Ver­fah­rens­in­for­ma­ti­on

Die Klä­ger - im Schicht­dienst der be­klag­ten Städ­te Cott­bus, Ora­ni­en­burg und Pots­dam be­schäf­tig­te Feu­er­wehr­be­am­te - be­geh­ren Geld­aus­gleich für frei­wil­lig ge­leis­te­te Mehr­ar­beit. Sie sind da­mit vor dem Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg (Ur­tei­le vom 18. Ju­ni 2015 - OVG 6 B 32.15 u.a. -) er­folg­reich ge­we­sen. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat die ge­leis­te­te Mehr­ar­beit als rechts­wid­rig be­ur­teilt, weil das Land Bran­den­burg die ent­spre­chen­de Öff­nungs­klau­sel (Art. 22 Un­terabs. 1 der EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie) nicht recht­mä­ßig in das mit­glied­staat­li­che Recht um­ge­setzt ha­be.


Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Re­vi­sio­nen zur Klä­rung der Fra­ge zu­ge­las­sen, wel­che An­for­de­run­gen an ei­ne mit­glied­staat­li­che „Opt-out-Re­ge­lung“ für frei­wil­li­ge Mehr­ar­beit (Schicht­ar­beit) im Feu­er­wehr­dienst über ei­ne Ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus nach Ma­ß­ga­be der EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie zu stel­len sind.


Pres­se­mit­tei­lung Nr. 53/2017 vom 21.07.2017

Aus­gleich für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit von Feu­er­wehr­be­am­ten in den Städ­ten Pots­dam, Ora­ni­en­burg und Cott­bus

Feu­er­wehr­be­am­te, die sich frei­wil­lig be­reit er­klärt ha­ben, über die uni­ons­recht­lich zu­läs­si­ge Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den in der Wo­che hin­aus Dienst zu leis­ten, kön­nen hier­für von ih­ren Dienst­herrn - den be­klag­ten Städ­ten - Frei­zeit­aus­gleich ver­lan­gen. Kann der Dienst­herr den pri­mär auf Frei­zeit­aus­gleich ge­rich­te­ten Aus­gleichs­an­spruch der Be­am­ten nicht bin­nen Jah­res­frist er­fül­len, so be­steht ab dem Fol­ge­mo­nat der Gel­tend­ma­chung die­ses An­spruchs ein Ent­schä­di­gungs­an­spruch in Geld. Dies hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig ent­schie­den.


Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat­te über Aus­gleichs­an­sprü­che von kom­mu­na­len Feu­er­wehr­be­am­ten im Land Bran­den­burg im We­sent­li­chen im Zeit­raum zwi­schen 2007 und 2013 zu ent­schei­den. Wäh­rend die­ser Zeit ver­rich­te­ten die Be­am­ten auf ei­ge­nen An­trag Schicht­dienst mit bis zu 56 Wo­chen­stun­den. 2010 und spä­ter mach­ten sie gel­tend, die Dienst­zeit, die über die uni­ons­recht­lich zu­läs­si­ge Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus­ge­he, sei in­fol­ge feh­ler­haf­ter An­wen­dung und Um­set­zung von Uni­ons­recht als uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit fi­nan­zi­ell ab­zu­gel­ten. Da­mit hat­ten sie in den Vor­in­stan­zen über­wie­gend Er­folg.


Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat auf die Re­vi­sio­nen der be­klag­ten Städ­te die auf den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch ge­stütz­ten Kla­gen der Feu­er­wehr­be­am­ten für die Zeit­räu­me ab­ge­wie­sen, die vor der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung des Aus­gleichs­an­spruchs für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit durch die Be­am­ten la­gen. Für die Zeit­räu­me nach der Gel­tend­ma­chung des Aus­gleichs für die Zu­viel­ar­beit hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt je­weils das Be­ru­fungs­ur­teil auf­ge­ho­ben und die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg zu­rück­ver­wie­sen.


Zur Be­grün­dung hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt aus­ge­führt: Dem Grun­de nach ist ein uni­ons­recht­li­cher Haf­tungs­an­spruch der Klä­ger ge­gen ih­re Dienst­her­ren zu be­ja­hen. Die uni­ons­recht­lich feh­ler­haf­te Um­set­zung der nach der EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie mög­li­chen Aus­nah­me­re­ge­lung („Opt-Out“) von der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den (mit Ein­ver­ständ­nis der Be­am­ten) ist zwar vom bran­den­bur­gi­schen Lan­des­ge­setz­ge­ber zu ver­ant­wor­ten. Die An­wen­dung des feh­ler­haf­ten Lan­des­rechts - hier: von Rechts­ver­ord­nun­gen über die Ar­beits­zeit von Feu­er­wehr­be­am­ten aus den Jah­ren 2007 und 2009 - ist aber den be­klag­ten Städ­ten als Dienst­her­ren der Feu­er­wehr­be­am­ten an­zu­las­ten. Denn da­mit ha­ben sie den An­wen­dungs­vor­rang des Uni­ons­rechts nicht be­ach­tet. Die Rechts­ver­ord­nun­gen ver­let­zen of­fen­kun­dig je­den­falls das in der EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie ge­re­gel­te Nach­teils­ver­bot, wo­nach kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten. Die­ses Nach­teils­ver­bot hat der bran­den­bur­gi­sche Ge­setz­ge­ber erst in ei­ner 2014 in Kraft ge­tre­te­nen Rechts­ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit von Feu­er­wehr­be­am­ten nor­miert.


Auch auf der Grund­la­ge des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs hat der Dienst­herr aber nur die uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit aus­zu­glei­chen, die ab dem auf die erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet wird. An­sprü­che, de­ren Fest­set­zung und Zah­lung sich - an­ders als be­am­ten­recht­li­che Be­sol­dungs- oder Ver­sor­gungs­an­sprü­che - nicht un­mit­tel­bar aus Ge­setz er­ge­ben, be­dür­fen ei­ner vor­he­ri­gen Gel­tend­ma­chung. Für An­sprü­che we­gen rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit gilt dies in be­son­de­rer Wei­se. Die­se sind nicht pri­mär auf die Zah­lung ei­nes fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs ge­rich­tet, son­dern auf die Be­sei­ti­gung des rechts­wid­ri­gen Zu­stands. Durch den Hin­weis des Be­am­ten ist da­her zu­nächst ei­ne Prü­fung sei­nes Dienst­herrn ver­an­lasst, ob ei­ne Än­de­rung der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung er­for­der­lich ist und ob ei­ne rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit - et­wa durch An­pas­sung der ma­ß­geb­li­chen Dienst­plä­ne - ver­mie­den oder durch die Ge­wäh­rung von Frei­zeit­aus­gleich kom­pen­siert wer­den kann. Oh­ne ent­spre­chen­de Rü­ge muss der Dienst­herr nicht da­von aus­ge­hen, je­der Be­am­te wer­de die Über­schrei­tung der ak­tu­el­len Ar­beits­zeit­re­ge­lung be­an­stan­den. Auch hin­sicht­lich der mög­li­chen fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs­pflicht hat der Dienst­herr ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an, nicht nach­träg­lich mit un­vor­her­seh­ba­ren Zah­lungs­be­geh­ren kon­fron­tiert zu wer­den.


Ab dem Mo­nat nach ei­ner be­rech­tig­ten Rü­ge des Be­am­ten hat der Dienst­herr, kom­pen­siert er die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit nicht mit Frei­zeit­aus­gleich, die­se Zu­viel­ar­beit nach den Grund­sät­zen über die Mehr­ar­beits­ver­gü­tung aus­zu­glei­chen. Der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich er­folgt da­bei nicht pau­schal nach der Dif­fe­renz zwi­schen der Höchst­ar­beits­zeit und der ge­neh­mig­ten Zu­viel­ar­beit. Er rich­tet sich viel­mehr nach den vom Be­am­ten kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den.


BVer­wG 2 C 31.16 - Ur­teil vom 20. Ju­li 2017

Vor­in­stan­zen:

OVG Ber­lin-Bran­den­burg, 6 B 31.15 - Ur­teil vom 18. Ju­ni 2015 -

VG Pots­dam, 2 K 1376/12 - Ur­teil vom 16. Ok­to­ber 2013 -

BVer­wG 2 C 32.16 - Ur­teil vom 20. Ju­li 2017

Vor­in­stan­zen:

OVG Ber­lin-Bran­den­burg, 6 B 19.15 - Ur­teil vom 18. Ju­ni 2015 -

VG Pots­dam, 2 K 2562/12 - Ur­teil vom 16. Ok­to­ber 2013 -

BVer­wG 2 C 33.16 - Ur­teil vom 20. Ju­li 2017

Vor­in­stan­zen:

OVG Ber­lin-Bran­den­burg, 6 B 20.15 - Ur­teil vom 01. Ju­li 2015 -

VG Pots­dam, 2 K 1372/11 - Ur­teil vom 11. Sep­tem­ber 2013 -

BVer­wG 2 C 34.16 - Ur­teil vom 20. Ju­li 2017

Vor­in­stan­zen:

OVG Ber­lin-Bran­den­burg, 6 B 23.15 - Be­schluss vom 01. Ju­li 2015 -

VG Pots­dam, 2 K 2814/13 - Be­schluss vom 11. Sep­tem­ber 2013 -

BVer­wG 2 C 35.16 - Ur­teil vom 20. Ju­li 2017

Vor­in­stan­zen:

OVG Ber­lin-Bran­den­burg, 6 B 22.15 - Ur­teil vom 01. Ju­li 2015 -

VG Pots­dam, 2 K 1956/12 - Ur­teil vom 11. Sep­tem­ber 2013 -

BVer­wG 2 C 36.16 - Ur­teil vom 20. Ju­li 2017

Vor­in­stan­zen:

OVG Ber­lin-Bran­den­burg, 6 B 32.15 - Ur­teil vom 18. Ju­ni 2015 -

VG Cott­bus, 5 K 914/11 - Ur­teil vom 28. Fe­bru­ar 2013 -

BVer­wG 2 C 37.16 - Ur­teil vom 20. Ju­li 2017

Vor­in­stan­zen:

OVG Ber­lin-Bran­den­burg, 6 B 21.15 - Ur­teil vom 01. Ju­li 2015 -

VG Pots­dam, 2 K 838/12 - Ur­teil vom 11. Sep­tem­ber 2013 -

BVer­wG 2 C 38.16 - Ur­teil vom 20. Ju­li 2017

Vor­in­stan­zen:

OVG Ber­lin-Bran­den­burg, 6 B 26.15 - Ur­teil vom 18. Ju­ni 2015 -

VG Pots­dam, 2 K 1241/12 - Ur­teil vom 16. Ok­to­ber 2013 -

BVer­wG 2 C 39.16 - Ur­teil vom 20. Ju­li 2017

Vor­in­stan­zen:

OVG Ber­lin-Bran­den­burg, 6 B 29.15 - Ur­teil vom 18. Ju­ni 2015 -

VG Pots­dam, 2 K 1292/12 - Ur­teil vom 16. Ok­to­ber 2013 -

BVer­wG 2 C 40.16 - Ur­teil vom 20. Ju­li 2017

Vor­in­stan­zen:

OVG Ber­lin-Bran­den­burg, 6 B 30.15 - Ur­teil vom 01. Ju­li 2015 -

VG Pots­dam, 2 K 1367/12 - Ur­teil vom 16. Ok­to­ber 2013 -

BVer­wG 2 C 41.16 - Ur­teil vom 20. Ju­li 2017

Vor­in­stan­zen:

OVG Ber­lin-Bran­den­burg, 6 B 28.15 - Ur­teil vom 18. Ju­ni 2015 -

VG Pots­dam, 2 K 1267/12 - Ur­teil vom 16. Ok­to­ber 2013 -

BVer­wG 2 C 42.16 - Ur­teil vom 20. Ju­li 2017

Vor­in­stan­zen:

OVG Ber­lin-Bran­den­burg, 6 B 24.15 - Ur­teil vom 01. Ju­li 2015 -

VG Pots­dam, 2 K 1357/12 - Ur­teil vom 11. Sep­tem­ber 2013 -

BVer­wG 2 C 43.16 - Ur­teil vom 20. Ju­li 2017

Vor­in­stan­zen:

OVG Ber­lin-Bran­den­burg, 6 B 25.15 - Ur­teil vom 01. Ju­li 2015 -

VG Pots­dam, 2 K 1286/11 - Ur­teil vom 11. Sep­tem­ber 2013 -

BVer­wG 2 C 44.16 - Ur­teil vom 20. Ju­li 2017

Vor­in­stan­zen:

OVG Ber­lin-Bran­den­burg, 6 B 27.15 - Ur­teil vom 18. Ju­ni 2015 -

VG Pots­dam, 2 K 1399/12 - Ur­teil vom 16. Ok­to­ber 2013 -


Be­schluss vom 27.09.2016 -
BVer­wG 2 B 100.15ECLI:DE:BVer­wG:2016:270916B2B100.15.0

Be­schluss

BVer­wG 2 B 100.15

  • VG Pots­dam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1286/11
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 25.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 27. Sep­tem­ber 2016
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. von der Wei­den und Dol­lin­ger
be­schlos­sen:

  1. Die Ent­schei­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg über die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in dem Ur­teil vom 1. Ju­li 2015 wird auf­ge­ho­ben.
  2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung in der Haupt­sa­che vor­be­hal­ten.

Grün­de

1 Die Re­vi­si­on wird we­gen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO). Das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren er­scheint ge­eig­net, zur Klä­rung der von der Be­schwer­de auf­ge­wor­fe­nen Fra­ge bei­zu­tra­gen, wel­che An­for­de­run­gen an ei­ne mit­glied­staat­li­che "Opt-out"-Re­ge­lung für frei­wil­li­ge Mehr­ar­beit (Schicht­ar­beit) im Feu­er­wehr­dienst über ei­ne Ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus nach Ma­ß­ga­be von Art. 22 Un­terabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie) zu stel­len sind.

Rechts­be­helfs­be­leh­rung


Das Be­schwer­de­ver­fah­ren wird als Re­vi­si­ons­ver­fah­ren un­ter dem Ak­ten­zei­chen BVer­wG 2 C 43.16 fort­ge­setzt. Der Ein­le­gung ei­ner Re­vi­si­on durch den Be­schwer­de­füh­rer be­darf es nicht.
Die Re­vi­si­on ist in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Be­schlus­ses zu be­grün­den. Die Be­grün­dung ist bei dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, Sim­son­platz 1, 04107 Leip­zig, schrift­lich oder in elek­tro­ni­scher Form (Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt und beim Bun­des­fi­nanz­hof vom 26. No­vem­ber 2004, BGBl. I S. 3091, zu­letzt ge­än­dert durch die Ver­ord­nung vom 10. De­zem­ber 2015, BGBl. I S. 2207) ein­zu­rei­chen.
Für die Be­tei­lig­ten be­steht Ver­tre­tungs­zwang; dies gilt auch für die Be­grün­dung der Re­vi­si­on. Die Be­tei­lig­ten müs­sen sich durch Be­voll­mäch­tig­te im Sin­ne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 Vw­GO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RD­GEG ver­tre­ten las­sen.

Be­schluss vom 27.09.2016 -
BVer­wG 2 B 81.15ECLI:DE:BVer­wG:2016:270916B2B81.15.0

Be­schluss

BVer­wG 2 B 81.15

  • VG Pots­dam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1376/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 31.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 27. Sep­tem­ber 2016
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. von der Wei­den und Dol­lin­ger
be­schlos­sen:

  1. Die Ent­schei­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg über die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in dem Ur­teil vom 18. Ju­ni 2015 wird auf­ge­ho­ben.
  2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung in der Haupt­sa­che vor­be­hal­ten.

Grün­de

1 Die Re­vi­si­on wird we­gen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO). Das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren er­scheint ge­eig­net, zur Klä­rung der von der Be­schwer­de auf­ge­wor­fe­nen Fra­ge bei­zu­tra­gen, wel­che An­for­de­run­gen an ei­ne mit­glied­staat­li­che "Opt-out"-Re­ge­lung für frei­wil­li­ge Mehr­ar­beit (Schicht­ar­beit) im Feu­er­wehr­dienst über ei­ne Ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus nach Ma­ß­ga­be von Art. 22 Un­terabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie) zu stel­len sind.

Rechts­be­helfs­be­leh­rung


Das Be­schwer­de­ver­fah­ren wird als Re­vi­si­ons­ver­fah­ren un­ter dem Ak­ten­zei­chen BVer­wG 2 C 31.16 fort­ge­setzt. Der Ein­le­gung ei­ner Re­vi­si­on durch den Be­schwer­de­füh­rer be­darf es nicht.
Die Re­vi­si­on ist in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Be­schlus­ses zu be­grün­den. Die Be­grün­dung ist bei dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, Sim­son­platz 1, 04107 Leip­zig, schrift­lich oder in elek­tro­ni­scher Form (Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt und beim Bun­des­fi­nanz­hof vom 26. No­vem­ber 2004, BGBl. I S. 3091, zu­letzt ge­än­dert durch die Ver­ord­nung vom 10. De­zem­ber 2015, BGBl. I S. 2207) ein­zu­rei­chen.
Für die Be­tei­lig­ten be­steht Ver­tre­tungs­zwang; dies gilt auch für die Be­grün­dung der Re­vi­si­on. Die Be­tei­lig­ten müs­sen sich durch Be­voll­mäch­tig­te im Sin­ne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 Vw­GO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RD­GEG ver­tre­ten las­sen.

Be­schluss vom 27.09.2016 -
BVer­wG 2 B 82.15ECLI:DE:BVer­wG:2016:270916B2B82.15.0

Be­schluss

BVer­wG 2 B 82.15

  • VG Pots­dam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 2562/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 19.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 27. Sep­tem­ber 2016
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. von der Wei­den und Dol­lin­ger
be­schlos­sen:

  1. Die Ent­schei­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg über die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in dem Ur­teil vom 18. Ju­ni 2015 wird auf­ge­ho­ben.
  2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung in der Haupt­sa­che vor­be­hal­ten.

Grün­de

1 Die Re­vi­si­on wird we­gen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO). Das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren er­scheint ge­eig­net, zur Klä­rung der von der Be­schwer­de auf­ge­wor­fe­nen Fra­ge bei­zu­tra­gen, wel­che An­for­de­run­gen an ei­ne mit­glied­staat­li­che "Opt-out"-Re­ge­lung für frei­wil­li­ge Mehr­ar­beit (Schicht­ar­beit) im Feu­er­wehr­dienst über ei­ne Ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus nach Ma­ß­ga­be von Art. 22 Un­terabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie) zu stel­len sind.

Rechts­be­helfs­be­leh­rung


Das Be­schwer­de­ver­fah­ren wird als Re­vi­si­ons­ver­fah­ren un­ter dem Ak­ten­zei­chen BVer­wG 2 C 32.16 fort­ge­setzt. Der Ein­le­gung ei­ner Re­vi­si­on durch den Be­schwer­de­füh­rer be­darf es nicht.
Die Re­vi­si­on ist in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Be­schlus­ses zu be­grün­den. Die Be­grün­dung ist bei dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, Sim­son­platz 1, 04107 Leip­zig, schrift­lich oder in elek­tro­ni­scher Form (Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt und beim Bun­des­fi­nanz­hof vom 26. No­vem­ber 2004, BGBl. I S. 3091, zu­letzt ge­än­dert durch die Ver­ord­nung vom 10. De­zem­ber 2015, BGBl. I S. 2207) ein­zu­rei­chen.
Für die Be­tei­lig­ten be­steht Ver­tre­tungs­zwang; dies gilt auch für die Be­grün­dung der Re­vi­si­on. Die Be­tei­lig­ten müs­sen sich durch Be­voll­mäch­tig­te im Sin­ne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 Vw­GO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RD­GEG ver­tre­ten las­sen.

Be­schluss vom 27.09.2016 -
BVer­wG 2 B 84.15ECLI:DE:BVer­wG:2016:270916B2B84.15.0

Be­schluss

BVer­wG 2 B 84.15

  • VG Cott­bus - 28.02.2013 - AZ: VG 5 K 914/11
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 32.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 27. Sep­tem­ber 2016
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. von der Wei­den und Dol­lin­ger
be­schlos­sen:

  1. Die Ent­schei­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg über die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in dem Ur­teil vom 18. Ju­ni 2015 wird auf­ge­ho­ben.
  2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung in der Haupt­sa­che vor­be­hal­ten.

Grün­de

1 Die Re­vi­si­on wird we­gen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO). Das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren er­scheint ge­eig­net, zur Klä­rung der von der Be­schwer­de auf­ge­wor­fe­nen Fra­ge bei­zu­tra­gen, wel­che An­for­de­run­gen an ei­ne mit­glied­staat­li­che "Opt-out"-Re­ge­lung für frei­wil­li­ge Mehr­ar­beit (Schicht­ar­beit) im Feu­er­wehr­dienst über ei­ne Ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus nach Ma­ß­ga­be von Art. 22 Un­terabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie) zu stel­len sind.

Rechts­be­helfs­be­leh­rung


Das Be­schwer­de­ver­fah­ren wird als Re­vi­si­ons­ver­fah­ren un­ter dem Ak­ten­zei­chen BVer­wG 2 C 36.16 fort­ge­setzt. Der Ein­le­gung ei­ner Re­vi­si­on durch den Be­schwer­de­füh­rer be­darf es nicht.
Die Re­vi­si­on ist in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Be­schlus­ses zu be­grün­den. Die Be­grün­dung ist bei dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, Sim­son­platz 1, 04107 Leip­zig, schrift­lich oder in elek­tro­ni­scher Form (Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt und beim Bun­des­fi­nanz­hof vom 26. No­vem­ber 2004, BGBl. I S. 3091, zu­letzt ge­än­dert durch die Ver­ord­nung vom 10. De­zem­ber 2015, BGBl. I S. 2207) ein­zu­rei­chen.
Für die Be­tei­lig­ten be­steht Ver­tre­tungs­zwang; dies gilt auch für die Be­grün­dung der Re­vi­si­on. Die Be­tei­lig­ten müs­sen sich durch Be­voll­mäch­tig­te im Sin­ne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 Vw­GO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RD­GEG ver­tre­ten las­sen.

Be­schluss vom 27.09.2016 -
BVer­wG 2 B 86.15ECLI:DE:BVer­wG:2016:270916B2B86.15.0

Be­schluss

BVer­wG 2 B 86.15

  • VG Pots­dam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1241/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 26.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 27. Sep­tem­ber 2016
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. von der Wei­den und Dol­lin­ger
be­schlos­sen:

  1. Die Ent­schei­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg über die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in dem Ur­teil vom 18. Ju­ni 2015 wird auf­ge­ho­ben.
  2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung in der Haupt­sa­che vor­be­hal­ten.

Grün­de

1 Die Re­vi­si­on wird we­gen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO). Das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren er­scheint ge­eig­net, zur Klä­rung der von der Be­schwer­de auf­ge­wor­fe­nen Fra­ge bei­zu­tra­gen, wel­che An­for­de­run­gen an ei­ne mit­glied­staat­li­che "Opt-out"-Re­ge­lung für frei­wil­li­ge Mehr­ar­beit (Schicht­ar­beit) im Feu­er­wehr­dienst über ei­ne Ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus nach Ma­ß­ga­be von Art. 22 Un­terabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie) zu stel­len sind.

Rechts­be­helfs­be­leh­rung


Das Be­schwer­de­ver­fah­ren wird als Re­vi­si­ons­ver­fah­ren un­ter dem Ak­ten­zei­chen BVer­wG 2 C 38.16 fort­ge­setzt. Der Ein­le­gung ei­ner Re­vi­si­on durch den Be­schwer­de­füh­rer be­darf es nicht.
Die Re­vi­si­on ist in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Be­schlus­ses zu be­grün­den. Die Be­grün­dung ist bei dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, Sim­son­platz 1, 04107 Leip­zig, schrift­lich oder in elek­tro­ni­scher Form (Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt und beim Bun­des­fi­nanz­hof vom 26. No­vem­ber 2004, BGBl. I S. 3091, zu­letzt ge­än­dert durch die Ver­ord­nung vom 10. De­zem­ber 2015, BGBl. I S. 2207) ein­zu­rei­chen.
Für die Be­tei­lig­ten be­steht Ver­tre­tungs­zwang; dies gilt auch für die Be­grün­dung der Re­vi­si­on. Die Be­tei­lig­ten müs­sen sich durch Be­voll­mäch­tig­te im Sin­ne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 Vw­GO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RD­GEG ver­tre­ten las­sen.

Be­schluss vom 27.09.2016 -
BVer­wG 2 B 87.15ECLI:DE:BVer­wG:2016:270916B2B87.15.0

Be­schluss

BVer­wG 2 B 87.15

  • VG Pots­dam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1292/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 29.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 27. Sep­tem­ber 2016
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. von der Wei­den und Dol­lin­ger
be­schlos­sen:

  1. Die Ent­schei­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg über die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in dem Ur­teil vom 18. Ju­ni 2015 wird auf­ge­ho­ben.
  2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung in der Haupt­sa­che vor­be­hal­ten.

Grün­de

1 Die Re­vi­si­on wird we­gen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO). Das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren er­scheint ge­eig­net, zur Klä­rung der von der Be­schwer­de auf­ge­wor­fe­nen Fra­ge bei­zu­tra­gen, wel­che An­for­de­run­gen an ei­ne mit­glied­staat­li­che "Opt-out"-Re­ge­lung für frei­wil­li­ge Mehr­ar­beit (Schicht­ar­beit) im Feu­er­wehr­dienst über ei­ne Ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus nach Ma­ß­ga­be von Art. 22 Un­terabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie) zu stel­len sind.

Rechts­be­helfs­be­leh­rung


Das Be­schwer­de­ver­fah­ren wird als Re­vi­si­ons­ver­fah­ren un­ter dem Ak­ten­zei­chen BVer­wG 2 C 39.16 fort­ge­setzt. Der Ein­le­gung ei­ner Re­vi­si­on durch den Be­schwer­de­füh­rer be­darf es nicht.
Die Re­vi­si­on ist in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Be­schlus­ses zu be­grün­den. Die Be­grün­dung ist bei dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, Sim­son­platz 1, 04107 Leip­zig, schrift­lich oder in elek­tro­ni­scher Form (Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt und beim Bun­des­fi­nanz­hof vom 26. No­vem­ber 2004, BGBl. I S. 3091, zu­letzt ge­än­dert durch die Ver­ord­nung vom 10. De­zem­ber 2015, BGBl. I S. 2207) ein­zu­rei­chen.
Für die Be­tei­lig­ten be­steht Ver­tre­tungs­zwang; dies gilt auch für die Be­grün­dung der Re­vi­si­on. Die Be­tei­lig­ten müs­sen sich durch Be­voll­mäch­tig­te im Sin­ne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 Vw­GO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RD­GEG ver­tre­ten las­sen.

Be­schluss vom 27.09.2016 -
BVer­wG 2 B 88.15ECLI:DE:BVer­wG:2016:270916B2B88.15.0

Be­schluss

BVer­wG 2 B 88.15

  • VG Pots­dam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1367/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 30.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 27. Sep­tem­ber 2016
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. von der Wei­den und Dol­lin­ger
be­schlos­sen:

  1. Die Ent­schei­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg über die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in dem Ur­teil vom 1. Ju­li 2015 wird auf­ge­ho­ben.
  2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung in der Haupt­sa­che vor­be­hal­ten.

Grün­de

1 Die Re­vi­si­on wird we­gen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO). Das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren er­scheint ge­eig­net, zur Klä­rung der von der Be­schwer­de auf­ge­wor­fe­nen Fra­ge bei­zu­tra­gen, wel­che An­for­de­run­gen an ei­ne mit­glied­staat­li­che "Opt-out"-Re­ge­lung für frei­wil­li­ge Mehr­ar­beit (Schicht­ar­beit) im Feu­er­wehr­dienst über ei­ne Ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus nach Ma­ß­ga­be von Art. 22 Un­terabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie) zu stel­len sind.

Rechts­be­helfs­be­leh­rung


Das Be­schwer­de­ver­fah­ren wird als Re­vi­si­ons­ver­fah­ren un­ter dem Ak­ten­zei­chen BVer­wG 2 C 40.16 fort­ge­setzt. Der Ein­le­gung ei­ner Re­vi­si­on durch den Be­schwer­de­füh­rer be­darf es nicht.
Die Re­vi­si­on ist in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Be­schlus­ses zu be­grün­den. Die Be­grün­dung ist bei dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, Sim­son­platz 1, 04107 Leip­zig, schrift­lich oder in elek­tro­ni­scher Form (Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt und beim Bun­des­fi­nanz­hof vom 26. No­vem­ber 2004, BGBl. I S. 3091, zu­letzt ge­än­dert durch die Ver­ord­nung vom 10. De­zem­ber 2015, BGBl. I S. 2207) ein­zu­rei­chen.
Für die Be­tei­lig­ten be­steht Ver­tre­tungs­zwang; dies gilt auch für die Be­grün­dung der Re­vi­si­on. Die Be­tei­lig­ten müs­sen sich durch Be­voll­mäch­tig­te im Sin­ne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 Vw­GO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RD­GEG ver­tre­ten las­sen.

Be­schluss vom 27.09.2016 -
BVer­wG 2 B 89.15ECLI:DE:BVer­wG:2016:270916B2B89.15.0

Be­schluss

BVer­wG 2 B 89.15

  • VG Pots­dam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1267/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 28.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 27. Sep­tem­ber 2016
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. von der Wei­den und Dol­lin­ger
be­schlos­sen:

  1. Die Ent­schei­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg über die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in dem Ur­teil vom 18. Ju­ni 2015 wird auf­ge­ho­ben.
  2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung in der Haupt­sa­che vor­be­hal­ten.

Grün­de

1 Die Re­vi­si­on wird we­gen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO). Das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren er­scheint ge­eig­net, zur Klä­rung der von der Be­schwer­de auf­ge­wor­fe­nen Fra­ge bei­zu­tra­gen, wel­che An­for­de­run­gen an ei­ne mit­glied­staat­li­che "Opt-out"-Re­ge­lung für frei­wil­li­ge Mehr­ar­beit (Schicht­ar­beit) im Feu­er­wehr­dienst über ei­ne Ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus nach Ma­ß­ga­be von Art. 22 Un­terabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie) zu stel­len sind.

Rechts­be­helfs­be­leh­rung


Das Be­schwer­de­ver­fah­ren wird als Re­vi­si­ons­ver­fah­ren un­ter dem Ak­ten­zei­chen BVer­wG 2 C 41.16 fort­ge­setzt. Der Ein­le­gung ei­ner Re­vi­si­on durch den Be­schwer­de­füh­rer be­darf es nicht.
Die Re­vi­si­on ist in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Be­schlus­ses zu be­grün­den. Die Be­grün­dung ist bei dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, Sim­son­platz 1, 04107 Leip­zig, schrift­lich oder in elek­tro­ni­scher Form (Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt und beim Bun­des­fi­nanz­hof vom 26. No­vem­ber 2004, BGBl. I S. 3091, zu­letzt ge­än­dert durch die Ver­ord­nung vom 10. De­zem­ber 2015, BGBl. I S. 2207) ein­zu­rei­chen.
Für die Be­tei­lig­ten be­steht Ver­tre­tungs­zwang; dies gilt auch für die Be­grün­dung der Re­vi­si­on. Die Be­tei­lig­ten müs­sen sich durch Be­voll­mäch­tig­te im Sin­ne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 Vw­GO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RD­GEG ver­tre­ten las­sen.

Be­schluss vom 27.09.2016 -
BVer­wG 2 B 90.15ECLI:DE:BVer­wG:2016:270916B2B90.15.0

Be­schluss

BVer­wG 2 B 90.15

  • VG Pots­dam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1399/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 27.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 27. Sep­tem­ber 2016
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. von der Wei­den und Dol­lin­ger
be­schlos­sen:

  1. Die Ent­schei­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg über die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in dem Ur­teil vom 18. Ju­ni 2015 wird auf­ge­ho­ben.
  2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung in der Haupt­sa­che vor­be­hal­ten.

Grün­de

1 Die Re­vi­si­on wird we­gen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO). Das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren er­scheint ge­eig­net, zur Klä­rung der von der Be­schwer­de auf­ge­wor­fe­nen Fra­ge bei­zu­tra­gen, wel­che An­for­de­run­gen an ei­ne mit­glied­staat­li­che "Opt-out"-Re­ge­lung für frei­wil­li­ge Mehr­ar­beit (Schicht­ar­beit) im Feu­er­wehr­dienst über ei­ne Ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus nach Ma­ß­ga­be von Art. 22 Un­terabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie) zu stel­len sind.

Rechts­be­helfs­be­leh­rung


Das Be­schwer­de­ver­fah­ren wird als Re­vi­si­ons­ver­fah­ren un­ter dem Ak­ten­zei­chen BVer­wG 2 C 44.16 fort­ge­setzt. Der Ein­le­gung ei­ner Re­vi­si­on durch den Be­schwer­de­füh­rer be­darf es nicht.
Die Re­vi­si­on ist in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Be­schlus­ses zu be­grün­den. Die Be­grün­dung ist bei dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, Sim­son­platz 1, 04107 Leip­zig, schrift­lich oder in elek­tro­ni­scher Form (Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt und beim Bun­des­fi­nanz­hof vom 26. No­vem­ber 2004, BGBl. I S. 3091, zu­letzt ge­än­dert durch die Ver­ord­nung vom 10. De­zem­ber 2015, BGBl. I S. 2207) ein­zu­rei­chen.
Für die Be­tei­lig­ten be­steht Ver­tre­tungs­zwang; dies gilt auch für die Be­grün­dung der Re­vi­si­on. Die Be­tei­lig­ten müs­sen sich durch Be­voll­mäch­tig­te im Sin­ne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 Vw­GO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RD­GEG ver­tre­ten las­sen.

Be­schluss vom 27.09.2016 -
BVer­wG 2 B 93.15ECLI:DE:BVer­wG:2016:270916B2B93.15.0

Be­schluss

BVer­wG 2 B 93.15

  • VG Pots­dam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1372/11
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 20.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 27. Sep­tem­ber 2016
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. von der Wei­den und Dol­lin­ger
be­schlos­sen:

  1. Die Ent­schei­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg über die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in dem Ur­teil vom 1. Ju­li 2015 wird auf­ge­ho­ben.
  2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung in der Haupt­sa­che vor­be­hal­ten.

Grün­de

1 Die Re­vi­si­on wird we­gen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO). Das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren er­scheint ge­eig­net, zur Klä­rung der von der Be­schwer­de auf­ge­wor­fe­nen Fra­ge bei­zu­tra­gen, wel­che An­for­de­run­gen an ei­ne mit­glied­staat­li­che "Opt-out"-Re­ge­lung für frei­wil­li­ge Mehr­ar­beit (Schicht­ar­beit) im Feu­er­wehr­dienst über ei­ne Ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus nach Ma­ß­ga­be von Art. 22 Un­terabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie) zu stel­len sind.

Rechts­be­helfs­be­leh­rung


Das Be­schwer­de­ver­fah­ren wird als Re­vi­si­ons­ver­fah­ren un­ter dem Ak­ten­zei­chen BVer­wG 2 C 33.16 fort­ge­setzt. Der Ein­le­gung ei­ner Re­vi­si­on durch den Be­schwer­de­füh­rer be­darf es nicht.
Die Re­vi­si­on ist in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Be­schlus­ses zu be­grün­den. Die Be­grün­dung ist bei dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, Sim­son­platz 1, 04107 Leip­zig, schrift­lich oder in elek­tro­ni­scher Form (Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt und beim Bun­des­fi­nanz­hof vom 26. No­vem­ber 2004, BGBl. I S. 3091, zu­letzt ge­än­dert durch die Ver­ord­nung vom 10. De­zem­ber 2015, BGBl. I S. 2207) ein­zu­rei­chen.
Für die Be­tei­lig­ten be­steht Ver­tre­tungs­zwang; dies gilt auch für die Be­grün­dung der Re­vi­si­on. Die Be­tei­lig­ten müs­sen sich durch Be­voll­mäch­tig­te im Sin­ne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 Vw­GO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RD­GEG ver­tre­ten las­sen.

Be­schluss vom 27.09.2016 -
BVer­wG 2 B 94.15ECLI:DE:BVer­wG:2016:270916B2B94.15.0

Be­schluss

BVer­wG 2 B 94.15

  • VG Pots­dam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 2814/13
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 23.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 27. Sep­tem­ber 2016
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. von der Wei­den und Dol­lin­ger
be­schlos­sen:

  1. Die Ent­schei­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg über die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in dem Ur­teil vom 1. Ju­li 2015 wird auf­ge­ho­ben.
  2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung in der Haupt­sa­che vor­be­hal­ten.

Grün­de

1 Die Re­vi­si­on wird we­gen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO). Das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren er­scheint ge­eig­net, zur Klä­rung der von der Be­schwer­de auf­ge­wor­fe­nen Fra­ge bei­zu­tra­gen, wel­che An­for­de­run­gen an ei­ne mit­glied­staat­li­che "Opt-out"-Re­ge­lung für frei­wil­li­ge Mehr­ar­beit (Schicht­ar­beit) im Feu­er­wehr­dienst über ei­ne Ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus nach Ma­ß­ga­be von Art. 22 Un­terabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie) zu stel­len sind.

Rechts­be­helfs­be­leh­rung


Das Be­schwer­de­ver­fah­ren wird als Re­vi­si­ons­ver­fah­ren un­ter dem Ak­ten­zei­chen BVer­wG 2 C 34.16 fort­ge­setzt. Der Ein­le­gung ei­ner Re­vi­si­on durch den Be­schwer­de­füh­rer be­darf es nicht.
Die Re­vi­si­on ist in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Be­schlus­ses zu be­grün­den. Die Be­grün­dung ist bei dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, Sim­son­platz 1, 04107 Leip­zig, schrift­lich oder in elek­tro­ni­scher Form (Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt und beim Bun­des­fi­nanz­hof vom 26. No­vem­ber 2004, BGBl. I S. 3091, zu­letzt ge­än­dert durch die Ver­ord­nung vom 10. De­zem­ber 2015, BGBl. I S. 2207) ein­zu­rei­chen.
Für die Be­tei­lig­ten be­steht Ver­tre­tungs­zwang; dies gilt auch für die Be­grün­dung der Re­vi­si­on. Die Be­tei­lig­ten müs­sen sich durch Be­voll­mäch­tig­te im Sin­ne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 Vw­GO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RD­GEG ver­tre­ten las­sen.

