Beschluss vom 04.01.2024 -
BVerwG 20 F 3.22ECLI:DE:BVerwG:2024:040124B20F3.22.0

Geheimhaltung von Prüfervoten

Leitsätze:

1. Prüfungsakten und Prüfervoten sind nicht nach § 99 Abs. 1 Satz 3 VwGO generell geheim zu halten. Dies schließt den Geheimhaltungsschutz einzelner Akteninhalte nicht aus.

2. Private Forschungsergebnisse sind als geistiges Eigentum von Art. 14 Abs. 1 GG geschützt und können wie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig sein.

3. Prüfungsbewertungen gehören zu den personenbezogenen Angaben, an deren Geheimhaltung ein von Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG geschütztes Interesse bestehen kann.

  • Rechtsquellen
    GG Art. 1 Abs. 1 i. V. m. Art. 2 Abs. 1, Art. 5 Abs. 3, Art. 14 Abs. 1
    VwGO § 99 Abs. 1 Satz 3 , Abs. 2 Satz 1
    GeschGehG § 4 Abs. 2 Nr. 3, § 23 Abs. 1 Nr. 3
    UrhG §§ 12, 45
    Richtlinie 2001/29/EG Art. 5 Abs. 3
    DSGVO Art. 4 Nr. 1, 6 Abs. 1 Buchst. e, 86
    HmbTG § 5 Nr. 7 , § 8 Abs. 1, § 12 Abs. 7

  • OVG Hamburg - 20.01.2022 - AZ: 9 AS 9/21

  • Zitiervorschlag

    BVerwG, Beschluss vom 04.01.2024 - 20 F 3.22 - [ECLI:DE:BVerwG:2024:040124B20F3.22.0]

Beschluss

BVerwG 20 F 3.22

  • OVG Hamburg - 20.01.2022 - AZ: 9 AS 9/21

In der Verwaltungsstreitsache hat der Fachsenat des Bundesverwaltungsgerichts
für Entscheidungen nach § 99 Abs. 2 VwGO
am 4. Januar 2024
durch den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Häußler,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Prof. Dr. Burmeister und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Eppelt
beschlossen:

  1. Die Beschwerden der Beigeladenen zu 2 und der Klägerin werden zurückgewiesen.
  2. Die Beigeladene zu 2 und die Klägerin tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte. Alle Beteiligten tragen ihre eigenen außergerichtlichen Kosten selbst.

Gründe

I

1 In dem diesem Zwischenverfahren zugrunde liegenden Hauptsacheverfahren verlangt die Klägerin von der beklagten Fachhochschule unter anderem die Vorlage der Prüfervoten zu der Masterarbeit der Beigeladenen zu 2.

2 Die Klägerin ist ein auf dem Gebiet der Arzneimittelentwicklung forschendes Unternehmen, dem 2009 durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung Fördermittel für ein Projekt zur Arzneimittelentwicklung bewilligt worden waren. Die Klägerin hatte die N. (im Folgenden: N.) in das Projekt einbezogen und mit ihr vereinbart, dass sie bisherige Forschungsergebnisse geheim halten und keine eigenen Forschungen hierzu anstellen dürfe. Die in der Hauptsache Beigeladene zu 1 war als Praktikantin und zur Anfertigung ihrer Bachelorarbeit bei der N. angestellt gewesen. Die Beigeladene zu 2 war ebenfalls Mitarbeiterin der N. und hatte von dieser für die Erstellung ihrer Masterarbeit die Bachelorarbeit der in der Hauptsache Beigeladenen zu 1 erhalten. Die Klägerin sah darin eine Verletzung der vertraglichen Vereinbarungen und machte in einem Zivilrechtsstreit vertragswidrige Verletzungen ihres geistigen Eigentums geltend.

3 Im verwaltungsgerichtlichen Hauptsacheverfahren erhob die Klägerin auf der Grundlage des Hamburgischen Transparenzgesetzes im März 2019 Klage zum Verwaltungsgericht ... auf Vorlage der Bachelorarbeit der in der Hauptsache Beigeladenen zu 1, der Masterarbeit der Beigeladenen zu 2 sowie von Prüfervoten und Zwischenberichten. Auf Antrag der Beigeladenen zu 1 und zu 2 gab die Beigeladene zu 3 eine Sperrerklärung vom 29. Januar 2020 ab. Das Verwaltungsgericht ... beschloss unter dem 20. März 2020, durch Vorlage der Bachelorarbeit der in der Hauptsache Beigeladenen zu 1, der Masterarbeit der Beigeladenen zu 2 sowie der Prüfervoten und etwaiger Zwischenberichte hierzu über die Behauptung der Beklagten und der Beigeladenen, der Vorlage der genannten Dokumente stünden Ausschlussgründe nach dem Hamburgischen Transparenzgesetz entgegen, Beweis zu erheben. Auf Antrag der Klägerin hatte der Fachsenat des Hamburgischen Oberverwaltungsgerichts mit Beschluss vom 26. August 2020 die Rechtswidrigkeit der Sperrerklärung vom 29. Januar 2020 festgestellt. Der Senat hat die gegen diesen Beschluss gerichteten Beschwerden der Beklagten und der Beigeladenen mit Beschluss vom 19. April 2021 zurückgewiesen - 20 F 9.20 -. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts habe die Sperrerklärung der Beigeladenen zu 3 im Ergebnis zu Recht für rechtswidrig erklärt. Der Antrag der Klägerin sei teilweise zulässig. Der Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichts genüge den Anforderungen an die Prüfung der Entscheidungserheblichkeit der Aktenvorlage nicht, soweit er die Bachelorarbeit der in der Hauptsache Beigeladenen zu 1, die Masterarbeit der Beigeladenen zu 2 und etwaige Zwischenberichte hierzu betreffe. Er sei aber nicht zu beanstanden, soweit er die Prüfervoten hierzu betreffe. Die Sperrerklärung sei nicht durch eine Geheimhaltungspflicht nach einem Gesetz im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 VwGO gerechtfertigt, weil es sich bei § 5 Nr. 7 HmbTG nicht um ein hiervon erfasstes Gesetz handele. Die Sperrerklärung sei auch nicht nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO rechtmäßig. Denn hierauf sei sie nicht gestützt.

