswirken oder wahrscheinlich auswirken. Es liegt bereits nach dem Wortlaut auf der Hand und bedarf deshalb nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass Maßnahmen in Form von Plänen sich gegenwärtig noch gar nicht und wahrscheinlich (also in der Zukunft) nur dann auf Umweltbestandteile und –faktoren auswirken, wenn sie noch verfolgt werden. Vor ihrer Verwirklichung aufgegebene Pläne haben sich zu keinem Zeitpunkt auf Umweltbestandteile und –faktoren ausgewirkt und können sich auf sie auch nicht (mehr) wahrscheinlich auswirken.

16 Aus dem Erwägungsgrund Nr. 10 der Umweltinformationsrichtlinie ergibt sich nichts anderes. Danach soll die Bestimmung des Begriffs der Umweltinformation dahingehend präzisiert werden, dass unter anderem Informationen zu Maßnahmen erfasst werden, die Auswirkungen auf die Umwelt haben oder haben können. Dies trifft schon nach dem Wortlaut auf vor ihrer Verwirklichung aufgegebene Pläne nicht zu.

17 b) Der Kläger möchte ferner die Frage geklärt haben,
ob der Begriff des Bereithaltens für eine informationspflichtige Stelle in § 2 Abs. 4 Satz 2 UIG-SH dahin auszulegen ist, dass dieser Begriff nur Fälle der Selbst- oder Eigenüberwachung der nicht informationspflichtigen Stelle einschließt oder ob ein Bereithalten für alle Umweltinformationen vorliegt, die nur bei der nicht informationspflichtigen Stelle verwahrt werden, aber der Erfüllung der Aufgabe für die informationspflichtige Stelle zuzuordnen sind.

18 Nach § 2 Abs. 4 Satz 1 UIG-SH verfügt eine informationspflichtige Stelle über Umweltinformationen, wenn diese bei ihr vorhanden sind oder an anderer Stelle für sie bereitgehalten werden. § 2 Abs. 4 Satz 2 UIG-SH definiert das Bereithalten näher. Ein Bereithalten liegt danach dann vor, wenn eine natürliche oder juristische Person, die selbst nicht informationspflichtige Stelle ist, Umweltinformationen für eine informationspflichtige Stelle aufbewahrt, auf die diese Stelle einen Übermittlungsanspruch hat.

19 Art. 2 Nr. 4 der UmweItinformationsrichtlinie bestimmt, dass für eine Behörde bereitgehaltene Informationen Umweltinformationen sind, die materiell von einer natürlichen oder juristischen Person für eine Behörde bereitgehalten werden.

20 Es liegt ebenfalls auf der Hand und bedarf deshalb nicht erst der Klärung in einem Revisionsverfahren, dass § 2 Abs. 4 Satz 2 UIG-SH den Begriff des Bereithaltens, soweit es für den hier zu entscheidenden Fall auf ihn ankommt, nicht enger definiert, als Art. 2 Nr. 4 der Umweltinformationsrichtlinie gemeinschaftsrechtlich vorgibt. Für eine Behörde bereitgehalten werden jedenfalls nicht die Informationen, auf die diese keinen Übermittlungsanspruch hat. „Für eine Behörde“ werden Informationen schon nach dem Wortlaut bereitgehalten, wenn sie auch in Erfüllung einer ihr gegenüber bestehenden Pflicht gesammelt und aufbewahrt werden. Das Oberverwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass Umweltinformationen nicht stets von der an sich zuständigen Behörde selbst erhoben und bei ihr aufbewahrt werden. Die Behörde bedient sich vielmehr in zahlreichen Fällen zur Selbstüberwachung verpflichteter Unternehmen, die die Informationen selbst erheben und aufbewahren. In diesen Fällen sind die Informationen bei der zuständigen Behörde unmittelbar nicht mehr vorhanden. Aus diesem Grund erstreckt sowohl die Umweltinformationsrichtlinie in Art. 1 Buchst. a als auch § 2 Abs. 4 UIG-SH den Anspruch auf Gewährung von Umweltinformationen auf Dritte, die selbst keine informationspflichtige Stelle sind, die Informationen aber für die Behörde bereithalten und ihr jederzeit herauszugeben oder zur Verfügung zu stellen haben.

21 Im Übrigen handelt es sich der Sache nach insoweit um eine weitere selbständig tragende Begründung des angefochtenen Urteils. Denn die insoweit in Rede stehenden Informationen sind aus den bereits erörterten Gründen des § 2 Abs. 3 UIG-SH keine Umweltinformationen. Selbst wenn das Oberverwaltungsgericht § 2 Abs. 4 UIG-SH gemeinschaftsrechtswidrig ausgelegt haben sollte, könnte das Urteil mithin auf diesem Rechtsverstoß nicht beruhen.

22 c) Der Kläger wirft schließlich die Frage auf,
ob in den Fällen, in denen eine natürliche oder juristische Person, die selbst nicht informationspflichtige Stelle ist, Umweltinformationen für mehrere informationspflichtige Stellen bereit hält, die informationspflichtige Stelle jedenfalls verpflichtet ist, ihre Zustimmung zur Preisgabe der Informationen zu erteilen.

23 Das Oberverwaltungsgericht hat angenommen, das Umweltinformationsgesetz des Landes Schleswig-Holstein biete für einen solchen Anspruch keine Rechtsgrundlage. Der Kläger hat mit seiner Beschwerde nicht aufgezeigt, dass die allein revisible Umweltinformationsrichtlinie eine lückenfüllende ergänzende Auslegung des Umweltinformationsgesetzes des Landes verlangt.

24 Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 2 GKG.