Be­schluss vom 27.09.2016 -
BVer­wG 2 B 96.15ECLI:DE:BVer­wG:2016:270916B2B96.15.0

Be­schluss

BVer­wG 2 B 96.15

  • VG Pots­dam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1956/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 22.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 27. Sep­tem­ber 2016
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. von der Wei­den und Dol­lin­ger
be­schlos­sen:

  1. Die Ent­schei­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg über die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in dem Ur­teil vom 1. Ju­li 2015 wird auf­ge­ho­ben.
  2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung in der Haupt­sa­che vor­be­hal­ten.

Grün­de

1 Die Re­vi­si­on wird we­gen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO). Das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren er­scheint ge­eig­net, zur Klä­rung der von der Be­schwer­de auf­ge­wor­fe­nen Fra­ge bei­zu­tra­gen, wel­che An­for­de­run­gen an ei­ne mit­glied­staat­li­che "Opt-out"-Re­ge­lung für frei­wil­li­ge Mehr­ar­beit (Schicht­ar­beit) im Feu­er­wehr­dienst über ei­ne Ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus nach Ma­ß­ga­be von Art. 22 Un­terabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie) zu stel­len sind.

Rechts­be­helfs­be­leh­rung


Das Be­schwer­de­ver­fah­ren wird als Re­vi­si­ons­ver­fah­ren un­ter dem Ak­ten­zei­chen BVer­wG 2 C 35.16 fort­ge­setzt. Der Ein­le­gung ei­ner Re­vi­si­on durch den Be­schwer­de­füh­rer be­darf es nicht.
Die Re­vi­si­on ist in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Be­schlus­ses zu be­grün­den. Die Be­grün­dung ist bei dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, Sim­son­platz 1, 04107 Leip­zig, schrift­lich oder in elek­tro­ni­scher Form (Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt und beim Bun­des­fi­nanz­hof vom 26. No­vem­ber 2004, BGBl. I S. 3091, zu­letzt ge­än­dert durch die Ver­ord­nung vom 10. De­zem­ber 2015, BGBl. I S. 2207) ein­zu­rei­chen.
Für die Be­tei­lig­ten be­steht Ver­tre­tungs­zwang; dies gilt auch für die Be­grün­dung der Re­vi­si­on. Die Be­tei­lig­ten müs­sen sich durch Be­voll­mäch­tig­te im Sin­ne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 Vw­GO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RD­GEG ver­tre­ten las­sen.

Be­schluss vom 27.09.2016 -
BVer­wG 2 B 97.15ECLI:DE:BVer­wG:2016:270916B2B97.15.0

Be­schluss

BVer­wG 2 B 97.15

  • VG Pots­dam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 838/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 21.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 27. Sep­tem­ber 2016
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. von der Wei­den und Dol­lin­ger
be­schlos­sen:

  1. Die Ent­schei­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg über die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in dem Ur­teil vom 1. Ju­li 2015 wird auf­ge­ho­ben.
  2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung in der Haupt­sa­che vor­be­hal­ten.

Grün­de

1 Die Re­vi­si­on wird we­gen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO). Das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren er­scheint ge­eig­net, zur Klä­rung der von der Be­schwer­de auf­ge­wor­fe­nen Fra­ge bei­zu­tra­gen, wel­che An­for­de­run­gen an ei­ne mit­glied­staat­li­che "Opt-out"-Re­ge­lung für frei­wil­li­ge Mehr­ar­beit (Schicht­ar­beit) im Feu­er­wehr­dienst über ei­ne Ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus nach Ma­ß­ga­be von Art. 22 Un­terabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie) zu stel­len sind.

Rechts­be­helfs­be­leh­rung


Das Be­schwer­de­ver­fah­ren wird als Re­vi­si­ons­ver­fah­ren un­ter dem Ak­ten­zei­chen BVer­wG 2 C 37.16 fort­ge­setzt. Der Ein­le­gung ei­ner Re­vi­si­on durch den Be­schwer­de­füh­rer be­darf es nicht.
Die Re­vi­si­on ist in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Be­schlus­ses zu be­grün­den. Die Be­grün­dung ist bei dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, Sim­son­platz 1, 04107 Leip­zig, schrift­lich oder in elek­tro­ni­scher Form (Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt und beim Bun­des­fi­nanz­hof vom 26. No­vem­ber 2004, BGBl. I S. 3091, zu­letzt ge­än­dert durch die Ver­ord­nung vom 10. De­zem­ber 2015, BGBl. I S. 2207) ein­zu­rei­chen.
Für die Be­tei­lig­ten be­steht Ver­tre­tungs­zwang; dies gilt auch für die Be­grün­dung der Re­vi­si­on. Die Be­tei­lig­ten müs­sen sich durch Be­voll­mäch­tig­te im Sin­ne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 Vw­GO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RD­GEG ver­tre­ten las­sen.

Be­schluss vom 27.09.2016 -
BVer­wG 2 B 99.15ECLI:DE:BVer­wG:2016:270916B2B99.15.0

Be­schluss

BVer­wG 2 B 99.15

  • VG Pots­dam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1357/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 24.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 27. Sep­tem­ber 2016
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. von der Wei­den und Dol­lin­ger
be­schlos­sen:

  1. Die Ent­schei­dung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg über die Nicht­zu­las­sung der Re­vi­si­on in dem Ur­teil vom 1. Ju­li 2015 wird auf­ge­ho­ben.
  2. Die Re­vi­si­on wird zu­ge­las­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Be­schwer­de­ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung in der Haupt­sa­che vor­be­hal­ten.

Grün­de

1 Die Re­vi­si­on wird we­gen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung der Rechts­sa­che zu­ge­las­sen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 Vw­GO). Das Re­vi­si­ons­ver­fah­ren er­scheint ge­eig­net, zur Klä­rung der von der Be­schwer­de auf­ge­wor­fe­nen Fra­ge bei­zu­tra­gen, wel­che An­for­de­run­gen an ei­ne mit­glied­staat­li­che "Opt-out"-Re­ge­lung für frei­wil­li­ge Mehr­ar­beit (Schicht­ar­beit) im Feu­er­wehr­dienst über ei­ne Ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus nach Ma­ß­ga­be von Art. 22 Un­terabs. 1 der RL 2003/88/EG (EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie) zu stel­len sind.

Rechts­be­helfs­be­leh­rung


Das Be­schwer­de­ver­fah­ren wird als Re­vi­si­ons­ver­fah­ren un­ter dem Ak­ten­zei­chen BVer­wG 2 C 42.16 fort­ge­setzt. Der Ein­le­gung ei­ner Re­vi­si­on durch den Be­schwer­de­füh­rer be­darf es nicht.
Die Re­vi­si­on ist in­ner­halb ei­nes Mo­nats nach Zu­stel­lung die­ses Be­schlus­ses zu be­grün­den. Die Be­grün­dung ist bei dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, Sim­son­platz 1, 04107 Leip­zig, schrift­lich oder in elek­tro­ni­scher Form (Ver­ord­nung über den elek­tro­ni­schen Rechts­ver­kehr beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt und beim Bun­des­fi­nanz­hof vom 26. No­vem­ber 2004, BGBl. I S. 3091, zu­letzt ge­än­dert durch die Ver­ord­nung vom 10. De­zem­ber 2015, BGBl. I S. 2207) ein­zu­rei­chen.
Für die Be­tei­lig­ten be­steht Ver­tre­tungs­zwang; dies gilt auch für die Be­grün­dung der Re­vi­si­on. Die Be­tei­lig­ten müs­sen sich durch Be­voll­mäch­tig­te im Sin­ne von § 67 Abs. 4 Satz 3 bis 6 Vw­GO, § 5 Nr. 6 Alt. 2 RD­GEG ver­tre­ten las­sen.

Ur­teil vom 20.07.2017 -
BVer­wG 2 C 31.16ECLI:DE:BVer­wG:2017:200717U2C31.16.0

Fi­nan­zi­el­le Ab­gel­tung uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit von Feu­er­wehr­be­am­ten

Leit­sät­ze:

1. Die bran­den­bur­gi­schen Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen der Jah­re 2007 (AZV Feu) und 2009 (Bb­gAZV­PFJ) ver­let­zen of­fen­kun­dig das in der EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b RL 2003/88/EG) ge­re­gel­te Nach­teils­ver­bot, wo­nach kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten.

2. Zu­viel­ar­beit liegt vor, wenn der Be­am­te frei­wil­lig Dienst über die nach Ma­ß­ga­be der RL 2003/88/EG und ih­rer Aus­nah­me­be­stim­mun­gen höchs­tens zu­läs­si­ge wö­chent­li­che Ar­beits­zeit hin­aus leis­tet. Mehr­ar­beit i.S.d. öf­fent­li­chen Dienst­rechts da­ge­gen darf die uni­ons­recht­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums au­ßer­halb der im Uni­ons­recht vor­ge­se­he­nen Ver­fah­ren nicht über­schrei­ten.

3. Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch ist ge­gen ei­ne be­klag­te Kom­mu­ne dem Grun­de nach ge­ge­ben, wenn die­se die zur Um­set­zung von Art. 22 RL 2003/88/EG er­las­se­nen Ar­beits­zeit­vor­schrif­ten an­wen­det, ob­wohl für sie klar er­kenn­bar war, dass die­se Um­set­zung im Hin­blick auf das uni­ons­recht­li­che Nach­teils­ver­bot un­zu­rei­chend ge­we­sen ist.

4. Auf der Grund­la­ge des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs hat der Dienst­herr nur die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit aus­zu­glei­chen, die ab dem auf die erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet wur­de (im An­schluss an BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1). Pri­mär er­folgt der Aus­gleich durch Frei­zeit, se­kun­där durch Geld. Der Geld­aus­gleich ist nicht pau­schal nach der Dif­fe­renz zwi­schen der Höchst­ar­beits­zeit und der ge­neh­mig­ten, aber rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit, son­dern nach den vom Be­am­ten kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den ge­mäß den Grund­sät­zen der Mehr­ar­beits­ver­gü­tung zu be­rech­nen.

  • Rechts­quel­len
  • Zi­tier­vor­schlag

Ur­teil

BVer­wG 2 C 31.16

  • VG Pots­dam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1376/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 31.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 20. Ju­li 2017
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung, Dr. Kennt­ner, Dol­lin­ger und Dr. Gün­ther
für Recht er­kannt:

  1. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen, so­weit mit ihr ein Geld­aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2009 bis 31. Ja­nu­ar 2012 gel­tend ge­macht wird. Die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 18. Ju­ni 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 16. Ok­to­ber 2013 wer­den auf­ge­ho­ben, so­weit sie dem ent­ge­gen­ste­hen.
  2. Im Üb­ri­gen (hin­sicht­lich des Zeit­raums vom 1. Fe­bru­ar 2012 bis 31. De­zem­ber 2012) wird das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg auf­ge­ho­ben. In­so­weit wird die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.

Grün­de

I

1 Der Klä­ger, der im streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum bei der be­klag­ten Stadt als Feu­er­wehr­be­am­ter im 24-Stun­den-Schicht­dienst tä­tig war, be­gehrt fi­nan­zi­el­len Aus­gleich für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit.

2 Der von dem Klä­ger im Ok­to­ber 2007 be­an­trag­ten Er­hö­hung sei­ner durch­schnitt­li­chen wö­chent­li­chen Ar­beits­zeit auf bis zu 56 Stun­den ent­sprach die Be­klag­te durch Be­scheid vom 26. Ok­to­ber 2007. Den an sie im Ja­nu­ar 2012 ge­rich­te­ten An­trag des Klä­gers auf Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se auf Geld­aus­gleich für die von ihm seit dem Jahr 2003 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus ver­rich­te­ten Dienst­zei­ten, lehn­te die Be­klag­te ab. Das Vor­ver­fah­ren blieb er­folg­los.

3 Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­klag­te un­ter Ab­leh­nung des An­trags im Üb­ri­gen und teil­wei­ser Auf­he­bung der an­ge­foch­te­nen Be­schei­de ver­pflich­tet, dem Klä­ger für die im Zeit­raum ab Ja­nu­ar 2009 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus­ge­hend ge­leis­te­te Ar­beit Geld­aus­gleich nach dem je­weils gel­ten­den Stun­den­satz für die Mehr­ar­beits­ver­gü­tung zu ge­wäh­ren. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­ru­fung mit der Ma­ß­ga­be zu­rück­ge­wie­sen, dass es die Be­klag­te ver­ur­teilt hat, an den Klä­ger für den ge­nann­ten Zeit­raum 16 830,81 € nebst Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins ab Rechts­hän­gig­keit zu zah­len. Zur Be­grün­dung hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt im We­sent­li­chen aus­ge­führt, dem Klä­ger ste­he der zu­ge­spro­che­ne Geld­aus­gleich in­fol­ge des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs we­gen Ver­let­zung der Ar­beits­zeitricht­li­nie zu. Ei­ne frei­wil­li­ge Zu­viel­ar­beit bei Über­schrei­tung der uni­ons­recht­lich höchst­zu­läs­si­gen Be­zugs­zeit­räu­me sei auch auf­grund von Aus­nah­me­vor­schrif­ten nicht vor­ge­se­hen.

4 Hier­ge­gen wen­det sich die vom Se­nat zu­ge­las­se­ne Re­vi­si­on der Be­klag­ten, mit der sie be­an­tragt,
die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 18. Ju­ni 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 16. Ok­to­ber 2013 auf­zu­he­ben und die Kla­ge in vol­lem Um­fang ab­zu­wei­sen.

5 Der Klä­ger be­an­tragt,
die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen.

6 Der Ver­tre­ter des Bun­des­in­ter­es­ses beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt un­ter­stützt die Re­vi­si­on der Be­klag­ten.

II

7 Die Re­vi­si­on ist teil­wei­se be­grün­det. Das Be­ru­fungs­ur­teil ist auf­zu­he­ben. So­weit die Sa­che nicht vom Se­nat selbst ent­schie­den wer­den kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO), ist sie an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO). Die An­nah­men des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit set­ze kei­ne erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung durch den Be­trof­fe­nen vor­aus und ver­lan­ge nicht den Nach­weis der über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den hin­aus kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den, ver­let­zen re­vi­si­bles Recht. Des­halb ist die Kla­ge ab­zu­wei­sen, so­weit mit ihr fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2009 bis 31. Ja­nu­ar 2012 gel­tend ge­macht wird. Ob sich das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für den ver­blei­ben­den streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum vom 1. Fe­bru­ar 2012 bis zum 31. De­zem­ber 2012 aus an­de­ren Grün­den im Er­geb­nis ganz oder teil­wei­se als rich­tig dar­stellt (§ 144 Abs. 4 Vw­GO), kann der Se­nat man­gels hier­für aus­rei­chen­der tat­säch­li­cher Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts nicht ent­schei­den.

8 In dem Zeit­raum ab 2009, in dem die An­sprü­che nicht ver­jährt sind, lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die Be­klag­te, die das vom Land Bran­den­burg er­las­se­ne Recht le­dig­lich an­wen­det, dem Grun­de nach vor (1.). Uni­ons­recht kann in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land durch Rechts­ver­ord­nun­gen um­ge­setzt wer­den (2.). § 4 Abs. 3 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit der Be­am­ten des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in den Feu­er­weh­ren und den Leit­stel­len der Land­krei­se im Land Bran­den­burg vom 3. Au­gust 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit für die Be­am­ten des Po­li­zei­voll­zugs­diens­tes, des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes und des Jus­tiz­voll­zugs­diens­tes des Lan­des Bran­den­burg vom 16. Sep­tem­ber 2009 (Bb­gAZV­PFJ, GVBl. II S. 686) set­zen Art. 22 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um. Sie ver­let­zen of­fen­kun­dig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Ver­bot, wo­nach kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten (3.). Die An­wen­dung die­ses mit Uni­ons­recht un­ver­ein­ba­ren Lan­des­rechts ist der be­klag­ten Stadt als Dienst­her­rin der Feu­er­wehr­be­am­ten an­zu­las­ten. Durch die An­wen­dung des den Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts nicht ge­nü­gen­den in­ner­staat­li­chen Rechts ist der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch auch ge­gen­über der Kom­mu­ne als Dienst­her­rin be­grün­det (4.). Der Dienst­herr muss aber le­dig­lich die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit aus­glei­chen, die der Be­rech­tig­te ab dem auf die erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet hat. Dies ist im Fall des Klä­gers erst für die Zeit ab Fe­bru­ar 2012 der Fall (5.). Der noch nicht ver­fal­le­ne Aus­gleichs­an­spruch ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit aus­ge­rich­tet. Da die­se Form des Aus­gleichs aus vom Klä­ger nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus­schei­det, wan­delt sich der Aus­gleichs­an­spruch in ei­nen sol­chen auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich (6.). Ob und ggf. in­wie­weit der Klä­ger Zu­viel­ar­beit ge­leis­tet hat, be­stimmt sich man­gels ei­ner an­der­wei­ti­gen Re­ge­lung durch den na­tio­na­len Norm­ge­ber nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (7.). Für den Geld­aus­gleich sind die Sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te ma­ß­geb­lich. Der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich er­folgt da­nach nicht pau­schal nach der Dif­fe­renz zwi­schen der Höchst­ar­beits­zeit und der ge­neh­mig­ten Zu­viel­ar­beit. Er rich­tet sich viel­mehr nach den vom Be­am­ten kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den (8.). Die Ein­ho­lung ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on im Ver­fah­ren nach Art. 267 AEUV ist nicht ver­an­lasst (9.).

9 1. Die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die be­klag­te Stadt, die nicht für die Um­set­zung der Vor­ga­ben der Richt­li­nie durch den Er­lass von Rechts­nor­men zu­stän­dig ist, sind im Zeit­raum ab dem Jahr 2009 dem Grun­de nach ge­ge­ben. Denn die Be­klag­te hat die zur Um­set­zung von Art. 22 RL 2003/88/EG er­las­se­nen Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg an­ge­wen­det, ob­wohl für sie er­kenn­bar war, dass die­se Um­set­zung im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot un­zu­rei­chend ge­we­sen ist.

10 Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch setzt nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) vor­aus, dass die uni­ons­recht­li­che Norm, ge­gen die ver­sto­ßen wor­den ist, die Ver­lei­hung von Rech­ten an die Ge­schä­dig­ten be­zweckt (a), zwi­schen die­sem Ver­stoß und dem den Ge­schä­dig­ten ent­stan­de­nen Scha­den ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang be­steht (b) und der Ver­stoß ge­gen die­se Norm hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG tref­fen die Mit­glied­staa­ten die er­for­der­li­chen Maß­nah­men, da­mit nach Ma­ß­ga­be der Er­for­der­nis­se der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer die durch­schnitt­li­che Ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum 48 Stun­den ein­schlie­ß­lich der Über­stun­den nicht über­schrei­tet. Die­se Vor­schrift ver­leiht dem Ein­zel­nen Rech­te, die die­ser nach Ab­lauf der Frist zur Um­set­zung der wort­glei­chen Vor­gän­ger­be­stim­mung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Ar­beits­zeit­recht der Be­klag­ten un­mit­tel­bar vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend ma­chen kann (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ro­päi­schen Uni­on, der ge­mäß Art. 6 Abs. 1 EUV der glei­che Rang wie den Ver­trä­gen zu­er­kannt ist (stRspr, zu­letzt Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2016 - C-178/15, Sob­c­zys­zyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. No­vem­ber 2015 - C-219/14, Green­field - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Ar­beit­neh­mer kei­ne wei­ter­ge­hen­den Schutz­rech­te her­lei­ten (zum ein­heit­li­chen Ar­beit­neh­mer­be­griff von Richt­li­nie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: Eu­GH, Ur­teil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fe­noll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wo­nach je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer u.a. das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit hat, ge­währ­leis­tet auf­grund der Un­be­stimmt­heit sei­nes Wort­lauts kei­ne wei­ter­ge­hen­den In­di­vi­du­al­rech­te.

12 Ge­mäß der Aus­nah­me­vor­schrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mit­glied­staa­ten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zu­läs­si­ge Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum nor­miert wird, un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen nicht an­zu­wen­den. Ein sol­ches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur mög­lich, wenn die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­ge­hal­ten wer­den und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für ge­sorgt wird, dass kein Ar­beit­ge­ber von dem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn, der Ar­beit­neh­mer ist frei­wil­lig da­zu be­reit, und dass ihm im Wei­ge­rungs­fall kei­ne Nach­tei­le ent­ste­hen.

13 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur der­zei­ti­gen Ar­beits­schutz­richt­li­nie RL 2003/88/EG, eben­so wie zu der Vor­gän­ger­richt­li­nie RL 1993/104/EG, sind ab­wei­chen­de Be­stim­mun­gen als Aus­nah­men von der Ge­mein­schafts­re­ge­lung über die Ar­beits­zeit­ge­stal­tung - wie hier Art. 22 der Richt­li­nie - so aus­zu­le­gen, dass ihr An­wen­dungs­be­reich auf das zur Wah­rung der In­ter­es­sen, de­ren Schutz sie er­mög­li­chen, un­be­dingt Er­for­der­li­che be­grenzt wird (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 2003 - C-151/02, Jae­ger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31; eben­so Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vor­ga­ben in den Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar for­mell wirk­sam (sie­he un­ten 2.), aber in­halt­lich in­fol­ge Nicht­be­ach­tung des Nach­teils­ver­bots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um­ge­setzt (sie­he un­ten 3.). Dies ver­letzt den Klä­ger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Rech­ten. Die be­klag­te Stadt hat die­se im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot uni­ons­rechts­wid­ri­gen Vor­schrif­ten an­ge­wandt und da­mit ih­rer­seits den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch des Klä­gers aus­ge­löst (sie­he un­ten 4.).

15 b) Zwi­schen dem Ver­stoß ge­gen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Scha­den, der dem Klä­ger durch die uni­ons­rechts­wid­rig er­brach­te Zu­viel­ar­beit ent­stan­den ist, be­steht auch ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang. Un­er­heb­lich ist, dass die­se Zu­viel­ar­beit des Klä­gers und der da­mit ver­bun­de­ne Ver­lust an Frei­zeit und Er­ho­lungs­zeit nach na­tio­na­lem Recht kei­nen Scha­den im Sin­ne des zi­vil­recht­li­chen Scha­dens­er­satz­rechts dar­stel­len. Ma­ß­geb­lich ist in­so­weit al­lein auf das Uni­ons­recht ab­zu­stel­len, das hier­in ei­nen Scha­den sieht (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 so­wie Te­nor 1 und 4; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Dar­über hin­aus ist der Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht auch hin­rei­chend qua­li­fi­ziert, um den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch zu be­grün­den. Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ist das der Fall, wenn der Mit­glied­staat die Gren­zen, die sei­nem Er­mes­sen ge­setzt sind, of­fen­kun­dig und er­heb­lich über­schrit­ten hat, wo­bei zu den in­so­weit zu be­rück­sich­ti­gen­den Ge­sichts­punk­ten ins­be­son­de­re das Maß an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der ver­letz­ten Vor­schrift so­wie der Um­fang des Er­mes­sens­spiel­raums ge­hö­ren, den die ver­letz­te Vor­schrift den na­tio­na­len Be­hör­den be­lässt (Eu­GH, Ur­tei­le vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Bras­se­rie du pêcheur und Fac­tor­ta­me - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Ja­nu­ar 2007 - C-278/05, Ro­bins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 so­wie Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVer­wG, Ur­teil vom 30. Ok­to­ber 2014 - 2 C 3.13 - Buch­holz 245 Lan­des­BesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qua­li­fi­zier­ter Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht zu­las­ten des Klä­gers liegt im Hin­blick auf das von der Be­klag­ten zu be­ach­ten­de Nach­teils­ver­bot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (sie­he 3.a).

17 Für den Zeit­raum ab dem Jahr 2009 sind zu­gleich grund­sätz­lich die Vor­aus­set­zun­gen des dienst­recht­li­chen Aus­gleichs­an­spruchs aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ge­ge­ben (BVer­wG, Ur­tei­le vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buch­holz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26). Die bei­den An­sprü­che sind hin­sicht­lich der Ver­jäh­rung so­wie der Rechts­fol­gen gleich­ge­rich­tet (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. In­ner­staat­li­che Rechts­vor­schrif­ten, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - ei­ne Richt­li­nie der Eu­ro­päi­schen Uni­on in deut­sches Recht um­set­zen, sind am Maß­stab des Uni­ons­rechts zu mes­sen, so­weit die Richt­li­nie den Mit­glied­staa­ten kei­nen Um­set­zungs­spiel­raum lässt, son­dern zwin­gen­de Vor­ga­ben macht (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 22. Ok­to­ber 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerf­GE 73, 339 <387>, vom 7. Ju­ni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerf­GE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerf­GE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerf­GE 121, 1 <15>, vom 14. Ok­to­ber 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerf­GE 122, 1 <20> und vom 21. Sep­tem­ber 2016 - 2 BvL 1/15 - ju­ris Rn. 32). Den Mit­glied­staa­ten steht es un­ter den in Art. 22 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­si­gen Höchst­ar­beits­zeit für Ar­beit­neh­mer ab­zu­wei­chen. Da­für müs­sen sie Rechts­nor­men er­las­sen (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richt­li­nie ga­ran­tier­ten all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ge­währ­leis­ten und die dar­über hin­aus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Kri­te­ri­en ge­nü­gen. Für die Trans­for­ma­ti­on von Uni­ons­recht in in­ner­staat­li­ches Recht kom­men so­wohl for­mel­le Ge­set­ze als auch Rechts­ver­ord­nun­gen in Be­tracht (vgl. nur Ruf­fert, in: Cal­liess/Ruf­fert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schro­eder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 je­weils m.w.N.). Da­mit rich­tet sich die Uni­ons­rechts­kon­for­mi­tät der frag­li­chen Rechts­ver­ord­nun­gen in­so­weit al­lein da­nach, ob die­se nach in­ner­staat­li­chem Recht ei­ne hin­rei­chen­de Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge ha­ben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - eben­so wie sei­ne in­halts­glei­che Vor­gän­ger­norm in § 143 und § 134 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 8. Ok­to­ber 1999 (GVBl. I S. 446) - er­mäch­tigt die zu­stän­di­gen Mit­glie­der der Lan­des­re­gie­rung aus­drück­lich, die Ar­beits­zeit der Po­li­zei- und Jus­tiz­voll­zugs­be­am­ten so­wie die des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in ei­ner Rechts­ver­ord­nung zu re­geln. Da­mit ist so­wohl dem uni­ons­recht­li­chen Rechts­norm­vor­be­halt als auch dem in­ner­staat­li­chen Ge­set­zes­vor­be­halt Ge­nü­ge ge­tan.

19 3. § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und sei­ne Nach­fol­ger­vor­schrift, der wort­lauti­den­tisch bis zum 31. Ju­li 2014 gel­ten­de § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009, be­stim­men, dass auf An­trag des Be­am­ten über den Rah­men von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus Schicht­dienst bis zu 56 Stun­den un­ter Be­ach­tung der all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes als durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Ar­beits­zeit be­wil­ligt wer­den kann. Die Be­wil­li­gung kann aus dienst­li­chen Grün­den zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jahrs mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen wer­den. Der Be­am­te ist auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit schrift­lich hin­zu­wei­sen. Er kann sei­nen An­trag zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jah­res mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen.

20 a) So­wohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 set­zen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hin­rei­chend um. Da­nach hat ein Mit­glied­staat, der von die­ser Aus­nah­me­vor­schrift Ge­brauch ma­chen möch­te, mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für zu sor­gen, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, ei­ner über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hin­aus­ge­hen­den Ar­beit nach­zu­ge­hen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" da­mit un­ter den Vor­be­halt, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, aus den in der Ar­beits­zeitricht­li­nie fest­ge­leg­ten Ar­beits­zeit­höchst­gren­zen "aus­zu­tre­ten" oder "hin­aus­zu­op­tie­ren" (Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­ho­fes der Eu­ro­päi­schen Uni­on er­for­dert die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie nicht ei­ne förm­li­che und wört­li­che Über­nah­me ih­rer Be­stim­mun­gen in ei­ne aus­drück­li­che, be­son­de­re Rechts­vor­schrift. Ihr kann viel­mehr durch ei­nen all­ge­mei­nen recht­li­chen Kon­text Ge­nü­ge ge­tan wer­den, wenn die­ser tat­säch­lich die voll­stän­di­ge An­wen­dung der Richt­li­nie hin­rei­chend klar und be­stimmt ge­währ­leis­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on ist je­doch er­for­der­lich, dass die Rechts­la­ge hin­rei­chend be­stimmt, klar und trans­pa­rent ist und die Be­güns­tig­ten in die La­ge ver­setzt, von al­len ih­ren Rech­ten Kennt­nis zu er­lan­gen und die­se ggf. vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend zu ma­chen (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vor­ga­be, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nor­mier­te Nach­teils­ver­bot in in­ner­staat­li­ches Recht um­zu­set­zen, wer­den we­der § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ge­recht. In bei­den Vor­schrif­ten fehlt ein Hin­weis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Nach­teils­ver­bot. Da­durch wird des­sen prak­ti­sche Wirk­sam­keit ge­schwächt, weil der Ar­beit­neh­mer nicht hin­rei­chend klar er­ken­nen kann, dass er sich, nach der Er­klä­rung sei­ner­seits an der Höchst­ar­beits­zeit ge­mäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­hal­ten zu wol­len, et­wa ge­gen nach­tei­li­ge Dienst­plan­ge­stal­tun­gen mit Er­folg zur Wehr set­zen kann (Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nach­teils­ver­bot, das mit Blick auf den Schutz­cha­rak­ter der Ar­beits­zeitricht­li­nie we­sent­li­che Be­deu­tung hat, kommt auch nicht in sons­ti­gen im Be­reich des Lan­des Bran­den­burg gel­ten­den ver­öf­fent­lich­ten Rechts­vor­schrif­ten, wie ins­be­son­de­re den Be­am­ten­ge­set­zen, in die der in­so­weit be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer et­wa Ein­sicht neh­men könn­te, mit hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit, Klar­heit und Trans­pa­renz zum Aus­druck. Das gilt ins­be­son­de­re für die - le­dig­lich als Ge­ne­ral­klau­sel for­mu­lier­te - be­am­ten­recht­li­che Für­sor­ge­pflicht ge­mäß § 45 Be­amtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zu­dem wä­re, selbst wenn man un­ter­stellt, dass sol­che Rechts­vor­schrif­ten vor­han­den sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den bran­den­bur­gi­schen Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen hin­zu­wei­sen. Dar­an fehlt es eben­falls. An­de­ren­falls wä­re der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer, der ty­pi­scher­wei­se ge­ra­de über kei­ne ver­tief­ten ju­ris­ti­schen Kennt­nis­se ver­fügt, nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge, die er­for­der­li­che in­halt­li­che Ver­knüp­fung zwi­schen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den na­tio­na­len Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeit­ver­ord­nung und dem an an­de­rer Stel­le nor­mier­ten Nach­teils­ver­bot her­zu­stel­len. So wä­re et­wa der be­güns­tig­te (be­am­te­te) Ar­beit­neh­mer nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge zu er­ken­nen, dass sei­ne - aus dienst­li­chen Grün­den mög­li­che - Um­set­zung oder auch nur ei­ne ihm nach­tei­li­ge Dienst­plan­än­de­rung dem Nach­teils­ver­bot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG un­ter­fällt, wenn sie des­halb er­folgt, weil er nicht be­reit ist, über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit­gren­ze von 48 Stun­den hin­aus zu ar­bei­ten (sie­he so auch Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on, Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Des­halb grei­fen die Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen so­wohl des Bun­des und meh­re­rer an­de­rer Bun­des­län­der, die von der Öff­nungs­klau­sel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Ge­brauch ge­macht ha­ben, das Nach­teils­ver­bot ge­ra­de aus­drück­lich auf (vgl. et­wa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzV­BY vom 5. Ja­nu­ar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZ­VO vom 30. De­zem­ber 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZ­VO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZ­VOFeu NW vom 1. Sep­tem­ber 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 Säch­s­AZ­VO vom 28. Ja­nu­ar 2008, GVBl. S. 198). Her­vor­zu­he­ben ist, dass auch das Recht des Lan­des Bran­den­burg nun­mehr - mit Wir­kung ab dem 1. Au­gust 2014 - das Nach­teils­ver­bot in § 21 Abs. 4 Satz 2 Bb­gAZV­PFJ vom 10. Ju­li 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) aus­drück­lich nennt. Dar­an fehlt es - für den hier streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009.

26 b) Steht da­mit die un­voll­stän­di­ge Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­deu­tig und klar fest, kommt es auf die wei­te­re Fra­ge, ob die­se Be­stim­mun­gen der bei­den ge­nann­ten Rechts­ver­ord­nun­gen dar­über hin­aus auch den An­for­de­run­gen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG of­fen­kun­dig nicht ge­recht wer­den, vor­lie­gend nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich an. Der Se­nat hält die­se Fra­ge für of­fen.

27 aa) Maß­st­abs­bil­den­de Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur Fra­ge der Not­wen­dig­keit ei­nes Be­zugs­zeit­raums und zur Aus­le­gung des Be­griffs "im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vor­gän­ger­richt­li­nie gibt es für den Fall des "Opt-out" bis­lang nicht. Das gilt auch für das Ur­teil des Ge­richts­hofs vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Die­ses Ur­teil be­zieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vor­gän­ger­richt­li­nie 1993/104/EG, der al­ler­dings im We­sent­li­chen mit Art. 22 RL 2003/88/EG ver­gleich­bar ist. In die­sem Ur­teil führt der Ge­richts­hof aber nur aus, dass die In­an­spruch­nah­me der Mög­lich­keit, die Grund­satz­norm des Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, vor­aus­setzt, dass die Mit­glied­staa­ten die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hal­ten und be­stimm­te - in der Richt­li­nie ge­nann­te - ku­mu­la­ti­ve Vor­aus­set­zun­gen er­fül­len. Für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums folgt dar­aus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum" die Re­de ist.

28 Die in­ner­staat­li­che Recht­spre­chung zu die­ser Fra­ge ist un­ein­heit­lich (be­ja­hend: OVG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­tei­le vom 18. Ju­ni 2015 - OVG 6 B 19.15 - ju­ris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - ju­ris Rn. 25; ver­nei­nend: VG Mün­chen, Ur­teil vom 18. Ok­to­ber 2016 - M 5 K 14.5855 - ju­ris Rn. 32; VG Aa­chen, Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2016 - 1 K 2244/14 - ju­ris Rn. 32).

29 Ei­ner­seits gibt es Ar­gu­men­te, die da­für spre­chen, ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur un­ter Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums zu­zu­las­sen. Der Wort­laut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könn­te in deut­scher Sprach­fas­sung dar­auf hin­deu­ten, dass es den Mit­glied­staa­ten ob­liegt, ei­nen (bis zu vier­mo­na­ti­gen) Be­zugs­zeit­raum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu re­geln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG be­stimmt, dass es ei­nem Mit­glied­staat frei­ge­stellt ist, Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, wenn er die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hält und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für sorgt, dass kein Ar­beit­ge­ber von ei­nem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn der Ar­beit­neh­mer hat sich hier­zu be­reit er­klärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Wei­te­ren vor, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass "der Ar­beit­ge­ber die zu­stän­di­gen Be­hör­den [...] dar­über un­ter­rich­tet, wel­che Ar­beit­neh­mer sich da­zu be­reit er­klärt ha­ben, im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten".

30 Auch aus der Norm­sys­te­ma­tik las­sen sich Grün­de für die Not­wen­dig­keit, ei­nen Be­zugs­zeit­raum nach Ma­ß­ga­be von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Fal­le des "Opt-out" zu re­geln, her­lei­ten. Sys­te­ma­tisch spricht der Zu­sam­men­hang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Er­for­der­nis ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Zu den un­ab­hän­gig vom Ein­ver­ständ­nis des Ar­beit­neh­mers zu re­geln­den Vor­ga­ben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­hört, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass ein Ar­beit­neh­mer die Mög­lich­keit hat, nur durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den zu ar­bei­ten. Da­für wä­re die Re­ge­lung je­den­falls ei­nes Be­zugs­zeit­raums hilf­reich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­währ­leis­ten, dass die Mit­glied­staa­ten ei­ne Gren­ze für die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit re­geln, um so zum Ar­beits- und Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer bei­zu­tra­gen (EFTA-Ge­richts­hof, Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein sol­cher Schutz wür­de oh­ne die Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums für den Durch­schnitt der Wo­chen­ar­beits­zeit er­schwert. Der durch die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit be­zweck­te Schutz ist um­so in­ten­si­ver, je kür­zer der für den Durch­schnitt ma­ß­geb­li­che Be­zugs­zeit­raum ist. Be­son­ders in­ten­siv ist er, wenn der Be­zugs­zeit­raum nur ei­ne Wo­che be­trägt, weil es dann un­mög­lich ist, ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit ei­ner Wo­che durch ge­rin­ge­re Ar­beits­zei­ten an­de­rer Wo­chen "weg­zu­rech­nen". Ein ma­xi­ma­ler Schutz in die­sem Sin­ne wä­re mit­hin da­durch zu er­rei­chen, dass bei Feh­len ei­ner Re­ge­lung des Be­zugs­zeit­raums der kon­kre­te Sie­ben­ta­ges­zeit­raum ma­ß­geb­lich ist. Die­se Rechts­fol­ge tritt bei Feh­len ei­ner Be­zugs­zeit­raum­re­ge­lung ein, so­lan­ge Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG An­wen­dung fin­det (BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zu­las­sung ei­ner oh­ne Be­zugs­zeit­raum mög­li­chen und da­mit un­li­mi­tier­ten Höchst­ar­beits­zeit könn­te zu­dem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh wi­der­spre­chen, der be­stimmt, dass je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit, auf täg­li­che und wö­chent­li­che Ru­he­zei­ten so­wie auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hat (vgl. Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Fer­ner ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass auch ein recht­mä­ßi­ges "Opt-out" ge­mäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Er­for­der­nis der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­freit, aber nicht von den täg­li­chen und wö­chent­li­chen Min­dest­ru­he­zei­ten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ru­he­pau­sen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Be­schrän­kun­gen der Nacht­ar­beit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dis­pen­siert. Des­halb ist die Fest­stel­lung der Kom­mis­si­on in ih­ren ak­tu­el­len An­wen­dungs­hin­wei­sen zu Aus­le­gungs­fra­gen der Ar­beits­zeitricht­li­nie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zu­tref­fend, dass, be­rück­sich­tigt man nur den Zeit­raum der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit, die in der Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­nen Min­dest­zeit­räu­me der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit von den ins­ge­samt 168 Stun­den (24 Stun­den x 7 Ta­ge) ei­ner Wo­che be­reits durch­schnitt­lich 90 Ru­he­stun­den be­deu­ten (6 Ta­ge x 11 Stun­den täg­li­che Ru­he­zeit + 24 Stun­den wö­chent­li­che Ru­he­zeit). Dem­zu­fol­ge dürf­te un­ter Be­rück­sich­ti­gung von Ru­he­zei­ten, Ru­he­pau­sen und der mög­li­chen stren­ge­ren Be­schrän­kun­gen im Fall von Nacht­ar­beit die Ar­beits­zeit auch im Fal­le ei­ner recht­mä­ßi­gen Aus­nah­me­re­ge­lung nach Art. 22 RL 2003/88/EG ei­nen Durch­schnitt von 78 Stun­den pro Wo­che nicht über­schrei­ten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 An­de­rer­seits wirft die kon­kre­te Be­stim­mung ei­nes Be­zugs­zeit­raums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ei­ne Viel­zahl von bis­lang un­ge­klär­ten uni­ons­recht­li­chen Fra­gen auf. So ist zu­nächst un­klar, ob es zur abs­trakt-ge­ne­rel­len Re­ge­lung der Mög­lich­keit ei­ner "Opt-out"-Ver­ein­ba­rung ei­nes be­son­de­ren Be­zugs­zeit­raums be­darf. Der Hin­weis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum könn­te näm­lich auch dar­auf hin­deu­ten, dass da­mit der längs­te vom Mit­glied­staat fest­zu­le­gen­de Be­zugs­zeit­raum ge­meint ist. Da­für könn­te auch nach der deut­schen Sprach­fas­sung des Richt­li­ni­en­tex­tes spre­chen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Zeit­raum" die Re­de ist und nicht von dem "nach Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) fest­ge­setz­ten Be­zugs­zeit­raum".