4 Daraufhin beantragte die Beigeladene zu 2 unter dem 28. Juli 2021 die Aussetzung des Hauptsacheverfahrens zur Abgabe an den Fachsenat und die Verpflichtung der Beigeladenen zu 3 zur Abgabe einer Sperrerklärung bezogen auf die im Beweisbeschluss vom 20. März 2020 angeforderten Akten. Das Verwaltungsgericht hob mit Beschluss vom 29. September 2021 seinen Beweisbeschluss vom 20. März 2020 auf, soweit darin die Vorlage der Bachelorarbeit der in der Hauptsache Beigeladenen zu 1, der Masterarbeit der Beigeladenen zu 2 und etwaige Zwischenberichte gefordert worden waren. Der Beweisbeschluss werde aufgehoben, soweit er durch das Bundesverwaltungsgericht beanstandet worden sei. Die Kammer werde andere Mittel zur Sachverhaltsaufklärung prüfen und ausschöpfen.

5 Auf Anfrage des Fachsenates des Oberverwaltungsgerichts teilte die Beigeladene zu 3 unter dem 22. Oktober 2021 mit, die Abgabe einer Sperrerklärung hinsichtlich der Prüfervoten zur Masterarbeit der Beigeladenen zu 2 sei derzeit nicht beabsichtigt. Eine Sperrerklärung käme nur in Betracht, wenn sich eine Geheimhaltung auf § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO stützen ließe. Nach den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 19. April 2021 - 20 F 9.20 - scheide eine Berufung auf die bereits im Hamburgischen Transparenzgesetz niedergelegten Gründe aus. Dies ergebe sich aus einem Umkehrschluss zu den Ausführungen in Randnummer 31 des genannten Beschlusses. Darüber hinaus nehme die Kommentarliteratur Prüfakten explizit vom Anwendungsbereich des § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO aus. Zwar beziehe sich dies auf die Einsichtnahme in eigene Prüfakten der auskunftsbegehrenden Person. Im Ergebnis werde aber die rechtmäßige Anwendung des § 5 Nr. 7 HmbTG den Gerichten obliegen.

6 Mit Beschluss vom 20. Januar 2022, durch Einfügung einer Rechtsmittelbelehrung geändert mit Beschluss vom 7. Februar 2022, stellte das Oberverwaltungsgericht das Verfahren ein, soweit die Beigeladenen zu 2 und zu 3 im Hinblick auf die teilweise Aufhebung des Beweisbeschlusses durch das Verwaltungsgericht die Erledigung des Zwischenverfahrens erklärt hatten. Im Übrigen trennte es den Antrag der Beigeladenen zu 1 auf Abgabe einer Sperrerklärung hinsichtlich ihres Prüfervotums vom vorliegenden Zwischenverfahren ab und führte es unter dem Aktenzeichen 9 AS 10/21 (BVerwG 20 F 4.22 ) fort. Ferner stellte das Oberverwaltungsgericht fest, dass die Freigabeerklärung der Beigeladenen zu 3 vom 22. Oktober 2021 rechtswidrig sei. Das Begehren der Beigeladenen zu 2 sei in einen Feststellungsantrag umzudeuten und mit diesem Inhalt statthaft. § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO sei erweiternd auszulegen und weise dem Fachsenat auch die Zuständigkeit zu, über die Rechtmäßigkeit der Freigabeerklärung der obersten Aufsichtsbehörde zu entscheiden. Im Zwischenverfahren könne allerdings nur ein Feststellungstenor ausgesprochen werden. Der hierauf gerichtete Antrag sei auch im Übrigen zulässig und begründet. Die Freigabeerklärung sei rechtswidrig, weil die Beigeladene zu 3 sich die Prüfervoten nicht habe vorlegen lassen und nicht inhaltlich geprüft habe, ob sie ihrem Wesen nach gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO geheim zu haltende Bestandteile enthalte. Die Beigeladene zu 3 habe daher auch keine ermessensbezogene Abwägung vorgenommen, ob die Prüfervoten vollständig geheimhaltungsbedürftig oder mit Teilschwärzung herauszugeben seien. Die von der Beigeladenen zu 3 in Bezug genommene Passage des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts rechtfertige den behaupteten Umkehrschluss nicht. Die Kommentarliteratur stütze die Freigabeerklärung ebenfalls nicht, beziehe sie sich doch auf eine hier nicht vorliegende Fallkonstellation. Der Fachsenat könne eine Einschätzung der obersten Aufsichtsbehörde und deren Ermessenserwägungen nur kontrollieren und nicht ersetzen. Die Erwägungen der Beigeladenen zu 3 seien nicht geeignet, die Möglichkeit einer Sperrerklärung von vornherein auszuschließen. Dass die Gerichte über die rechtmäßige Anwendung von § 5 Nr. 7 HmbTG entschieden, führe nicht weiter.

7 Gegen diesen Beschluss richten sich die fristgerecht erhobenen Beschwerden der Beigeladenen zu 2 und der Klägerin.

8 Die Beigeladene zu 2 beantragt, den Beschluss abzuändern und die Beigeladene zu 3 zur Abgabe einer Sperrerklärung im Hinblick auf die im Beweisbeschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. März 2020 genannten Schriftstücke zu verpflichten, sowie die Beschwerde der Klägerin zurückzuweisen.

9 Sie macht geltend, analog § 99 Abs. 2 VwGO einen Anspruch auf Erlass einer Sperrerklärung bezüglich der Prüfervoten und nicht nur auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freigabeerklärung zu haben. Die Prüfervoten seien nach § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig, denn sie ließen unmittelbar Rückschlüsse auf den Inhalt ihrer Masterarbeit zu. Damit seien ihre durch Art. 5 Abs. 3 GG grundrechtlich geschützten Interessen betroffen. Zudem unterfielen ihre Urheberrechte dem Schutz von Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG. Ihre Masterarbeit und die Prüfervoten seien im Übrigen im Hinblick auf ihre Persönlichkeitsrechte als personenbezogene Daten ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig. Da ihre Interessen etwaige schutzwürdige Interessen der Klägerin überwögen, sei das Ermessen der Beigeladenen zu 3 auf Null reduziert, sodass sie einen Anspruch auf Abgabe einer Sperrerklärung habe. Hilfsweise sei die Freigabeerklärung aus den genannten Gründen rechtswidrig. Sie habe sehr wohl mit Schriftsatz vom 7. Juli 2021 einen außergerichtlichen Antrag auf eine Sperrerklärung an die Beigeladene zu 3 gerichtet, den diese allerdings nicht zur Akte genommen habe. Der Justiziar der Beigeladenen zu 3 habe mit E-Mail vom 14. Juli 2021 um Fristverlängerung zu dem Antrag gebeten und mit weiterer E-Mail vom 20. Juli 2021 mitgeteilt, dass derzeit niemand die Sache bearbeiten könne.