34 Des Wei­te­ren stel­len sich norm­sys­te­ma­ti­sche Fra­gen nach dem Ver­hält­nis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ver­weist wört­lich be­trach­tet al­lein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Zeit­raum, so­dass frag­lich ist, ob er auch die Fest­set­zun­gen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richt­li­nie er­fasst, in de­nen - je­weils un­ter be­son­de­ren Vor­aus­set­zun­gen - an­de­re Be­zugs­zeit­räu­me be­nannt wer­den. Da­bei ist ins­be­son­de­re zu be­rück­sich­tig­ten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Ver­hält­nis zu Art. 16 RL 2003/88/EG un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen län­ge­re Be­zugs­zeit­räu­me von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Mo­na­ten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) er­öff­nen.

35 Die For­mu­lie­rung der ver­schie­de­nen Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie ist je nach Sprach­fas­sung und auch in­ner­halb ein­zel­ner Sprach­fas­sun­gen nach den Aus­füh­run­gen der Schluss­an­trä­ge der Ge­ne­ral­an­wäl­tin Ko­kott im Ver­fah­ren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) un­ein­heit­lich. Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on müs­sen aber die Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts im Licht der Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on ein­heit­lich aus­ge­legt und an­ge­wandt wer­den. Wei­chen die ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen ei­nes Rechts­tex­tes der Uni­on von­ein­an­der ab, muss die frag­li­che Vor­schrift an­hand der all­ge­mei­nen Sys­te­ma­tik und des Zwecks der Re­ge­lung aus­ge­legt wer­den, zu der sie ge­hört (Eu­GH, Ur­tei­le vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ER­GO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Os­so - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Not­wen­dig­keit ei­ner ein­heit­li­chen An­wen­dung und da­mit ei­ner ein­heit­li­chen Aus­le­gung der Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts schlie­ßt es da­nach aus, ei­ne Vor­schrift in ei­ner ih­rer Fas­sun­gen iso­liert zu be­trach­ten, son­dern ge­bie­tet es, sie an­hand des wirk­li­chen Wil­lens ih­res Norm­ge­bers und des von ihm ver­folg­ten Zwecks na­ment­lich im Licht ih­rer Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on aus­zu­le­gen. Ei­ne ab­wei­chen­de Sprach­fas­sung kann des­halb nicht al­lein ge­gen­über al­len an­de­ren Sprach­fas­sun­gen den Aus­schlag ge­ben (EuG-Rechts­mit­tel­kam­mer, Ur­teil vom 8. No­vem­ber 2012 - T-268/11 P - ju­ris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Un­ein­heit­lich­keit in den ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hin­zu­wei­sen. Die Fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG wei­sen in eng­li­scher, fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung je­weils klei­ne Be­son­der­hei­ten auf, die bei der Aus­le­gung der Norm zu be­rück­sich­ti­gen sein könn­ten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lau­tet in eng­li­scher Fas­sung: "for the ap­pli­ca­ti­on of Ar­ti­cle 6 (ma­xi­mum weekly working time), a re­fe­rence pe­ri­od not ex­cee­ding four months", al­so um ei­nen Be­zugs­zeit­raum, der vier Mo­na­te nicht über­schrei­ten darf, wäh­rend es in fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung im Gleich­klang um ei­nen Be­zugs­zeit­raum von bis zu vier Mo­na­ten ("une pe­ri­ode de re­fe­rence ne de­pas­sant pas quat­re mois") geht. Wei­ter hei­ßt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in eng­li­scher Fas­sung "du­ra­ti­on of the working time", wäh­rend sich die fran­zö­si­sche und deut­sche Fas­sung des Norm­tex­tes je­weils mit den Wor­ten "la du­ree du temps de tra­vail" oder mit dem Wort "Ar­beits­zeit" be­gnügt. Die eng­li­sche Fas­sung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG dar­über hin­aus nur von Ta­rif­ver­trä­gen (collec­ti­ve agree­ments) und Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen bei­den Sei­ten der In­dus­trie (the two si­des of in­dus­try) wäh­rend im fran­zö­si­schen und deut­schen Text der Richt­li­nie an die­ser Stel­le von "con­ven­ti­ons collec­ti­ves"/"Ta­rif­ver­trä­gen" und "ac­cords con­clus ent­re par­ten­aires so­ci­aux"/"So­zi­al­part­nern" ge­spro­chen wird. In die­sem Zu­sam­men­hang ist auch zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Kom­mis­si­on in ih­rer ak­tu­el­len Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) aus­drück­lich dar­auf hin­weist, dass die Richt­li­nie we­der den Be­griff "Ta­rif­ver­trag" de­fi­niert noch nä­her er­läu­tert, was "Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern auf na­tio­na­ler und re­gio­na­ler Ebe­ne" sind, mit der Fol­ge, dass die­se Be­grif­fe durch na­tio­na­le Rechts­vor­schrif­ten und Ge­pflo­gen­hei­ten nä­her zu be­stim­men sei­en (ABl. EU Nr. C 165/49). Schlie­ß­lich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf­merk­sam zu ma­chen. Dort hei­ßt es in der eng­li­schen Fas­sung am En­de "un­less he has first ob­tai­ned the worker’s agree­ment to per­form such work”, wäh­rend es nach der fran­zö­si­schen und deut­schen Text­fas­sung aus­reicht, dass sich der Ar­beit­neh­mer be­reit er­klärt hat, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten.

37 All die­se sprach­li­chen Un­eben­hei­ten las­sen sich norm­sys­te­ma­tisch und te­leo­lo­gisch zwar un­ter Rück­füh­rung dar­auf ver­ein­heit­li­chen, dass der Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on in den Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie über die Min­dest­ru­he­zei­ten und die Höchst­ar­beits­zei­ten "be­son­ders wich­ti­ge Re­geln des So­zi­al­rechts der Ge­mein­schaft" sieht. Die­se Re­geln müs­sen je­dem Ar­beit­neh­mer als ein zum Schutz sei­ner Si­cher­heit und sei­ner Ge­sund­heit be­stimm­ter Min­dest­an­spruch zu­gu­te­kom­men (vgl. z.B. Eu­GH, Ur­tei­le vom 7. Sep­tem­ber 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Ok­to­ber 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Des­halb be­grenzt der Ge­richts­hof die den Mit­glied­staa­ten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mög­li­che Ab­wei­chungs­mög­lich­keit u.a. von der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit für Fäl­le, in de­nen die Ar­beits­zeit we­gen der be­son­de­ren Merk­ma­le der aus­ge­üb­ten Tä­tig­keit nicht ge­mes­sen und oder nicht im Vor­aus fest­ge­legt wird oder von den Ar­beit­neh­mern selbst fest­ge­legt wer­den kann, auf das zum Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer "un­be­dingt Er­for­der­li­che" (Eu­GH, Ur­teil vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31).

38 Dar­aus aber den für den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch er­for­der­li­chen wei­te­ren Schluss zu zie­hen, ein Mit­glied­staat ver­sto­ße hin­rei­chend qua­li­fi­ziert und da­mit of­fen­kun­dig ge­gen ei­ne uni­ons­recht­li­che Norm, wenn er ei­ne "Opt-out"-Ent­schei­dung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, oh­ne zu­gleich ei­nen Be­zugs­zeit­raum im Sin­ne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­zu­le­gen, ist dem Se­nat man­gels des er­for­der­li­chen Ma­ßes an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der als ver­letzt gel­ten­den Vor­schrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht mög­lich.

39 bb) Eben­so ver­hält es sich mit der wei­te­ren Fra­ge der Frei­wil­lig­keit der nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs (Eu­GH, Ur­teil vom 5. Ok­to­ber 2004 - C 397/01 u.a., Pfeif­fer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) not­wen­dig in­di­vi­du­el­len Be­reit­schafts­er­klä­rung ei­nes Ar­beit­neh­mers. Hier geht es um den schrift­li­chen An­trag des Klä­gers vom 10. Ok­to­ber 2007, Zu­viel­ar­beit im Sin­ne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leis­ten zu dür­fen. Wäh­rend die Frei­wil­lig­keit und In­di­vi­dua­li­tät der Be­reit­schafts­er­klä­rung des Klä­gers un­zwei­fel­haft sind, stellt sich die Fra­ge der Ver­ein­bar­keit mit Uni­ons­recht im Hin­blick auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit die­ser Er­klä­rung oder die­ses An­trags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009. Der Richt­li­ni­en­text ent­hält kei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung über das "ob" und das "wie" ei­nes die Be­reit­schafts­er­klä­rung be­tref­fen­den Wi­der­rufs­rechts des Ar­beit­neh­mers. Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu Mög­lich­keit und Mo­da­li­tä­ten ei­nes Wi­der­rufs ist nicht er­sicht­lich. Der EFTA-Ge­richts­hof hat im Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - (ju­ris) nur ent­schie­den, dass der ge­ne­rel­le Wi­der­rufsau­schluss ei­ner ein­mal wirk­sam ge­ge­be­nen Be­reit­schafts­er­klä­rung im Ein­zel­fall ei­ne Ver­let­zung der Richt­li­nie be­grün­den kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 vor­ge­se­he­ne Wi­der­rufs­mög­lich­keit mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten zum Ab­lauf des Ka­len­der­jah­res den An­for­de­run­gen an die je­der­zei­ti­ge Frei­wil­lig­keit der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit ge­nügt, kann hier un­ent­schie­den blei­ben. Da­für könn­te die Tat­sa­che spre­chen, dass der Richt­li­ni­en­text für die Fra­ge des Wi­der­rufs und der Wi­der­rufs­frist ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit kei­ne aus­drück­li­chen Vor­ga­ben macht. Da­ge­gen lie­ße sich in­des norm­sys­te­ma­tisch und am Zweck des Ar­beits­zeit­schut­zes ori­en­tiert für ei­nen mög­li­chen Gleich­lauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ma­xi­ma­len Be­zugs­zeit­raums von vier Mo­na­ten und der Frist für den Wi­der­ruf ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit ar­gu­men­tie­ren (so et­wa Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tat­sa­che, dass der bun­des­deut­sche Ge­setz­ge­ber in Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Wi­der­rufs­frist für nicht be­am­te­te Ar­beit­neh­mer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fas­sung vom 24. De­zem­ber 2003 (BGBl. I S. 3002) ge­ne­rell auf sechs Mo­na­te oh­ne Be­gren­zung auf das Jah­res­en­de be­stimmt hat (vgl. da­zu nä­her Wank, in: Mül­ler-Glö­ge/Preis/Schmidt, Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könn­te ge­gen ei­ne ma­xi­mal 15 Mo­na­te lau­fen­de Wi­der­rufs­frist - Wi­der­ruf am 1. Ok­to­ber, Frist­ab­lauf am 31. De­zem­ber des Fol­ge­jah­res - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­ge­wandt wer­den. Dies zeigt: Auch die Fra­ge, ob die Vor­ga­ben des streit­ge­gen­ständ­li­chen bran­den­bur­gi­schen Lan­des­rechts zur Ar­beits­zeit für Feu­er­wehr­be­am­te in der Zeit zwi­schen 2007 (In­kraft­tre­ten von § 4 AZV Feu 2007 im Au­gust 2007) und 2014 (In­kraft­tre­ten von § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2014 im Au­gust 2014) den An­for­de­run­gen der Frei­wil­lig­keit für die Dau­er der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­nü­gen, lässt sich auf­grund ei­ner Nor­m­aus­le­gung nach Wort­laut, Sys­te­ma­tik und Zweck nicht hin­rei­chend ein­deu­tig und klar be­ant­wor­ten.

41 cc) Die Text­ana­ly­se schlie­ßt es nach al­le­dem aus, hin­sicht­lich der Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fra­gen der Not­wen­dig­keit von Be­zugs­zeit­räu­men und den An­for­de­run­gen an die Frei­wil­lig­keit für den Wi­der­ruf von Ein­ver­ständ­nis­er­klä­run­gen zur Zu­viel­ar­beit hin­sicht­lich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 von ei­nem "hin­rei­chend qua­li­fi­zier­ten Ver­stoß" ge­gen das Uni­ons­recht im Sinn des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs aus­zu­ge­hen.

42 4. Un­ge­ach­tet der evi­dent un­zu­rei­chen­den Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Re­ge­lung der Ar­beits­zeit von kom­mu­na­len Feu­er­wehr­be­am­ten zu­stän­di­gen Lan­des­ge­setz­ge­ber ist die be­klag­te Stadt hier als Nor­m­an­wen­der auf­grund des An­wen­dungs­vor­rangs des Uni­ons­rechts ge­hal­ten ge­we­sen, die Vor­ga­ben der Richt­li­nie zu be­fol­gen und ent­ge­gen­ste­hen­des Lan­des­recht un­an­ge­wen­det zu las­sen. Die Be­klag­te hät­te er­ken­nen müs­sen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 klar und ein­deu­tig die Vor­ga­be ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ver­let­zen, weil es die­sen Rechts­ver­ord­nun­gen an ei­ner Vor­schrift fehlt, die ge­währ­leis­tet, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, Zu­viel­ar­beit zu leis­ten. Ein Trä­ger öf­fent­li­cher Ge­walt ist auch in sei­ner Ei­gen­schaft als öf­fent­li­cher Ar­beit­ge­ber zur An­wen­dung des Uni­ons­rechts ver­pflich­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Im­pact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Da­nach hat die Be­klag­te in ih­rer Ei­gen­schaft als Dienst­her­rin des Klä­gers durch Nicht­be­ach­tung des An­wen­dungs­vor­rangs der EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ge­gen das Uni­ons­recht ver­sto­ßen. Dass sie in­ner­staat­lich die Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des im Rah­men ih­rer Auf­ga­ben der mit­tel­ba­ren Staats­ver­wal­tung zu be­fol­gen hat­te, än­dert dar­an nichts.

43 5. Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit setzt - wie der na­tio­na­le dienst­recht­li­che Aus­gleichs­an­spruch - vor­aus, dass er vom Be­am­ten oder Sol­da­ten zu­vor zu­min­dest in Form ei­ner Rü­ge gel­tend ge­macht wor­den ist. Aus­zu­glei­chen ist die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit, die ab dem auf die erst­ma­li­ge schrift­li­che Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet wor­den ist (stRspr, BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Klä­ger erst im Ja­nu­ar 2012 den An­trag ge­stellt hat, ste­hen ihm An­sprü­che erst ab Fe­bru­ar 2012 zu.

44 a) Be­sol­dungs­an­sprü­che von Be­am­ten und Sol­da­ten er­ge­ben sich un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), ei­nes An­tra­ges oder ei­ner Rü­ge be­darf es da­her nicht. Ent­spre­chen­des gilt für Ver­sor­gungs­be­zü­ge (z.B. § 3 Abs. 1 Be­amtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechts­grund der Ali­men­tie­rung von Ru­he­stands­be­am­ten ist zwar der Ver­sor­gungs­fest­set­zungs­be­scheid, auch die­ser er­geht in­des von Amts we­gen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 Be­amtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und be­darf da­her we­der ei­nes An­trags noch ei­ner Hin­weis­pflicht (BVer­wG, Ur­teil vom 25. Ok­to­ber 2012 - 2 C 59.11 - BVer­w­GE 145, 14 Rn. 34).

45 An­sprü­che, de­ren Fest­set­zung und Zah­lung sich nicht un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz er­ge­ben, be­dür­fen da­ge­gen ei­ner vor­he­ri­gen Gel­tend­ma­chung (BVerfG, Be­schluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerf­GE 81, 363 <384 f.>; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - ju­ris Rn. 16). Denn hier ist ei­ne vor­gän­gi­ge be­hörd­li­che Ent­schei­dung über Grund und Hö­he der be­gehr­ten Zah­lung er­for­der­lich.

46 Für An­sprü­che we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit gilt dies in be­son­de­rer Wei­se. Die­se sind nicht pri­mär auf die Zah­lung ei­nes fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs ge­rich­tet, son­dern auf die Be­sei­ti­gung des rechts­wid­ri­gen Zu­stands. Durch den Hin­weis des Be­am­ten oder Sol­da­ten ist da­her zu­nächst ei­ne Prü­fung sei­nes Dienst­herrn ver­an­lasst, ob ei­ne Än­de­rung der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung er­for­der­lich ist und ob ei­ne rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit - et­wa durch An­pas­sung der ma­ß­geb­li­chen Dienst­plä­ne - ver­mie­den oder durch die Ge­wäh­rung von Frei­zeit­aus­gleich kom­pen­siert wer­den kann. Oh­ne ent­spre­chen­de Rü­ge muss der Dienst­herr nicht da­von aus­ge­hen, je­der Be­am­te wer­de die Über­schrei­tung der ak­tu­el­len Ar­beits­zeit­re­ge­lung be­an­stan­den. Auch hin­sicht­lich der mög­li­chen fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs­pflicht hat der Dienst­herr ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an, nicht nach­träg­lich mit un­vor­her­seh­ba­ren Zah­lungs­be­geh­ren kon­fron­tiert zu wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 21. Sep­tem­ber 2006 - 2 C 7.06 - Buch­holz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Be­am­te wird durch das Er­for­der­nis der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn auch nicht un­zu­mut­bar be­las­tet. Denn an die Rü­ge des Be­rech­tig­ten sind kei­ne zu ho­hen An­for­de­run­gen zu stel­len. Es reicht aus, wenn sich aus der Äu­ße­rung er­gibt, dass der Be­am­te oder Sol­dat die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt hält. We­der ist ein An­trag im rechts­tech­ni­schen Sin­ne er­for­der­lich noch muss Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich, be­an­tragt oder der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich kon­kret be­rech­net wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buch­holz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die An­wen­dung des Grund­sat­zes der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung auch auf den nicht nor­ma­tiv ge­re­gel­ten uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch ist mit Uni­ons­recht ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­teil vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Vor­aus­set­zung für die Ver­ein­bar­keit des ge­nann­ten Grund­sat­zes mit Uni­ons­recht ist, dass den An­for­de­run­gen des Äqui­va­lenz- und des Ef­fek­ti­vi­täts­grund­sat­zes Rech­nung ge­tra­gen ist (Eu­GH, Ur­tei­le vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C-20/13, Un­land - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den na­tio­na­len Ge­rich­ten ob­lie­gen­de Prü­fung er­gibt, dass die Vor­aus­set­zun­gen der bei­den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben in Be­zug auf das Ge­bot der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung er­füllt sind. Dem Ge­bot, dass die Mo­da­li­tä­ten zur Durch­set­zung des uni­ons­recht­li­chen An­spruchs nicht un­güns­ti­ger sein dür­fen als die­je­ni­gen, die gleich­ar­ti­ge Sach­ver­hal­te in­ner­staat­li­cher Art re­geln (Äqui­va­lenz­grund­satz), ist Rech­nung ge­tra­gen. Auch der - ne­ben dem uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch be­stehen­de, rich­ter­recht­lich ent­wi­ckel­te - Aus­gleichs­an­spruch aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ist nur ge­ge­ben, wenn der Be­rech­tig­te die­sen ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn gel­tend macht (BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz ver­langt, dass die Aus­übung der durch das Uni­ons­recht ver­lie­he­nen Rech­te nicht prak­tisch un­mög­lich ge­macht oder über­mä­ßig er­schwert wird. Die Fest­set­zung an­ge­mes­se­ner Aus­schluss­fris­ten für die Rechts­ver­fol­gung ist im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit, die zu­gleich den Be­rech­tig­ten und die Be­hör­de schützt, mit die­sen Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2011 - C-262/09, Meili­cke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C- 20/13, Un­land - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zu­dem sind, wie dar­ge­legt, die An­for­de­run­gen an die schrift­li­che Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­ring. Denn der Be­rech­tig­te muss ge­gen­über dem Dienst­herrn le­dig­lich schrift­lich zum Aus­druck brin­gen, er hal­te die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt.

50 6. Der pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­te­te An­spruch des Klä­gers wan­delt sich in­fol­ge Ab­laufs des mög­li­chen Aus­gleichs­zeit­raums in ei­nen An­spruch auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich, der we­der ver­fal­len noch aus an­de­ren Grün­den aus­ge­schlos­sen ist.

51 Der Haf­tungs­an­spruch we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­tet. Zweck der Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum, den Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer zu ge­währ­leis­ten, ist nicht durch ei­ne Geld­zah­lung, son­dern durch die Frei­stel­lung von der Pflicht zur Dienst­leis­tung zu er­rei­chen.

52 Schei­det aber die Ge­wäh­rung von Frei­zeit zum Aus­gleich der uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit aus vom Be­rech­tig­ten nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus, so ge­bie­tet es der uni­ons­recht­li­che Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz, dass die ent­stan­de­nen An­sprü­che nicht un­ter­ge­hen, son­dern sich in sol­che auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich um­wan­deln (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Da­nach sind hier fi­nan­zi­el­le Aus­gleichs­an­sprü­che des Klä­gers nicht aus­ge­schlos­sen, weil die über die Jah­re hin­weg an­ge­spann­te Per­so­nal­si­tua­ti­on bei der Be­rufs­feu­er­wehr der Be­klag­ten, in der der Klä­ger Dienst zu leis­ten hat­te, eben­so wie der zwi­schen­zeit­li­che Zeit­ab­lauf der Ge­wäh­rung von Frei­zeit zur Ab­gel­tung der ent­stan­de­nen An­sprü­che ent­ge­gen­stan­den.

53 7. Ob der Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig zu viel ge­ar­bei­tet hat, be­stimmt sich hier nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum im Sin­ne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Eben­so wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wen­det sich auch Art. 16 die­ser Richt­li­nie ("Die Mit­glied­staa­ten kön­nen ... vor­se­hen") an den Mit­glied­staat. Die­ser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG ab­wei­chen­den Fest­le­gung des Be­zugs­zeit­raums ("bis zu vier Mo­na­ten") be­rech­tigt, aber nicht ver­pflich­tet. Ob und in­wie­weit der Mit­glied­staat die­se Er­mäch­ti­gung zu der für den Ar­beit­neh­mer un­güns­ti­gen Aus­deh­nung des Be­zugs­zeit­raums auf bis zu vier Mo­na­ten aus­nutzt, ist Sa­che der je­weils zu­stän­di­gen ge­setz­ge­ben­den Or­ga­ne des Mit­glied­staa­tes, weil nur sie die zur Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie er­for­der­li­chen Rechts­no­men er­las­sen kön­nen. Die Aus­übung der Er­mäch­ti­gung ist je­den­falls nicht den das Recht an­wen­den­den na­tio­na­len Ge­rich­ten in dem Sin­ne über­ant­wor­tet, dass die­se den Be­zugs­zeit­raum nach dem As­pekt der "Sach­ge­rech­tig­keit" fest­le­gen kön­nen. Um die ihm ein­ge­räum­te Be­fug­nis in An­spruch zu neh­men, muss der Mit­glied­staat auch die Ent­schei­dung tref­fen, sich auf die­se Er­mäch­ti­gung zu be­ru­fen. Im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit muss die­se Ent­schei­dung des Mit­glied­staa­tes be­stimmt und klar sein (Eu­GH, Ur­teil vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVer­wG, Ur­teil vom 15. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeit­raum bis zum 1. Au­gust 2014 und da­mit in der hier zwi­schen den Be­tei­lig­ten strei­ti­gen Zeit zwi­schen 2009 und 2012 hat­te das Land den Be­zugs­zeit­raum für die vom Klä­ger frei­wil­lig er­brach­te uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 auf ein Jahr - an­statt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­sig er­öff­net - auf bis zu ma­xi­mal vier Mo­na­ten er­streckt.

56 Auch die sons­ti­gen Be­stim­mun­gen der RL 2003/88/EG, die zu ei­ner Ver­län­ge­rung des Be­zugs­zeit­raums füh­ren kön­nen - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Mo­na­te bei Fest­le­gun­gen in Ta­rif­ver­trä­gen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen So­zi­al­part­nern -, grei­fen nicht zu Guns­ten der Be­klag­ten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG set­zen je­weils vor­aus, dass der Mit­glied­staat Re­ge­lun­gen im Sin­ne von Art. 16 RL 2003/88/EG er­las­sen hat, die den An­for­de­run­gen an die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie in na­tio­na­les Recht im Sin­ne von Art. 288 Abs. 3 AEUV ge­nü­gen. Dar­an fehlt es aber eben­so wie an der Aus­nut­zung der ge­nann­ten Be­fug­nis­se ("sind ... zu­läs­sig" und "kann ab­ge­wi­chen wer­den") durch den Er­lass ei­ner für die Um­set­zung er­for­der­li­chen Rechts­norm des in­ner­staat­li­chen Norm­ge­bers.

57 8. Die Be­rech­nung der vom Klä­ger für die Zeit ab dem Fol­ge­mo­nat der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung - hier: Gel­tend­ma­chung im Ja­nu­ar 2012 - der im Ein­zel­nen er­brach­ten uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit ist kon­kret und nicht - wie vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt an­ge­nom­men - pau­schal zu er­mit­teln. Die kon­kre­te Er­mitt­lung der vom Klä­ger für den Zeit­raum von Fe­bru­ar 2012 bis De­zem­ber 2012 tat­säch­lich ge­leis­te­ten Zu­viel­ar­beit ist die wei­te­re Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens. Da­bei folgt schon aus dem Uni­ons­recht ge­mäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Zei­ten des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs so­wie die Krank­heits­zei­ten bei der Be­rech­nung des Durch­schnitts der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit un­be­rück­sich­tigt blei­ben oder neu­tral sind. Die­se Vor­ga­be des Uni­ons­rechts ver­langt, dass un­ge­ach­tet der Fra­ge der Um­set­zung in in­ner­staat­li­ches Recht durch ei­ne Rechts­norm die be­tref­fen­den Ta­ge bei der Be­rech­nung mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen sind.

58 Die Ar­beits­zeitricht­li­nie nimmt zwar le­dig­lich auf den uni­ons­recht­lich ge­währ­leis­te­ten Min­dest­ur­laub von vier Wo­chen Be­zug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der dar­über hin­aus­ge­hen­de, im na­tio­na­len Recht be­grün­de­te Mehr­ur­laub ist in­des mit der Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mit­glied­staa­ten un­be­rührt, für die Si­cher­heit und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten an­zu­wen­den oder zu er­las­sen. Dies um­fasst auch die Ein­räu­mung ei­nes über den uni­ons­recht­li­chen Min­dest­ur­laub hin­aus­ge­hen­den Ur­laubs­an­spruchs. Da der Klä­ger am Ur­laubs­tag von der Pflicht zur Dienst­leis­tung be­freit ist und auch der Mehr­ur­laub der Er­ho­lung des Klä­gers dient, kön­nen die­se Ta­ge nicht als Aus­gleich für ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum her­an­ge­zo­gen wer­den (vgl. eben­so schon BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Fei­er­ta­ge, die auf Wo­chen­ta­ge fal­len, sind mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit ein­zu­be­zie­hen und da­mit grund­sätz­lich zu neu­tra­li­sie­ren. So­weit der Klä­ger an die­sen Ta­gen nicht zur Dienst­leis­tung ver­pflich­tet war, kön­nen sol­che Ta­ge nicht zum Aus­gleich ei­ner et­wai­gen Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit her­an­ge­zo­gen wer­den. Dem­ge­gen­über sind Zei­ten, in de­nen dem Klä­ger auf Grund­la­ge des Dienst­zeit­aus­gleichser­las­ses ein zeit­li­cher Aus­gleich ge­währt wur­de, kei­ne Ar­beits­zeit im Sin­ne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Ar­beits­zeit zäh­len uni­ons­recht­lich sämt­li­che Zei­ten, die vom be­tref­fen­den Feu­er­wehr­be­am­ten im Rah­men von Ar­beits­be­reit­schaft und Be­reit­schafts­dienst in Form per­sön­li­cher An­we­sen­heit in der Dienst­stel­le ab­ge­leis­tet wor­den sind, un­ab­hän­gig da­von, wel­che Ar­beits­leis­tung er wäh­rend die­ses Diens­tes tat­säch­lich er­bracht hat (Eu­GH, Ur­teil vom 3. Ok­to­ber 2000 - C-303/98, Si­map - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Des­halb wird auch die ge­naue Be­stim­mung der Zahl der aus­zu­glei­chen­den Stun­den Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens sein. Nach dem uni­ons­recht­li­chen Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz muss da­nach vor­lie­gend je­de Stun­de, die der Klä­ger in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­rau­mes über 48 Stun­den hin­aus ge­ar­bei­tet hat, aus­ge­gli­chen wer­den, weil die Vor­aus­set­zun­gen für das von der Be­klag­ten gel­tend ge­mach­te "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie ge­zeigt - nicht vor­la­gen. Auch dies spricht nur für ei­nen Aus­gleich von tat­säch­lich und kon­kret er­brach­ter Zu­viel­ar­beit.

61 Der Geld­aus­gleich für die vom Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit ori­en­tiert sich an den je­weils gel­ten­den Stun­den­sät­zen der Ver­ord­nung über die Ge­wäh­rung von Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te in der Fas­sung der Be­kannt­ma­chung vom 3. De­zem­ber 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deut­lich, dass es um die kon­kret stun­den­be­zo­ge­ne Ab­rech­nung der Zu­viel­ar­beit geht und nicht um de­ren pau­scha­le Zu­grun­de­le­gung. Zwar un­ter­schei­den sich recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit und uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit tat­be­stand­lich. Recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit be­darf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der An­ord­nung oder Ge­neh­mi­gung, die nur ver­fügt oder er­teilt wer­den darf, wenn zwin­gen­de dienst­li­che Ver­hält­nis­se dies er­for­dern und sich die Mehr­ar­beit auf Aus­nah­me­fäl­le be­schränkt. Des Wei­te­ren darf an­ge­ord­ne­te oder ge­neh­mig­te Mehr­ar­beit die uni­ons­recht­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den im Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - au­ßer­halb der vom Uni­ons­recht vor­ge­se­he­nen Ver­fah­ren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht über­schrei­ten (BVer­wG, Ur­teil vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 14). Nur un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen liegt Mehr­ar­beit im dienst­recht­li­chen Sinn vor, die zeit­aus­gleichs- oder ver­gü­tungs­fä­hig ist. Da­ge­gen han­delt es sich bei rechts­wid­rig ge­leis­te­ter Zu­viel­ar­beit im öf­fent­li­chen Dienst­recht um die Dienst­zeit, die der Be­am­te über die uni­ons­recht­lich nach Ma­ß­ga­be der Ar­beits­zeitricht­li­nie und ih­rer Aus­nah­me­be­stim­mun­gen höchs­tens zu­läs­si­ge wö­chent­li­che Ar­beits­zeit hin­aus er­bringt. Sie ist ihm stets voll aus­zu­glei­chen, pri­mär durch Frei­zeit­aus­gleich, so­fern dies nicht mehr mög­lich ist, se­kun­där durch Geld­aus­gleich. Den­noch geht es in bei­den Fäl­len um den Aus­gleich für ei­ne über­ob­li­ga­ti­ons­mä­ßi­ge Her­an­zie­hung des Be­am­ten (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), so­dass für den Geld­aus­gleich auch in Fäl­len uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit in der Rechts­fol­ge die Stun­den­sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tungs­ver­ord­nung her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen.

62 Auf die Vor­schrif­ten über die Be­sol­dung kann hin­ge­gen nicht zu­rück­ge­grif­fen wer­den (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 39). Denn die Be­sol­dung ist kein Ent­gelt im Sin­ne ei­ner Ent­loh­nung für kon­kre­te Diens­te (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerf­GE 44, 249 <264>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>), son­dern die Ge­gen­leis­tung des Dienst­herrn da­für, dass sich der Be­am­te mit vol­lem per­sön­li­chen Ein­satz der Er­fül­lung sei­ner Dienst­pflich­ten wid­met (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerf­GE 21, 329 <345>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Ent­loh­nung von Ar­beits­stun­den, son­dern auf die Si­cher­stel­lung ei­ner amts­an­ge­mes­se­nen Le­bens­füh­rung ge­rich­tet.

63 9. Nach al­le­dem hat für den Se­nat kei­ne Ver­an­las­sung be­stan­den, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen, um ei­ne Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Uni­on nach Art. 267 AEUV ein­zu­ho­len. Dem Klä­ger steht für den Zeit­raum vom Fe­bru­ar 2012 bis De­zem­ber 2012 stun­den­be­zo­ge­ner Geld­aus­gleich zu, für den die Be­klag­te nach Ma­ß­ga­be der Grund­sät­ze des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ein­zu­tre­ten hat, weil sie bei der vom Klä­ger kon­kret er­brach­ten Zu­viel­ar­beit den An­wen­dungs­vor­rang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 of­fen­kun­dig ver­letz­ten Nach­teils­ver­bots ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht be­ach­tet hat. Auf wei­te­re Fra­gen des Uni­ons­rechts hat es des­halb nicht mehr ent­schei­dungs­er­heb­lich an­kom­men kön­nen.

Ur­teil vom 20.07.2017 -
BVer­wG 2 C 32.16ECLI:DE:BVer­wG:2017:200717U2C32.16.0

Ur­teil

BVer­wG 2 C 32.16

  • VG Pots­dam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 2562/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 19.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 20. Ju­li 2017
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung, Dr. Kennt­ner, Dol­lin­ger und Dr. Gün­ther
für Recht er­kannt:

  1. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen, so­weit mit ihr ein Geld­aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2009 bis 31. Mai 2012 gel­tend ge­macht wird. Die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 18. Ju­ni 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 16. Ok­to­ber 2013 wer­den auf­ge­ho­ben, so­weit sie dem ent­ge­gen­ste­hen.
  2. Im Üb­ri­gen (hin­sicht­lich des Zeit­raums vom 1. Ju­ni 2012 bis 16. Ok­to­ber 2013) wird das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg auf­ge­ho­ben. In­so­weit wird die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.

Grün­de

I

1 Der Klä­ger, der im streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum bei der be­klag­ten Stadt als Feu­er­wehr­be­am­ter im 24-Stun­den-Schicht­dienst tä­tig war, be­gehrt fi­nan­zi­el­len Aus­gleich für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit.

2 Der von dem Klä­ger im Ok­to­ber 2007 be­an­trag­ten Er­hö­hung sei­ner durch­schnitt­li­chen wö­chent­li­chen Ar­beits­zeit auf bis zu 56 Stun­den ent­sprach die Be­klag­te durch Be­scheid vom 26. Ok­to­ber 2007. Den an sie im Mai 2012 ge­rich­te­ten An­trag des Klä­gers auf Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se auf Geld­aus­gleich für die von ihm ab Ju­li 2007 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus ver­rich­te­ten Dienst­zei­ten, lehn­te die Be­klag­te ab. Das Vor­ver­fah­ren blieb er­folg­los.

3 Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­klag­te un­ter Ab­leh­nung des An­trags im Üb­ri­gen und teil­wei­ser Auf­he­bung der an­ge­foch­te­nen Be­schei­de ver­pflich­tet, dem Klä­ger für die im Zeit­raum ab Ja­nu­ar 2009 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus­ge­hend ge­leis­te­te Ar­beit Geld­aus­gleich nach dem je­weils gel­ten­den Stun­den­satz für die Mehr­ar­beits­ver­gü­tung zu ge­wäh­ren. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­ru­fung mit der Ma­ß­ga­be zu­rück­ge­wie­sen, dass es die Be­klag­te ver­ur­teilt hat, an den Klä­ger für den Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2009 bis zum 16. Ok­to­ber 2013 ei­nen Be­trag von 21 784,36 € nebst Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins ab Rechts­hän­gig­keit zu zah­len. Zur Be­grün­dung hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt im We­sent­li­chen aus­ge­führt, dem Klä­ger ste­he der zu­ge­spro­che­ne Geld­aus­gleich in­fol­ge des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs we­gen Ver­let­zung der Ar­beits­zeitricht­li­nie zu. Ei­ne frei­wil­li­ge Zu­viel­ar­beit bei Über­schrei­tung der uni­ons­recht­lich höchst­zu­läs­si­gen Be­zugs­zeit­räu­me sei auch auf­grund von Aus­nah­me­vor­schrif­ten nicht vor­ge­se­hen.

4 Hier­ge­gen wen­det sich die vom Se­nat zu­ge­las­se­ne Re­vi­si­on der Be­klag­ten, mit der sie be­an­tragt,
die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 18. Ju­ni 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 16. Ok­to­ber 2013 auf­zu­he­ben und die Kla­ge in vol­lem Um­fang ab­zu­wei­sen.

5 Der Klä­ger be­an­tragt,
die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen.

6 Der Ver­tre­ter des Bun­des­in­ter­es­ses beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt un­ter­stützt die Re­vi­si­on der Be­klag­ten.

II

7 Die Re­vi­si­on ist teil­wei­se be­grün­det. Das Be­ru­fungs­ur­teil ist auf­zu­he­ben. So­weit die Sa­che nicht vom Se­nat selbst ent­schie­den wer­den kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO), ist sie an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO). Die An­nah­men des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit set­ze kei­ne erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung durch den Be­trof­fe­nen vor­aus und ver­lan­ge nicht den Nach­weis der über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den hin­aus kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den, ver­let­zen re­vi­si­bles Recht. Des­halb ist die Kla­ge ab­zu­wei­sen, so­weit mit ihr fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2009 bis 31. Mai 2012 gel­tend ge­macht wird. Ob sich das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für den ver­blei­ben­den streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum vom 1. Ju­ni 2012 bis zum 16. Ok­to­ber 2013 aus an­de­ren Grün­den im Er­geb­nis ganz oder teil­wei­se als rich­tig dar­stellt (§ 144 Abs. 4 Vw­GO), kann der Se­nat man­gels hier­für aus­rei­chen­der tat­säch­li­cher Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts nicht ent­schei­den.

8 In dem Zeit­raum ab 2009 lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die Be­klag­te, die das vom Land Bran­den­burg er­las­se­ne Recht le­dig­lich an­wen­det, dem Grun­de nach vor (1.). Uni­ons­recht kann in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land durch Rechts­ver­ord­nun­gen um­ge­setzt wer­den (2.). § 4 Abs. 3 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit der Be­am­ten des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in den Feu­er­weh­ren und den Leit­stel­len der Land­krei­se im Land Bran­den­burg vom 3. Au­gust 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit für die Be­am­ten des Po­li­zei­voll­zugs­diens­tes, des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes und des Jus­tiz­voll­zugs­diens­tes des Lan­des Bran­den­burg vom 16. Sep­tem­ber 2009 (Bb­gAZV­PFJ, GVBl. II S. 686) set­zen Art. 22 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um. Sie ver­let­zen of­fen­kun­dig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Ver­bot, wo­nach kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten (3.). Die An­wen­dung die­ses mit Uni­ons­recht un­ver­ein­ba­ren Lan­des­rechts ist der be­klag­ten Stadt als Dienst­her­rin der Feu­er­wehr­be­am­ten an­zu­las­ten. Durch die An­wen­dung des den Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts nicht ge­nü­gen­den in­ner­staat­li­chen Rechts ist der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch auch ge­gen­über der Kom­mu­ne als Dienst­her­rin be­grün­det (4.). Der Dienst­herr muss aber le­dig­lich die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit aus­glei­chen, die der Be­rech­tig­te ab dem auf die erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet hat. Dies ist im Fall des Klä­gers erst für die Zeit ab Ju­ni 2012 der Fall (5.). Der noch nicht ver­fal­le­ne Aus­gleichs­an­spruch ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit aus­ge­rich­tet. Da die­se Form des Aus­gleichs aus vom Klä­ger nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus­schei­det, wan­delt sich der Aus­gleichs­an­spruch in ei­nen sol­chen auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich (6.). Ob und ggf. in­wie­weit der Klä­ger Zu­viel­ar­beit ge­leis­tet hat, be­stimmt sich man­gels ei­ner an­der­wei­ti­gen Re­ge­lung durch den na­tio­na­len Norm­ge­ber nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (7.). Für den Geld­aus­gleich sind die Sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te ma­ß­geb­lich. Der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich er­folgt da­nach nicht pau­schal nach der Dif­fe­renz zwi­schen der Höchst­ar­beits­zeit und der ge­neh­mig­ten Zu­viel­ar­beit. Er rich­tet sich viel­mehr nach den vom Be­am­ten kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den (8.). Die Ein­ho­lung ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on im Ver­fah­ren nach Art. 267 AEUV ist nicht ver­an­lasst (9.).

9 1. Die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die be­klag­te Stadt, die nicht für die Um­set­zung der Vor­ga­ben der Richt­li­nie durch den Er­lass von Rechts­nor­men zu­stän­dig ist, sind im Zeit­raum ab dem Jahr 2009 dem Grun­de nach ge­ge­ben. Denn die Be­klag­te hat die zur Um­set­zung von Art. 22 RL 2003/88/EG er­las­se­nen Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg an­ge­wen­det, ob­wohl für sie er­kenn­bar war, dass die­se Um­set­zung im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot un­zu­rei­chend ge­we­sen ist.

10 Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch setzt nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) vor­aus, dass die uni­ons­recht­li­che Norm, ge­gen die ver­sto­ßen wor­den ist, die Ver­lei­hung von Rech­ten an die Ge­schä­dig­ten be­zweckt (a), zwi­schen die­sem Ver­stoß und dem den Ge­schä­dig­ten ent­stan­de­nen Scha­den ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang be­steht (b) und der Ver­stoß ge­gen die­se Norm hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG tref­fen die Mit­glied­staa­ten die er­for­der­li­chen Maß­nah­men, da­mit nach Ma­ß­ga­be der Er­for­der­nis­se der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer die durch­schnitt­li­che Ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum 48 Stun­den ein­schlie­ß­lich der Über­stun­den nicht über­schrei­tet. Die­se Vor­schrift ver­leiht dem Ein­zel­nen Rech­te, die die­ser nach Ab­lauf der Frist zur Um­set­zung der wort­glei­chen Vor­gän­ger­be­stim­mung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Ar­beits­zeit­recht der Be­klag­ten un­mit­tel­bar vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend ma­chen kann (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ro­päi­schen Uni­on, der ge­mäß Art. 6 Abs. 1 EUV der glei­che Rang wie den Ver­trä­gen zu­er­kannt ist (stRspr, zu­letzt Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2016 - C-178/15, Sob­c­zys­zyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. No­vem­ber 2015 - C-219/14, Green­field - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Ar­beit­neh­mer kei­ne wei­ter­ge­hen­den Schutz­rech­te her­lei­ten (zum ein­heit­li­chen Ar­beit­neh­mer­be­griff von Richt­li­nie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: Eu­GH, Ur­teil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fe­noll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wo­nach je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer u.a. das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit hat, ge­währ­leis­tet auf­grund der Un­be­stimmt­heit sei­nes Wort­lauts kei­ne wei­ter­ge­hen­den In­di­vi­du­al­rech­te.

12 Ge­mäß der Aus­nah­me­vor­schrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mit­glied­staa­ten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zu­läs­si­ge Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum nor­miert wird, un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen nicht an­zu­wen­den. Ein sol­ches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur mög­lich, wenn die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­ge­hal­ten wer­den und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für ge­sorgt wird, dass kein Ar­beit­ge­ber von dem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn, der Ar­beit­neh­mer ist frei­wil­lig da­zu be­reit, und dass ihm im Wei­ge­rungs­fall kei­ne Nach­tei­le ent­ste­hen.

13 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur der­zei­ti­gen Ar­beits­schutz­richt­li­nie RL 2003/88/EG, eben­so wie zu der Vor­gän­ger­richt­li­nie RL 1993/104/EG, sind ab­wei­chen­de Be­stim­mun­gen als Aus­nah­men von der Ge­mein­schafts­re­ge­lung über die Ar­beits­zeit­ge­stal­tung - wie hier Art. 22 der Richt­li­nie - so aus­zu­le­gen, dass ihr An­wen­dungs­be­reich auf das zur Wah­rung der In­ter­es­sen, de­ren Schutz sie er­mög­li­chen, un­be­dingt Er­for­der­li­che be­grenzt wird (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 2003 - C-151/02, Jae­ger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31; eben­so Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vor­ga­ben in den Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar for­mell wirk­sam (sie­he un­ten 2.), aber in­halt­lich in­fol­ge Nicht­be­ach­tung des Nach­teils­ver­bots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um­ge­setzt (sie­he un­ten 3.). Dies ver­letzt den Klä­ger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Rech­ten. Die be­klag­te Stadt hat die­se im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot uni­ons­rechts­wid­ri­gen Vor­schrif­ten an­ge­wandt und da­mit ih­rer­seits den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch des Klä­gers aus­ge­löst (sie­he un­ten 4.).

15 b) Zwi­schen dem Ver­stoß ge­gen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Scha­den, der dem Klä­ger durch die uni­ons­rechts­wid­rig er­brach­te Zu­viel­ar­beit ent­stan­den ist, be­steht auch ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang. Un­er­heb­lich ist, dass die­se Zu­viel­ar­beit des Klä­gers und der da­mit ver­bun­de­ne Ver­lust an Frei­zeit und Er­ho­lungs­zeit nach na­tio­na­lem Recht kei­nen Scha­den im Sin­ne des zi­vil­recht­li­chen Scha­dens­er­satz­rechts dar­stel­len. Ma­ß­geb­lich ist in­so­weit al­lein auf das Uni­ons­recht ab­zu­stel­len, das hier­in ei­nen Scha­den sieht (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 so­wie Te­nor 1 und 4; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Dar­über hin­aus ist der Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht auch hin­rei­chend qua­li­fi­ziert, um den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch zu be­grün­den. Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ist das der Fall, wenn der Mit­glied­staat die Gren­zen, die sei­nem Er­mes­sen ge­setzt sind, of­fen­kun­dig und er­heb­lich über­schrit­ten hat, wo­bei zu den in­so­weit zu be­rück­sich­ti­gen­den Ge­sichts­punk­ten ins­be­son­de­re das Maß an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der ver­letz­ten Vor­schrift so­wie der Um­fang des Er­mes­sens­spiel­raums ge­hö­ren, den die ver­letz­te Vor­schrift den na­tio­na­len Be­hör­den be­lässt (Eu­GH, Ur­tei­le vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Bras­se­rie du pêcheur und Fac­tor­ta­me - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Ja­nu­ar 2007 - C-278/05, Ro­bins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 so­wie Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVer­wG, Ur­teil vom 30. Ok­to­ber 2014 - 2 C 3.13 - Buch­holz 245 Lan­des­BesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qua­li­fi­zier­ter Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht zu­las­ten des Klä­gers liegt im Hin­blick auf das von der Be­klag­ten zu be­ach­ten­de Nach­teils­ver­bot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (sie­he 3.a).

17 Für den Zeit­raum ab dem Jahr 2009 sind zu­gleich grund­sätz­lich die Vor­aus­set­zun­gen des dienst­recht­li­chen Aus­gleichs­an­spruchs aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ge­ge­ben (BVer­wG, Ur­tei­le vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buch­holz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26). Die bei­den An­sprü­che sind hin­sicht­lich der Ver­jäh­rung so­wie der Rechts­fol­gen gleich­ge­rich­tet (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. In­ner­staat­li­che Rechts­vor­schrif­ten, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - ei­ne Richt­li­nie der Eu­ro­päi­schen Uni­on in deut­sches Recht um­set­zen, sind am Maß­stab des Uni­ons­rechts zu mes­sen, so­weit die Richt­li­nie den Mit­glied­staa­ten kei­nen Um­set­zungs­spiel­raum lässt, son­dern zwin­gen­de Vor­ga­ben macht (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 22. Ok­to­ber 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerf­GE 73, 339 <387>, vom 7. Ju­ni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerf­GE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerf­GE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerf­GE 121, 1 <15>, vom 14. Ok­to­ber 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerf­GE 122, 1 <20> und vom 21. Sep­tem­ber 2016 - 2 BvL 1/15 - ju­ris Rn. 32). Den Mit­glied­staa­ten steht es un­ter den in Art. 22 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­si­gen Höchst­ar­beits­zeit für Ar­beit­neh­mer ab­zu­wei­chen. Da­für müs­sen sie Rechts­nor­men er­las­sen (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richt­li­nie ga­ran­tier­ten all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ge­währ­leis­ten und die dar­über hin­aus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Kri­te­ri­en ge­nü­gen. Für die Trans­for­ma­ti­on von Uni­ons­recht in in­ner­staat­li­ches Recht kom­men so­wohl for­mel­le Ge­set­ze als auch Rechts­ver­ord­nun­gen in Be­tracht (vgl. nur Ruf­fert, in: Cal­liess/Ruf­fert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schro­eder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 je­weils m.w.N.). Da­mit rich­tet sich die Uni­ons­rechts­kon­for­mi­tät der frag­li­chen Rechts­ver­ord­nun­gen in­so­weit al­lein da­nach, ob die­se nach in­ner­staat­li­chem Recht ei­ne hin­rei­chen­de Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge ha­ben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - eben­so wie sei­ne in­halts­glei­che Vor­gän­ger­norm in § 143 und § 134 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 8. Ok­to­ber 1999 (GVBl. I S. 446) - er­mäch­tigt die zu­stän­di­gen Mit­glie­der der Lan­des­re­gie­rung aus­drück­lich, die Ar­beits­zeit der Po­li­zei- und Jus­tiz­voll­zugs­be­am­ten so­wie die des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in ei­ner Rechts­ver­ord­nung zu re­geln. Da­mit ist so­wohl dem uni­ons­recht­li­chen Rechts­norm­vor­be­halt als auch dem in­ner­staat­li­chen Ge­set­zes­vor­be­halt Ge­nü­ge ge­tan.

19 3. § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und sei­ne Nach­fol­ger­vor­schrift, der wort­lauti­den­tisch bis zum 31. Ju­li 2014 gel­ten­de § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009, be­stim­men, dass auf An­trag des Be­am­ten über den Rah­men von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus Schicht­dienst bis zu 56 Stun­den un­ter Be­ach­tung der all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes als durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Ar­beits­zeit be­wil­ligt wer­den kann. Die Be­wil­li­gung kann aus dienst­li­chen Grün­den zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jahrs mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen wer­den. Der Be­am­te ist auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit schrift­lich hin­zu­wei­sen. Er kann sei­nen An­trag zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jah­res mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen.

20 a) So­wohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 set­zen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hin­rei­chend um. Da­nach hat ein Mit­glied­staat, der von die­ser Aus­nah­me­vor­schrift Ge­brauch ma­chen möch­te, mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für zu sor­gen, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, ei­ner über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hin­aus­ge­hen­den Ar­beit nach­zu­ge­hen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" da­mit un­ter den Vor­be­halt, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, aus den in der Ar­beits­zeitricht­li­nie fest­ge­leg­ten Ar­beits­zeit­höchst­gren­zen "aus­zu­tre­ten" oder "hin­aus­zu­op­tie­ren" (Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­ho­fes der Eu­ro­päi­schen Uni­on er­for­dert die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie nicht ei­ne förm­li­che und wört­li­che Über­nah­me ih­rer Be­stim­mun­gen in ei­ne aus­drück­li­che, be­son­de­re Rechts­vor­schrift. Ihr kann viel­mehr durch ei­nen all­ge­mei­nen recht­li­chen Kon­text Ge­nü­ge ge­tan wer­den, wenn die­ser tat­säch­lich die voll­stän­di­ge An­wen­dung der Richt­li­nie hin­rei­chend klar und be­stimmt ge­währ­leis­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on ist je­doch er­for­der­lich, dass die Rechts­la­ge hin­rei­chend be­stimmt, klar und trans­pa­rent ist und die Be­güns­tig­ten in die La­ge ver­setzt, von al­len ih­ren Rech­ten Kennt­nis zu er­lan­gen und die­se ggf. vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend zu ma­chen (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vor­ga­be, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nor­mier­te Nach­teils­ver­bot in in­ner­staat­li­ches Recht um­zu­set­zen, wer­den we­der § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ge­recht. In bei­den Vor­schrif­ten fehlt ein Hin­weis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Nach­teils­ver­bot. Da­durch wird des­sen prak­ti­sche Wirk­sam­keit ge­schwächt, weil der Ar­beit­neh­mer nicht hin­rei­chend klar er­ken­nen kann, dass er sich, nach der Er­klä­rung sei­ner­seits an der Höchst­ar­beits­zeit ge­mäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­hal­ten zu wol­len, et­wa ge­gen nach­tei­li­ge Dienst­plan­ge­stal­tun­gen mit Er­folg zur Wehr set­zen kann (Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nach­teils­ver­bot, das mit Blick auf den Schutz­cha­rak­ter der Ar­beits­zeitricht­li­nie we­sent­li­che Be­deu­tung hat, kommt auch nicht in sons­ti­gen im Be­reich des Lan­des Bran­den­burg gel­ten­den ver­öf­fent­lich­ten Rechts­vor­schrif­ten, wie ins­be­son­de­re den Be­am­ten­ge­set­zen, in die der in­so­weit be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer et­wa Ein­sicht neh­men könn­te, mit hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit, Klar­heit und Trans­pa­renz zum Aus­druck. Das gilt ins­be­son­de­re für die - le­dig­lich als Ge­ne­ral­klau­sel for­mu­lier­te - be­am­ten­recht­li­che Für­sor­ge­pflicht ge­mäß § 45 Be­amtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zu­dem wä­re, selbst wenn man un­ter­stellt, dass sol­che Rechts­vor­schrif­ten vor­han­den sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den bran­den­bur­gi­schen Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen hin­zu­wei­sen. Dar­an fehlt es eben­falls. An­de­ren­falls wä­re der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer, der ty­pi­scher­wei­se ge­ra­de über kei­ne ver­tief­ten ju­ris­ti­schen Kennt­nis­se ver­fügt, nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge, die er­for­der­li­che in­halt­li­che Ver­knüp­fung zwi­schen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den na­tio­na­len Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeit­ver­ord­nung und dem an an­de­rer Stel­le nor­mier­ten Nach­teils­ver­bot her­zu­stel­len. So wä­re et­wa der be­güns­tig­te (be­am­te­te) Ar­beit­neh­mer nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge zu er­ken­nen, dass sei­ne - aus dienst­li­chen Grün­den mög­li­che - Um­set­zung oder auch nur ei­ne ihm nach­tei­li­ge Dienst­plan­än­de­rung dem Nach­teils­ver­bot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG un­ter­fällt, wenn sie des­halb er­folgt, weil er nicht be­reit ist, über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit­gren­ze von 48 Stun­den hin­aus zu ar­bei­ten (sie­he so auch Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on, Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Des­halb grei­fen die Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen so­wohl des Bun­des und meh­re­rer an­de­rer Bun­des­län­der, die von der Öff­nungs­klau­sel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Ge­brauch ge­macht ha­ben, das Nach­teils­ver­bot ge­ra­de aus­drück­lich auf (vgl. et­wa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzV­BY vom 5. Ja­nu­ar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZ­VO vom 30. De­zem­ber 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZ­VO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZ­VOFeu NW vom 1. Sep­tem­ber 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 Säch­s­AZ­VO vom 28. Ja­nu­ar 2008, GVBl. S. 198). Her­vor­zu­he­ben ist, dass auch das Recht des Lan­des Bran­den­burg nun­mehr - mit Wir­kung ab dem 1. Au­gust 2014 - das Nach­teils­ver­bot in § 21 Abs. 4 Satz 2 Bb­gAZV­PFJ vom 10. Ju­li 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) aus­drück­lich nennt. Dar­an fehlt es - für den hier streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009.

26 b) Steht da­mit die un­voll­stän­di­ge Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­deu­tig und klar fest, kommt es auf die wei­te­re Fra­ge, ob die­se Be­stim­mun­gen der bei­den ge­nann­ten Rechts­ver­ord­nun­gen dar­über hin­aus auch den An­for­de­run­gen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG of­fen­kun­dig nicht ge­recht wer­den, vor­lie­gend nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich an. Der Se­nat hält die­se Fra­ge für of­fen.

27 aa) Maß­st­abs­bil­den­de Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur Fra­ge der Not­wen­dig­keit ei­nes Be­zugs­zeit­raums und zur Aus­le­gung des Be­griffs "im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vor­gän­ger­richt­li­nie gibt es für den Fall des "Opt-out" bis­lang nicht. Das gilt auch für das Ur­teil des Ge­richts­hofs vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Die­ses Ur­teil be­zieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vor­gän­ger­richt­li­nie 1993/104/EG, der al­ler­dings im We­sent­li­chen mit Art. 22 RL 2003/88/EG ver­gleich­bar ist. In die­sem Ur­teil führt der Ge­richts­hof aber nur aus, dass die In­an­spruch­nah­me der Mög­lich­keit, die Grund­satz­norm des Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, vor­aus­setzt, dass die Mit­glied­staa­ten die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hal­ten und be­stimm­te - in der Richt­li­nie ge­nann­te - ku­mu­la­ti­ve Vor­aus­set­zun­gen er­fül­len. Für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums folgt dar­aus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum" die Re­de ist.

28 Die in­ner­staat­li­che Recht­spre­chung zu die­ser Fra­ge ist un­ein­heit­lich (be­ja­hend: OVG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­tei­le vom 18. Ju­ni 2015 - OVG 6 B 19.15 - ju­ris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - ju­ris Rn. 25; ver­nei­nend: VG Mün­chen, Ur­teil vom 18. Ok­to­ber 2016 - M 5 K 14.5855 - ju­ris Rn. 32; VG Aa­chen, Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2016 - 1 K 2244/14 - ju­ris Rn. 32).

29 Ei­ner­seits gibt es Ar­gu­men­te, die da­für spre­chen, ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur un­ter Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums zu­zu­las­sen. Der Wort­laut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könn­te in deut­scher Sprach­fas­sung dar­auf hin­deu­ten, dass es den Mit­glied­staa­ten ob­liegt, ei­nen (bis zu vier­mo­na­ti­gen) Be­zugs­zeit­raum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu re­geln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG be­stimmt, dass es ei­nem Mit­glied­staat frei­ge­stellt ist, Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, wenn er die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hält und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für sorgt, dass kein Ar­beit­ge­ber von ei­nem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn der Ar­beit­neh­mer hat sich hier­zu be­reit er­klärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Wei­te­ren vor, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass "der Ar­beit­ge­ber die zu­stän­di­gen Be­hör­den [...] dar­über un­ter­rich­tet, wel­che Ar­beit­neh­mer sich da­zu be­reit er­klärt ha­ben, im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten".

30 Auch aus der Norm­sys­te­ma­tik las­sen sich Grün­de für die Not­wen­dig­keit, ei­nen Be­zugs­zeit­raum nach Ma­ß­ga­be von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Fal­le des "Opt-out" zu re­geln, her­lei­ten. Sys­te­ma­tisch spricht der Zu­sam­men­hang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Er­for­der­nis ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Zu den un­ab­hän­gig vom Ein­ver­ständ­nis des Ar­beit­neh­mers zu re­geln­den Vor­ga­ben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­hört, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass ein Ar­beit­neh­mer die Mög­lich­keit hat, nur durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den zu ar­bei­ten. Da­für wä­re die Re­ge­lung je­den­falls ei­nes Be­zugs­zeit­raums hilf­reich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­währ­leis­ten, dass die Mit­glied­staa­ten ei­ne Gren­ze für die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit re­geln, um so zum Ar­beits- und Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer bei­zu­tra­gen (EFTA-Ge­richts­hof, Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein sol­cher Schutz wür­de oh­ne die Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums für den Durch­schnitt der Wo­chen­ar­beits­zeit er­schwert. Der durch die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit be­zweck­te Schutz ist um­so in­ten­si­ver, je kür­zer der für den Durch­schnitt ma­ß­geb­li­che Be­zugs­zeit­raum ist. Be­son­ders in­ten­siv ist er, wenn der Be­zugs­zeit­raum nur ei­ne Wo­che be­trägt, weil es dann un­mög­lich ist, ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit ei­ner Wo­che durch ge­rin­ge­re Ar­beits­zei­ten an­de­rer Wo­chen "weg­zu­rech­nen". Ein ma­xi­ma­ler Schutz in die­sem Sin­ne wä­re mit­hin da­durch zu er­rei­chen, dass bei Feh­len ei­ner Re­ge­lung des Be­zugs­zeit­raums der kon­kre­te Sie­ben­ta­ges­zeit­raum ma­ß­geb­lich ist. Die­se Rechts­fol­ge tritt bei Feh­len ei­ner Be­zugs­zeit­raum­re­ge­lung ein, so­lan­ge Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG An­wen­dung fin­det (BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zu­las­sung ei­ner oh­ne Be­zugs­zeit­raum mög­li­chen und da­mit un­li­mi­tier­ten Höchst­ar­beits­zeit könn­te zu­dem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh wi­der­spre­chen, der be­stimmt, dass je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit, auf täg­li­che und wö­chent­li­che Ru­he­zei­ten so­wie auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hat (vgl. Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Fer­ner ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass auch ein recht­mä­ßi­ges "Opt-out" ge­mäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Er­for­der­nis der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­freit, aber nicht von den täg­li­chen und wö­chent­li­chen Min­dest­ru­he­zei­ten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ru­he­pau­sen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Be­schrän­kun­gen der Nacht­ar­beit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dis­pen­siert. Des­halb ist die Fest­stel­lung der Kom­mis­si­on in ih­ren ak­tu­el­len An­wen­dungs­hin­wei­sen zu Aus­le­gungs­fra­gen der Ar­beits­zeitricht­li­nie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zu­tref­fend, dass, be­rück­sich­tigt man nur den Zeit­raum der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit, die in der Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­nen Min­dest­zeit­räu­me der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit von den ins­ge­samt 168 Stun­den (24 Stun­den x 7 Ta­ge) ei­ner Wo­che be­reits durch­schnitt­lich 90 Ru­he­stun­den be­deu­ten (6 Ta­ge x 11 Stun­den täg­li­che Ru­he­zeit + 24 Stun­den wö­chent­li­che Ru­he­zeit). Dem­zu­fol­ge dürf­te un­ter Be­rück­sich­ti­gung von Ru­he­zei­ten, Ru­he­pau­sen und der mög­li­chen stren­ge­ren Be­schrän­kun­gen im Fall von Nacht­ar­beit die Ar­beits­zeit auch im Fal­le ei­ner recht­mä­ßi­gen Aus­nah­me­re­ge­lung nach Art. 22 RL 2003/88/EG ei­nen Durch­schnitt von 78 Stun­den pro Wo­che nicht über­schrei­ten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 An­de­rer­seits wirft die kon­kre­te Be­stim­mung ei­nes Be­zugs­zeit­raums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ei­ne Viel­zahl von bis­lang un­ge­klär­ten uni­ons­recht­li­chen Fra­gen auf. So ist zu­nächst un­klar, ob es zur abs­trakt-ge­ne­rel­len Re­ge­lung der Mög­lich­keit ei­ner "Opt-out"-Ver­ein­ba­rung ei­nes be­son­de­ren Be­zugs­zeit­raums be­darf. Der Hin­weis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum könn­te näm­lich auch dar­auf hin­deu­ten, dass da­mit der längs­te vom Mit­glied­staat fest­zu­le­gen­de Be­zugs­zeit­raum ge­meint ist. Da­für könn­te auch nach der deut­schen Sprach­fas­sung des Richt­li­ni­en­tex­tes spre­chen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Zeit­raum" die Re­de ist und nicht von dem "nach Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) fest­ge­setz­ten Be­zugs­zeit­raum".

34 Des Wei­te­ren stel­len sich norm­sys­te­ma­ti­sche Fra­gen nach dem Ver­hält­nis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ver­weist wört­lich be­trach­tet al­lein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Zeit­raum, so­dass frag­lich ist, ob er auch die Fest­set­zun­gen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richt­li­nie er­fasst, in de­nen - je­weils un­ter be­son­de­ren Vor­aus­set­zun­gen - an­de­re Be­zugs­zeit­räu­me be­nannt wer­den. Da­bei ist ins­be­son­de­re zu be­rück­sich­tig­ten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Ver­hält­nis zu Art. 16 RL 2003/88/EG un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen län­ge­re Be­zugs­zeit­räu­me von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Mo­na­ten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) er­öff­nen.

35 Die For­mu­lie­rung der ver­schie­de­nen Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie ist je nach Sprach­fas­sung und auch in­ner­halb ein­zel­ner Sprach­fas­sun­gen nach den Aus­füh­run­gen der Schluss­an­trä­ge der Ge­ne­ral­an­wäl­tin Ko­kott im Ver­fah­ren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) un­ein­heit­lich. Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on müs­sen aber die Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts im Licht der Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on ein­heit­lich aus­ge­legt und an­ge­wandt wer­den. Wei­chen die ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen ei­nes Rechts­tex­tes der Uni­on von­ein­an­der ab, muss die frag­li­che Vor­schrift an­hand der all­ge­mei­nen Sys­te­ma­tik und des Zwecks der Re­ge­lung aus­ge­legt wer­den, zu der sie ge­hört (Eu­GH, Ur­tei­le vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ER­GO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Os­so - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Not­wen­dig­keit ei­ner ein­heit­li­chen An­wen­dung und da­mit ei­ner ein­heit­li­chen Aus­le­gung der Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts schlie­ßt es da­nach aus, ei­ne Vor­schrift in ei­ner ih­rer Fas­sun­gen iso­liert zu be­trach­ten, son­dern ge­bie­tet es, sie an­hand des wirk­li­chen Wil­lens ih­res Norm­ge­bers und des von ihm ver­folg­ten Zwecks na­ment­lich im Licht ih­rer Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on aus­zu­le­gen. Ei­ne ab­wei­chen­de Sprach­fas­sung kann des­halb nicht al­lein ge­gen­über al­len an­de­ren Sprach­fas­sun­gen den Aus­schlag ge­ben (EuG-Rechts­mit­tel­kam­mer, Ur­teil vom 8. No­vem­ber 2012 - T-268/11 P - ju­ris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Un­ein­heit­lich­keit in den ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hin­zu­wei­sen. Die Fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG wei­sen in eng­li­scher, fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung je­weils klei­ne Be­son­der­hei­ten auf, die bei der Aus­le­gung der Norm zu be­rück­sich­ti­gen sein könn­ten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lau­tet in eng­li­scher Fas­sung: "for the ap­pli­ca­ti­on of Ar­ti­cle 6 (ma­xi­mum weekly working time), a re­fe­rence pe­ri­od not ex­cee­ding four months", al­so um ei­nen Be­zugs­zeit­raum, der vier Mo­na­te nicht über­schrei­ten darf, wäh­rend es in fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung im Gleich­klang um ei­nen Be­zugs­zeit­raum von bis zu vier Mo­na­ten ("une pe­ri­ode de re­fe­rence ne de­pas­sant pas quat­re mois") geht. Wei­ter hei­ßt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in eng­li­scher Fas­sung "du­ra­ti­on of the working time", wäh­rend sich die fran­zö­si­sche und deut­sche Fas­sung des Norm­tex­tes je­weils mit den Wor­ten "la du­ree du temps de tra­vail" oder mit dem Wort "Ar­beits­zeit" be­gnügt. Die eng­li­sche Fas­sung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG dar­über hin­aus nur von Ta­rif­ver­trä­gen (collec­ti­ve agree­ments) und Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen bei­den Sei­ten der In­dus­trie (the two si­des of in­dus­try) wäh­rend im fran­zö­si­schen und deut­schen Text der Richt­li­nie an die­ser Stel­le von "con­ven­ti­ons collec­ti­ves"/"Ta­rif­ver­trä­gen" und "ac­cords con­clus ent­re par­ten­aires so­ci­aux"/"So­zi­al­part­nern" ge­spro­chen wird. In die­sem Zu­sam­men­hang ist auch zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Kom­mis­si­on in ih­rer ak­tu­el­len Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) aus­drück­lich dar­auf hin­weist, dass die Richt­li­nie we­der den Be­griff "Ta­rif­ver­trag" de­fi­niert noch nä­her er­läu­tert, was "Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern auf na­tio­na­ler und re­gio­na­ler Ebe­ne" sind, mit der Fol­ge, dass die­se Be­grif­fe durch na­tio­na­le Rechts­vor­schrif­ten und Ge­pflo­gen­hei­ten nä­her zu be­stim­men sei­en (ABl. EU Nr. C 165/49). Schlie­ß­lich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf­merk­sam zu ma­chen. Dort hei­ßt es in der eng­li­schen Fas­sung am En­de "un­less he has first ob­tai­ned the worker’s agree­ment to per­form such work”, wäh­rend es nach der fran­zö­si­schen und deut­schen Text­fas­sung aus­reicht, dass sich der Ar­beit­neh­mer be­reit er­klärt hat, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten.

37 All die­se sprach­li­chen Un­eben­hei­ten las­sen sich norm­sys­te­ma­tisch und te­leo­lo­gisch zwar un­ter Rück­füh­rung dar­auf ver­ein­heit­li­chen, dass der Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on in den Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie über die Min­dest­ru­he­zei­ten und die Höchst­ar­beits­zei­ten "be­son­ders wich­ti­ge Re­geln des So­zi­al­rechts der Ge­mein­schaft" sieht. Die­se Re­geln müs­sen je­dem Ar­beit­neh­mer als ein zum Schutz sei­ner Si­cher­heit und sei­ner Ge­sund­heit be­stimm­ter Min­dest­an­spruch zu­gu­te­kom­men (vgl. z.B. Eu­GH, Ur­tei­le vom 7. Sep­tem­ber 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Ok­to­ber 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Des­halb be­grenzt der Ge­richts­hof die den Mit­glied­staa­ten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mög­li­che Ab­wei­chungs­mög­lich­keit u.a. von der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit für Fäl­le, in de­nen die Ar­beits­zeit we­gen der be­son­de­ren Merk­ma­le der aus­ge­üb­ten Tä­tig­keit nicht ge­mes­sen und oder nicht im Vor­aus fest­ge­legt wird oder von den Ar­beit­neh­mern selbst fest­ge­legt wer­den kann, auf das zum Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer "un­be­dingt Er­for­der­li­che" (Eu­GH, Ur­teil vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31).

38 Dar­aus aber den für den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch er­for­der­li­chen wei­te­ren Schluss zu zie­hen, ein Mit­glied­staat ver­sto­ße hin­rei­chend qua­li­fi­ziert und da­mit of­fen­kun­dig ge­gen ei­ne uni­ons­recht­li­che Norm, wenn er ei­ne "Opt-out"-Ent­schei­dung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, oh­ne zu­gleich ei­nen Be­zugs­zeit­raum im Sin­ne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­zu­le­gen, ist dem Se­nat man­gels des er­for­der­li­chen Ma­ßes an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der als ver­letzt gel­ten­den Vor­schrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht mög­lich.

39 bb) Eben­so ver­hält es sich mit der wei­te­ren Fra­ge der Frei­wil­lig­keit der nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs (Eu­GH, Ur­teil vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 u.a., Pfeif­fer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) not­wen­dig in­di­vi­du­el­len Be­reit­schafts­er­klä­rung ei­nes Ar­beit­neh­mers. Hier geht es um den schrift­li­chen An­trag des Klä­gers vom 10. Ok­to­ber 2007, Zu­viel­ar­beit im Sin­ne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leis­ten zu dür­fen. Wäh­rend die Frei­wil­lig­keit und In­di­vi­dua­li­tät der Be­reit­schafts­er­klä­rung des Klä­gers un­zwei­fel­haft sind, stellt sich die Fra­ge der Ver­ein­bar­keit mit Uni­ons­recht im Hin­blick auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit die­ser Er­klä­rung oder die­ses An­trags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009. Der Richt­li­ni­en­text ent­hält kei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung über das "ob" und das "wie" ei­nes die Be­reit­schafts­er­klä­rung be­tref­fen­den Wi­der­rufs­rechts des Ar­beit­neh­mers. Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu Mög­lich­keit und Mo­da­li­tä­ten ei­nes Wi­der­rufs ist nicht er­sicht­lich. Der EFTA-Ge­richts­hof hat im Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - (ju­ris) nur ent­schie­den, dass der ge­ne­rel­le Wi­der­rufsau­schluss ei­ner ein­mal wirk­sam ge­ge­be­nen Be­reit­schafts­er­klä­rung im Ein­zel­fall ei­ne Ver­let­zung der Richt­li­nie be­grün­den kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 vor­ge­se­he­ne Wi­der­rufs­mög­lich­keit mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten zum Ab­lauf des Ka­len­der­jah­res den An­for­de­run­gen an die je­der­zei­ti­ge Frei­wil­lig­keit der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit ge­nügt, kann hier un­ent­schie­den blei­ben. Da­für könn­te die Tat­sa­che spre­chen, dass der Richt­li­ni­en­text für die Fra­ge des Wi­der­rufs und der Wi­der­rufs­frist ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit kei­ne aus­drück­li­chen Vor­ga­ben macht. Da­ge­gen lie­ße sich in­des norm­sys­te­ma­tisch und am Zweck des Ar­beits­zeit­schut­zes ori­en­tiert für ei­nen mög­li­chen Gleich­lauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ma­xi­ma­len Be­zugs­zeit­raums von vier Mo­na­ten und der Frist für den Wi­der­ruf ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit ar­gu­men­tie­ren (so et­wa Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tat­sa­che, dass der bun­des­deut­sche Ge­setz­ge­ber in Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Wi­der­rufs­frist für nicht be­am­te­te Ar­beit­neh­mer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fas­sung vom 24. De­zem­ber 2003 (BGBl. I S. 3002) ge­ne­rell auf sechs Mo­na­te oh­ne Be­gren­zung auf das Jah­res­en­de be­stimmt hat (vgl. da­zu nä­her Wank, in: Mül­ler-Glö­ge/Preis/Schmidt, Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könn­te ge­gen ei­ne ma­xi­mal 15 Mo­na­te lau­fen­de Wi­der­rufs­frist - Wi­der­ruf am 1. Ok­to­ber, Frist­ab­lauf am 31. De­zem­ber des Fol­ge­jah­res - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­ge­wandt wer­den. Dies zeigt: Auch die Fra­ge, ob die Vor­ga­ben des streit­ge­gen­ständ­li­chen bran­den­bur­gi­schen Lan­des­rechts zur Ar­beits­zeit für Feu­er­wehr­be­am­te in der Zeit zwi­schen 2007 (In­kraft­tre­ten von § 4 AZV Feu 2007 im Au­gust 2007) und 2014 (In­kraft­tre­ten von § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2014 im Au­gust 2014) den An­for­de­run­gen der Frei­wil­lig­keit für die Dau­er der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­nü­gen, lässt sich auf­grund ei­ner Nor­m­aus­le­gung nach Wort­laut, Sys­te­ma­tik und Zweck nicht hin­rei­chend ein­deu­tig und klar be­ant­wor­ten.

41 cc) Die Text­ana­ly­se schlie­ßt es nach al­le­dem aus, hin­sicht­lich der Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fra­gen der Not­wen­dig­keit von Be­zugs­zeit­räu­men und den An­for­de­run­gen an die Frei­wil­lig­keit für den Wi­der­ruf von Ein­ver­ständ­nis­er­klä­run­gen zur Zu­viel­ar­beit hin­sicht­lich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 von ei­nem "hin­rei­chend qua­li­fi­zier­ten Ver­stoß" ge­gen das Uni­ons­recht im Sinn des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs aus­zu­ge­hen.