10 Die Klägerin beantragt, den Beschluss aufzuheben, soweit er die Rechtswidrigkeit der Freigabeerklärung feststellt, und den Antrag der Beigeladenen zu 2 abzulehnen.

11 Sie macht geltend, die Weigerung der Beigeladenen zu 3, eine Sperrerklärung abzugeben, sei ermessensfehlerfrei. Das Oberverwaltungsgericht habe nicht aufgeklärt, ob die Beigeladene zu 3 die Prüfakten vor ihrer Entscheidung eingesehen habe und könne daher auch nicht aus dem Umstand, dass diese nicht angefordert worden seien, auf einen Ermessensausfall schließen. Aus dem unvollständigen und nicht ordnungsgemäß geführten Verwaltungsvorgang der Beigeladenen zu 3 gehe nicht hervor, ob die Beigeladene zu 2 vor ihrem Antrag auf Durchführung des In-camera-Verfahrens überhaupt einen Antrag auf Erlass einer Sperrerklärung gestellt habe. Ohne vorherigen Antrag bei der Beigeladenen zu 3 sei der Antrag der Beigeladenen zu 2 analog § 99 Abs. 2 VwGO mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig. Jedenfalls sei er deshalb unzulässig, weil sie die Bescheidung des außergerichtlichen Antrages durch die Beigeladene zu 3 nicht abgewartet habe. Welche Prüfung die Beigeladene zu 3 angestellt habe, sei angesichts der nicht ordnungsgemäß geführten Akten unklar. Jedenfalls könne sich die Beigeladene zu 2 nicht auf schutzwürdige Geheimhaltungsinteressen berufen. Die Erwägungen des Bundesverwaltungsgerichts im Beschluss vom 19. April 2021 - 20 F 9.20 - seien in die rechtlichen Erwägungen der Beigeladenen zu 3 ermessensfehlerfrei eingeflossen. Deren Ermessen sei nicht auf Null reduziert. Gesetzliche Geheimhaltungsgründe im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 VwGO bestünden nicht. Die Ausschlussgründe des Hamburgischen Transparenzgesetzes seien unbeachtlich und lägen auch nicht vor. Die Prüfervoten seien zudem nicht wesensmäßig geheimhaltungsbedürftig gemäß § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO. Zu Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen sei nichts vorgetragen. Die Prüfervoten unterfielen nicht der Wissenschaftsfreiheit. Sie enthielten auch keine personenbezogenen Daten der Beigeladenen zu 2. Selbst wenn diese sich auf Grundrechte berufen könne, gehe die Interessenabwägung zugunsten der Klägerin aus. Wegen eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens der Beigeladenen zu 2 und der Beklagten seien deren Interessen nicht relevant, während die Klägerin die begehrten Informationen zum Schutz ihres Eigentums, ihrer Berufs- und Wissenschaftsfreiheit benötige. Das In-camera-Verfahren werde zur Verzögerung des Hauptsacheverfahrens missbraucht. Die Beschwerde der Beigeladenen zu 2 sei unstatthaft, soweit sie eine Sperrerklärung bezogen auf andere Dokumente als die Prüfervoten verlange. Die Formulierung ihres Antrages berücksichtige nicht, dass der Beweisbeschluss vom 20. März 2020 teilweise aufgehoben sei und wende sich der Sache nach daher gegen die teilweise Einstellung des Verfahrens, gegen die ein Rechtsmittel nicht statthaft sei. Im Übrigen sei sie unbegründet, weil die Prüfervoten weder im Sinne von § 99 Abs. 1 Satz 2 Alt. 3 VwGO wesensmäßig geheimhaltungsbedürftig seien noch eine Ermessensreduktion auf Null eingetreten sei.

12 Auch die Beklagte beantragt, die Beschwerde der Klägerin zurückzuweisen. Der Beigeladenen zu 2 sei kein wissenschaftliches Fehlverhalten vorzuwerfen. Die Freigabeerklärung sei ermessensfehlerhaft.

II

13 Die zulässigen Beschwerden sind unbegründet. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat im Ergebnis zu Recht die Rechtswidrigkeit der Freigabeerklärung der Beigeladenen zu 3 vom 22. Oktober 2021 festgestellt.

14 1. Die Beschwerde der Beigeladenen zu 2 ist zulässig, aber unbegründet.

15 a) Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin ist die Beschwerde nicht teilweise unstatthaft, denn sie richtet sich nicht gegen die teilweise Einstellung des Zwischenverfahrens durch den Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts und nicht auf die Abgabe einer Sperrerklärung bezüglich anderer Unterlagen als der Prüfervoten. Zwar macht die Beigeladene zu 2 unter dem 16. Mai 2022 einen Anspruch auf Verpflichtung der Beigeladenen zu 3 zur Abgabe einer Sperrerklärung im Hinblick auf die im Beweisbeschluss vom 20. März 2020 genannten Schriftstücke geltend. Die Begründung dieses Antrages macht Geheimhaltungsgründe und eine Ermessensreduzierung auf Null aber ausdrücklich nur bezogen auf die Prüfervoten geltend. Damit ist dem Antrag durch Auslegung ohne Weiteres zu entnehmen, dass er sich nur auf die Unterlagen bezieht, hinsichtlich derer der Beweisbeschluss vom 20. März 2020 nach Maßgabe des Änderungsbeschlusses des Verwaltungsgerichts vom 29. September 2021 aufrechterhalten wird.

16 b) Die Beschwerde ist unbegründet.

17 aa) Der Antrag der Beigeladenen zu 2 vom 28. Juli 2021 ist analog § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO zulässig.

18 aaa) Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts geht zutreffend davon aus, dass mit einem Antrag nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht nur die Rechtmäßigkeit einer Sperrerklärung der obersten Aufsichtsbehörde zur Überprüfung gestellt werden kann, sondern ebenso die behördliche Entscheidung, einem Aktenvorlageersuchen des Verwaltungsgerichts zu entsprechen, sei es, weil schon Geheimhaltungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO a. F. (nunmehr § 99 Abs. 1 Satz 3 VwGO) verneint werden, sei es, weil im Rahmen einer Ermessensentscheidung die Abwägung zugunsten einer Vorlage ausfällt (BVerwG, Beschlüsse vom 14. August 2003 - 20 F 1.03 - BVerwGE 118, 350 ff. und vom 2. November 2010 - 20 F 2.10 - juris Rn. 8 m. w. N).

19 bbb) Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin fehlt dem Antrag auch nicht deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, weil die Beigeladene zu 2 zuvor keinen außergerichtlichen Antrag gestellt oder dessen Bescheidung abgewartet hätte.