42 4. Un­ge­ach­tet der evi­dent un­zu­rei­chen­den Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Re­ge­lung der Ar­beits­zeit von kom­mu­na­len Feu­er­wehr­be­am­ten zu­stän­di­gen Lan­des­ge­setz­ge­ber ist die be­klag­te Stadt hier als Nor­m­an­wen­der auf­grund des An­wen­dungs­vor­rangs des Uni­ons­rechts ge­hal­ten ge­we­sen, die Vor­ga­ben der Richt­li­nie zu be­fol­gen und ent­ge­gen­ste­hen­des Lan­des­recht un­an­ge­wen­det zu las­sen. Die Be­klag­te hät­te er­ken­nen müs­sen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 klar und ein­deu­tig die Vor­ga­be ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ver­let­zen, weil es die­sen Rechts­ver­ord­nun­gen an ei­ner Vor­schrift fehlt, die ge­währ­leis­tet, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, Zu­viel­ar­beit zu leis­ten. Ein Trä­ger öf­fent­li­cher Ge­walt ist auch in sei­ner Ei­gen­schaft als öf­fent­li­cher Ar­beit­ge­ber zur An­wen­dung des Uni­ons­rechts ver­pflich­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Im­pact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Da­nach hat die Be­klag­te in ih­rer Ei­gen­schaft als Dienst­her­rin des Klä­gers durch Nicht­be­ach­tung des An­wen­dungs­vor­rangs der EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ge­gen das Uni­ons­recht ver­sto­ßen. Dass sie in­ner­staat­lich die Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des im Rah­men ih­rer Auf­ga­ben der mit­tel­ba­ren Staats­ver­wal­tung zu be­fol­gen hat­te, än­dert dar­an nichts.

43 5. Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit setzt - wie der na­tio­na­le dienst­recht­li­che Aus­gleichs­an­spruch - vor­aus, dass er vom Be­am­ten oder Sol­da­ten zu­vor zu­min­dest in Form ei­ner Rü­ge gel­tend ge­macht wor­den ist. Aus­zu­glei­chen ist die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit, die ab dem auf die erst­ma­li­ge schrift­li­che Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet wor­den ist (stRspr, BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Klä­ger erst im Mai 2012 den An­trag ge­stellt hat, ste­hen ihm An­sprü­che erst ab Ju­ni 2012 zu.

44 a) Be­sol­dungs­an­sprü­che von Be­am­ten und Sol­da­ten er­ge­ben sich un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), ei­nes An­tra­ges oder ei­ner Rü­ge be­darf es da­her nicht. Ent­spre­chen­des gilt für Ver­sor­gungs­be­zü­ge (z.B. § 3 Abs. 1 Be­amtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechts­grund der Ali­men­tie­rung von Ru­he­stands­be­am­ten ist zwar der Ver­sor­gungs­fest­set­zungs­be­scheid, auch die­ser er­geht in­des von Amts we­gen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 Be­amtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und be­darf da­her we­der ei­nes An­trags noch ei­ner Hin­weis­pflicht (BVer­wG, Ur­teil vom 25. Ok­to­ber 2012 - 2 C 59.11 - BVer­w­GE 145, 14 Rn. 34).

45 An­sprü­che, de­ren Fest­set­zung und Zah­lung sich nicht un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz er­ge­ben, be­dür­fen da­ge­gen ei­ner vor­he­ri­gen Gel­tend­ma­chung (BVerfG, Be­schluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerf­GE 81, 363 <384 f.>; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - ju­ris Rn. 16). Denn hier ist ei­ne vor­gän­gi­ge be­hörd­li­che Ent­schei­dung über Grund und Hö­he der be­gehr­ten Zah­lung er­for­der­lich.

46 Für An­sprü­che we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit gilt dies in be­son­de­rer Wei­se. Die­se sind nicht pri­mär auf die Zah­lung ei­nes fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs ge­rich­tet, son­dern auf die Be­sei­ti­gung des rechts­wid­ri­gen Zu­stands. Durch den Hin­weis des Be­am­ten oder Sol­da­ten ist da­her zu­nächst ei­ne Prü­fung sei­nes Dienst­herrn ver­an­lasst, ob ei­ne Än­de­rung der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung er­for­der­lich ist und ob ei­ne rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit - et­wa durch An­pas­sung der ma­ß­geb­li­chen Dienst­plä­ne - ver­mie­den oder durch die Ge­wäh­rung von Frei­zeit­aus­gleich kom­pen­siert wer­den kann. Oh­ne ent­spre­chen­de Rü­ge muss der Dienst­herr nicht da­von aus­ge­hen, je­der Be­am­te wer­de die Über­schrei­tung der ak­tu­el­len Ar­beits­zeit­re­ge­lung be­an­stan­den. Auch hin­sicht­lich der mög­li­chen fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs­pflicht hat der Dienst­herr ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an, nicht nach­träg­lich mit un­vor­her­seh­ba­ren Zah­lungs­be­geh­ren kon­fron­tiert zu wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 21. Sep­tem­ber 2006 - 2 C 7.06 - Buch­holz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Be­am­te wird durch das Er­for­der­nis der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn auch nicht un­zu­mut­bar be­las­tet. Denn an die Rü­ge des Be­rech­tig­ten sind kei­ne zu ho­hen An­for­de­run­gen zu stel­len. Es reicht aus, wenn sich aus der Äu­ße­rung er­gibt, dass der Be­am­te oder Sol­dat die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt hält. We­der ist ein An­trag im rechts­tech­ni­schen Sin­ne er­for­der­lich noch muss Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich, be­an­tragt oder der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich kon­kret be­rech­net wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buch­holz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die An­wen­dung des Grund­sat­zes der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung auch auf den nicht nor­ma­tiv ge­re­gel­ten uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch ist mit Uni­ons­recht ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­teil vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Vor­aus­set­zung für die Ver­ein­bar­keit des ge­nann­ten Grund­sat­zes mit Uni­ons­recht ist, dass den An­for­de­run­gen des Äqui­va­lenz- und des Ef­fek­ti­vi­täts­grund­sat­zes Rech­nung ge­tra­gen ist (Eu­GH, Ur­tei­le vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C-20/13, Un­land - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den na­tio­na­len Ge­rich­ten ob­lie­gen­de Prü­fung er­gibt, dass die Vor­aus­set­zun­gen der bei­den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben in Be­zug auf das Ge­bot der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung er­füllt sind. Dem Ge­bot, dass die Mo­da­li­tä­ten zur Durch­set­zung des uni­ons­recht­li­chen An­spruchs nicht un­güns­ti­ger sein dür­fen als die­je­ni­gen, die gleich­ar­ti­ge Sach­ver­hal­te in­ner­staat­li­cher Art re­geln (Äqui­va­lenz­grund­satz), ist Rech­nung ge­tra­gen. Auch der - ne­ben dem uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch be­stehen­de, rich­ter­recht­lich ent­wi­ckel­te - Aus­gleichs­an­spruch aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ist nur ge­ge­ben, wenn der Be­rech­tig­te die­sen ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn gel­tend macht (BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz ver­langt, dass die Aus­übung der durch das Uni­ons­recht ver­lie­he­nen Rech­te nicht prak­tisch un­mög­lich ge­macht oder über­mä­ßig er­schwert wird. Die Fest­set­zung an­ge­mes­se­ner Aus­schluss­fris­ten für die Rechts­ver­fol­gung ist im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit, die zu­gleich den Be­rech­tig­ten und die Be­hör­de schützt, mit die­sen Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2011 - C-262/09, Meili­cke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C- 20/13, Un­land - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zu­dem sind, wie dar­ge­legt, die An­for­de­run­gen an die schrift­li­che Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­ring. Denn der Be­rech­tig­te muss ge­gen­über dem Dienst­herrn le­dig­lich schrift­lich zum Aus­druck brin­gen, er hal­te die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt.

50 6. Der pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­te­te An­spruch des Klä­gers wan­delt sich in­fol­ge Ab­laufs des mög­li­chen Aus­gleichs­zeit­raums in ei­nen An­spruch auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich, der we­der ver­fal­len noch aus an­de­ren Grün­den aus­ge­schlos­sen ist.

51 Der Haf­tungs­an­spruch we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­tet. Zweck der Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum, den Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer zu ge­währ­leis­ten, ist nicht durch ei­ne Geld­zah­lung, son­dern durch die Frei­stel­lung von der Pflicht zur Dienst­leis­tung zu er­rei­chen.

52 Schei­det aber die Ge­wäh­rung von Frei­zeit zum Aus­gleich der uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit aus vom Be­rech­tig­ten nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus, so ge­bie­tet es der uni­ons­recht­li­che Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz, dass die ent­stan­de­nen An­sprü­che nicht un­ter­ge­hen, son­dern sich in sol­che auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich um­wan­deln (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Da­nach sind hier fi­nan­zi­el­le Aus­gleichs­an­sprü­che des Klä­gers nicht aus­ge­schlos­sen, weil die über die Jah­re hin­weg an­ge­spann­te Per­so­nal­si­tua­ti­on bei der Be­rufs­feu­er­wehr der Be­klag­ten, in der der Klä­ger Dienst zu leis­ten hat­te, eben­so wie der zwi­schen­zeit­li­che Zeit­ab­lauf der Ge­wäh­rung von Frei­zeit zur Ab­gel­tung der ent­stan­de­nen An­sprü­che ent­ge­gen­stan­den.

53 7. Ob der Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig zu viel ge­ar­bei­tet hat, be­stimmt sich hier nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum im Sin­ne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Eben­so wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wen­det sich auch Art. 16 die­ser Richt­li­nie ("Die Mit­glied­staa­ten kön­nen ... vor­se­hen") an den Mit­glied­staat. Die­ser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG ab­wei­chen­den Fest­le­gung des Be­zugs­zeit­raums ("bis zu vier Mo­na­ten") be­rech­tigt, aber nicht ver­pflich­tet. Ob und in­wie­weit der Mit­glied­staat die­se Er­mäch­ti­gung zu der für den Ar­beit­neh­mer un­güns­ti­gen Aus­deh­nung des Be­zugs­zeit­raums auf bis zu vier Mo­na­ten aus­nutzt, ist Sa­che der je­weils zu­stän­di­gen ge­setz­ge­ben­den Or­ga­ne des Mit­glied­staa­tes, weil nur sie die zur Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie er­for­der­li­chen Rechts­no­men er­las­sen kön­nen. Die Aus­übung der Er­mäch­ti­gung ist je­den­falls nicht den das Recht an­wen­den­den na­tio­na­len Ge­rich­ten in dem Sin­ne über­ant­wor­tet, dass die­se den Be­zugs­zeit­raum nach dem As­pekt der "Sach­ge­rech­tig­keit" fest­le­gen kön­nen. Um die ihm ein­ge­räum­te Be­fug­nis in An­spruch zu neh­men, muss der Mit­glied­staat auch die Ent­schei­dung tref­fen, sich auf die­se Er­mäch­ti­gung zu be­ru­fen. Im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit muss die­se Ent­schei­dung des Mit­glied­staa­tes be­stimmt und klar sein (Eu­GH, Ur­teil vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVer­wG, Ur­teil vom 15. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeit­raum bis zum 1. Au­gust 2014 und da­mit in der hier zwi­schen den Be­tei­lig­ten strei­ti­gen Zeit zwi­schen 2009 und 2013 hat­te das Land den Be­zugs­zeit­raum für die vom Klä­ger frei­wil­lig er­brach­te uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 auf ein Jahr - an­statt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­sig er­öff­net - auf bis zu ma­xi­mal vier Mo­na­ten er­streckt.

56 Auch die sons­ti­gen Be­stim­mun­gen der RL 2003/88/EG, die zu ei­ner Ver­län­ge­rung des Be­zugs­zeit­raums füh­ren kön­nen - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Mo­na­te bei Fest­le­gun­gen in Ta­rif­ver­trä­gen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen So­zi­al­part­nern -, grei­fen nicht zu Guns­ten der Be­klag­ten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG set­zen je­weils vor­aus, dass der Mit­glied­staat Re­ge­lun­gen im Sin­ne von Art. 16 RL 2003/88/EG er­las­sen hat, die den An­for­de­run­gen an die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie in na­tio­na­les Recht im Sin­ne von Art. 288 Abs. 3 AEUV ge­nü­gen. Dar­an fehlt es aber eben­so wie an der Aus­nut­zung der ge­nann­ten Be­fug­nis­se ("sind ... zu­läs­sig" und "kann ab­ge­wi­chen wer­den") durch den Er­lass ei­ner für die Um­set­zung er­for­der­li­chen Rechts­norm des in­ner­staat­li­chen Norm­ge­bers.

57 8. Die Be­rech­nung der vom Klä­ger für die Zeit ab dem Fol­ge­mo­nat der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung - hier: Gel­tend­ma­chung im Mai 2012 - der im Ein­zel­nen er­brach­ten uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit ist kon­kret und nicht - wie vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt an­ge­nom­men - pau­schal zu er­mit­teln. Die kon­kre­te Er­mitt­lung der vom Klä­ger für den Zeit­raum vom 1. Ju­ni 2012 bis zum 16. Ok­to­ber 2013 tat­säch­lich ge­leis­te­ten Zu­viel­ar­beit ist die wei­te­re Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens. Da­bei folgt schon aus dem Uni­ons­recht ge­mäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Zei­ten des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs so­wie die Krank­heits­zei­ten bei der Be­rech­nung des Durch­schnitts der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit un­be­rück­sich­tigt blei­ben oder neu­tral sind. Die­se Vor­ga­be des Uni­ons­rechts ver­langt, dass un­ge­ach­tet der Fra­ge der Um­set­zung in in­ner­staat­li­ches Recht durch ei­ne Rechts­norm die be­tref­fen­den Ta­ge bei der Be­rech­nung mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen sind.

58 Die Ar­beits­zeitricht­li­nie nimmt zwar le­dig­lich auf den uni­ons­recht­lich ge­währ­leis­te­ten Min­dest­ur­laub von vier Wo­chen Be­zug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der dar­über hin­aus­ge­hen­de, im na­tio­na­len Recht be­grün­de­te Mehr­ur­laub ist in­des mit der Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mit­glied­staa­ten un­be­rührt, für die Si­cher­heit und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten an­zu­wen­den oder zu er­las­sen. Dies um­fasst auch die Ein­räu­mung ei­nes über den uni­ons­recht­li­chen Min­dest­ur­laub hin­aus­ge­hen­den Ur­laubs­an­spruchs. Da der Klä­ger am Ur­laubs­tag von der Pflicht zur Dienst­leis­tung be­freit ist und auch der Mehr­ur­laub der Er­ho­lung des Klä­gers dient, kön­nen die­se Ta­ge nicht als Aus­gleich für ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum her­an­ge­zo­gen wer­den (vgl. eben­so schon BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Fei­er­ta­ge, die auf Wo­chen­ta­ge fal­len, sind mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit ein­zu­be­zie­hen und da­mit grund­sätz­lich zu neu­tra­li­sie­ren. So­weit der Klä­ger an die­sen Ta­gen nicht zur Dienst­leis­tung ver­pflich­tet war, kön­nen sol­che Ta­ge nicht zum Aus­gleich ei­ner et­wai­gen Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit her­an­ge­zo­gen wer­den. Dem­ge­gen­über sind Zei­ten, in de­nen dem Klä­ger auf Grund­la­ge des Dienst­zeit­aus­gleichser­las­ses ein zeit­li­cher Aus­gleich ge­währt wur­de, kei­ne Ar­beits­zeit im Sin­ne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Ar­beits­zeit zäh­len uni­ons­recht­lich sämt­li­che Zei­ten, die vom be­tref­fen­den Feu­er­wehr­be­am­ten im Rah­men von Ar­beits­be­reit­schaft und Be­reit­schafts­dienst in Form per­sön­li­cher An­we­sen­heit in der Dienst­stel­le ab­ge­leis­tet wor­den sind, un­ab­hän­gig da­von, wel­che Ar­beits­leis­tung er wäh­rend die­ses Diens­tes tat­säch­lich er­bracht hat (Eu­GH, Ur­teil vom 3. Ok­to­ber 2000 - C-303/98, Si­map - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Des­halb wird auch die ge­naue Be­stim­mung der Zahl der aus­zu­glei­chen­den Stun­den Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens sein. Nach dem uni­ons­recht­li­chen Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz muss da­nach vor­lie­gend je­de Stun­de, die der Klä­ger in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­rau­mes über 48 Stun­den hin­aus ge­ar­bei­tet hat, aus­ge­gli­chen wer­den, weil die Vor­aus­set­zun­gen für das von der Be­klag­ten gel­tend ge­mach­te "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie ge­zeigt - nicht vor­la­gen. Auch dies spricht nur für ei­nen Aus­gleich von tat­säch­lich und kon­kret er­brach­ter Zu­viel­ar­beit.

61 Der Geld­aus­gleich für die vom Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit ori­en­tiert sich an den je­weils gel­ten­den Stun­den­sät­zen der Ver­ord­nung über die Ge­wäh­rung von Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te in der Fas­sung der Be­kannt­ma­chung vom 3. De­zem­ber 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deut­lich, dass es um die kon­kret stun­den­be­zo­ge­ne Ab­rech­nung der Zu­viel­ar­beit geht und nicht um de­ren pau­scha­le Zu­grun­de­le­gung. Zwar un­ter­schei­den sich recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit und uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit tat­be­stand­lich. Recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit be­darf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der An­ord­nung oder Ge­neh­mi­gung, die nur ver­fügt oder er­teilt wer­den darf, wenn zwin­gen­de dienst­li­che Ver­hält­nis­se dies er­for­dern und sich die Mehr­ar­beit auf Aus­nah­me­fäl­le be­schränkt. Des Wei­te­ren darf an­ge­ord­ne­te oder ge­neh­mig­te Mehr­ar­beit die uni­ons­recht­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den im Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - au­ßer­halb der vom Uni­ons­recht vor­ge­se­he­nen Ver­fah­ren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht über­schrei­ten (BVer­wG, Ur­teil vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 14). Nur un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen liegt Mehr­ar­beit im dienst­recht­li­chen Sinn vor, die zeit­aus­gleichs- oder ver­gü­tungs­fä­hig ist. Da­ge­gen han­delt es sich bei rechts­wid­rig ge­leis­te­ter Zu­viel­ar­beit im öf­fent­li­chen Dienst­recht um die Dienst­zeit, die der Be­am­te über die uni­ons­recht­lich nach Ma­ß­ga­be der Ar­beits­zeitricht­li­nie und ih­rer Aus­nah­me­be­stim­mun­gen höchs­tens zu­läs­si­ge wö­chent­li­che Ar­beits­zeit hin­aus er­bringt. Sie ist ihm stets voll aus­zu­glei­chen, pri­mär durch Frei­zeit­aus­gleich, so­fern dies nicht mehr mög­lich ist, se­kun­där durch Geld­aus­gleich. Den­noch geht es in bei­den Fäl­len um den Aus­gleich für ei­ne über­ob­li­ga­ti­ons­mä­ßi­ge Her­an­zie­hung des Be­am­ten (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), so­dass für den Geld­aus­gleich auch in Fäl­len uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit in der Rechts­fol­ge die Stun­den­sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tungs­ver­ord­nung her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen.

62 Auf die Vor­schrif­ten über die Be­sol­dung kann hin­ge­gen nicht zu­rück­ge­grif­fen wer­den (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 39). Denn die Be­sol­dung ist kein Ent­gelt im Sin­ne ei­ner Ent­loh­nung für kon­kre­te Diens­te (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerf­GE 44, 249 <264>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>), son­dern die Ge­gen­leis­tung des Dienst­herrn da­für, dass sich der Be­am­te mit vol­lem per­sön­li­chen Ein­satz der Er­fül­lung sei­ner Dienst­pflich­ten wid­met (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerf­GE 21, 329 <345>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Ent­loh­nung von Ar­beits­stun­den, son­dern auf die Si­cher­stel­lung ei­ner amts­an­ge­mes­se­nen Le­bens­füh­rung ge­rich­tet.

63 9. Nach al­le­dem hat für den Se­nat kei­ne Ver­an­las­sung be­stan­den, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen, um ei­ne Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Uni­on nach Art. 267 AEUV ein­zu­ho­len. Dem Klä­ger steht für den Zeit­raum vom 1. Ju­ni 2012 bis zum 16. Ok­to­ber 2013 stun­den­be­zo­ge­ner Geld­aus­gleich zu, für den die Be­klag­te nach Ma­ß­ga­be der Grund­sät­ze des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ein­zu­tre­ten hat, weil sie bei der vom Klä­ger kon­kret er­brach­ten Zu­viel­ar­beit den An­wen­dungs­vor­rang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 of­fen­kun­dig ver­letz­ten Nach­teils­ver­bots ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht be­ach­tet hat. Auf wei­te­re Fra­gen des Uni­ons­rechts hat es des­halb nicht mehr ent­schei­dungs­er­heb­lich an­kom­men kön­nen.

Ur­teil vom 20.07.2017 -
BVer­wG 2 C 33.16ECLI:DE:BVer­wG:2017:200717U2C33.16.0

Ur­teil

BVer­wG 2 C 33.16

  • VG Pots­dam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1372/11
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 20.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 20. Ju­li 2017
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung, Dr. Kennt­ner, Dol­lin­ger und Dr. Gün­ther
für Recht er­kannt:

  1. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen, so­weit mit ihr ein Geld­aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2008 bis 30. No­vem­ber 2010 gel­tend ge­macht wird. Die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 1. Ju­li 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 11. Sep­tem­ber 2013 wer­den auf­ge­ho­ben, so­weit sie dem ent­ge­gen­ste­hen.
  2. Im Üb­ri­gen (hin­sicht­lich des Zeit­raums vom 1. De­zem­ber 2010 bis 31. De­zem­ber 2012) wird das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg auf­ge­ho­ben. In­so­weit wird die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.

Grün­de

I

1 Der Klä­ger, der im streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum bei der be­klag­ten Stadt als Feu­er­wehr­be­am­ter im 24-Stun­den-Schicht­dienst tä­tig war, be­gehrt fi­nan­zi­el­len Aus­gleich für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit.

2 Der von dem Klä­ger im Sep­tem­ber 2007 be­an­trag­ten Er­hö­hung sei­ner durch­schnitt­li­chen wö­chent­li­chen Ar­beits­zeit auf bis zu 56 Stun­den ent­sprach die Be­klag­te durch Be­schei­de vom 25. Sep­tem­ber 2007 und 18. De­zem­ber 2007. Den an sie im No­vem­ber 2010 ge­rich­te­ten An­trag des Klä­gers auf Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se auf Geld­aus­gleich für die von seit dem Jahr 2003 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus ver­rich­te­ten Dienst­zei­ten, lehn­te die Be­klag­te ab. Das Vor­ver­fah­ren blieb er­folg­los.

3 Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­klag­te un­ter Ab­leh­nung des An­trags im Üb­ri­gen und teil­wei­ser Auf­he­bung der an­ge­foch­te­nen Be­schei­de ver­pflich­tet, dem Klä­ger für die im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2008 bis 31. De­zem­ber 2012 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus­ge­hend ge­leis­te­te und noch nicht als Mehr­ar­beit ver­gü­te­te Ar­beit Ent­schä­di­gung in Geld nach dem je­weils gel­ten­den Stun­den­satz für die Mehr­ar­beits­ver­gü­tung zu ge­wäh­ren. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­ru­fung mit der Ma­ß­ga­be zu­rück­ge­wie­sen, dass es die Be­klag­te ver­ur­teilt hat, an den Klä­ger für den ge­nann­ten Zeit­raum 16 774,43 € nebst Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins ab Rechts­hän­gig­keit zu zah­len. Zur Be­grün­dung hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt im We­sent­li­chen aus­ge­führt, dem Klä­ger ste­he der zu­ge­spro­che­ne Geld­aus­gleich in­fol­ge des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs we­gen Ver­let­zung der Ar­beits­zeitricht­li­nie zu. Ei­ne frei­wil­li­ge Zu­viel­ar­beit bei Über­schrei­tung der uni­ons­recht­lich höchst­zu­läs­si­gen Be­zugs­zeit­räu­me sei auch auf­grund von Aus­nah­me­vor­schrif­ten nicht vor­ge­se­hen.

4 Hier­ge­gen wen­det sich die vom Se­nat zu­ge­las­se­ne Re­vi­si­on der Be­klag­ten, mit der sie be­an­tragt,
die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 1. Ju­li 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 11. Sep­tem­ber 2013 auf­zu­he­ben und die Kla­ge in vol­lem Um­fang ab­zu­wei­sen.

5 Der Klä­ger be­an­tragt,
die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen.

6 Der Ver­tre­ter des Bun­des­in­ter­es­ses beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt un­ter­stützt die Re­vi­si­on der Be­klag­ten.

II

7 Die Re­vi­si­on ist teil­wei­se be­grün­det. Das Be­ru­fungs­ur­teil ist auf­zu­he­ben. So­weit die Sa­che nicht vom Se­nat selbst ent­schie­den wer­den kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO), ist sie an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO). Die An­nah­men des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit set­ze kei­ne erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung durch den Be­trof­fe­nen vor­aus und ver­lan­ge nicht den Nach­weis der über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den hin­aus kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den, ver­let­zen re­vi­si­bles Recht. Des­halb ist die Kla­ge ab­zu­wei­sen, so­weit mit ihr fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2008 bis 30. No­vem­ber 2010 gel­tend ge­macht wird. Ob sich das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für den ver­blei­ben­den streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum vom 1. De­zem­ber 2010 bis zum 31. De­zem­ber 2012 aus an­de­ren Grün­den im Er­geb­nis ganz oder teil­wei­se als rich­tig dar­stellt (§ 144 Abs. 4 Vw­GO), kann der Se­nat man­gels hier­für aus­rei­chen­der tat­säch­li­cher Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts nicht ent­schei­den.

8 In dem Zeit­raum ab 2008, in dem die An­sprü­che nicht ver­jährt sind, lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die Be­klag­te, die das vom Land Bran­den­burg er­las­se­ne Recht le­dig­lich an­wen­det, dem Grun­de nach vor (1.). Uni­ons­recht kann in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land durch Rechts­ver­ord­nun­gen um­ge­setzt wer­den (2.). § 4 Abs. 3 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit der Be­am­ten des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in den Feu­er­weh­ren und den Leit­stel­len der Land­krei­se im Land Bran­den­burg vom 3. Au­gust 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit für die Be­am­ten des Po­li­zei­voll­zugs­diens­tes, des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes und des Jus­tiz­voll­zugs­diens­tes des Lan­des Bran­den­burg vom 16. Sep­tem­ber 2009 (Bb­gAZV­PFJ, GVBl. II S. 686) set­zen Art. 22 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um. Sie ver­let­zen of­fen­kun­dig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Ver­bot, wo­nach kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten (3.). Die An­wen­dung die­ses mit Uni­ons­recht un­ver­ein­ba­ren Lan­des­rechts ist der be­klag­ten Stadt als Dienst­her­rin der Feu­er­wehr­be­am­ten an­zu­las­ten. Durch die An­wen­dung des den Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts nicht ge­nü­gen­den in­ner­staat­li­chen Rechts ist der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch auch ge­gen­über der Kom­mu­ne als Dienst­her­rin be­grün­det (4.). Der Dienst­herr muss aber le­dig­lich die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit aus­glei­chen, die der Be­rech­tig­te ab dem auf die erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet hat. Dies ist im Fall des Klä­gers erst für die Zeit ab De­zem­ber 2010 der Fall (5.). Der noch nicht ver­fal­le­ne Aus­gleichs­an­spruch ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit aus­ge­rich­tet. Da die­se Form des Aus­gleichs aus vom Klä­ger nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus­schei­det, wan­delt sich der Aus­gleichs­an­spruch in ei­nen sol­chen auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich (6.). Ob und ggf. in­wie­weit der Klä­ger Zu­viel­ar­beit ge­leis­tet hat, be­stimmt sich man­gels ei­ner an­der­wei­ti­gen Re­ge­lung durch den na­tio­na­len Norm­ge­ber nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (7.). Für den Geld­aus­gleich sind die Sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te ma­ß­geb­lich. Der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich er­folgt da­nach nicht pau­schal nach der Dif­fe­renz zwi­schen der Höchst­ar­beits­zeit und der ge­neh­mig­ten Zu­viel­ar­beit. Er rich­tet sich viel­mehr nach den vom Be­am­ten kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den (8.). Die Ein­ho­lung ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on im Ver­fah­ren nach Art. 267 AEUV ist nicht ver­an­lasst (9.).

9 1. Die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die be­klag­te Stadt, die nicht für die Um­set­zung der Vor­ga­ben der Richt­li­nie durch den Er­lass von Rechts­nor­men zu­stän­dig ist, sind im Zeit­raum ab dem Jahr 2009 dem Grun­de nach ge­ge­ben. Denn die Be­klag­te hat die zur Um­set­zung von Art. 22 RL 2003/88/EG er­las­se­nen Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg an­ge­wen­det, ob­wohl für sie er­kenn­bar war, dass die­se Um­set­zung im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot un­zu­rei­chend ge­we­sen ist.

10 Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch setzt nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) vor­aus, dass die uni­ons­recht­li­che Norm, ge­gen die ver­sto­ßen wor­den ist, die Ver­lei­hung von Rech­ten an die Ge­schä­dig­ten be­zweckt (a), zwi­schen die­sem Ver­stoß und dem den Ge­schä­dig­ten ent­stan­de­nen Scha­den ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang be­steht (b) und der Ver­stoß ge­gen die­se Norm hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG tref­fen die Mit­glied­staa­ten die er­for­der­li­chen Maß­nah­men, da­mit nach Ma­ß­ga­be der Er­for­der­nis­se der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer die durch­schnitt­li­che Ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum 48 Stun­den ein­schlie­ß­lich der Über­stun­den nicht über­schrei­tet. Die­se Vor­schrift ver­leiht dem Ein­zel­nen Rech­te, die die­ser nach Ab­lauf der Frist zur Um­set­zung der wort­glei­chen Vor­gän­ger­be­stim­mung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Ar­beits­zeit­recht der Be­klag­ten un­mit­tel­bar vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend ma­chen kann (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ro­päi­schen Uni­on, der ge­mäß Art. 6 Abs. 1 EUV der glei­che Rang wie den Ver­trä­gen zu­er­kannt ist (stRspr, zu­letzt Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2016 - C-178/15, Sob­c­zys­zyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. No­vem­ber 2015 - C-219/14, Green­field - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Ar­beit­neh­mer kei­ne wei­ter­ge­hen­den Schutz­rech­te her­lei­ten (zum ein­heit­li­chen Ar­beit­neh­mer­be­griff von Richt­li­nie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: Eu­GH, Ur­teil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fe­noll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wo­nach je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer u.a. das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit hat, ge­währ­leis­tet auf­grund der Un­be­stimmt­heit sei­nes Wort­lauts kei­ne wei­ter­ge­hen­den In­di­vi­du­al­rech­te.

12 Ge­mäß der Aus­nah­me­vor­schrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mit­glied­staa­ten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zu­läs­si­ge Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum nor­miert wird, un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen nicht an­zu­wen­den. Ein sol­ches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur mög­lich, wenn die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­ge­hal­ten wer­den und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für ge­sorgt wird, dass kein Ar­beit­ge­ber von dem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn, der Ar­beit­neh­mer ist frei­wil­lig da­zu be­reit, und dass ihm im Wei­ge­rungs­fall kei­ne Nach­tei­le ent­ste­hen.

13 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur der­zei­ti­gen Ar­beits­schutz­richt­li­nie RL 2003/88/EG, eben­so wie zu der Vor­gän­ger­richt­li­nie RL 1993/104/EG, sind ab­wei­chen­de Be­stim­mun­gen als Aus­nah­men von der Ge­mein­schafts­re­ge­lung über die Ar­beits­zeit­ge­stal­tung - wie hier Art. 22 der Richt­li­nie - so aus­zu­le­gen, dass ihr An­wen­dungs­be­reich auf das zur Wah­rung der In­ter­es­sen, de­ren Schutz sie er­mög­li­chen, un­be­dingt Er­for­der­li­che be­grenzt wird (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 2003 - C-151/02, Jae­ger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31; eben­so Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vor­ga­ben in den Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar for­mell wirk­sam (sie­he un­ten 2.), aber in­halt­lich in­fol­ge Nicht­be­ach­tung des Nach­teils­ver­bots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um­ge­setzt (sie­he un­ten 3.). Dies ver­letzt den Klä­ger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Rech­ten. Die be­klag­te Stadt hat die­se im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot uni­ons­rechts­wid­ri­gen Vor­schrif­ten an­ge­wandt und da­mit ih­rer­seits den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch des Klä­gers aus­ge­löst (sie­he un­ten 4.).

15 b) Zwi­schen dem Ver­stoß ge­gen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Scha­den, der dem Klä­ger durch die uni­ons­rechts­wid­rig er­brach­te Zu­viel­ar­beit ent­stan­den ist, be­steht auch ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang. Un­er­heb­lich ist, dass die­se Zu­viel­ar­beit des Klä­gers und der da­mit ver­bun­de­ne Ver­lust an Frei­zeit und Er­ho­lungs­zeit nach na­tio­na­lem Recht kei­nen Scha­den im Sin­ne des zi­vil­recht­li­chen Scha­dens­er­satz­rechts dar­stel­len. Ma­ß­geb­lich ist in­so­weit al­lein auf das Uni­ons­recht ab­zu­stel­len, das hier­in ei­nen Scha­den sieht (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 so­wie Te­nor 1 und 4; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Dar­über hin­aus ist der Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht auch hin­rei­chend qua­li­fi­ziert, um den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch zu be­grün­den. Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ist das der Fall, wenn der Mit­glied­staat die Gren­zen, die sei­nem Er­mes­sen ge­setzt sind, of­fen­kun­dig und er­heb­lich über­schrit­ten hat, wo­bei zu den in­so­weit zu be­rück­sich­ti­gen­den Ge­sichts­punk­ten ins­be­son­de­re das Maß an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der ver­letz­ten Vor­schrift so­wie der Um­fang des Er­mes­sens­spiel­raums ge­hö­ren, den die ver­letz­te Vor­schrift den na­tio­na­len Be­hör­den be­lässt (Eu­GH, Ur­tei­le vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Bras­se­rie du pêcheur und Fac­tor­ta­me - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Ja­nu­ar 2007 - C-278/05, Ro­bins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 so­wie Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVer­wG, Ur­teil vom 30. Ok­to­ber 2014 - 2 C 3.13 - Buch­holz 245 Lan­des­BesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qua­li­fi­zier­ter Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht zu­las­ten des Klä­gers liegt im Hin­blick auf das von der Be­klag­ten zu be­ach­ten­de Nach­teils­ver­bot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (sie­he 3.a).

17 Für den Zeit­raum ab dem Jahr 2009 sind zu­gleich grund­sätz­lich die Vor­aus­set­zun­gen des dienst­recht­li­chen Aus­gleichs­an­spruchs aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ge­ge­ben (BVer­wG, Ur­tei­le vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buch­holz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26). Die bei­den An­sprü­che sind hin­sicht­lich der Ver­jäh­rung so­wie der Rechts­fol­gen gleich­ge­rich­tet (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. In­ner­staat­li­che Rechts­vor­schrif­ten, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - ei­ne Richt­li­nie der Eu­ro­päi­schen Uni­on in deut­sches Recht um­set­zen, sind am Maß­stab des Uni­ons­rechts zu mes­sen, so­weit die Richt­li­nie den Mit­glied­staa­ten kei­nen Um­set­zungs­spiel­raum lässt, son­dern zwin­gen­de Vor­ga­ben macht (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 22. Ok­to­ber 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerf­GE 73, 339 <387>, vom 7. Ju­ni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerf­GE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerf­GE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerf­GE 121, 1 <15>, vom 14. Ok­to­ber 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerf­GE 122, 1 <20> und vom 21. Sep­tem­ber 2016 - 2 BvL 1/15 - ju­ris Rn. 32). Den Mit­glied­staa­ten steht es un­ter den in Art. 22 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­si­gen Höchst­ar­beits­zeit für Ar­beit­neh­mer ab­zu­wei­chen. Da­für müs­sen sie Rechts­nor­men er­las­sen (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richt­li­nie ga­ran­tier­ten all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ge­währ­leis­ten und die dar­über hin­aus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Kri­te­ri­en ge­nü­gen. Für die Trans­for­ma­ti­on von Uni­ons­recht in in­ner­staat­li­ches Recht kom­men so­wohl for­mel­le Ge­set­ze als auch Rechts­ver­ord­nun­gen in Be­tracht (vgl. nur Ruf­fert, in: Cal­liess/Ruf­fert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schro­eder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 je­weils m.w.N.). Da­mit rich­tet sich die Uni­ons­rechts­kon­for­mi­tät der frag­li­chen Rechts­ver­ord­nun­gen in­so­weit al­lein da­nach, ob die­se nach in­ner­staat­li­chem Recht ei­ne hin­rei­chen­de Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge ha­ben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - eben­so wie sei­ne in­halts­glei­che Vor­gän­ger­norm in § 143 und § 134 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 8. Ok­to­ber 1999 (GVBl. I S. 446) - er­mäch­tigt die zu­stän­di­gen Mit­glie­der der Lan­des­re­gie­rung aus­drück­lich, die Ar­beits­zeit der Po­li­zei- und Jus­tiz­voll­zugs­be­am­ten so­wie die des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in ei­ner Rechts­ver­ord­nung zu re­geln. Da­mit ist so­wohl dem uni­ons­recht­li­chen Rechts­norm­vor­be­halt als auch dem in­ner­staat­li­chen Ge­set­zes­vor­be­halt Ge­nü­ge ge­tan.

19 3.  § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und sei­ne Nach­fol­ger­vor­schrift, der wort­lauti­den­tisch bis zum 31. Ju­li 2014 gel­ten­de § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009, be­stim­men, dass auf An­trag des Be­am­ten über den Rah­men von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus Schicht­dienst bis zu 56 Stun­den un­ter Be­ach­tung der all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes als durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Ar­beits­zeit be­wil­ligt wer­den kann. Die Be­wil­li­gung kann aus dienst­li­chen Grün­den zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jahrs mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen wer­den. Der Be­am­te ist auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit schrift­lich hin­zu­wei­sen. Er kann sei­nen An­trag zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jah­res mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen.

20 a) So­wohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 set­zen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hin­rei­chend um. Da­nach hat ein Mit­glied­staat, der von die­ser Aus­nah­me­vor­schrift Ge­brauch ma­chen möch­te, mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für zu sor­gen, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, ei­ner über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hin­aus­ge­hen­den Ar­beit nach­zu­ge­hen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" da­mit un­ter den Vor­be­halt, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, aus den in der Ar­beits­zeitricht­li­nie fest­ge­leg­ten Ar­beits­zeit­höchst­gren­zen "aus­zu­tre­ten" oder "hin­aus­zu­op­tie­ren" (Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­ho­fes der Eu­ro­päi­schen Uni­on er­for­dert die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie nicht ei­ne förm­li­che und wört­li­che Über­nah­me ih­rer Be­stim­mun­gen in ei­ne aus­drück­li­che, be­son­de­re Rechts­vor­schrift. Ihr kann viel­mehr durch ei­nen all­ge­mei­nen recht­li­chen Kon­text Ge­nü­ge ge­tan wer­den, wenn die­ser tat­säch­lich die voll­stän­di­ge An­wen­dung der Richt­li­nie hin­rei­chend klar und be­stimmt ge­währ­leis­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on ist je­doch er­for­der­lich, dass die Rechts­la­ge hin­rei­chend be­stimmt, klar und trans­pa­rent ist und die Be­güns­tig­ten in die La­ge ver­setzt, von al­len ih­ren Rech­ten Kennt­nis zu er­lan­gen und die­se ggf. vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend zu ma­chen (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vor­ga­be, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nor­mier­te Nach­teils­ver­bot in in­ner­staat­li­ches Recht um­zu­set­zen, wer­den we­der § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ge­recht. In bei­den Vor­schrif­ten fehlt ein Hin­weis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Nach­teils­ver­bot. Da­durch wird des­sen prak­ti­sche Wirk­sam­keit ge­schwächt, weil der Ar­beit­neh­mer nicht hin­rei­chend klar er­ken­nen kann, dass er sich, nach der Er­klä­rung sei­ner­seits an der Höchst­ar­beits­zeit ge­mäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­hal­ten zu wol­len, et­wa ge­gen nach­tei­li­ge Dienst­plan­ge­stal­tun­gen mit Er­folg zur Wehr set­zen kann (Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nach­teils­ver­bot, das mit Blick auf den Schutz­cha­rak­ter der Ar­beits­zeitricht­li­nie we­sent­li­che Be­deu­tung hat, kommt auch nicht in sons­ti­gen im Be­reich des Lan­des Bran­den­burg gel­ten­den ver­öf­fent­lich­ten Rechts­vor­schrif­ten, wie ins­be­son­de­re den Be­am­ten­ge­set­zen, in die der in­so­weit be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer et­wa Ein­sicht neh­men könn­te, mit hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit, Klar­heit und Trans­pa­renz zum Aus­druck. Das gilt ins­be­son­de­re für die - le­dig­lich als Ge­ne­ral­klau­sel for­mu­lier­te - be­am­ten­recht­li­che Für­sor­ge­pflicht ge­mäß § 45 Be­amtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zu­dem wä­re, selbst wenn man un­ter­stellt, dass sol­che Rechts­vor­schrif­ten vor­han­den sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den bran­den­bur­gi­schen Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen hin­zu­wei­sen. Dar­an fehlt es eben­falls. An­de­ren­falls wä­re der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer, der ty­pi­scher­wei­se ge­ra­de über kei­ne ver­tief­ten ju­ris­ti­schen Kennt­nis­se ver­fügt, nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge, die er­for­der­li­che in­halt­li­che Ver­knüp­fung zwi­schen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den na­tio­na­len Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeit­ver­ord­nung und dem an an­de­rer Stel­le nor­mier­ten Nach­teils­ver­bot her­zu­stel­len. So wä­re et­wa der be­güns­tig­te (be­am­te­te) Ar­beit­neh­mer nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge zu er­ken­nen, dass sei­ne - aus dienst­li­chen Grün­den mög­li­che - Um­set­zung oder auch nur ei­ne ihm nach­tei­li­ge Dienst­plan­än­de­rung dem Nach­teils­ver­bot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG un­ter­fällt, wenn sie des­halb er­folgt, weil er nicht be­reit ist, über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit­gren­ze von 48 Stun­den hin­aus zu ar­bei­ten (sie­he so auch Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on, Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Des­halb grei­fen die Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen so­wohl des Bun­des und meh­re­rer an­de­rer Bun­des­län­der, die von der Öff­nungs­klau­sel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Ge­brauch ge­macht ha­ben, das Nach­teils­ver­bot ge­ra­de aus­drück­lich auf (vgl. et­wa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzV­BY vom 5. Ja­nu­ar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZ­VO vom 30. De­zem­ber 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZ­VO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZ­VOFeu NW vom 1. Sep­tem­ber 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 Säch­s­AZ­VO vom 28. Ja­nu­ar 2008, GVBl. S. 198). Her­vor­zu­he­ben ist, dass auch das Recht des Lan­des Bran­den­burg nun­mehr - mit Wir­kung ab dem 1. Au­gust 2014 - das Nach­teils­ver­bot in § 21 Abs. 4 Satz 2 Bb­gAZV­PFJ vom 10. Ju­li 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) aus­drück­lich nennt. Dar­an fehlt es - für den hier streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009.

26 b) Steht da­mit die un­voll­stän­di­ge Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­deu­tig und klar fest, kommt es auf die wei­te­re Fra­ge, ob die­se Be­stim­mun­gen der bei­den ge­nann­ten Rechts­ver­ord­nun­gen dar­über hin­aus auch den An­for­de­run­gen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG of­fen­kun­dig nicht ge­recht wer­den, vor­lie­gend nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich an. Der Se­nat hält die­se Fra­ge für of­fen.

27 aa) Maß­st­abs­bil­den­de Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur Fra­ge der Not­wen­dig­keit ei­nes Be­zugs­zeit­raums und zur Aus­le­gung des Be­griffs "im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vor­gän­ger­richt­li­nie gibt es für den Fall des "Opt-out" bis­lang nicht. Das gilt auch für das Ur­teil des Ge­richts­hofs vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Die­ses Ur­teil be­zieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vor­gän­ger­richt­li­nie 1993/104/EG, der al­ler­dings im We­sent­li­chen mit Art. 22 RL 2003/88/EG ver­gleich­bar ist. In die­sem Ur­teil führt der Ge­richts­hof aber nur aus, dass die In­an­spruch­nah­me der Mög­lich­keit, die Grund­satz­norm des Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, vor­aus­setzt, dass die Mit­glied­staa­ten die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hal­ten und be­stimm­te - in der Richt­li­nie ge­nann­te - ku­mu­la­ti­ve Vor­aus­set­zun­gen er­fül­len. Für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums folgt dar­aus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum" die Re­de ist.

28 Die in­ner­staat­li­che Recht­spre­chung zu die­ser Fra­ge ist un­ein­heit­lich (be­ja­hend: OVG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­tei­le vom 18. Ju­ni 2015 - OVG 6 B 19.15 - ju­ris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - ju­ris Rn. 25; ver­nei­nend: VG Mün­chen, Ur­teil vom 18. Ok­to­ber 2016 - M 5 K 14.5855 - ju­ris Rn. 32; VG Aa­chen, Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2016 - 1 K 2244/14 - ju­ris Rn. 32).

29 Ei­ner­seits gibt es Ar­gu­men­te, die da­für spre­chen, ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur un­ter Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums zu­zu­las­sen. Der Wort­laut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könn­te in deut­scher Sprach­fas­sung dar­auf hin­deu­ten, dass es den Mit­glied­staa­ten ob­liegt, ei­nen (bis zu vier­mo­na­ti­gen) Be­zugs­zeit­raum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu re­geln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG be­stimmt, dass es ei­nem Mit­glied­staat frei­ge­stellt ist, Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, wenn er die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hält und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für sorgt, dass kein Ar­beit­ge­ber von ei­nem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn der Ar­beit­neh­mer hat sich hier­zu be­reit er­klärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Wei­te­ren vor, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass "der Ar­beit­ge­ber die zu­stän­di­gen Be­hör­den [...] dar­über un­ter­rich­tet, wel­che Ar­beit­neh­mer sich da­zu be­reit er­klärt ha­ben, im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten".

30 Auch aus der Norm­sys­te­ma­tik las­sen sich Grün­de für die Not­wen­dig­keit, ei­nen Be­zugs­zeit­raum nach Ma­ß­ga­be von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Fal­le des "Opt-out" zu re­geln, her­lei­ten. Sys­te­ma­tisch spricht der Zu­sam­men­hang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Er­for­der­nis ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Zu den un­ab­hän­gig vom Ein­ver­ständ­nis des Ar­beit­neh­mers zu re­geln­den Vor­ga­ben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­hört, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass ein Ar­beit­neh­mer die Mög­lich­keit hat, nur durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den zu ar­bei­ten. Da­für wä­re die Re­ge­lung je­den­falls ei­nes Be­zugs­zeit­raums hilf­reich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­währ­leis­ten, dass die Mit­glied­staa­ten ei­ne Gren­ze für die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit re­geln, um so zum Ar­beits- und Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer bei­zu­tra­gen (EFTA-Ge­richts­hof, Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein sol­cher Schutz wür­de oh­ne die Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums für den Durch­schnitt der Wo­chen­ar­beits­zeit er­schwert. Der durch die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit be­zweck­te Schutz ist um­so in­ten­si­ver, je kür­zer der für den Durch­schnitt ma­ß­geb­li­che Be­zugs­zeit­raum ist. Be­son­ders in­ten­siv ist er, wenn der Be­zugs­zeit­raum nur ei­ne Wo­che be­trägt, weil es dann un­mög­lich ist, ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit ei­ner Wo­che durch ge­rin­ge­re Ar­beits­zei­ten an­de­rer Wo­chen "weg­zu­rech­nen". Ein ma­xi­ma­ler Schutz in die­sem Sin­ne wä­re mit­hin da­durch zu er­rei­chen, dass bei Feh­len ei­ner Re­ge­lung des Be­zugs­zeit­raums der kon­kre­te Sie­ben­ta­ges­zeit­raum ma­ß­geb­lich ist. Die­se Rechts­fol­ge tritt bei Feh­len ei­ner Be­zugs­zeit­raum­re­ge­lung ein, so­lan­ge Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG An­wen­dung fin­det (BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zu­las­sung ei­ner oh­ne Be­zugs­zeit­raum mög­li­chen und da­mit un­li­mi­tier­ten Höchst­ar­beits­zeit könn­te zu­dem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh wi­der­spre­chen, der be­stimmt, dass je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit, auf täg­li­che und wö­chent­li­che Ru­he­zei­ten so­wie auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hat (vgl. Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Fer­ner ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass auch ein recht­mä­ßi­ges "Opt-out" ge­mäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Er­for­der­nis der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­freit, aber nicht von den täg­li­chen und wö­chent­li­chen Min­dest­ru­he­zei­ten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ru­he­pau­sen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Be­schrän­kun­gen der Nacht­ar­beit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dis­pen­siert. Des­halb ist die Fest­stel­lung der Kom­mis­si­on in ih­ren ak­tu­el­len An­wen­dungs­hin­wei­sen zu Aus­le­gungs­fra­gen der Ar­beits­zeitricht­li­nie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zu­tref­fend, dass, be­rück­sich­tigt man nur den Zeit­raum der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit, die in der Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­nen Min­dest­zeit­räu­me der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit von den ins­ge­samt 168 Stun­den (24 Stun­den x 7 Ta­ge) ei­ner Wo­che be­reits durch­schnitt­lich 90 Ru­he­stun­den be­deu­ten (6 Ta­ge x 11 Stun­den täg­li­che Ru­he­zeit + 24 Stun­den wö­chent­li­che Ru­he­zeit). Dem­zu­fol­ge dürf­te un­ter Be­rück­sich­ti­gung von Ru­he­zei­ten, Ru­he­pau­sen und der mög­li­chen stren­ge­ren Be­schrän­kun­gen im Fall von Nacht­ar­beit die Ar­beits­zeit auch im Fal­le ei­ner recht­mä­ßi­gen Aus­nah­me­re­ge­lung nach Art. 22 RL 2003/88/EG ei­nen Durch­schnitt von 78 Stun­den pro Wo­che nicht über­schrei­ten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 An­de­rer­seits wirft die kon­kre­te Be­stim­mung ei­nes Be­zugs­zeit­raums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ei­ne Viel­zahl von bis­lang un­ge­klär­ten uni­ons­recht­li­chen Fra­gen auf. So ist zu­nächst un­klar, ob es zur abs­trakt-ge­ne­rel­len Re­ge­lung der Mög­lich­keit ei­ner "Opt-out"-Ver­ein­ba­rung ei­nes be­son­de­ren Be­zugs­zeit­raums be­darf. Der Hin­weis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum könn­te näm­lich auch dar­auf hin­deu­ten, dass da­mit der längs­te vom Mit­glied­staat fest­zu­le­gen­de Be­zugs­zeit­raum ge­meint ist. Da­für könn­te auch nach der deut­schen Sprach­fas­sung des Richt­li­ni­en­tex­tes spre­chen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Zeit­raum" die Re­de ist und nicht von dem "nach Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) fest­ge­setz­ten Be­zugs­zeit­raum".

34 Des Wei­te­ren stel­len sich norm­sys­te­ma­ti­sche Fra­gen nach dem Ver­hält­nis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ver­weist wört­lich be­trach­tet al­lein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Zeit­raum, so­dass frag­lich ist, ob er auch die Fest­set­zun­gen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richt­li­nie er­fasst, in de­nen - je­weils un­ter be­son­de­ren Vor­aus­set­zun­gen - an­de­re Be­zugs­zeit­räu­me be­nannt wer­den. Da­bei ist ins­be­son­de­re zu be­rück­sich­tig­ten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Ver­hält­nis zu Art. 16 RL 2003/88/EG un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen län­ge­re Be­zugs­zeit­räu­me von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Mo­na­ten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) er­öff­nen.

35 Die For­mu­lie­rung der ver­schie­de­nen Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie ist je nach Sprach­fas­sung und auch in­ner­halb ein­zel­ner Sprach­fas­sun­gen nach den Aus­füh­run­gen der Schluss­an­trä­ge der Ge­ne­ral­an­wäl­tin Ko­kott im Ver­fah­ren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) un­ein­heit­lich. Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on müs­sen aber die Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts im Licht der Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on ein­heit­lich aus­ge­legt und an­ge­wandt wer­den. Wei­chen die ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen ei­nes Rechts­tex­tes der Uni­on von­ein­an­der ab, muss die frag­li­che Vor­schrift an­hand der all­ge­mei­nen Sys­te­ma­tik und des Zwecks der Re­ge­lung aus­ge­legt wer­den, zu der sie ge­hört (Eu­GH, Ur­tei­le vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ER­GO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Os­so - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Not­wen­dig­keit ei­ner ein­heit­li­chen An­wen­dung und da­mit ei­ner ein­heit­li­chen Aus­le­gung der Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts schlie­ßt es da­nach aus, ei­ne Vor­schrift in ei­ner ih­rer Fas­sun­gen iso­liert zu be­trach­ten, son­dern ge­bie­tet es, sie an­hand des wirk­li­chen Wil­lens ih­res Norm­ge­bers und des von ihm ver­folg­ten Zwecks na­ment­lich im Licht ih­rer Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on aus­zu­le­gen. Ei­ne ab­wei­chen­de Sprach­fas­sung kann des­halb nicht al­lein ge­gen­über al­len an­de­ren Sprach­fas­sun­gen den Aus­schlag ge­ben (EuG-Rechts­mit­tel­kam­mer, Ur­teil vom 8. No­vem­ber 2012 - T-268/11 P - ju­ris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Un­ein­heit­lich­keit in den ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hin­zu­wei­sen. Die Fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG wei­sen in eng­li­scher, fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung je­weils klei­ne Be­son­der­hei­ten auf, die bei der Aus­le­gung der Norm zu be­rück­sich­ti­gen sein könn­ten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lau­tet in eng­li­scher Fas­sung: "for the ap­pli­ca­ti­on of Ar­ti­cle 6 (ma­xi­mum weekly working time), a re­fe­rence pe­ri­od not ex­cee­ding four months", al­so um ei­nen Be­zugs­zeit­raum, der vier Mo­na­te nicht über­schrei­ten darf, wäh­rend es in fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung im Gleich­klang um ei­nen Be­zugs­zeit­raum von bis zu vier Mo­na­ten ("une pe­ri­ode de re­fe­rence ne de­pas­sant pas quat­re mois") geht. Wei­ter hei­ßt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in eng­li­scher Fas­sung "du­ra­ti­on of the working time", wäh­rend sich die fran­zö­si­sche und deut­sche Fas­sung des Norm­tex­tes je­weils mit den Wor­ten "la du­ree du temps de tra­vail" oder mit dem Wort "Ar­beits­zeit" be­gnügt. Die eng­li­sche Fas­sung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG dar­über hin­aus nur von Ta­rif­ver­trä­gen (collec­ti­ve agree­ments) und Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen bei­den Sei­ten der In­dus­trie (the two si­des of in­dus­try) wäh­rend im fran­zö­si­schen und deut­schen Text der Richt­li­nie an die­ser Stel­le von "con­ven­ti­ons collec­ti­ves"/"Ta­rif­ver­trä­gen" und "ac­cords con­clus ent­re par­ten­aires so­ci­aux"/"So­zi­al­part­nern" ge­spro­chen wird. In die­sem Zu­sam­men­hang ist auch zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Kom­mis­si­on in ih­rer ak­tu­el­len Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) aus­drück­lich dar­auf hin­weist, dass die Richt­li­nie we­der den Be­griff "Ta­rif­ver­trag" de­fi­niert noch nä­her er­läu­tert, was "Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern auf na­tio­na­ler und re­gio­na­ler Ebe­ne" sind, mit der Fol­ge, dass die­se Be­grif­fe durch na­tio­na­le Rechts­vor­schrif­ten und Ge­pflo­gen­hei­ten nä­her zu be­stim­men sei­en (ABl. EU Nr. C 165/49). Schlie­ß­lich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf­merk­sam zu ma­chen. Dort hei­ßt es in der eng­li­schen Fas­sung am En­de "un­less he has first ob­tai­ned the worker’s agree­ment to per­form such work”, wäh­rend es nach der fran­zö­si­schen und deut­schen Text­fas­sung aus­reicht, dass sich der Ar­beit­neh­mer be­reit er­klärt hat, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten.

37 All die­se sprach­li­chen Un­eben­hei­ten las­sen sich norm­sys­te­ma­tisch und te­leo­lo­gisch zwar un­ter Rück­füh­rung dar­auf ver­ein­heit­li­chen, dass der Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on in den Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie über die Min­dest­ru­he­zei­ten und die Höchst­ar­beits­zei­ten "be­son­ders wich­ti­ge Re­geln des So­zi­al­rechts der Ge­mein­schaft" sieht. Die­se Re­geln müs­sen je­dem Ar­beit­neh­mer als ein zum Schutz sei­ner Si­cher­heit und sei­ner Ge­sund­heit be­stimm­ter Min­dest­an­spruch zu­gu­te­kom­men (vgl. z.B. Eu­GH, Ur­tei­le vom 7. Sep­tem­ber 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Ok­to­ber 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Des­halb be­grenzt der Ge­richts­hof die den Mit­glied­staa­ten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mög­li­che Ab­wei­chungs­mög­lich­keit u.a. von der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit für Fäl­le, in de­nen die Ar­beits­zeit we­gen der be­son­de­ren Merk­ma­le der aus­ge­üb­ten Tä­tig­keit nicht ge­mes­sen und oder nicht im Vor­aus fest­ge­legt wird oder von den Ar­beit­neh­mern selbst fest­ge­legt wer­den kann, auf das zum Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer "un­be­dingt Er­for­der­li­che" (Eu­GH, Ur­teil vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31).

38 Dar­aus aber den für den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch er­for­der­li­chen wei­te­ren Schluss zu zie­hen, ein Mit­glied­staat ver­sto­ße hin­rei­chend qua­li­fi­ziert und da­mit of­fen­kun­dig ge­gen ei­ne uni­ons­recht­li­che Norm, wenn er ei­ne "Opt-out"-Ent­schei­dung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, oh­ne zu­gleich ei­nen Be­zugs­zeit­raum im Sin­ne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­zu­le­gen, ist dem Se­nat man­gels des er­for­der­li­chen Ma­ßes an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der als ver­letzt gel­ten­den Vor­schrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht mög­lich.

39 bb) Eben­so ver­hält es sich mit der wei­te­ren Fra­ge der Frei­wil­lig­keit der nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs (Eu­GH, Ur­teil vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 u.a., Pfeif­fer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) not­wen­dig in­di­vi­du­el­len Be­reit­schafts­er­klä­rung ei­nes Ar­beit­neh­mers. Hier geht es um den schrift­li­chen An­trag des Klä­gers vom Sep­tem­ber 2007, Zu­viel­ar­beit im Sin­ne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leis­ten zu dür­fen. Wäh­rend die Frei­wil­lig­keit und In­di­vi­dua­li­tät der Be­reit­schafts­er­klä­rung des Klä­gers un­zwei­fel­haft sind, stellt sich die Fra­ge der Ver­ein­bar­keit mit Uni­ons­recht im Hin­blick auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit die­ser Er­klä­rung oder die­ses An­trags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009. Der Richt­li­ni­en­text ent­hält kei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung über das "ob" und das "wie" ei­nes die Be­reit­schafts­er­klä­rung be­tref­fen­den Wi­der­rufs­rechts des Ar­beit­neh­mers. Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu Mög­lich­keit und Mo­da­li­tä­ten ei­nes Wi­der­rufs ist nicht er­sicht­lich. Der EFTA-Ge­richts­hof hat im Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - (ju­ris) nur ent­schie­den, dass der ge­ne­rel­le Wi­der­rufsau­schluss ei­ner ein­mal wirk­sam ge­ge­be­nen Be­reit­schafts­er­klä­rung im Ein­zel­fall ei­ne Ver­let­zung der Richt­li­nie be­grün­den kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 vor­ge­se­he­ne Wi­der­rufs­mög­lich­keit mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten zum Ab­lauf des Ka­len­der­jah­res den An­for­de­run­gen an die je­der­zei­ti­ge Frei­wil­lig­keit der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit ge­nügt, kann hier un­ent­schie­den blei­ben. Da­für könn­te die Tat­sa­che spre­chen, dass der Richt­li­ni­en­text für die Fra­ge des Wi­der­rufs und der Wi­der­rufs­frist ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit kei­ne aus­drück­li­chen Vor­ga­ben macht. Da­ge­gen lie­ße sich in­des norm­sys­te­ma­tisch und am Zweck des Ar­beits­zeit­schut­zes ori­en­tiert für ei­nen mög­li­chen Gleich­lauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ma­xi­ma­len Be­zugs­zeit­raums von vier Mo­na­ten und der Frist für den Wi­der­ruf ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit ar­gu­men­tie­ren (so et­wa Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tat­sa­che, dass der bun­des­deut­sche Ge­setz­ge­ber in Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Wi­der­rufs­frist für nicht be­am­te­te Ar­beit­neh­mer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fas­sung vom 24. De­zem­ber 2003 (BGBl. I S. 3002) ge­ne­rell auf sechs Mo­na­te oh­ne Be­gren­zung auf das Jah­res­en­de be­stimmt hat (vgl. da­zu nä­her Wank, in: Mül­ler-Glö­ge/Preis/Schmidt, Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könn­te ge­gen ei­ne ma­xi­mal 15 Mo­na­te lau­fen­de Wi­der­rufs­frist - Wi­der­ruf am 1. Ok­to­ber, Frist­ab­lauf am 31. De­zem­ber des Fol­ge­jah­res - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­ge­wandt wer­den. Dies zeigt: Auch die Fra­ge, ob die Vor­ga­ben des streit­ge­gen­ständ­li­chen bran­den­bur­gi­schen Lan­des­rechts zur Ar­beits­zeit für Feu­er­wehr­be­am­te in der Zeit zwi­schen 2007 (In­kraft­tre­ten von § 4 AZV Feu 2007 im Au­gust 2007) und 2014 (In­kraft­tre­ten von § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2014 im Au­gust 2014) den An­for­de­run­gen der Frei­wil­lig­keit für die Dau­er der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­nü­gen, lässt sich auf­grund ei­ner Nor­m­aus­le­gung nach Wort­laut, Sys­te­ma­tik und Zweck nicht hin­rei­chend ein­deu­tig und klar be­ant­wor­ten.

41 cc) Die Text­ana­ly­se schlie­ßt es nach al­le­dem aus, hin­sicht­lich der Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fra­gen der Not­wen­dig­keit von Be­zugs­zeit­räu­men und den An­for­de­run­gen an die Frei­wil­lig­keit für den Wi­der­ruf von Ein­ver­ständ­nis­er­klä­run­gen zur Zu­viel­ar­beit hin­sicht­lich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 von ei­nem "hin­rei­chend qua­li­fi­zier­ten Ver­stoß" ge­gen das Uni­ons­recht im Sinn des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs aus­zu­ge­hen.

42 4. Un­ge­ach­tet der evi­dent un­zu­rei­chen­den Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Re­ge­lung der Ar­beits­zeit von kom­mu­na­len Feu­er­wehr­be­am­ten zu­stän­di­gen Lan­des­ge­setz­ge­ber ist die be­klag­te Stadt hier als Nor­m­an­wen­der auf­grund des An­wen­dungs­vor­rangs des Uni­ons­rechts ge­hal­ten ge­we­sen, die Vor­ga­ben der Richt­li­nie zu be­fol­gen und ent­ge­gen­ste­hen­des Lan­des­recht un­an­ge­wen­det zu las­sen. Die Be­klag­te hät­te er­ken­nen müs­sen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 klar und ein­deu­tig die Vor­ga­be ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ver­let­zen, weil es die­sen Rechts­ver­ord­nun­gen an ei­ner Vor­schrift fehlt, die ge­währ­leis­tet, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, Zu­viel­ar­beit zu leis­ten. Ein Trä­ger öf­fent­li­cher Ge­walt ist auch in sei­ner Ei­gen­schaft als öf­fent­li­cher Ar­beit­ge­ber zur An­wen­dung des Uni­ons­rechts ver­pflich­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Im­pact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Da­nach hat die Be­klag­te in ih­rer Ei­gen­schaft als Dienst­her­rin des Klä­gers durch Nicht­be­ach­tung des An­wen­dungs­vor­rangs der EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ge­gen das Uni­ons­recht ver­sto­ßen. Dass sie in­ner­staat­lich die Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des im Rah­men ih­rer Auf­ga­ben der mit­tel­ba­ren Staats­ver­wal­tung zu be­fol­gen hat­te, än­dert dar­an nichts.

43 5. Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit setzt - wie der na­tio­na­le dienst­recht­li­che Aus­gleichs­an­spruch - vor­aus, dass er vom Be­am­ten oder Sol­da­ten zu­vor zu­min­dest in Form ei­ner Rü­ge gel­tend ge­macht wor­den ist. Aus­zu­glei­chen ist die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit, die ab dem auf die erst­ma­li­ge schrift­li­che Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet wor­den ist (stRspr, BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Klä­ger den Aus­gleichs­an­spruch erst im No­vem­ber 2010 gel­tend ge­macht hat, ste­hen ihm An­sprü­che erst ab De­zem­ber 2010 zu.

44 a) Be­sol­dungs­an­sprü­che von Be­am­ten und Sol­da­ten er­ge­ben sich un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), ei­nes An­tra­ges oder ei­ner Rü­ge be­darf es da­her nicht. Ent­spre­chen­des gilt für Ver­sor­gungs­be­zü­ge (z.B. § 3 Abs. 1 Be­amtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechts­grund der Ali­men­tie­rung von Ru­he­stands­be­am­ten ist zwar der Ver­sor­gungs­fest­set­zungs­be­scheid, auch die­ser er­geht in­des von Amts we­gen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 Be­amtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und be­darf da­her we­der ei­nes An­trags noch ei­ner Hin­weis­pflicht (BVer­wG, Ur­teil vom 25. Ok­to­ber 2012 - 2 C 59.11 - BVer­w­GE 145, 14 Rn. 34).

45 An­sprü­che, de­ren Fest­set­zung und Zah­lung sich nicht un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz er­ge­ben, be­dür­fen da­ge­gen ei­ner vor­he­ri­gen Gel­tend­ma­chung (BVerfG, Be­schluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerf­GE 81, 363 <384 f.>; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - ju­ris Rn. 16). Denn hier ist ei­ne vor­gän­gi­ge be­hörd­li­che Ent­schei­dung über Grund und Hö­he der be­gehr­ten Zah­lung er­for­der­lich.

46 Für An­sprü­che we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit gilt dies in be­son­de­rer Wei­se. Die­se sind nicht pri­mär auf die Zah­lung ei­nes fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs ge­rich­tet, son­dern auf die Be­sei­ti­gung des rechts­wid­ri­gen Zu­stands. Durch den Hin­weis des Be­am­ten oder Sol­da­ten ist da­her zu­nächst ei­ne Prü­fung sei­nes Dienst­herrn ver­an­lasst, ob ei­ne Än­de­rung der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung er­for­der­lich ist und ob ei­ne rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit - et­wa durch An­pas­sung der ma­ß­geb­li­chen Dienst­plä­ne - ver­mie­den oder durch die Ge­wäh­rung von Frei­zeit­aus­gleich kom­pen­siert wer­den kann. Oh­ne ent­spre­chen­de Rü­ge muss der Dienst­herr nicht da­von aus­ge­hen, je­der Be­am­te wer­de die Über­schrei­tung der ak­tu­el­len Ar­beits­zeit­re­ge­lung be­an­stan­den. Auch hin­sicht­lich der mög­li­chen fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs­pflicht hat der Dienst­herr ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an, nicht nach­träg­lich mit un­vor­her­seh­ba­ren Zah­lungs­be­geh­ren kon­fron­tiert zu wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 21. Sep­tem­ber 2006 - 2 C 7.06 - Buch­holz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Be­am­te wird durch das Er­for­der­nis der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn auch nicht un­zu­mut­bar be­las­tet. Denn an die Rü­ge des Be­rech­tig­ten sind kei­ne zu ho­hen An­for­de­run­gen zu stel­len. Es reicht aus, wenn sich aus der Äu­ße­rung er­gibt, dass der Be­am­te oder Sol­dat die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt hält. We­der ist ein An­trag im rechts­tech­ni­schen Sin­ne er­for­der­lich noch muss Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich, be­an­tragt oder der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich kon­kret be­rech­net wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buch­holz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die An­wen­dung des Grund­sat­zes der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung auch auf den nicht nor­ma­tiv ge­re­gel­ten uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch ist mit Uni­ons­recht ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­teil vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Vor­aus­set­zung für die Ver­ein­bar­keit des ge­nann­ten Grund­sat­zes mit Uni­ons­recht ist, dass den An­for­de­run­gen des Äqui­va­lenz- und des Ef­fek­ti­vi­täts­grund­sat­zes Rech­nung ge­tra­gen ist (Eu­GH, Ur­tei­le vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C-20/13, Un­land - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den na­tio­na­len Ge­rich­ten ob­lie­gen­de Prü­fung er­gibt, dass die Vor­aus­set­zun­gen der bei­den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben in Be­zug auf das Ge­bot der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung er­füllt sind. Dem Ge­bot, dass die Mo­da­li­tä­ten zur Durch­set­zung des uni­ons­recht­li­chen An­spruchs nicht un­güns­ti­ger sein dür­fen als die­je­ni­gen, die gleich­ar­ti­ge Sach­ver­hal­te in­ner­staat­li­cher Art re­geln (Äqui­va­lenz­grund­satz), ist Rech­nung ge­tra­gen. Auch der - ne­ben dem uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch be­stehen­de, rich­ter­recht­lich ent­wi­ckel­te - Aus­gleichs­an­spruch aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ist nur ge­ge­ben, wenn der Be­rech­tig­te die­sen ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn gel­tend macht (BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz ver­langt, dass die Aus­übung der durch das Uni­ons­recht ver­lie­he­nen Rech­te nicht prak­tisch un­mög­lich ge­macht oder über­mä­ßig er­schwert wird. Die Fest­set­zung an­ge­mes­se­ner Aus­schluss­fris­ten für die Rechts­ver­fol­gung ist im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit, die zu­gleich den Be­rech­tig­ten und die Be­hör­de schützt, mit die­sen Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2011 - C-262/09, Meili­cke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C- 20/13, Un­land - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zu­dem sind, wie dar­ge­legt, die An­for­de­run­gen an die schrift­li­che Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­ring. Denn der Be­rech­tig­te muss ge­gen­über dem Dienst­herrn le­dig­lich schrift­lich zum Aus­druck brin­gen, er hal­te die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt.

50 6. Der pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­te­te An­spruch des Klä­gers wan­delt sich in­fol­ge Ab­laufs des mög­li­chen Aus­gleichs­zeit­raums in ei­nen An­spruch auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich, der we­der ver­fal­len noch aus an­de­ren Grün­den aus­ge­schlos­sen ist.

51 Der Haf­tungs­an­spruch we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­tet. Zweck der Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum, den Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer zu ge­währ­leis­ten, ist nicht durch ei­ne Geld­zah­lung, son­dern durch die Frei­stel­lung von der Pflicht zur Dienst­leis­tung zu er­rei­chen.

52 Schei­det aber die Ge­wäh­rung von Frei­zeit zum Aus­gleich der uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit aus vom Be­rech­tig­ten nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus, so ge­bie­tet es der uni­ons­recht­li­che Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz, dass die ent­stan­de­nen An­sprü­che nicht un­ter­ge­hen, son­dern sich in sol­che auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich um­wan­deln (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Da­nach sind hier fi­nan­zi­el­le Aus­gleichs­an­sprü­che des Klä­gers nicht aus­ge­schlos­sen, weil die über die Jah­re hin­weg an­ge­spann­te Per­so­nal­si­tua­ti­on bei der Be­rufs­feu­er­wehr der Be­klag­ten, in der der Klä­ger Dienst zu leis­ten hat­te, eben­so wie der zwi­schen­zeit­li­che Zeit­ab­lauf der Ge­wäh­rung von Frei­zeit zur Ab­gel­tung der ent­stan­de­nen An­sprü­che ent­ge­gen­stan­den.

53 7. Ob der Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig zu viel ge­ar­bei­tet hat, be­stimmt sich hier nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum im Sin­ne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Eben­so wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wen­det sich auch Art. 16 die­ser Richt­li­nie ("Die Mit­glied­staa­ten kön­nen ... vor­se­hen") an den Mit­glied­staat. Die­ser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG ab­wei­chen­den Fest­le­gung des Be­zugs­zeit­raums ("bis zu vier Mo­na­ten") be­rech­tigt, aber nicht ver­pflich­tet. Ob und in­wie­weit der Mit­glied­staat die­se Er­mäch­ti­gung zu der für den Ar­beit­neh­mer un­güns­ti­gen Aus­deh­nung des Be­zugs­zeit­raums auf bis zu vier Mo­na­ten aus­nutzt, ist Sa­che der je­weils zu­stän­di­gen ge­setz­ge­ben­den Or­ga­ne des Mit­glied­staa­tes, weil nur sie die zur Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie er­for­der­li­chen Rechts­no­men er­las­sen kön­nen. Die Aus­übung der Er­mäch­ti­gung ist je­den­falls nicht den das Recht an­wen­den­den na­tio­na­len Ge­rich­ten in dem Sin­ne über­ant­wor­tet, dass die­se den Be­zugs­zeit­raum nach dem As­pekt der "Sach­ge­rech­tig­keit" fest­le­gen kön­nen. Um die ihm ein­ge­räum­te Be­fug­nis in An­spruch zu neh­men, muss der Mit­glied­staat auch die Ent­schei­dung tref­fen, sich auf die­se Er­mäch­ti­gung zu be­ru­fen. Im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit muss die­se Ent­schei­dung des Mit­glied­staa­tes be­stimmt und klar sein (Eu­GH, Ur­teil vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVer­wG, Ur­teil vom 15. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeit­raum bis zum 1. Au­gust 2014 und da­mit in der hier zwi­schen den Be­tei­lig­ten noch strei­ti­gen Zeit zwi­schen 2008 und 2012 hat­te das Land den Be­zugs­zeit­raum für die vom Klä­ger frei­wil­lig er­brach­te uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 auf ein Jahr - an­statt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­sig er­öff­net - auf bis zu ma­xi­mal vier Mo­na­ten er­streckt.

56 Auch die sons­ti­gen Be­stim­mun­gen der RL 2003/88/EG, die zu ei­ner Ver­län­ge­rung des Be­zugs­zeit­raums füh­ren kön­nen - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Mo­na­te bei Fest­le­gun­gen in Ta­rif­ver­trä­gen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen So­zi­al­part­nern -, grei­fen nicht zu Guns­ten der Be­klag­ten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG set­zen je­weils vor­aus, dass der Mit­glied­staat Re­ge­lun­gen im Sin­ne von Art. 16 RL 2003/88/EG er­las­sen hat, die den An­for­de­run­gen an die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie in na­tio­na­les Recht im Sin­ne von Art. 288 Abs. 3 AEUV ge­nü­gen. Dar­an fehlt es aber eben­so wie an der Aus­nut­zung der ge­nann­ten Be­fug­nis­se ("sind ... zu­läs­sig" und "kann ab­ge­wi­chen wer­den") durch den Er­lass ei­ner für die Um­set­zung er­for­der­li­chen Rechts­norm des in­ner­staat­li­chen Norm­ge­bers.

57 8. Die Be­rech­nung der vom Klä­ger für die Zeit ab dem Fol­ge­mo­nat der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung - hier: Gel­tend­ma­chung im No­vem­ber 2010 - der im Ein­zel­nen er­brach­ten uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit ist kon­kret und nicht - wie vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt an­ge­nom­men - pau­schal zu er­mit­teln. Die kon­kre­te Er­mitt­lung der vom Klä­ger für den Zeit­raum von De­zem­ber 2010 bis De­zem­ber 2012 tat­säch­lich ge­leis­te­ten Zu­viel­ar­beit ist die wei­te­re Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens. Da­bei folgt schon aus dem Uni­ons­recht ge­mäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Zei­ten des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs so­wie die Krank­heits­zei­ten bei der Be­rech­nung des Durch­schnitts der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit un­be­rück­sich­tigt blei­ben oder neu­tral sind. Die­se Vor­ga­be des Uni­ons­rechts ver­langt, dass un­ge­ach­tet der Fra­ge der Um­set­zung in in­ner­staat­li­ches Recht durch ei­ne Rechts­norm die be­tref­fen­den Ta­ge bei der Be­rech­nung mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen sind.