20 Zwar rügt die Klägerin mit Recht eine unzulängliche Aktenführung. Die Beigeladene zu 3 hat auf gerichtliche Nachfrage unter dem 29. August 2022 eingeräumt, den Verbleib des Antrages der Beigeladenen zu 2 vom 7. Juli 2021 auf Abgabe einer Sperrerklärung nicht mehr klären zu können. Die Beigeladene zu 2 hat aber sowohl ihren Antrag vom 7. Juli 2021 an die Beigeladene zu 3 als auch einen auf diesen bezogenen Austausch von E-Mails über eine Verlängerung der Bearbeitungsfrist für die Beigeladene zu 3 vorgelegt. Danach hatte der Prozessbevollmächtigte der Beigeladenen zu 2 auf die Bitte der Beigeladenen zu 3 um Fristverlängerung sein Einverständnis erklärt, bis zum 27. Juli 2021 abwarten zu wollen.

21 Dass die Beigeladene zu 3 ihren Verwaltungsvorgang nicht mit der gebotenen Sorgfalt vollständig führt, fällt nicht in den Verantwortungsbereich der Beigeladenen zu 2. Daher dürfen dieser aus der unzureichenden Aktenführung auch keine prozessualen Nachteile erwachsen. Die unterbliebene Aufnahme des vorgerichtlichen Antrages auf Abgabe einer Sperrerklärung in die Akten nimmt ihrem Antrag nach § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO analog nicht das Rechtsschutzinteresse. Ihr kann auch eine verfrühte Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes nicht vorgeworfen werden, denn sie hat vor der Stellung des Antrages auf Vorlage an den Fachsenat vom 28. Juli 2021 das ergebnislose Verstreichen der von ihr gesetzten und bis zum 27. Juli 2021 verlängerten Frist abgewartet. Spätestens nachdem die Beigeladene zu 3 im gerichtlichen Verfahren unter dem 22. Oktober 2021 eine Freigabeerklärung abgegeben hatte, bestand für sie ein schutzwürdiges Interesse an der Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes.

22 ccc) Die Entscheidungserheblichkeit der Vorlage der Prüfervoten ist durch das Verwaltungsgericht im Beschluss vom 20. März 2020 ordnungsgemäß verlautbart. Dies ist bereits im Beschluss des Senats vom 19. April 2021 - 20 F 9.20 - Rn. 22 ausgeführt, auf den verwiesen wird.

23 Zur Beschleunigung des Verfahrens wird allerdings darauf hingewiesen, dass das Verwaltungsgericht die Notwendigkeit einer Beweisaufnahme durch Beiziehung der Prüfervoten voraussichtlich erneut überprüfen muss, wenn ihm die Beigeladene zu 3 etwa im Rahmen einer Sperrerklärung deren Inhalt absatzweise abstrakt umschreibt. Solche Erläuterungen können eine erneute Überprüfungspflicht des Gerichts der Hauptsache auslösen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. März 2019 - 20 F 8.17 - juris Rn. 5). Das Verwaltungsgericht hat zwar in vertretbarer Weise ausgeführt, dass sich der Informationsanspruch der Klägerin nach dem Hamburgischen Transparenzgesetz auch auf Prüfervoten erstrecken könne, weil der für Prüfungen vorgesehene Ausnahmetatbestand in § 5 Nr. 7 HmbTG eng auszulegen sei. Es hat sich jedoch nicht mit anderen Ausschlussgründen befasst, die dem Informationsanspruch jedenfalls in Bezug auf einzelne Passagen der Prüfervoten entgegenstehen können. Darum wird es bei einer abstrakten Umschreibung des Inhalts der Dokumente insbesondere darauf eingehen müssen, ob die Prüfervoten als personenbezogene Daten der Beigeladenen zu 2 (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. November 2022 - 6 C 10.21 - NVwZ 2023, 346 Rn. 16 ff.) dem besonderen Schutz nach § 12 Abs. 7 i. V. m. § 4 Abs. 3 HmbTG unterliegen. Ferner wird es klären müssen, ob die Passagen der Prüfervoten, die den Inhalt der Masterarbeit wiedergeben, im Hinblick auf den Schutz geistigen Eigentums (§ 12 Abs. 7 i. V. m. § 8 Abs. 1 HmbTG) nicht offenzulegen sind oder der Bereichsausnahme der angewandten Forschung in § 5 Nr. 7 HmbTG unterliegen, die bei einem weiten Verständnis auch außerhalb von Forschungsarbeiten Anwendung finden kann (vgl. dazu OVG Hamburg, Urteil vom 25. November 2020 - 3 Bf 183/18 - NVwZ-RR 2021, 1041).

24 bb) Der Antrag analog § 99 Abs. 2 VwGO ist begründet, soweit er auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freigabeerklärung gerichtet ist. Ein weitergehender Anspruch besteht nicht.

25 aaa) Zu Unrecht beanstandet die Beigeladene zu 2 den Beschluss der Vorinstanz deshalb, weil er auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Freigabeerklärung beschränkt ist und keine Verpflichtung der obersten Aufsichtsbehörde zur Abgabe einer Sperrerklärung oder zur Neubescheidung ihres Antrages auf Abgabe einer Sperrerklärung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts ausspricht. Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts führt zutreffend aus, dass ein Gestaltungstenor in § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO keine gesetzliche Grundlage hat. Nach dem eindeutigen Wortlaut der Norm ist der Fachsenat im In-camera-Verfahren auf die Feststellung beschränkt, ob die Verweigerung der Vorlage von Unterlagen rechtmäßig ist. Dass die Beschränkung auf einen Feststellungstenor der Absicht des Gesetzgebers entspricht, ist den Materialien zur Neufassung des § 99 Abs. 2 VwGO zu entnehmen. Die Beschränkung soll der Behörde nämlich die Möglichkeit geben, bei Feststellung der Rechtswidrigkeit der Vorlageverweigerung dem Rechtsschutzziel des Betroffenen nachzukommen, ohne durch einen Verpflichtungsbeschluss tatsächlich zur Vorlage verpflichtet zu sein (BT-Drs. 14/6854, S. 4; Rudisile, in: Schoch/​Schneider, Verwaltungsrecht, § 99 Rn. 45a). Nichts anderes gilt, soweit die Rechtmäßigkeit einer Freigabeentscheidung über die Vorlage analog § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO in Streit steht.

26 Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 27. Mai 2009 - 13a F 13/09 - (NVwZ 2009, 1510 <1511>), auf den sich die Beigeladene zu 2 bezieht. Denn auch dieser Beschluss tenoriert antragsgemäß (a. a. O. S. 1510) einen Feststellungsausspruch und enthält in der angeführten Randziffer keine Ausführungen, die die Einwände der Beigeladenen zu 2 gegen den bloßen Feststellungstenor stützen könnten. Effektiver Rechtsschutz im Sinne von Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG wird der Beigeladenen zu 2 auch durch die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer von ihr angegriffenen Aktenfreigabe gewährt, da die oberste Aufsichtsbehörde an Recht und Gesetz gebunden ist (Art. 20 Abs. 3 GG) und einem rechtskräftigen Feststellungstenor auch dann zu entsprechen hat, wenn er nicht vollstreckbar ist.

27 bbb) Der Fachsenat des Oberverwaltungsgerichts hat im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass die Freigabeerklärung vom 22. Oktober 2021 rechtswidrig ist. Hierfür kommt es nicht darauf an, ob die Beigeladene zu 3 sich die Prüfervoten von der Beklagten hat vorlegen lassen und diese inhaltlich durchgesehen hat. Denn die Rechtswidrigkeit der Freigabeerklärung beruht auf einem fehlerhaften Verständnis des Beschlusses vom 19. April 2021 - 20 F 9.20 -, durch den sie sich aus Rechtsgründen an einer Prüfung von weiteren Weigerungsgründen gehindert gesehen hat. Wegen dieses Fehlverständnisses hat die Beigeladene zu 3 das Eingreifen tatbestandlicher Voraussetzungen eines Geheimhaltungsgrundes nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO gar nicht erst geprüft und das bei dieser Prüfung gebotene Ermessen nicht ausgeübt. Tatsächliche Feststellungen zum Inhalt der Prüfervermerke sind für die Freigabeerklärung nicht maßgeblich gewesen.

28 Die Vorinstanz führt zutreffend aus, dass die Beigeladene zu 3 sich wegen eines fehlerhaften Umkehrschlusses an der Prüfung von Geheimhaltungsgründen nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO gehindert gesehen hat. Ob Prüfervoten ganz oder teilweise ihrem Wesen nach geheim zu halten sind, sodass ihre Vorlage verweigert werden kann, ist auch dann durch die zuständige oberste Aufsichtsbehörde zu prüfen, wenn die geltend gemachten Geheimhaltungsgründe sich ganz oder teilweise mit gesetzlichen Ausschlüssen oder Begrenzungen von Informationsansprüchen gegen Behörden - wie etwa nach dem Hamburgischen Transparenzgesetz - decken können. Dass Beschränkungen von Auskunftsansprüchen nach dem Hamburgischen Transparenzgesetz keine gesetzliche Geheimhaltungspflicht nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 VwGO begründen können, schließt es nicht aus, dass entsprechende Vorgänge ganz oder teilweise gemäß § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO ihrem Wesen nach geheim zu halten sind. Der Beschluss vom 19. April 2021 - 20 F 9.20 - ist darauf gestützt, dass eine solche Prüfung in der damals streitgegenständlichen Sperrerklärung nicht angestellt worden war, nicht darauf, dass eine solche Prüfung nicht erfolgen sollte. Dies ergibt sich insbesondere nicht aus dem von der Beigeladenen zu 3 wörtlich zitierten Satz in Randnummer 31 des genannten Beschlusses.

29 ccc) Auf dieser Verkennung der Rechtslage beruht die Freigabeerklärung. Denn es liegen Geheimhaltungsgründe vor, die die Beigeladene zu 3 gemäß § 99 Abs. 1 Satz 3 VwGO verpflichten, nach pflichtgemäßem Ermessen über eine teilweise oder vollständige Zurückhaltung der Prüfervoten zu entscheiden.

30 (1) Die Prüfungsunterlagen sind allerdings nicht schon aufgrund eines Gesetzes im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 VwGO insgesamt geheim zu halten. Die Beigeladene zu 2 weist zwar zu Recht darauf hin, dass die Prüfervoten den Schutz der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verbreitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr sowie zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung - DSGVO - ABl. L 119 S. 1) genießen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Urteil vom 20. Dezember 2017 - C-434/16 [ECLI:​​EU:​​C:​​2017:​​994] - NJW 2018, 767 Rn. 42 ff.) und des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 30. November 2022 - 6 C 10.21 - NVwZ 2023, 346 Rn. 16 ff.) handelt es sich zwar beim gesamten Inhalt eines Prüfervotums um personenbezogene Daten im Sinne des Art. 4 Nr. 1 DSGVO. Deswegen hat der Prüfling ein Recht auf Einsichtnahme und kann der Weitergabe dieser Voten in dem von der Verordnung vorgesehenen Umfang widersprechen. Die Datenschutz-Grundverordnung ist jedoch kein Gesetz, das im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 2 VwGO eine Geheimhaltung von Daten auch gegenüber dem mit einem Rechtsstreit befassten Gericht fordert. Vielmehr wird den Verwaltungsgerichten die Verarbeitung von personenbezogenen Daten zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben in Art. 6 Abs. 1 Buchst. e DSGVO i. V. m. § 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst b, § 3 BDSG gestattet. Dies schließt die Kenntnisnahme dieser Daten durch das Gericht ein und lässt nach dem Ausgestaltungsvorbehalt des Art. 6 Abs. 3 Satz 1 Buchst. b DSGVO auch deren Weitergabe im Rahmen der sich aus dem nationalen Recht der Mitgliedstaaten ergebenden Gesetze zu (vgl. VGH München, Beschluss vom 7. Januar 2020 - 8 ZB 18.16 52 - juris Rn. 28 m. w. N.). Dementsprechend gebietet die Datenschutz-Grundverordnung keine generelle Geheimhaltung bestimmter Verfahrensakten gegenüber dem erkennenden Gericht und steht auch der in §§ 99, 100 VwGO vorgesehenen Akteneinsicht nicht entgegen. Vor allem lässt die Open-Data-Regelung des Art. 86 DSGVO die Offenlegung personenbezogener Daten im Interesse des Zugangs der Öffentlichkeit zu amtlichen Dokumenten, d. h. in Informationszugangs- und Transparenzgesetzen, zu (vgl. VGH München, Beschluss vom 7. August 2020 - 5 CS 20.13 02 - juris Rn. 23; OVG Weimar, Beschluss vom 2. November 2021 - 3 EO 280/20 - ThürVBl 2023, 39 <45>).