58 Die Ar­beits­zeitricht­li­nie nimmt zwar le­dig­lich auf den uni­ons­recht­lich ge­währ­leis­te­ten Min­dest­ur­laub von vier Wo­chen Be­zug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der dar­über hin­aus­ge­hen­de, im na­tio­na­len Recht be­grün­de­te Mehr­ur­laub ist in­des mit der Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mit­glied­staa­ten un­be­rührt, für die Si­cher­heit und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten an­zu­wen­den oder zu er­las­sen. Dies um­fasst auch die Ein­räu­mung ei­nes über den uni­ons­recht­li­chen Min­dest­ur­laub hin­aus­ge­hen­den Ur­laubs­an­spruchs. Da der Klä­ger am Ur­laubs­tag von der Pflicht zur Dienst­leis­tung be­freit ist und auch der Mehr­ur­laub der Er­ho­lung des Klä­gers dient, kön­nen die­se Ta­ge nicht als Aus­gleich für ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum her­an­ge­zo­gen wer­den (vgl. eben­so schon BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Fei­er­ta­ge, die auf Wo­chen­ta­ge fal­len, sind mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit ein­zu­be­zie­hen und da­mit grund­sätz­lich zu neu­tra­li­sie­ren. So­weit der Klä­ger an die­sen Ta­gen nicht zur Dienst­leis­tung ver­pflich­tet war, kön­nen sol­che Ta­ge nicht zum Aus­gleich ei­ner et­wai­gen Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit her­an­ge­zo­gen wer­den. Dem­ge­gen­über sind Zei­ten, in de­nen dem Klä­ger auf Grund­la­ge des Dienst­zeit­aus­gleichser­las­ses ein zeit­li­cher Aus­gleich ge­währt wur­de, kei­ne Ar­beits­zeit im Sin­ne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Ar­beits­zeit zäh­len uni­ons­recht­lich sämt­li­che Zei­ten, die vom be­tref­fen­den Feu­er­wehr­be­am­ten im Rah­men von Ar­beits­be­reit­schaft und Be­reit­schafts­dienst in Form per­sön­li­cher An­we­sen­heit in der Dienst­stel­le ab­ge­leis­tet wor­den sind, un­ab­hän­gig da­von, wel­che Ar­beits­leis­tung er wäh­rend die­ses Diens­tes tat­säch­lich er­bracht hat (Eu­GH, Ur­teil vom 3. Ok­to­ber 2000 - C-303/98, Si­map - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Des­halb wird auch die ge­naue Be­stim­mung der Zahl der aus­zu­glei­chen­den Stun­den Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens sein. Nach dem uni­ons­recht­li­chen Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz muss da­nach vor­lie­gend je­de Stun­de, die der Klä­ger in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­rau­mes über 48 Stun­den hin­aus ge­ar­bei­tet hat, aus­ge­gli­chen wer­den, weil die Vor­aus­set­zun­gen für das von der Be­klag­ten gel­tend ge­mach­te "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie ge­zeigt - nicht vor­la­gen. Auch dies spricht nur für ei­nen Aus­gleich von tat­säch­lich und kon­kret er­brach­ter Zu­viel­ar­beit.

61 Der Geld­aus­gleich für die vom Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit ori­en­tiert sich an den je­weils gel­ten­den Stun­den­sät­zen der Ver­ord­nung über die Ge­wäh­rung von Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te in der Fas­sung der Be­kannt­ma­chung vom 3. De­zem­ber 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deut­lich, dass es um die kon­kret stun­den­be­zo­ge­ne Ab­rech­nung der Zu­viel­ar­beit geht und nicht um de­ren pau­scha­le Zu­grun­de­le­gung. Zwar un­ter­schei­den sich recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit und uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit tat­be­stand­lich. Recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit be­darf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der An­ord­nung oder Ge­neh­mi­gung, die nur ver­fügt oder er­teilt wer­den darf, wenn zwin­gen­de dienst­li­che Ver­hält­nis­se dies er­for­dern und sich die Mehr­ar­beit auf Aus­nah­me­fäl­le be­schränkt. Des Wei­te­ren darf an­ge­ord­ne­te oder ge­neh­mig­te Mehr­ar­beit die uni­ons­recht­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den im Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - au­ßer­halb der vom Uni­ons­recht vor­ge­se­he­nen Ver­fah­ren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht über­schrei­ten (BVer­wG, Ur­teil vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 14). Nur un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen liegt Mehr­ar­beit im dienst­recht­li­chen Sinn vor, die zeit­aus­gleichs- oder ver­gü­tungs­fä­hig ist. Da­ge­gen han­delt es sich bei rechts­wid­rig ge­leis­te­ter Zu­viel­ar­beit im öf­fent­li­chen Dienst­recht um die Dienst­zeit, die der Be­am­te über die uni­ons­recht­lich nach Ma­ß­ga­be der Ar­beits­zeitricht­li­nie und ih­rer Aus­nah­me­be­stim­mun­gen höchs­tens zu­läs­si­ge wö­chent­li­che Ar­beits­zeit hin­aus er­bringt. Sie ist ihm stets voll aus­zu­glei­chen, pri­mär durch Frei­zeit­aus­gleich, so­fern dies nicht mehr mög­lich ist, se­kun­där durch Geld­aus­gleich. Den­noch geht es in bei­den Fäl­len um den Aus­gleich für ei­ne über­ob­li­ga­ti­ons­mä­ßi­ge Her­an­zie­hung des Be­am­ten (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), so­dass für den Geld­aus­gleich auch in Fäl­len uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit in der Rechts­fol­ge die Stun­den­sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tungs­ver­ord­nung her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen.

62 Auf die Vor­schrif­ten über die Be­sol­dung kann hin­ge­gen nicht zu­rück­ge­grif­fen wer­den (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 39). Denn die Be­sol­dung ist kein Ent­gelt im Sin­ne ei­ner Ent­loh­nung für kon­kre­te Diens­te (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerf­GE 44, 249 <264>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>), son­dern die Ge­gen­leis­tung des Dienst­herrn da­für, dass sich der Be­am­te mit vol­lem per­sön­li­chen Ein­satz der Er­fül­lung sei­ner Dienst­pflich­ten wid­met (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerf­GE 21, 329 <345>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Ent­loh­nung von Ar­beits­stun­den, son­dern auf die Si­cher­stel­lung ei­ner amts­an­ge­mes­se­nen Le­bens­füh­rung ge­rich­tet.

63 9. Nach al­le­dem hat für den Se­nat kei­ne Ver­an­las­sung be­stan­den, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen, um ei­ne Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Uni­on nach Art. 267 AEUV ein­zu­ho­len. Dem Klä­ger steht für den Zeit­raum von De­zem­ber 2010 bis De­zem­ber 2012 stun­den­be­zo­ge­ner Geld­aus­gleich zu, für den die Be­klag­te nach Ma­ß­ga­be der Grund­sät­ze des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ein­zu­tre­ten hat, weil sie bei der vom Klä­ger kon­kret er­brach­ten Zu­viel­ar­beit den An­wen­dungs­vor­rang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 of­fen­kun­dig ver­letz­ten Nach­teils­ver­bots ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht be­ach­tet hat. Auf wei­te­re Fra­gen des Uni­ons­rechts hat es des­halb nicht mehr ent­schei­dungs­er­heb­lich an­kom­men kön­nen.

Ur­teil vom 20.07.2017 -
BVer­wG 2 C 34.16ECLI:DE:BVer­wG:2017:200717U2C34.16.0

Ur­teil

BVer­wG 2 C 34.16

  • VG Pots­dam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 2814/13
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 23.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 20. Ju­li 2017
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung, Dr. Kennt­ner, Dol­lin­ger und Dr. Gün­ther
für Recht er­kannt:

  1. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen, so­weit mit ihr ein Geld­aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2007 bis 31. De­zem­ber 2010 gel­tend ge­macht wird. Die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 1. Ju­li 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 11. Sep­tem­ber 2013 wer­den auf­ge­ho­ben, so­weit sie dem ent­ge­gen­ste­hen.
  2. Im Üb­ri­gen (hin­sicht­lich des Zeit­raums vom 1. Ja­nu­ar 2011 bis 31. De­zem­ber 2011) wird das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg auf­ge­ho­ben. In­so­weit wird die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.

Grün­de

I

1 Der Klä­ger, der im streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum bei der be­klag­ten Stadt als Feu­er­wehr­be­am­ter im 24-Stun­den-Schicht­dienst tä­tig war, be­gehrt fi­nan­zi­el­len Aus­gleich für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit.

2 Der von dem Klä­ger im Sep­tem­ber 2007 be­an­trag­ten Er­hö­hung sei­ner durch­schnitt­li­chen wö­chent­li­chen Ar­beits­zeit auf bis zu 56 Stun­den ent­sprach die Be­klag­te durch Be­schei­de vom 25. Sep­tem­ber 2007 und 18. De­zem­ber 2007. Den an sie im De­zem­ber 2010 ge­rich­te­ten An­trag des Klä­gers auf Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se auf Geld­aus­gleich für die von ihm seit dem Jahr 2007 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus ver­rich­te­ten Dienst­zei­ten, lehn­te die Be­klag­te ab. Das Vor­ver­fah­ren blieb er­folg­los.

3 Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­klag­te un­ter Ab­leh­nung des An­trags im Üb­ri­gen und teil­wei­ser Auf­he­bung der an­ge­foch­te­nen Be­schei­de ver­pflich­tet, dem Klä­ger für die im Zeit­raum von Ja­nu­ar 2008 bis De­zem­ber 2011 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus­ge­hend ge­leis­te­te und noch nicht als Mehr­ar­beit ver­gü­te­te Ar­beit Geld­aus­gleich nach dem je­weils gel­ten­den Stun­den­satz für die Mehr­ar­beits­ver­gü­tung zu ge­wäh­ren. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­ru­fung der Be­klag­ten mit der Ma­ß­ga­be zu­rück­ge­wie­sen, dass es die Be­klag­te ver­ur­teilt hat, an den Klä­ger für die Zeit 2008 bis 2011 ei­nen Be­trag von ins­ge­samt 11 609,01 € nebst Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins ab Rechts­hän­gig­keit zu zah­len. Dar­über hin­aus hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt die Be­klag­te auf die Be­ru­fung des Klä­gers ver­ur­teilt, die­sem für das Jahr 2007 wei­te­re 3 920,40 € nebst Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins ab Rechts­hän­gig­keit zu zah­len. Zur Be­grün­dung hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt im We­sent­li­chen aus­ge­führt, dem Klä­ger ste­he der zu­ge­spro­che­ne Geld­aus­gleich in­fol­ge des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs we­gen Ver­let­zung der Ar­beits­zeitricht­li­nie zu. Ei­ne frei­wil­li­ge Zu­viel­ar­beit bei Über­schrei­tung der uni­ons­recht­lich höchst­zu­läs­si­gen Be­zugs­zeit­räu­me sei auch auf­grund von Aus­nah­me­vor­schrif­ten nicht vor­ge­se­hen. Auch für das Jahr 2007 sei der Aus­gleichs­an­spruch des Klä­gers nicht ver­jährt.

4 Hier­ge­gen wen­det sich die vom Se­nat zu­ge­las­se­ne Re­vi­si­on der Be­klag­ten, mit der sie be­an­tragt,
die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 1. Ju­li 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 11. Sep­tem­ber 2013 auf­zu­he­ben und die Kla­ge in vol­lem Um­fang ab­zu­wei­sen.

5 Der Klä­ger be­an­tragt,
die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen.

6 Der Ver­tre­ter des Bun­des­in­ter­es­ses beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt un­ter­stützt die Re­vi­si­on der Be­klag­ten.

II

7 Die Re­vi­si­on ist teil­wei­se be­grün­det. Das Be­ru­fungs­ur­teil ist auf­zu­he­ben. So­weit die Sa­che nicht vom Se­nat selbst ent­schie­den wer­den kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO), ist sie an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO). Die An­nah­men des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit set­ze kei­ne erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung durch den Be­trof­fe­nen vor­aus und ver­lan­ge nicht den Nach­weis der über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den hin­aus kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den, ver­let­zen re­vi­si­bles Recht. Des­halb ist die Kla­ge ab­zu­wei­sen, so­weit mit ihr fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2007 bis 31. De­zem­ber 2010 gel­tend ge­macht wird. Ob sich das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für den ver­blei­ben­den streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2011 bis zum 31. De­zem­ber 2011 aus an­de­ren Grün­den im Er­geb­nis ganz oder teil­wei­se als rich­tig dar­stellt (§ 144 Abs. 4 Vw­GO), kann der Se­nat man­gels hier­für aus­rei­chen­der tat­säch­li­cher Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts nicht ent­schei­den.

8 In dem Zeit­raum ab 2007 lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die Be­klag­te, die das vom Land Bran­den­burg er­las­se­ne Recht le­dig­lich an­wen­det, dem Grun­de nach vor (1.). Uni­ons­recht kann in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land durch Rechts­ver­ord­nun­gen um­ge­setzt wer­den (2.). § 4 Abs. 3 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit der Be­am­ten des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in den Feu­er­weh­ren und den Leit­stel­len der Land­krei­se im Land Bran­den­burg vom 3. Au­gust 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit für die Be­am­ten des Po­li­zei­voll­zugs­diens­tes, des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes und des Jus­tiz­voll­zugs­diens­tes des Lan­des Bran­den­burg vom 16. Sep­tem­ber 2009 (Bb­gAZV­PFJ, GVBl. II S. 686) set­zen Art. 22 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um. Sie ver­let­zen of­fen­kun­dig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Ver­bot, wo­nach kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten (3.). Die An­wen­dung die­ses mit Uni­ons­recht un­ver­ein­ba­ren Lan­des­rechts ist der be­klag­ten Stadt als Dienst­her­rin der Feu­er­wehr­be­am­ten an­zu­las­ten. Durch die An­wen­dung des den Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts nicht ge­nü­gen­den in­ner­staat­li­chen Rechts ist der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch auch ge­gen­über der Kom­mu­ne als Dienst­her­rin be­grün­det (4.). Der Dienst­herr muss aber le­dig­lich die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit aus­glei­chen, die der Be­rech­tig­te ab dem auf die erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet hat. Dies ist im Fall des Klä­gers erst für die Zeit ab Ja­nu­ar 2011 der Fall (5.). Der noch nicht ver­fal­le­ne Aus­gleichs­an­spruch ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit aus­ge­rich­tet. Da die­se Form des Aus­gleichs aus vom Klä­ger nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus­schei­det, wan­delt sich der Aus­gleichs­an­spruch in ei­nen sol­chen auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich (6.). Ob und ggf. in­wie­weit der Klä­ger Zu­viel­ar­beit ge­leis­tet hat, be­stimmt sich man­gels ei­ner an­der­wei­ti­gen Re­ge­lung durch den na­tio­na­len Norm­ge­ber nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (7.). Für den Geld­aus­gleich sind die Sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te ma­ß­geb­lich. Der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich er­folgt da­nach nicht pau­schal nach der Dif­fe­renz zwi­schen der Höchst­ar­beits­zeit und der ge­neh­mig­ten Zu­viel­ar­beit. Er rich­tet sich viel­mehr nach den vom Be­am­ten kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den (8.). Die Ein­ho­lung ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on im Ver­fah­ren nach Art. 267 AEUV ist nicht ver­an­lasst (9.).

9 1. Die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die be­klag­te Stadt, die nicht für die Um­set­zung der Vor­ga­ben der Richt­li­nie durch den Er­lass von Rechts­nor­men zu­stän­dig ist, sind im Zeit­raum ab dem Jahr 2009 dem Grun­de nach ge­ge­ben. Denn die Be­klag­te hat die zur Um­set­zung von Art. 22 RL 2003/88/EG er­las­se­nen Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg an­ge­wen­det, ob­wohl für sie er­kenn­bar war, dass die­se Um­set­zung im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot un­zu­rei­chend ge­we­sen ist.

10 Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch setzt nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) vor­aus, dass die uni­ons­recht­li­che Norm, ge­gen die ver­sto­ßen wor­den ist, die Ver­lei­hung von Rech­ten an die Ge­schä­dig­ten be­zweckt (a), zwi­schen die­sem Ver­stoß und dem den Ge­schä­dig­ten ent­stan­de­nen Scha­den ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang be­steht (b) und der Ver­stoß ge­gen die­se Norm hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG tref­fen die Mit­glied­staa­ten die er­for­der­li­chen Maß­nah­men, da­mit nach Ma­ß­ga­be der Er­for­der­nis­se der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer die durch­schnitt­li­che Ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum 48 Stun­den ein­schlie­ß­lich der Über­stun­den nicht über­schrei­tet. Die­se Vor­schrift ver­leiht dem Ein­zel­nen Rech­te, die die­ser nach Ab­lauf der Frist zur Um­set­zung der wort­glei­chen Vor­gän­ger­be­stim­mung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Ar­beits­zeit­recht der Be­klag­ten un­mit­tel­bar vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend ma­chen kann (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ro­päi­schen Uni­on, der ge­mäß Art. 6 Abs. 1 EUV der glei­che Rang wie den Ver­trä­gen zu­er­kannt ist (stRspr, zu­letzt Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2016 - C-178/15, Sob­c­zys­zyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. No­vem­ber 2015 - C-219/14, Green­field - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Ar­beit­neh­mer kei­ne wei­ter­ge­hen­den Schutz­rech­te her­lei­ten (zum ein­heit­li­chen Ar­beit­neh­mer­be­griff von Richt­li­nie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: Eu­GH, Ur­teil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fe­noll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wo­nach je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer u.a. das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit hat, ge­währ­leis­tet auf­grund der Un­be­stimmt­heit sei­nes Wort­lauts kei­ne wei­ter­ge­hen­den In­di­vi­du­al­rech­te.

12 Ge­mäß der Aus­nah­me­vor­schrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mit­glied­staa­ten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zu­läs­si­ge Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum nor­miert wird, un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen nicht an­zu­wen­den. Ein sol­ches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur mög­lich, wenn die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­ge­hal­ten wer­den und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für ge­sorgt wird, dass kein Ar­beit­ge­ber von dem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn, der Ar­beit­neh­mer ist frei­wil­lig da­zu be­reit, und dass ihm im Wei­ge­rungs­fall kei­ne Nach­tei­le ent­ste­hen.

13 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur der­zei­ti­gen Ar­beits­schutz­richt­li­nie RL 2003/88/EG, eben­so wie zu der Vor­gän­ger­richt­li­nie RL 1993/104/EG, sind ab­wei­chen­de Be­stim­mun­gen als Aus­nah­men von der Ge­mein­schafts­re­ge­lung über die Ar­beits­zeit­ge­stal­tung - wie hier Art. 22 der Richt­li­nie - so aus­zu­le­gen, dass ihr An­wen­dungs­be­reich auf das zur Wah­rung der In­ter­es­sen, de­ren Schutz sie er­mög­li­chen, un­be­dingt Er­for­der­li­che be­grenzt wird (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 2003 - C-151/02, Jae­ger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31; eben­so Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vor­ga­ben in den Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar for­mell wirk­sam (sie­he un­ten 2.), aber in­halt­lich in­fol­ge Nicht­be­ach­tung des Nach­teils­ver­bots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um­ge­setzt (sie­he un­ten 3.). Dies ver­letzt den Klä­ger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Rech­ten. Die be­klag­te Stadt hat die­se im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot uni­ons­rechts­wid­ri­gen Vor­schrif­ten an­ge­wandt und da­mit ih­rer­seits den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch des Klä­gers aus­ge­löst (sie­he un­ten 4.).

15 b) Zwi­schen dem Ver­stoß ge­gen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Scha­den, der dem Klä­ger durch die uni­ons­rechts­wid­rig er­brach­te Zu­viel­ar­beit ent­stan­den ist, be­steht auch ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang. Un­er­heb­lich ist, dass die­se Zu­viel­ar­beit des Klä­gers und der da­mit ver­bun­de­ne Ver­lust an Frei­zeit und Er­ho­lungs­zeit nach na­tio­na­lem Recht kei­nen Scha­den im Sin­ne des zi­vil­recht­li­chen Scha­dens­er­satz­rechts dar­stel­len. Ma­ß­geb­lich ist in­so­weit al­lein auf das Uni­ons­recht ab­zu­stel­len, das hier­in ei­nen Scha­den sieht (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 so­wie Te­nor 1 und 4; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Dar­über hin­aus ist der Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht auch hin­rei­chend qua­li­fi­ziert, um den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch zu be­grün­den. Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ist das der Fall, wenn der Mit­glied­staat die Gren­zen, die sei­nem Er­mes­sen ge­setzt sind, of­fen­kun­dig und er­heb­lich über­schrit­ten hat, wo­bei zu den in­so­weit zu be­rück­sich­ti­gen­den Ge­sichts­punk­ten ins­be­son­de­re das Maß an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der ver­letz­ten Vor­schrift so­wie der Um­fang des Er­mes­sens­spiel­raums ge­hö­ren, den die ver­letz­te Vor­schrift den na­tio­na­len Be­hör­den be­lässt (Eu­GH, Ur­tei­le vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Bras­se­rie du pêcheur und Fac­tor­ta­me - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Ja­nu­ar 2007 - C-278/05, Ro­bins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 so­wie Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVer­wG, Ur­teil vom 30. Ok­to­ber 2014 - 2 C 3.13 - Buch­holz 245 Lan­des­BesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qua­li­fi­zier­ter Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht zu­las­ten des Klä­gers liegt im Hin­blick auf das von der Be­klag­ten zu be­ach­ten­de Nach­teils­ver­bot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (sie­he 3.a).

17 Für den Zeit­raum ab dem Jahr 2009 sind zu­gleich grund­sätz­lich die Vor­aus­set­zun­gen des dienst­recht­li­chen Aus­gleichs­an­spruchs aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ge­ge­ben (BVer­wG, Ur­tei­le vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buch­holz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26). Die bei­den An­sprü­che sind hin­sicht­lich der Ver­jäh­rung so­wie der Rechts­fol­gen gleich­ge­rich­tet (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. In­ner­staat­li­che Rechts­vor­schrif­ten, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - ei­ne Richt­li­nie der Eu­ro­päi­schen Uni­on in deut­sches Recht um­set­zen, sind am Maß­stab des Uni­ons­rechts zu mes­sen, so­weit die Richt­li­nie den Mit­glied­staa­ten kei­nen Um­set­zungs­spiel­raum lässt, son­dern zwin­gen­de Vor­ga­ben macht (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 22. Ok­to­ber 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerf­GE 73, 339 <387>, vom 7. Ju­ni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerf­GE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerf­GE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerf­GE 121, 1 <15>, vom 14. Ok­to­ber 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerf­GE 122, 1 <20> und vom 21. Sep­tem­ber 2016 - 2 BvL 1/15 - ju­ris Rn. 32). Den Mit­glied­staa­ten steht es un­ter den in Art. 22 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­si­gen Höchst­ar­beits­zeit für Ar­beit­neh­mer ab­zu­wei­chen. Da­für müs­sen sie Rechts­nor­men er­las­sen (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richt­li­nie ga­ran­tier­ten all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ge­währ­leis­ten und die dar­über hin­aus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Kri­te­ri­en ge­nü­gen. Für die Trans­for­ma­ti­on von Uni­ons­recht in in­ner­staat­li­ches Recht kom­men so­wohl for­mel­le Ge­set­ze als auch Rechts­ver­ord­nun­gen in Be­tracht (vgl. nur Ruf­fert, in: Cal­liess/Ruf­fert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schro­eder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 je­weils m.w.N.). Da­mit rich­tet sich die Uni­ons­rechts­kon­for­mi­tät der frag­li­chen Rechts­ver­ord­nun­gen in­so­weit al­lein da­nach, ob die­se nach in­ner­staat­li­chem Recht ei­ne hin­rei­chen­de Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge ha­ben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - eben­so wie sei­ne in­halts­glei­che Vor­gän­ger­norm in § 143 und § 134 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 8. Ok­to­ber 1999 (GVBl. I S. 446) - er­mäch­tigt die zu­stän­di­gen Mit­glie­der der Lan­des­re­gie­rung aus­drück­lich, die Ar­beits­zeit der Po­li­zei- und Jus­tiz­voll­zugs­be­am­ten so­wie die des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in ei­ner Rechts­ver­ord­nung zu re­geln. Da­mit ist so­wohl dem uni­ons­recht­li­chen Rechts­norm­vor­be­halt als auch dem in­ner­staat­li­chen Ge­set­zes­vor­be­halt Ge­nü­ge ge­tan.

19 3. § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und sei­ne Nach­fol­ger­vor­schrift, der wort­lauti­den­tisch bis zum 31. Ju­li 2014 gel­ten­de § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009, be­stim­men, dass auf An­trag des Be­am­ten über den Rah­men von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus Schicht­dienst bis zu 56 Stun­den un­ter Be­ach­tung der all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes als durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Ar­beits­zeit be­wil­ligt wer­den kann. Die Be­wil­li­gung kann aus dienst­li­chen Grün­den zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jahrs mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen wer­den. Der Be­am­te ist auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit schrift­lich hin­zu­wei­sen. Er kann sei­nen An­trag zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jah­res mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen.

20 a) So­wohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 set­zen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hin­rei­chend um. Da­nach hat ein Mit­glied­staat, der von die­ser Aus­nah­me­vor­schrift Ge­brauch ma­chen möch­te, mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für zu sor­gen, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, ei­ner über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hin­aus­ge­hen­den Ar­beit nach­zu­ge­hen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" da­mit un­ter den Vor­be­halt, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, aus den in der Ar­beits­zeitricht­li­nie fest­ge­leg­ten Ar­beits­zeit­höchst­gren­zen "aus­zu­tre­ten" oder "hin­aus­zu­op­tie­ren" (Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­ho­fes der Eu­ro­päi­schen Uni­on er­for­dert die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie nicht ei­ne förm­li­che und wört­li­che Über­nah­me ih­rer Be­stim­mun­gen in ei­ne aus­drück­li­che, be­son­de­re Rechts­vor­schrift. Ihr kann viel­mehr durch ei­nen all­ge­mei­nen recht­li­chen Kon­text Ge­nü­ge ge­tan wer­den, wenn die­ser tat­säch­lich die voll­stän­di­ge An­wen­dung der Richt­li­nie hin­rei­chend klar und be­stimmt ge­währ­leis­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on ist je­doch er­for­der­lich, dass die Rechts­la­ge hin­rei­chend be­stimmt, klar und trans­pa­rent ist und die Be­güns­tig­ten in die La­ge ver­setzt, von al­len ih­ren Rech­ten Kennt­nis zu er­lan­gen und die­se ggf. vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend zu ma­chen (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vor­ga­be, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nor­mier­te Nach­teils­ver­bot in in­ner­staat­li­ches Recht um­zu­set­zen, wer­den we­der § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ge­recht. In bei­den Vor­schrif­ten fehlt ein Hin­weis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Nach­teils­ver­bot. Da­durch wird des­sen prak­ti­sche Wirk­sam­keit ge­schwächt, weil der Ar­beit­neh­mer nicht hin­rei­chend klar er­ken­nen kann, dass er sich, nach der Er­klä­rung sei­ner­seits an der Höchst­ar­beits­zeit ge­mäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­hal­ten zu wol­len, et­wa ge­gen nach­tei­li­ge Dienst­plan­ge­stal­tun­gen mit Er­folg zur Wehr set­zen kann (Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nach­teils­ver­bot, das mit Blick auf den Schutz­cha­rak­ter der Ar­beits­zeitricht­li­nie we­sent­li­che Be­deu­tung hat, kommt auch nicht in sons­ti­gen im Be­reich des Lan­des Bran­den­burg gel­ten­den ver­öf­fent­lich­ten Rechts­vor­schrif­ten, wie ins­be­son­de­re den Be­am­ten­ge­set­zen, in die der in­so­weit be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer et­wa Ein­sicht neh­men könn­te, mit hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit, Klar­heit und Trans­pa­renz zum Aus­druck. Das gilt ins­be­son­de­re für die - le­dig­lich als Ge­ne­ral­klau­sel for­mu­lier­te - be­am­ten­recht­li­che Für­sor­ge­pflicht ge­mäß § 45 Be­amtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zu­dem wä­re, selbst wenn man un­ter­stellt, dass sol­che Rechts­vor­schrif­ten vor­han­den sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den bran­den­bur­gi­schen Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen hin­zu­wei­sen. Dar­an fehlt es eben­falls. An­de­ren­falls wä­re der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer, der ty­pi­scher­wei­se ge­ra­de über kei­ne ver­tief­ten ju­ris­ti­schen Kennt­nis­se ver­fügt, nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge, die er­for­der­li­che in­halt­li­che Ver­knüp­fung zwi­schen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den na­tio­na­len Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeit­ver­ord­nung und dem an an­de­rer Stel­le nor­mier­ten Nach­teils­ver­bot her­zu­stel­len. So wä­re et­wa der be­güns­tig­te (be­am­te­te) Ar­beit­neh­mer nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge zu er­ken­nen, dass sei­ne - aus dienst­li­chen Grün­den mög­li­che - Um­set­zung oder auch nur ei­ne ihm nach­tei­li­ge Dienst­plan­än­de­rung dem Nach­teils­ver­bot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG un­ter­fällt, wenn sie des­halb er­folgt, weil er nicht be­reit ist, über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit­gren­ze von 48 Stun­den hin­aus zu ar­bei­ten (sie­he so auch Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on, Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Des­halb grei­fen die Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen so­wohl des Bun­des und meh­re­rer an­de­rer Bun­des­län­der, die von der Öff­nungs­klau­sel in Art. 22 Abs. 1 RL 003/88/EG Ge­brauch ge­macht ha­ben, das Nach­teils­ver­bot ge­ra­de aus­drück­lich auf (vgl. et­wa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzV­BY vom 5. Ja­nu­ar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZ­VO vom 30. De­zem­ber 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZ­VO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZ­VOFeu NW vom 1. Sep­tem­ber 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 Säch­s­AZ­VO vom 28. Ja­nu­ar 2008, GVBl. S. 198). Her­vor­zu­he­ben ist, dass auch das Recht des Lan­des Bran­den­burg nun­mehr - mit Wir­kung ab dem 1. Au­gust 2014 - das Nach­teils­ver­bot in § 21 Abs. 4 Satz 2 Bb­gAZV­PFJ vom 10. Ju­li 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) aus­drück­lich nennt. Dar­an fehlt es - für den hier streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009.

26 b) Steht da­mit die un­voll­stän­di­ge Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­deu­tig und klar fest, kommt es auf die wei­te­re Fra­ge, ob die­se Be­stim­mun­gen der bei­den ge­nann­ten Rechts­ver­ord­nun­gen dar­über hin­aus auch den An­for­de­run­gen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG of­fen­kun­dig nicht ge­recht wer­den, vor­lie­gend nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich an. Der Se­nat hält die­se Fra­ge für of­fen.

27 aa) Maß­st­abs­bil­den­de Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur Fra­ge der Not­wen­dig­keit ei­nes Be­zugs­zeit­raums und zur Aus­le­gung des Be­griffs "im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vor­gän­ger­richt­li­nie gibt es für den Fall des "Opt-out" bis­lang nicht. Das gilt auch für das Ur­teil des Ge­richts­hofs vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Die­ses Ur­teil be­zieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vor­gän­ger­richt­li­nie 1993/104/EG, der al­ler­dings im We­sent­li­chen mit Art. 22 RL 2003/88/EG ver­gleich­bar ist. In die­sem Ur­teil führt der Ge­richts­hof aber nur aus, dass die In­an­spruch­nah­me der Mög­lich­keit, die Grund­satz­norm des Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, vor­aus­setzt, dass die Mit­glied­staa­ten die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hal­ten und be­stimm­te - in der Richt­li­nie ge­nann­te - ku­mu­la­ti­ve Vor­aus­set­zun­gen er­fül­len. Für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums folgt dar­aus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum" die Re­de ist.

28 Die in­ner­staat­li­che Recht­spre­chung zu die­ser Fra­ge ist un­ein­heit­lich (be­ja­hend: OVG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­tei­le vom 18. Ju­ni 2015 - OVG 6 B 19.15 - ju­ris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - ju­ris Rn. 25; ver­nei­nend: VG Mün­chen, Ur­teil vom 18. Ok­to­ber 2016 - M 5 K 14.5855 - ju­ris Rn. 32; VG Aa­chen, Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2016 - 1 K 2244/14 - ju­ris Rn. 32).

29 Ei­ner­seits gibt es Ar­gu­men­te, die da­für spre­chen, ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur un­ter Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums zu­zu­las­sen. Der Wort­laut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könn­te in deut­scher Sprach­fas­sung dar­auf hin­deu­ten, dass es den Mit­glied­staa­ten ob­liegt, ei­nen (bis zu vier­mo­na­ti­gen) Be­zugs­zeit­raum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu re­geln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG be­stimmt, dass es ei­nem Mit­glied­staat frei­ge­stellt ist, Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, wenn er die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hält und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für sorgt, dass kein Ar­beit­ge­ber von ei­nem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn der Ar­beit­neh­mer hat sich hier­zu be­reit er­klärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Wei­te­ren vor, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass "der Ar­beit­ge­ber die zu­stän­di­gen Be­hör­den [...] dar­über un­ter­rich­tet, wel­che Ar­beit­neh­mer sich da­zu be­reit er­klärt ha­ben, im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten".

30 Auch aus der Norm­sys­te­ma­tik las­sen sich Grün­de für die Not­wen­dig­keit, ei­nen Be­zugs­zeit­raum nach Ma­ß­ga­be von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Fal­le des "Opt-out" zu re­geln, her­lei­ten. Sys­te­ma­tisch spricht der Zu­sam­men­hang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Er­for­der­nis ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Zu den un­ab­hän­gig vom Ein­ver­ständ­nis des Ar­beit­neh­mers zu re­geln­den Vor­ga­ben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­hört, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass ein Ar­beit­neh­mer die Mög­lich­keit hat, nur durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den zu ar­bei­ten. Da­für wä­re die Re­ge­lung je­den­falls ei­nes Be­zugs­zeit­raums hilf­reich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­währ­leis­ten, dass die Mit­glied­staa­ten ei­ne Gren­ze für die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit re­geln, um so zum Ar­beits- und Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer bei­zu­tra­gen (EFTA-Ge­richts­hof, Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein sol­cher Schutz wür­de oh­ne die Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums für den Durch­schnitt der Wo­chen­ar­beits­zeit er­schwert. Der durch die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit be­zweck­te Schutz ist um­so in­ten­si­ver, je kür­zer der für den Durch­schnitt ma­ß­geb­li­che Be­zugs­zeit­raum ist. Be­son­ders in­ten­siv ist er, wenn der Be­zugs­zeit­raum nur ei­ne Wo­che be­trägt, weil es dann un­mög­lich ist, ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit ei­ner Wo­che durch ge­rin­ge­re Ar­beits­zei­ten an­de­rer Wo­chen "weg­zu­rech­nen". Ein ma­xi­ma­ler Schutz in die­sem Sin­ne wä­re mit­hin da­durch zu er­rei­chen, dass bei Feh­len ei­ner Re­ge­lung des Be­zugs­zeit­raums der kon­kre­te Sie­ben­ta­ges­zeit­raum ma­ß­geb­lich ist. Die­se Rechts­fol­ge tritt bei Feh­len ei­ner Be­zugs­zeit­raum­re­ge­lung ein, so­lan­ge Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG An­wen­dung fin­det (BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zu­las­sung ei­ner oh­ne Be­zugs­zeit­raum mög­li­chen und da­mit un­li­mi­tier­ten Höchst­ar­beits­zeit könn­te zu­dem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh wi­der­spre­chen, der be­stimmt, dass je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit, auf täg­li­che und wö­chent­li­che Ru­he­zei­ten so­wie auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hat (vgl. Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Fer­ner ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass auch ein recht­mä­ßi­ges "Opt-out" ge­mäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Er­for­der­nis der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­freit, aber nicht von den täg­li­chen und wö­chent­li­chen Min­dest­ru­he­zei­ten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ru­he­pau­sen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Be­schrän­kun­gen der Nacht­ar­beit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dis­pen­siert. Des­halb ist die Fest­stel­lung der Kom­mis­si­on in ih­ren ak­tu­el­len An­wen­dungs­hin­wei­sen zu Aus­le­gungs­fra­gen der Ar­beits­zeitricht­li­nie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zu­tref­fend, dass, be­rück­sich­tigt man nur den Zeit­raum der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit, die in der Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­nen Min­dest­zeit­räu­me der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit von den ins­ge­samt 168 Stun­den (24 Stun­den x 7 Ta­ge) ei­ner Wo­che be­reits durch­schnitt­lich 90 Ru­he­stun­den be­deu­ten (6 Ta­ge x 11 Stun­den täg­li­che Ru­he­zeit + 24 Stun­den wö­chent­li­che Ru­he­zeit). Dem­zu­fol­ge dürf­te un­ter Be­rück­sich­ti­gung von Ru­he­zei­ten, Ru­he­pau­sen und der mög­li­chen stren­ge­ren Be­schrän­kun­gen im Fall von Nacht­ar­beit die Ar­beits­zeit auch im Fal­le ei­ner recht­mä­ßi­gen Aus­nah­me­re­ge­lung nach Art. 22 RL 2003/88/EG ei­nen Durch­schnitt von 78 Stun­den pro Wo­che nicht über­schrei­ten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 An­de­rer­seits wirft die kon­kre­te Be­stim­mung ei­nes Be­zugs­zeit­raums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ei­ne Viel­zahl von bis­lang un­ge­klär­ten uni­ons­recht­li­chen Fra­gen auf. So ist zu­nächst un­klar, ob es zur abs­trakt-ge­ne­rel­len Re­ge­lung der Mög­lich­keit ei­ner "Opt-out"-Ver­ein­ba­rung ei­nes be­son­de­ren Be­zugs­zeit­raums be­darf. Der Hin­weis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum könn­te näm­lich auch dar­auf hin­deu­ten, dass da­mit der längs­te vom Mit­glied­staat fest­zu­le­gen­de Be­zugs­zeit­raum ge­meint ist. Da­für könn­te auch nach der deut­schen Sprach­fas­sung des Richt­li­ni­en­tex­tes spre­chen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Zeit­raum" die Re­de ist und nicht von dem "nach Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) fest­ge­setz­ten Be­zugs­zeit­raum".

34 Des Wei­te­ren stel­len sich norm­sys­te­ma­ti­sche Fra­gen nach dem Ver­hält­nis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ver­weist wört­lich be­trach­tet al­lein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Zeit­raum, so­dass frag­lich ist, ob er auch die Fest­set­zun­gen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richt­li­nie er­fasst, in de­nen - je­weils un­ter be­son­de­ren Vor­aus­set­zun­gen - an­de­re Be­zugs­zeit­räu­me be­nannt wer­den. Da­bei ist ins­be­son­de­re zu be­rück­sich­tig­ten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Ver­hält­nis zu Art. 16 RL 2003/88/EG un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen län­ge­re Be­zugs­zeit­räu­me von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Mo­na­ten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) er­öff­nen.