31 (2) Eine vollständige Zurückhaltung der Prüfervoten ist auch nicht deswegen geboten, weil Prüfungsunterlagen im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO ihrem Wesen nach geheim zu halten sind. Diese früher vertretene Rechtsauffassung hat das Bundesverwaltungsgericht aufgegeben (BVerwG, Urteil vom 9. Dezember 1992 - 6 C 3.92 - BVerwGE 91, 262 <267>). Denn akademische und berufliche Abschlussprüfungen haben zentrale Bedeutung für das berufliche Fortkommen des Einzelnen und seine Chancen im Wettbewerb mit anderen. Für die Verwirklichung der Grundsätze der Chancengleichheit der Bewerber und der Bewertung nach dem Leistungsprinzip ist dabei ein gewisses Maß an Transparenz des Prüfungsverfahrens wünschenswert, weswegen zahlreiche akademische und berufliche Prüfungen öffentlich durchgeführt werden. Eine nachträgliche Kontrolle der Rechtmäßigkeit des Prüfungsverfahrens durch interne Kommissionen der Prüfungseinrichtung und durch externe Gerichte ist zur Sicherung der Rechtmäßigkeit des Prüfungsverfahrens unabdingbar. Daher rechtfertigen weder die Unabhängigkeit der Prüfer noch personelle Engpässe im Prüferbereich, Prüfungsakten dem Gericht der Hauptsache oder dem Prüfling nicht oder nur unter Anonymisierung des Prüfers zur Verfügung zu stellen (vgl. BVerwG, Urteil vom 16. März 1994 - 6 C 1.93 - BVerwGE 95, 237 <252> und Beschluss vom 10. Januar 2017 - 20 F 3.16 - BVerwGE 157, 181 Rn. 9 ff.).

32 (3) Dieser Grundsatz schließt es aber nicht aus, dass Prüfungsunterlagen im Einzelfall ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftige Inhalte haben, die nach Abwägung kollidierender Interessen der Prozessbeteiligten unter Berücksichtigung des Gebotes, effektiven Rechtsschutz zu gewähren, die vollständige oder teilweise Verweigerung ihrer Vorlage in einem Gerichtsverfahren um Informationsansprüche verlangen können (vgl. VGH München, Beschluss vom 11. Juni 1996 - 3 C 95.4126 - NVwZ-RR 1997, 357 f.). Solche Aspekte können insbesondere eine Rolle spielen, wenn es - wie hier - um die Einsichtnahme in Prüfungsunterlagen geht, die Arbeiten im Bereich der angewandten Wissenschaft und der naturwissenschaftlichen Forschung betreffen.

33 (a) In diesem Bereich ist es denkbar, dass der referierende Teil eines Prüfervotums Rückschlüsse auf Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse eines an dem Forschungsvorhaben beteiligten Unternehmens zulässt. Insbesondere wenn ein Student - wie hier die Beigeladene zu 2 - die wissenschaftlichen Untersuchungen für seine Prüfungsarbeit in Absprache mit einem pharmazeutisch tätigen Unternehmen plant und in dessen Labor durchführt, ist nicht auszuschließen, dass der berichtende Teil des Prüfervotums wettbewerbsrelevante Informationen zu Art und Umfang geheim gehaltener Forschungen des Unternehmens enthält. Solche Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse gehören zu den Vorgängen, die gemäß § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO ihrem Wesen nach geheim zu halten sind (BVerwG, Beschluss vom 5. März 2020 - 20 F 3.19 - NVwZ 2020, 715 Rn. 11 m. w. N.). Auf deren Schutz kann sich nicht nur der Inhaber des Unternehmens, sondern auch der dort Beschäftigte berufen, der vertraglich oder gesetzlich zur Geheimhaltung verpflichtet ist (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 3, § 23 Abs. 1 Nr. 3 GeschGehG).

34 (b) Der Schutz des § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO vor Ausspähung wirtschaftlich verwertbarer Geheimnisse steht aber nicht ausschließlich Unternehmen zu, auch wenn der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der praktisch bedeutsamste Anwendungsfall ist. In gleicher Weise können auch Wissenschaftler und Privatpersonen ein Geheimhaltungsinteresse an wirtschaftlich verwertbaren Forschungsergebnissen oder Produktentwicklungen haben. Speziell im Bereich der angewandten Wissenschaft können Forschungsergebnisse dem Wesen nach geheim zu halten sein, wenn bereits deren Offenlegung im Rahmen der Akteneinsicht vor dem Gericht der Hauptsache die erhebliche Gefahr einer Entwertung des geistigen Eigentums mit sich bringt. Dies folgt daraus, dass dem Schöpfer eines geistigen Werks das von Art. 14 Abs. 1 GG geschützte Recht zur wirtschaftlichen Verwertung zusteht. Er kann frei darüber entscheiden, ob und wie er es verwertet und wann er eine Veröffentlichung vornimmt (§ 12 UrhG). Aufgrund seines Erstveröffentlichungsrechts kann er Dritte, die es unbefugt veröffentlichen, auf Unterlassung und Schadensersatz in Anspruch nehmen. Insbesondere wenn der Urheber des Werks keine Verwertung durch Veröffentlichung anstrebt, schützt das Erstveröffentlichungsrecht seine Geheimhaltungsinteressen (BVerwG, Urteil vom 26. September 2019 - 7 C 1.18 - GRUR 2020, 189 Rn. 45). Ein rechtlich geschütztes Geheimhaltungsinteresse besteht im Bereich der angewandten Wissenschaft beispielsweise dann, wenn eigene wissenschaftliche Untersuchungen exklusiv einem Wirtschaftsunternehmen oder einer bestimmten Forschergruppe für darauf aufbauende Forschungen oder Produktentwicklungen zur Verfügung gestellt werden sollen.

35 Das durch das Erstveröffentlichungsrecht geschützte Geheimhaltungsinteresse ist zwar nicht immer ein Geheimhaltungsgrund im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO, der es rechtfertigt, das Gericht der Hauptsache von der prozessualen Kenntnisnahme (noch) nicht veröffentlichter Werke auszuschließen. Denn § 45 UrhG und Art. 5 Abs. 3 Buchst. e der Richtlinie 2001/29/EG lassen Beschränkungen des Urheberrechts zum Zwecke der Rechtspflege zu. Dies ermöglicht vielfach die Einsicht in nicht veröffentlichte Werke für prozessuale Zwecke. Nach dem in Art. 5 Abs. 5 der Richtlinie 2001/29/EG vorgesehenen Drei-Stufen-Test, ist die auf der ersten Stufe vorgesehene prozessuale Inanspruchnahme aber nur zulässig, wenn auf der zweiten Stufe die normale Verwertung des Werks nicht beeinträchtigt und auf der dritten Stufe die berechtigten Interessen des Rechtsinhabers nicht ungebührlich verletzt werden (vgl. BGH, Urteile vom 21. Januar 2021 - I ZR 59/19 - BGHZ 228, 277 Rn. 27 f. und vom 30. April 2020 - I ZR 228/15 - NJW 2020, 2554 Rn. 69 ff.). Soll die wirtschaftliche Erstverwertung einer wissenschaftlichen Untersuchung aber gerade dadurch erfolgen, dass deren Ergebnisse exklusiv einem Wirtschaftsunternehmen zur Verfügung gestellt werden, beeinträchtigt eine Offenlegung der wesentlichen Forschungsergebnisse in einem Prozess gegenüber einem konkurrierenden Unternehmen bereits die Erstverwertung.

36 (c) Im Hinblick darauf, dass sich im vorliegenden Fall bereits der Schutz des geistigen Eigentums aus Art. 14 Abs. 1 GG zu einem Geheimhaltungsgrund für wirtschaftlich verwertbare Forschungsgeheimnisse im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO verdichtet, bedarf die von der Beigeladenen zu 2 aufgeworfene Frage keiner abschließenden Entscheidung, ob und in welchem Umfang die Wissenschafts- und Forschungsfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG einen besonderen Schutz für geheim gehaltene Forschungen in einem Gerichtsverfahren vermittelt. Dies wird teilweise bezweifelt (BayObLG, Beschluss vom 28. Juli 2020 ‌- 8 St ObWs 5/20 - NStZ 2021, 631 Rn. 19 - 23 unter Verweis auf EGMR, Urteil vom 3. April 2012 - 41723/06 - NLMR 2012, 100 <102>). Denn Wissenschaft, Forschung und Lehre sind auf die Vermehrung und Weitergabe des Wissens der Menschheit ausgerichtet. Sie erreichen dieses Ziel durch Publikation von Informationen, Quellen und Theorien sowie durch deren öffentliche und kritische Diskussion, mithin durch einen transparenten Prozess. Dies spricht dagegen, dass die in bestimmten Forschungsbereichen vorhandenen wirtschaftlichen, staatlichen oder militärischen Geheimhaltungsgründe einem besonderen Schutz des Art. 5 Abs. 3 GG unterstehen.

37 Gleichwohl kann die Forschungsfreiheit die Erhebung und Vertraulichkeit von Daten im Rahmen wissenschaftlicher Forschungsprojekte gebieten (BVerfG, Beschluss vom 25. September 2023 - 1 BvR 2219/20 - juris Rn. 13). Für die Anerkennung eines spezifisch wissenschaftlichen Geheimhaltungsinteresses spricht zwar, dass die Wissenschaftsfreiheit auch die autonome Entscheidung des einzelnen Wissenschaftlers schützt, wann und in welcher Form er seine wissenschaftlichen Erkenntnisse veröffentlicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. März 1978 - 1 BvR 333/74 u. a. - BVerfGE 47, 327 <383>). Dementsprechend können Gesetze, die Zugang zu bislang nicht veröffentlichten Forschungsarbeiten gewähren, als rechtfertigungsbedürftige Grundrechtseingriffe in die Forschungsfreiheit verstanden werden (vgl. VerfGH Koblenz, Beschluss vom 27. Oktober 2017 - VGH B 37/16 - juris Rn. 22 und OVG Hamburg, Urteil vom 25. November 2020 - 3 Bf 183/18 - juris Rn. 90; Gärditz, in: Dürig/​Herzog/​Scholz, GG, Stand August 2023, Art. 5 Abs. 3 Rn. 146). Dies schließt jedoch eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Offenlegungspflichten zugunsten anderer verfassungsrechtlicher Schutzgüter nicht aus (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. März 1978 ‌- 1 BvR 333/74 u. a. - BVerfGE 47, 327 <383 ff.>; Wittreck, in: Dreier, GG, 3. Aufl. 2013, Art. 5 Abs. 3 Rn. 26). Soweit die Strafprozessordnung keine Beschlagnahmeverbote oder Zeugnisverweigerungsrechte in Bezug auf geheim gehaltene Forschungsunterlagen enthält, wird dies auch mit einer gesetzlichen Abwägungsentscheidung zugunsten des rechtsstaatlichen Interesses an einer funktionierenden Strafrechtspflege begründet (BayObLG, Beschluss vom 28. Juli 2020 - 8 St ObWs 5/20 - NStZ 2021, 631 Rn. 24). Daher ist es auch im Verwaltungsprozessrecht zweifelhaft, ob ein besonderer Geheimhaltungsschutz in Bezug auf nicht veröffentlichte Forschungsergebnisse schon allein aus Art. 5 Abs. 3 GG folgt. Jedenfalls verstärkt aber die von Art. 5 Abs. 3 GG gewährte Entscheidungsautonomie über Zeitpunkt und Form der Veröffentlichung bei einem wirtschaftlich verwertbaren Forschungsgeheimnis den von Art. 14 GG gewährten Schutz (vgl. Hufen, NVwZ 2017, 1265 <1266>).

38 Im vorliegenden Fall hat die Einsichtnahme in die im Zwischenverfahren allein in Rede stehenden Prüfervoten ergeben, dass das Erstgutachten Rückschlüsse auf den Inhalt der Arbeit erlaubt. Das Erstgutachten besteht nämlich in seinen ersten fünf Absätzen in einer Inhaltsangabe der Masterarbeit der Beigeladenen zu 2, die auf der Grundlage einer von dieser erstellten und dem Gutachten auch angefügten Zusammenfassung erstellt wurde. Die wertenden Anmerkungen in seinen vier letzten Absätzen sind dagegen abstrakt gehalten und erlauben für sich genommen keinen Rückschluss auf den Inhalt der Arbeit. Das Zweitgutachten begründet die Notenvergabe nicht mit einem Referat des Inhalts der Arbeit, vielmehr mit einem kurzen Fließtext und einer tabellarischen Übersicht, die den Bewertungskriterien mit den jeweils möglichen Höchstpunktzahlen die zu den einzelnen Kriterien vergebene Punktzahl und einer kurzen Begründung gegenüberstellt. Aus der Summe der vergebenen Punkte errechnet sich dort nach einem Note-Punkt-Schema die Note. Die Anmerkungen sind sowohl im Fließtext als auch im tabellarischen Teil so abstrakt gehalten, dass sie einen Rückschluss auf den Inhalt der Arbeit nicht erlauben.

39 Da das Erstveröffentlichungsrecht nach § 12 Abs. 2 UrhG auch die Verbreitung von Inhaltsangaben verbietet (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 19. März 2020 - I-20 U 41/19, 20 U 41/19 - juris Rn. 78), würde deren Offenlegung jedenfalls geistiges Eigentum der Beigeladenen zu 2 verletzen und in die wirtschaftliche Verwertung ihrer Forschungsarbeit eingreifen. Insofern ist ein wirtschaftliches Privatgeheimnis betroffen, das bereits durch die Einsichtnahme der Klägerin im Prozess entwertet werden kann und darum im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO dem Wesen nach geheim zu halten ist. Ob die zusammenfassende Beschreibung des Forschungsprojekts auch Rückschlüsse auf die Forschungen der N. und deren Betriebsgeheimnisse zulässt, bedarf hier keiner weiteren Vertiefung. Denn die Beigeladene zu 3 ist bereits aufgrund der Beeinträchtigung dieses wirtschaftlich verwertbaren privaten Forschungsgeheimnisses der Beigeladenen zu 2 verpflichtet, eine erneute Ermessensentscheidung über die Abgabe einer Sperrerklärung zu treffen.

40 (d) Zudem gehören die Prüfungsbewertungen (Punktzahlen und Noten) zu den personenbezogenen Angaben, an deren Geheimhaltung ein grundrechtlich geschütztes Interesse besteht und die im Sinne des § 99 Abs. 1 Satz 3 VwGO ihrem Wesen nach geheimhaltungsbedürftig sein können. Ein solches Geheimhaltungsinteresse kann insbesondere dann glaubhaft gemacht werden, wenn die Prüfungsergebnisse vom Betroffenen selbst bislang nicht allgemein verbreitet worden sind. Da im allgemeinen Rechtsverkehr nur das Vorliegen eines Berufs- oder Hochschulabschlusses relevant ist und die im Einzelnen erzielten Prüfungsergebnisse regelmäßig nur bei Bewerbungen gegenüber Arbeitgebern offengelegt werden, legen zahlreiche Hochschulabsolventen darauf Wert, ihre Prüfungsnoten ansonsten nicht publik zu machen. Die in Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 2 Abs. 1 GG gewährleistete informationelle Selbstbestimmung schützt auch das Recht der Beigeladenen zu 2, selbst zu entscheiden, wem die Bewertung ihrer geistigen Leistungen in ihrer Abschlussarbeit offengelegt wird. Es ist auch nicht auszuschließen, dass dieses grundrechtlich geschützte Interesse, eigene Prüfungsbewertungen nicht öffentlich zu machen, auch in einem Gerichtsverfahren, in dem um die anlasslose Bekanntgabe nach einem Informationsfreiheitsgesetz gestritten wird, überwiegt.

41 Solche personenbezogenen Daten enthalten nach Einsichtnahme sowohl das Erstgutachten in dessen letzten vier Absätzen als auch das Zweitgutachten in allen seinen Teilen.

42 ddd) Dass diese Interessen der Beigeladenen zu 2 vom Schutzbereich ihrer Grundrechte umfasst sind, ist eine notwendige, aber noch keine hinreichende Bedingung für das Eingreifen von Weigerungsrechten nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO. Die der obersten Aufsichtsbehörde zugewiesene Entscheidung verlangt eine Gewichtung der kollidierenden Grundrechte der Prozessbeteiligten und ihrer Abwägung unter Berücksichtigung auch des Umstandes, dass eine Offenlegung nur gegenüber dem Hauptsachegericht und den zur Akteneinsicht berechtigten Prozessparteien in Rede steht. Hierbei ist dem hohen Gewicht der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes in der Hauptsache Rechnung zu tragen. Die vollständige und ungeschwärzte Herausgabe entscheidungserheblicher Vorgänge kann nur dann nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO verweigert werden, wenn durch die Vorlage im Prozess schwerwiegende Nachteile für gewichtige Interessen der Öffentlichkeit oder privater Personen drohen (Rudisile, in: Schoch/​Schneider, Verwaltungsrecht, § 99 Rn. 18). Die Fachsenate sind zur Überprüfung der hier zu treffenden Ermessensentscheidung berufen, können aber nicht ihr eigenes Ermessen an die Stelle der Ermessensausübung der zuständigen Aufsichtsbehörde setzen. Wenn diese aber - wie hier - wesensmäßige Geheimhaltungsgründe gar nicht erst prüft, die für die Annahme des Eingreifens eines Geheimhaltungsgrundes ebenso wie für die abschließende Ermessensentscheidung erforderliche Abwägung kollidierender grundrechtlich geschützter Interessen der Prozessbeteiligten nicht vornimmt und daher auch kein Ermessen ausübt, kann der Fachsenat - wie die Vorinstanz zutreffend ausführt - nur die Rechtswidrigkeit der Freigabe feststellen.

43 2. Die zulässige Beschwerde der Klägerin ist ebenfalls unbegründet. Wie oben ausgeführt, fehlt dem Antrag analog § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht das Rechtsschutzinteresse. Wie ebenfalls bereits dargelegt, kommt es für die Rechtswidrigkeit der Freigabeerklärung nicht darauf an, ob die Beigeladene zu 3 die Prüfervoten eingesehen hat, da sie sich jedenfalls zu Unrecht aus Rechtsgründen an der Prüfung und Feststellung von Weigerungsgründen gehindert gesehen hat. Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin sind die Entscheidungsgründe des Beschlusses vom 19. April 2021 - 20 F 9.20 -, wie ausgeführt, nicht ermessensfehlerfrei in die Freigabeerklärung eingeflossen. Vielmehr sind aus den dargelegten Gründen Geheimhaltungsgründe nach § 99 Abs. 1 Satz 3 Alt. 3 VwGO noch gar nicht nach Maßgabe der gebotenen Abwägung kollidierender grundrechtlich geschützter Interessen der Klägerin und der Beigeladenen zu 2 geprüft worden. Gerade daraus resultiert die im Ergebnis zutreffend von der Vorinstanz festgestellte Rechtswidrigkeit der Freigabeerklärung.

44 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 2, § 159 Abs. 1 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO. Die Beigeladene zu 3, die keinen eigenen Antrag gestellt und kein Rechtsmittel eingelegt hat und damit kein Kostenrisiko eingegangen ist (§ 154 Abs. 3 VwGO), trägt ihre notwendigen Aufwendungen selbst (§ 162 Abs. 3 VwGO).