35 Die For­mu­lie­rung der ver­schie­de­nen Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie ist je nach Sprach­fas­sung und auch in­ner­halb ein­zel­ner Sprach­fas­sun­gen nach den Aus­füh­run­gen der Schluss­an­trä­ge der Ge­ne­ral­an­wäl­tin Ko­kott im Ver­fah­ren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) un­ein­heit­lich. Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on müs­sen aber die Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts im Licht der Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on ein­heit­lich aus­ge­legt und an­ge­wandt wer­den. Wei­chen die ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen ei­nes Rechts­tex­tes der Uni­on von­ein­an­der ab, muss die frag­li­che Vor­schrift an­hand der all­ge­mei­nen Sys­te­ma­tik und des Zwecks der Re­ge­lung aus­ge­legt wer­den, zu der sie ge­hört (Eu­GH, Ur­tei­le vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ER­GO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Os­so - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Not­wen­dig­keit ei­ner ein­heit­li­chen An­wen­dung und da­mit ei­ner ein­heit­li­chen Aus­le­gung der Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts schlie­ßt es da­nach aus, ei­ne Vor­schrift in ei­ner ih­rer Fas­sun­gen iso­liert zu be­trach­ten, son­dern ge­bie­tet es, sie an­hand des wirk­li­chen Wil­lens ih­res Norm­ge­bers und des von ihm ver­folg­ten Zwecks na­ment­lich im Licht ih­rer Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on aus­zu­le­gen. Ei­ne ab­wei­chen­de Sprach­fas­sung kann des­halb nicht al­lein ge­gen­über al­len an­de­ren Sprach­fas­sun­gen den Aus­schlag ge­ben (EuG-Rechts­mit­tel­kam­mer, Ur­teil vom 8. No­vem­ber 2012 - T-268/11 P - ju­ris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Un­ein­heit­lich­keit in den ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hin­zu­wei­sen. Die Fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG wei­sen in eng­li­scher, fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung je­weils klei­ne Be­son­der­hei­ten auf, die bei der Aus­le­gung der Norm zu be­rück­sich­ti­gen sein könn­ten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lau­tet in eng­li­scher Fas­sung: "for the ap­pli­ca­ti­on of Ar­ti­cle 6 (ma­xi­mum weekly working time), a re­fe­rence pe­ri­od not ex­cee­ding four months", al­so um ei­nen Be­zugs­zeit­raum, der vier Mo­na­te nicht über­schrei­ten darf, wäh­rend es in fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung im Gleich­klang um ei­nen Be­zugs­zeit­raum von bis zu vier Mo­na­ten ("une pe­ri­ode de re­fe­rence ne de­pas­sant pas quat­re mois") geht. Wei­ter hei­ßt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in eng­li­scher Fas­sung "du­ra­ti­on of the working time", wäh­rend sich die fran­zö­si­sche und deut­sche Fas­sung des Norm­tex­tes je­weils mit den Wor­ten "la du­ree du temps de tra­vail" oder mit dem Wort "Ar­beits­zeit" be­gnügt. Die eng­li­sche Fas­sung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG dar­über hin­aus nur von Ta­rif­ver­trä­gen (collec­ti­ve agree­ments) und Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen bei­den Sei­ten der In­dus­trie (the two si­des of in­dus­try) wäh­rend im fran­zö­si­schen und deut­schen Text der Richt­li­nie an die­ser Stel­le von "con­ven­ti­ons collec­ti­ves"/"Ta­rif­ver­trä­gen" und "ac­cords con­clus ent­re par­ten­aires so­ci­aux"/"So­zi­al­part­nern" ge­spro­chen wird. In die­sem Zu­sam­men­hang ist auch zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Kom­mis­si­on in ih­rer ak­tu­el­len Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) aus­drück­lich dar­auf hin­weist, dass die Richt­li­nie we­der den Be­griff "Ta­rif­ver­trag" de­fi­niert noch nä­her er­läu­tert, was "Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern auf na­tio­na­ler und re­gio­na­ler Ebe­ne" sind, mit der Fol­ge, dass die­se Be­grif­fe durch na­tio­na­le Rechts­vor­schrif­ten und Ge­pflo­gen­hei­ten nä­her zu be­stim­men sei­en (ABl. EU Nr. C 165/49). Schlie­ß­lich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf­merk­sam zu ma­chen. Dort hei­ßt es in der eng­li­schen Fas­sung am En­de "un­less he has first ob­tai­ned the worker’s agree­ment to per­form such work”, wäh­rend es nach der fran­zö­si­schen und deut­schen Text­fas­sung aus­reicht, dass sich der Ar­beit­neh­mer be­reit er­klärt hat, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten.

37 All die­se sprach­li­chen Un­eben­hei­ten las­sen sich norm­sys­te­ma­tisch und te­leo­lo­gisch zwar un­ter Rück­füh­rung dar­auf ver­ein­heit­li­chen, dass der Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on in den Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie über die Min­dest­ru­he­zei­ten und die Höchst­ar­beits­zei­ten "be­son­ders wich­ti­ge Re­geln des So­zi­al­rechts der Ge­mein­schaft" sieht. Die­se Re­geln müs­sen je­dem Ar­beit­neh­mer als ein zum Schutz sei­ner Si­cher­heit und sei­ner Ge­sund­heit be­stimm­ter Min­dest­an­spruch zu­gu­te­kom­men (vgl. z.B. Eu­GH, Ur­tei­le vom 7. Sep­tem­ber 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Ok­to­ber 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Des­halb be­grenzt der Ge­richts­hof die den Mit­glied­staa­ten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mög­li­che Ab­wei­chungs­mög­lich­keit u.a. von der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit für Fäl­le, in de­nen die Ar­beits­zeit we­gen der be­son­de­ren Merk­ma­le der aus­ge­üb­ten Tä­tig­keit nicht ge­mes­sen und oder nicht im Vor­aus fest­ge­legt wird oder von den Ar­beit­neh­mern selbst fest­ge­legt wer­den kann, auf das zum Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer "un­be­dingt Er­for­der­li­che" (Eu­GH, Ur­teil vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31).

38 Dar­aus aber den für den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch er­for­der­li­chen wei­te­ren Schluss zu zie­hen, ein Mit­glied­staat ver­sto­ße hin­rei­chend qua­li­fi­ziert und da­mit of­fen­kun­dig ge­gen ei­ne uni­ons­recht­li­che Norm, wenn er ei­ne "Opt-out"-Ent­schei­dung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, oh­ne zu­gleich ei­nen Be­zugs­zeit­raum im Sin­ne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­zu­le­gen, ist dem Se­nat man­gels des er­for­der­li­chen Ma­ßes an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der als ver­letzt gel­ten­den Vor­schrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht mög­lich.

39 bb) Eben­so ver­hält es sich mit der wei­te­ren Fra­ge der Frei­wil­lig­keit der nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs (Eu­GH, Ur­teil vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 u.a., Pfeif­fer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) not­wen­dig in­di­vi­du­el­len Be­reit­schafts­er­klä­rung ei­nes Ar­beit­neh­mers. Hier geht es um den schrift­li­chen An­trag des Klä­gers vom 10. Ok­to­ber 2007, Zu­viel­ar­beit im Sin­ne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leis­ten zu dür­fen. Wäh­rend die Frei­wil­lig­keit und In­di­vi­dua­li­tät der Be­reit­schafts­er­klä­rung des Klä­gers un­zwei­fel­haft sind, stellt sich die Fra­ge der Ver­ein­bar­keit mit Uni­ons­recht im Hin­blick auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit die­ser Er­klä­rung oder die­ses An­trags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009. Der Richt­li­ni­en­text ent­hält kei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung über das "ob" und das "wie" ei­nes die Be­reit­schafts­er­klä­rung be­tref­fen­den Wi­der­rufs­rechts des Ar­beit­neh­mers. Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu Mög­lich­keit und Mo­da­li­tä­ten ei­nes Wi­der­rufs ist nicht er­sicht­lich. Der EFTA-Ge­richts­hof hat im Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E 5/15 - (ju­ris) nur ent­schie­den, dass der ge­ne­rel­le Wi­der­rufsau­schluss ei­ner ein­mal wirk­sam ge­ge­be­nen Be­reit­schafts­er­klä­rung im Ein­zel­fall ei­ne Ver­let­zung der Richt­li­nie be­grün­den kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 vor­ge­se­he­ne Wi­der­rufs­mög­lich­keit mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten zum Ab­lauf des Ka­len­der­jah­res den An­for­de­run­gen an die je­der­zei­ti­ge Frei­wil­lig­keit der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit ge­nügt, kann hier un­ent­schie­den blei­ben. Da­für könn­te die Tat­sa­che spre­chen, dass der Richt­li­ni­en­text für die Fra­ge des Wi­der­rufs und der Wi­der­rufs­frist ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit kei­ne aus­drück­li­chen Vor­ga­ben macht. Da­ge­gen lie­ße sich in­des norm­sys­te­ma­tisch und am Zweck des Ar­beits­zeit­schut­zes ori­en­tiert für ei­nen mög­li­chen Gleich­lauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ma­xi­ma­len Be­zugs­zeit­raums von vier Mo­na­ten und der Frist für den Wi­der­ruf ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit ar­gu­men­tie­ren (so et­wa Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tat­sa­che, dass der bun­des­deut­sche Ge­setz­ge­ber in Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Wi­der­rufs­frist für nicht be­am­te­te Ar­beit­neh­mer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fas­sung vom 24. De­zem­ber 2003 (BGBl. I S. 3002) ge­ne­rell auf sechs Mo­na­te oh­ne Be­gren­zung auf das Jah­res­en­de be­stimmt hat (vgl. da­zu nä­her Wank, in: Mül­ler-Glö­ge/Preis/Schmidt, Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könn­te ge­gen ei­ne ma­xi­mal 15 Mo­na­te lau­fen­de Wi­der­rufs­frist - Wi­der­ruf am 1. Ok­to­ber, Frist­ab­lauf am 31. De­zem­ber des Fol­ge­jah­res - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­ge­wandt wer­den. Dies zeigt: Auch die Fra­ge, ob die Vor­ga­ben des streit­ge­gen­ständ­li­chen bran­den­bur­gi­schen Lan­des­rechts zur Ar­beits­zeit für Feu­er­wehr­be­am­te in der Zeit zwi­schen 2007 (In­kraft­tre­ten von § 4 AZV Feu 2007 im Au­gust 2007) und 2014 (In­kraft­tre­ten von § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2014 im Au­gust 2014) den An­for­de­run­gen der Frei­wil­lig­keit für die Dau­er der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­nü­gen, lässt sich auf­grund ei­ner Nor­m­aus­le­gung nach Wort­laut, Sys­te­ma­tik und Zweck nicht hin­rei­chend ein­deu­tig und klar be­ant­wor­ten.

41 cc) Die Text­ana­ly­se schlie­ßt es nach al­le­dem aus, hin­sicht­lich der Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fra­gen der Not­wen­dig­keit von Be­zugs­zeit­räu­men und den An­for­de­run­gen an die Frei­wil­lig­keit für den Wi­der­ruf von Ein­ver­ständ­nis­er­klä­run­gen zur Zu­viel­ar­beit hin­sicht­lich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 von ei­nem "hin­rei­chend qua­li­fi­zier­ten Ver­stoß" ge­gen das Uni­ons­recht im Sinn des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs aus­zu­ge­hen.

42 4. Un­ge­ach­tet der evi­dent un­zu­rei­chen­den Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Re­ge­lung der Ar­beits­zeit von kom­mu­na­len Feu­er­wehr­be­am­ten zu­stän­di­gen Lan­des­ge­setz­ge­ber ist die be­klag­te Stadt hier als Nor­m­an­wen­der auf­grund des An­wen­dungs­vor­rangs des Uni­ons­rechts ge­hal­ten ge­we­sen, die Vor­ga­ben der Richt­li­nie zu be­fol­gen und ent­ge­gen­ste­hen­des Lan­des­recht un­an­ge­wen­det zu las­sen. Die Be­klag­te hät­te er­ken­nen müs­sen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 klar und ein­deu­tig die Vor­ga­be ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ver­let­zen, weil es die­sen Rechts­ver­ord­nun­gen an ei­ner Vor­schrift fehlt, die ge­währ­leis­tet, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, Zu­viel­ar­beit zu leis­ten. Ein Trä­ger öf­fent­li­cher Ge­walt ist auch in sei­ner Ei­gen­schaft als öf­fent­li­cher Ar­beit­ge­ber zur An­wen­dung des Uni­ons­rechts ver­pflich­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Im­pact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Da­nach hat die Be­klag­te in ih­rer Ei­gen­schaft als Dienst­her­rin des Klä­gers durch Nicht­be­ach­tung des An­wen­dungs­vor­rangs der EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ge­gen das Uni­ons­recht ver­sto­ßen. Dass sie in­ner­staat­lich die Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des im Rah­men ih­rer Auf­ga­ben der mit­tel­ba­ren Staats­ver­wal­tung zu be­fol­gen hat­te, än­dert dar­an nichts.

43 5. Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit setzt - wie der na­tio­na­le dienst­recht­li­che Aus­gleichs­an­spruch - vor­aus, dass er vom Be­am­ten oder Sol­da­ten zu­vor zu­min­dest in Form ei­ner Rü­ge gel­tend ge­macht wor­den ist. Aus­zu­glei­chen ist die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit, die ab dem auf die erst­ma­li­ge schrift­li­che Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet wor­den ist (stRspr, BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Klä­ger den Aus­gleichs­an­spruch erst im De­zem­ber 2010 gel­tend ge­macht hat, ste­hen ihm An­sprü­che erst ab Ja­nu­ar 2011 zu.

44 a) Be­sol­dungs­an­sprü­che von Be­am­ten und Sol­da­ten er­ge­ben sich un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), ei­nes An­tra­ges oder ei­ner Rü­ge be­darf es da­her nicht. Ent­spre­chen­des gilt für Ver­sor­gungs­be­zü­ge (z.B. § 3 Abs. 1 Be­amtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechts­grund der Ali­men­tie­rung von Ru­he­stands­be­am­ten ist zwar der Ver­sor­gungs­fest­set­zungs­be­scheid, auch die­ser er­geht in­des von Amts we­gen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 Be­amtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und be­darf da­her we­der ei­nes An­trags noch ei­ner Hin­weis­pflicht (BVer­wG, Ur­teil vom 25. Ok­to­ber 2012 - 2 C 59.11 - BVer­w­GE 145, 14 Rn. 34).

45 An­sprü­che, de­ren Fest­set­zung und Zah­lung sich nicht un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz er­ge­ben, be­dür­fen da­ge­gen ei­ner vor­he­ri­gen Gel­tend­ma­chung (BVerfG, Be­schluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerf­GE 81, 363 <384 f.>; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - ju­ris Rn. 16). Denn hier ist ei­ne vor­gän­gi­ge be­hörd­li­che Ent­schei­dung über Grund und Hö­he der be­gehr­ten Zah­lung er­for­der­lich.

46 Für An­sprü­che we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit gilt dies in be­son­de­rer Wei­se. Die­se sind nicht pri­mär auf die Zah­lung ei­nes fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs ge­rich­tet, son­dern auf die Be­sei­ti­gung des rechts­wid­ri­gen Zu­stands. Durch den Hin­weis des Be­am­ten oder Sol­da­ten ist da­her zu­nächst ei­ne Prü­fung sei­nes Dienst­herrn ver­an­lasst, ob ei­ne Än­de­rung der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung er­for­der­lich ist und ob ei­ne rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit - et­wa durch An­pas­sung der ma­ß­geb­li­chen Dienst­plä­ne - ver­mie­den oder durch die Ge­wäh­rung von Frei­zeit­aus­gleich kom­pen­siert wer­den kann. Oh­ne ent­spre­chen­de Rü­ge muss der Dienst­herr nicht da­von aus­ge­hen, je­der Be­am­te wer­de die Über­schrei­tung der ak­tu­el­len Ar­beits­zeit­re­ge­lung be­an­stan­den. Auch hin­sicht­lich der mög­li­chen fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs­pflicht hat der Dienst­herr ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an, nicht nach­träg­lich mit un­vor­her­seh­ba­ren Zah­lungs­be­geh­ren kon­fron­tiert zu wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 21. Sep­tem­ber 2006 - 2 C 7.06 - Buch­holz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Be­am­te wird durch das Er­for­der­nis der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn auch nicht un­zu­mut­bar be­las­tet. Denn an die Rü­ge des Be­rech­tig­ten sind kei­ne zu ho­hen An­for­de­run­gen zu stel­len. Es reicht aus, wenn sich aus der Äu­ße­rung er­gibt, dass der Be­am­te oder Sol­dat die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt hält. We­der ist ein An­trag im rechts­tech­ni­schen Sin­ne er­for­der­lich noch muss Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich, be­an­tragt oder der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich kon­kret be­rech­net wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buch­holz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die An­wen­dung des Grund­sat­zes der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung auch auf den nicht nor­ma­tiv ge­re­gel­ten uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch ist mit Uni­ons­recht ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­teil vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Vor­aus­set­zung für die Ver­ein­bar­keit des ge­nann­ten Grund­sat­zes mit Uni­ons­recht ist, dass den An­for­de­run­gen des Äqui­va­lenz- und des Ef­fek­ti­vi­täts­grund­sat­zes Rech­nung ge­tra­gen ist (Eu­GH, Ur­tei­le vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C-20/13, Un­land - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den na­tio­na­len Ge­rich­ten ob­lie­gen­de Prü­fung er­gibt, dass die Vor­aus­set­zun­gen der bei­den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben in Be­zug auf das Ge­bot der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung er­füllt sind. Dem Ge­bot, dass die Mo­da­li­tä­ten zur Durch­set­zung des uni­ons­recht­li­chen An­spruchs nicht un­güns­ti­ger sein dür­fen als die­je­ni­gen, die gleich­ar­ti­ge Sach­ver­hal­te in­ner­staat­li­cher Art re­geln (Äqui­va­lenz­grund­satz), ist Rech­nung ge­tra­gen. Auch der - ne­ben dem uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch be­stehen­de, rich­ter­recht­lich ent­wi­ckel­te - Aus­gleichs­an­spruch aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ist nur ge­ge­ben, wenn der Be­rech­tig­te die­sen ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn gel­tend macht (BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz ver­langt, dass die Aus­übung der durch das Uni­ons­recht ver­lie­he­nen Rech­te nicht prak­tisch un­mög­lich ge­macht oder über­mä­ßig er­schwert wird. Die Fest­set­zung an­ge­mes­se­ner Aus­schluss­fris­ten für die Rechts­ver­fol­gung ist im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit, die zu­gleich den Be­rech­tig­ten und die Be­hör­de schützt, mit die­sen Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2011 - C-262/09, Meili­cke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C- 20/13, Un­land - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zu­dem sind, wie dar­ge­legt, die An­for­de­run­gen an die schrift­li­che Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­ring. Denn der Be­rech­tig­te muss ge­gen­über dem Dienst­herrn le­dig­lich schrift­lich zum Aus­druck brin­gen, er hal­te die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt.

50 6. Der pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­te­te An­spruch des Klä­gers wan­delt sich in­fol­ge Ab­laufs des mög­li­chen Aus­gleichs­zeit­raums in ei­nen An­spruch auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich, der we­der ver­fal­len noch aus an­de­ren Grün­den aus­ge­schlos­sen ist.

51 Der Haf­tungs­an­spruch we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­tet. Zweck der Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum, den Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer zu ge­währ­leis­ten, ist nicht durch ei­ne Geld­zah­lung, son­dern durch die Frei­stel­lung von der Pflicht zur Dienst­leis­tung zu er­rei­chen.

52 Schei­det aber die Ge­wäh­rung von Frei­zeit zum Aus­gleich der uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit aus vom Be­rech­tig­ten nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus, so ge­bie­tet es der uni­ons­recht­li­che Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz, dass die ent­stan­de­nen An­sprü­che nicht un­ter­ge­hen, son­dern sich in sol­che auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich um­wan­deln (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Da­nach sind hier fi­nan­zi­el­le Aus­gleichs­an­sprü­che des Klä­gers nicht aus­ge­schlos­sen, weil die über die Jah­re hin­weg an­ge­spann­te Per­so­nal­si­tua­ti­on bei der Be­rufs­feu­er­wehr der Be­klag­ten, in der der Klä­ger Dienst zu leis­ten hat­te, eben­so wie der zwi­schen­zeit­li­che Zeit­ab­lauf der Ge­wäh­rung von Frei­zeit zur Ab­gel­tung der ent­stan­de­nen An­sprü­che ent­ge­gen­stan­den.

53 7. Ob der Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig zu viel ge­ar­bei­tet hat, be­stimmt sich hier nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum im Sin­ne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Eben­so wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wen­det sich auch Art. 16 die­ser Richt­li­nie ("Die Mit­glied­staa­ten kön­nen ... vor­se­hen") an den Mit­glied­staat. Die­ser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG ab­wei­chen­den Fest­le­gung des Be­zugs­zeit­raums ("bis zu vier Mo­na­ten") be­rech­tigt, aber nicht ver­pflich­tet. Ob und in­wie­weit der Mit­glied­staat die­se Er­mäch­ti­gung zu der für den Ar­beit­neh­mer un­güns­ti­gen Aus­deh­nung des Be­zugs­zeit­raums auf bis zu vier Mo­na­ten aus­nutzt, ist Sa­che der je­weils zu­stän­di­gen ge­setz­ge­ben­den Or­ga­ne des Mit­glied­staa­tes, weil nur sie die zur Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie er­for­der­li­chen Rechts­no­men er­las­sen kön­nen. Die Aus­übung der Er­mäch­ti­gung ist je­den­falls nicht den das Recht an­wen­den­den na­tio­na­len Ge­rich­ten in dem Sin­ne über­ant­wor­tet, dass die­se den Be­zugs­zeit­raum nach dem As­pekt der "Sach­ge­rech­tig­keit" fest­le­gen kön­nen. Um die ihm ein­ge­räum­te Be­fug­nis in An­spruch zu neh­men, muss der Mit­glied­staat auch die Ent­schei­dung tref­fen, sich auf die­se Er­mäch­ti­gung zu be­ru­fen. Im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit muss die­se Ent­schei­dung des Mit­glied­staa­tes be­stimmt und klar sein (Eu­GH, Ur­teil vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVer­wG, Ur­teil vom 15. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeit­raum bis zum 1. Au­gust 2014 und da­mit in der hier zwi­schen den Be­tei­lig­ten strei­ti­gen Zeit zwi­schen 2007 und 2011 hat­te das Land den Be­zugs­zeit­raum für die vom Klä­ger frei­wil­lig er­brach­te uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 auf ein Jahr - an­statt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­sig er­öff­net - auf bis zu ma­xi­mal vier Mo­na­ten er­streckt.

56 Auch die sons­ti­gen Be­stim­mun­gen der RL 2003/88/EG, die zu ei­ner Ver­län­ge­rung des Be­zugs­zeit­raums füh­ren kön­nen - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Mo­na­te bei Fest­le­gun­gen in Ta­rif­ver­trä­gen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen So­zi­al­part­nern -, grei­fen nicht zu Guns­ten der Be­klag­ten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG set­zen je­weils vor­aus, dass der Mit­glied­staat Re­ge­lun­gen im Sin­ne von Art. 16 RL 2003/88/EG er­las­sen hat, die den An­for­de­run­gen an die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie in na­tio­na­les Recht im Sin­ne von Art. 288 Abs. 3 AEUV ge­nü­gen. Dar­an fehlt es aber eben­so wie an der Aus­nut­zung der ge­nann­ten Be­fug­nis­se ("sind ... zu­läs­sig" und "kann ab­ge­wi­chen wer­den") durch den Er­lass ei­ner für die Um­set­zung er­for­der­li­chen Rechts­norm des in­ner­staat­li­chen Norm­ge­bers.

57 8. Die Be­rech­nung der vom Klä­ger für die Zeit ab dem Fol­ge­mo­nat der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung - hier: Gel­tend­ma­chung im De­zem­ber 2010 - der im Ein­zel­nen er­brach­ten uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit ist kon­kret und nicht - wie vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt an­ge­nom­men - pau­schal zu er­mit­teln. Die kon­kre­te Er­mitt­lung der vom Klä­ger für den Zeit­raum von Ja­nu­ar 2011 bis De­zem­ber 2011 tat­säch­lich ge­leis­te­ten Zu­viel­ar­beit ist die wei­te­re Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens. Da­bei folgt schon aus dem Uni­ons­recht ge­mäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Zei­ten des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs so­wie die Krank­heits­zei­ten bei der Be­rech­nung des Durch­schnitts der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit un­be­rück­sich­tigt blei­ben oder neu­tral sind. Die­se Vor­ga­be des Uni­ons­rechts ver­langt, dass un­ge­ach­tet der Fra­ge der Um­set­zung in in­ner­staat­li­ches Recht durch ei­ne Rechts­norm die be­tref­fen­den Ta­ge bei der Be­rech­nung mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen sind.

58 Die Ar­beits­zeitricht­li­nie nimmt zwar le­dig­lich auf den uni­ons­recht­lich ge­währ­leis­te­ten Min­dest­ur­laub von vier Wo­chen Be­zug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der dar­über hin­aus­ge­hen­de, im na­tio­na­len Recht be­grün­de­te Mehr­ur­laub ist in­des mit der Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mit­glied­staa­ten un­be­rührt, für die Si­cher­heit und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten an­zu­wen­den oder zu er­las­sen. Dies um­fasst auch die Ein­räu­mung ei­nes über den uni­ons­recht­li­chen Min­dest­ur­laub hin­aus­ge­hen­den Ur­laubs­an­spruchs. Da der Klä­ger am Ur­laubs­tag von der Pflicht zur Dienst­leis­tung be­freit ist und auch der Mehr­ur­laub der Er­ho­lung des Klä­gers dient, kön­nen die­se Ta­ge nicht als Aus­gleich für ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum her­an­ge­zo­gen wer­den (vgl. eben­so schon BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Fei­er­ta­ge, die auf Wo­chen­ta­ge fal­len, sind mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit ein­zu­be­zie­hen und da­mit grund­sätz­lich zu neu­tra­li­sie­ren. So­weit der Klä­ger an die­sen Ta­gen nicht zur Dienst­leis­tung ver­pflich­tet war, kön­nen sol­che Ta­ge nicht zum Aus­gleich ei­ner et­wai­gen Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit her­an­ge­zo­gen wer­den. Dem­ge­gen­über sind Zei­ten, in de­nen dem Klä­ger auf Grund­la­ge des Dienst­zeit­aus­gleichser­las­ses ein zeit­li­cher Aus­gleich ge­währt wur­de, kei­ne Ar­beits­zeit im Sin­ne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Ar­beits­zeit zäh­len uni­ons­recht­lich sämt­li­che Zei­ten, die vom be­tref­fen­den Feu­er­wehr­be­am­ten im Rah­men von Ar­beits­be­reit­schaft und Be­reit­schafts­dienst in Form per­sön­li­cher An­we­sen­heit in der Dienst­stel­le ab­ge­leis­tet wor­den sind, un­ab­hän­gig da­von, wel­che Ar­beits­leis­tung er wäh­rend die­ses Diens­tes tat­säch­lich er­bracht hat (Eu­GH, Ur­teil vom 3. Ok­to­ber 2000 - C-303/98, Si­map - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Des­halb wird auch die ge­naue Be­stim­mung der Zahl der aus­zu­glei­chen­den Stun­den Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens sein. Nach dem uni­ons­recht­li­chen Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz muss da­nach vor­lie­gend je­de Stun­de, die der Klä­ger in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­rau­mes über 48 Stun­den hin­aus ge­ar­bei­tet hat, aus­ge­gli­chen wer­den, weil die Vor­aus­set­zun­gen für das von der Be­klag­ten gel­tend ge­mach­te "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie ge­zeigt - nicht vor­la­gen. Auch dies spricht nur für ei­nen Aus­gleich von tat­säch­lich und kon­kret er­brach­ter Zu­viel­ar­beit.

61 Der Geld­aus­gleich für die vom Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit ori­en­tiert sich an den je­weils gel­ten­den Stun­den­sät­zen der Ver­ord­nung über die Ge­wäh­rung von Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te in der Fas­sung der Be­kannt­ma­chung vom 3. De­zem­ber 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deut­lich, dass es um die kon­kret stun­den­be­zo­ge­ne Ab­rech­nung der Zu­viel­ar­beit geht und nicht um de­ren pau­scha­le Zu­grun­de­le­gung. Zwar un­ter­schei­den sich recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit und uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit tat­be­stand­lich. Recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit be­darf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der An­ord­nung oder Ge­neh­mi­gung, die nur ver­fügt oder er­teilt wer­den darf, wenn zwin­gen­de dienst­li­che Ver­hält­nis­se dies er­for­dern und sich die Mehr­ar­beit auf Aus­nah­me­fäl­le be­schränkt. Des Wei­te­ren darf an­ge­ord­ne­te oder ge­neh­mig­te Mehr­ar­beit die uni­ons­recht­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den im Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - au­ßer­halb der vom Uni­ons­recht vor­ge­se­he­nen Ver­fah­ren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht über­schrei­ten (BVer­wG, Ur­teil vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 14). Nur un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen liegt Mehr­ar­beit im dienst­recht­li­chen Sinn vor, die zeit­aus­gleichs- oder ver­gü­tungs­fä­hig ist. Da­ge­gen han­delt es sich bei rechts­wid­rig ge­leis­te­ter Zu­viel­ar­beit im öf­fent­li­chen Dienst­recht um die Dienst­zeit, die der Be­am­te über die uni­ons­recht­lich nach Ma­ß­ga­be der Ar­beits­zeitricht­li­nie und ih­rer Aus­nah­me­be­stim­mun­gen höchs­tens zu­läs­si­ge wö­chent­li­che Ar­beits­zeit hin­aus er­bringt. Sie ist ihm stets voll aus­zu­glei­chen, pri­mär durch Frei­zeit­aus­gleich, so­fern dies nicht mehr mög­lich ist, se­kun­där durch Geld­aus­gleich. Den­noch geht es in bei­den Fäl­len um den Aus­gleich für ei­ne über­ob­li­ga­ti­ons­mä­ßi­ge Her­an­zie­hung des Be­am­ten (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), so­dass für den Geld­aus­gleich auch in Fäl­len uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit in der Rechts­fol­ge die Stun­den­sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tungs­ver­ord­nung her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen.

62 Auf die Vor­schrif­ten über die Be­sol­dung kann hin­ge­gen nicht zu­rück­ge­grif­fen wer­den (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 39). Denn die Be­sol­dung ist kein Ent­gelt im Sin­ne ei­ner Ent­loh­nung für kon­kre­te Diens­te (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerf­GE 44, 249 <264>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>), son­dern die Ge­gen­leis­tung des Dienst­herrn da­für, dass sich der Be­am­te mit vol­lem per­sön­li­chen Ein­satz der Er­fül­lung sei­ner Dienst­pflich­ten wid­met (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerf­GE 21, 329 <345>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Ent­loh­nung von Ar­beits­stun­den, son­dern auf die Si­cher­stel­lung ei­ner amts­an­ge­mes­se­nen Le­bens­füh­rung ge­rich­tet.

63 9. Nach al­le­dem hat für den Se­nat kei­ne Ver­an­las­sung be­stan­den, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen, um ei­ne Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Uni­on nach Art. 267 AEUV ein­zu­ho­len. Dem Klä­ger steht für den Zeit­raum von Ja­nu­ar 2011 bis De­zem­ber 2011 stun­den­be­zo­ge­ner Geld­aus­gleich zu, für den die Be­klag­te nach Ma­ß­ga­be der Grund­sät­ze des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ein­zu­tre­ten hat, weil sie bei der vom Klä­ger kon­kret er­brach­ten Zu­viel­ar­beit den An­wen­dungs­vor­rang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 of­fen­kun­dig ver­letz­ten Nach­teils­ver­bots ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht be­ach­tet hat. Auf wei­te­re Fra­gen des Uni­ons­rechts hat es des­halb nicht mehr ent­schei­dungs­er­heb­lich an­kom­men kön­nen.

Ur­teil vom 20.07.2017 -
BVer­wG 2 C 35.16ECLI:DE:BVer­wG:2017:200717U2C35.16.0

Ur­teil

BVer­wG 2 C 35.16

  • VG Pots­dam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1956/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 22.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 20. Ju­li 2017
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung, Dr. Kennt­ner, Dol­lin­ger und Dr. Gün­ther
für Recht er­kannt:

  1. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen, so­weit mit ihr ein Geld­aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 25. De­zem­ber 2010 bis 31. De­zem­ber 2010 gel­tend ge­macht wird. Die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 1. Ju­li 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 11. Sep­tem­ber 2013 wer­den auf­ge­ho­ben, so­weit sie dem ent­ge­gen­ste­hen.
  2. Im Üb­ri­gen (hin­sicht­lich des Zeit­raums vom 1. Ja­nu­ar 2011 bis 31. De­zem­ber 2012) wird das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg auf­ge­ho­ben. In­so­weit wird die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.

Grün­de

I

1 Der Klä­ger, der im streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum bei der be­klag­ten Stadt als Feu­er­wehr­be­am­ter im 24-Stun­den-Schicht­dienst tä­tig war, be­gehrt fi­nan­zi­el­len Aus­gleich für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit.

2 Der von dem Klä­ger im Sep­tem­ber 2007 be­an­trag­ten Er­hö­hung sei­ner durch­schnitt­li­chen wö­chent­li­chen Ar­beits­zeit auf bis zu 56 Stun­den ent­sprach die Be­klag­te durch Be­schei­de vom 25. Sep­tem­ber 2007 und 18. De­zem­ber 2007. Den an sie im 25. De­zem­ber 2010 ge­rich­te­ten An­trag des Klä­gers auf Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se auf Geld­aus­gleich für die von ihm ab De­zem­ber 2010 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus ver­rich­te­ten Dienst­zei­ten, lehn­te die Be­klag­te ab. Das Vor­ver­fah­ren blieb er­folg­los.

3 Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­klag­te un­ter Ab­leh­nung der Kla­ge im Üb­ri­gen ver­pflich­tet, dem Klä­ger für die im Zeit­raum vom 25. De­zem­ber 2010 bis zum 31. De­zem­ber 2012 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus­ge­hend ge­leis­te­te und noch nicht als Mehr­ar­beit ver­gü­te­te Ar­beit Geld­aus­gleich nach dem je­weils gel­ten­den Stun­den­satz für die Mehr­ar­beits­ver­gü­tung zu ge­wäh­ren. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­ru­fung mit der Ma­ß­ga­be zu­rück­ge­wie­sen, dass es die Be­klag­te ver­ur­teilt hat, an den Klä­ger für den ge­nann­ten Zeit­raum 9 521,93 € nebst Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins ab Rechts­hän­gig­keit zu zah­len. Zur Be­grün­dung hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt im We­sent­li­chen aus­ge­führt, dem Klä­ger ste­he der zu­ge­spro­che­ne Geld­aus­gleich in­fol­ge des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs we­gen Ver­let­zung der Ar­beits­zeitricht­li­nie zu. Ei­ne frei­wil­li­ge Zu­viel­ar­beit bei Über­schrei­tung der uni­ons­recht­lich höchst­zu­läs­si­gen Be­zugs­zeit­räu­me sei auch auf­grund von Aus­nah­me­vor­schrif­ten nicht vor­ge­se­hen.

4 Hier­ge­gen wen­det sich die vom Se­nat zu­ge­las­se­ne Re­vi­si­on der Be­klag­ten, mit der sie be­an­tragt,
die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 1. Ju­li 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 11. Sep­tem­ber 2013 auf­zu­he­ben und die Kla­ge in vol­lem Um­fang ab­zu­wei­sen.

5 Der Klä­ger be­an­tragt,
die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen.

6 Der Ver­tre­ter des Bun­des­in­ter­es­ses beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt un­ter­stützt die Re­vi­si­on der Be­klag­ten.

II

7 Die Re­vi­si­on ist teil­wei­se be­grün­det. Das Be­ru­fungs­ur­teil ist auf­zu­he­ben. So­weit die Sa­che nicht vom Se­nat selbst ent­schie­den wer­den kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO), ist sie an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO). Die An­nah­men des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit set­ze kei­ne erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung durch den Be­trof­fe­nen vor­aus und ver­lan­ge nicht den Nach­weis der über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den hin­aus kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den, ver­let­zen re­vi­si­bles Recht. Des­halb ist die Kla­ge ab­zu­wei­sen, so­weit mit ihr fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 25. De­zem­ber 2010 bis 31. De­zem­ber 2010 gel­tend ge­macht wird. Ob sich das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für den ver­blei­ben­den streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2011 bis zum 31. De­zem­ber 2012 aus an­de­ren Grün­den im Er­geb­nis ganz oder teil­wei­se als rich­tig dar­stellt (§ 144 Abs. 4 Vw­GO), kann der Se­nat man­gels hier­für aus­rei­chen­der tat­säch­li­cher Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts nicht ent­schei­den.

8 In dem Zeit­raum ab 2010 lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die Be­klag­te, die das vom Land Bran­den­burg er­las­se­ne Recht le­dig­lich an­wen­det, dem Grun­de nach vor (1.). Uni­ons­recht kann in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land durch Rechts­ver­ord­nun­gen um­ge­setzt wer­den (2.). § 4 Abs. 3 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit der Be­am­ten des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in den Feu­er­weh­ren und den Leit­stel­len der Land­krei­se im Land Bran­den­burg vom 3. Au­gust 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit für die Be­am­ten des Po­li­zei­voll­zugs­diens­tes, des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes und des Jus­tiz­voll­zugs­diens­tes des Lan­des Bran­den­burg vom 16. Sep­tem­ber 2009 (Bb­gAZV­PFJ, GVBl. II S. 686) set­zen Art. 22 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um. Sie ver­let­zen of­fen­kun­dig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Ver­bot, wo­nach kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten (3.). Die An­wen­dung die­ses mit Uni­ons­recht un­ver­ein­ba­ren Lan­des­rechts ist der be­klag­ten Stadt als Dienst­her­rin der Feu­er­wehr­be­am­ten an­zu­las­ten. Durch die An­wen­dung des den Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts nicht ge­nü­gen­den in­ner­staat­li­chen Rechts ist der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch auch ge­gen­über der Kom­mu­ne als Dienst­her­rin be­grün­det (4.). Der Dienst­herr muss aber le­dig­lich die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit aus­glei­chen, die der Be­rech­tig­te ab dem auf die erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet hat. Dies ist im Fall des Klä­gers erst für die Zeit ab Ja­nu­ar 2011 der Fall (5.). Der noch nicht ver­fal­le­ne Aus­gleichs­an­spruch ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit aus­ge­rich­tet. Da die­se Form des Aus­gleichs aus vom Klä­ger nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus­schei­det, wan­delt sich der Aus­gleichs­an­spruch in ei­nen sol­chen auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich (6.). Ob und ggf. in­wie­weit der Klä­ger Zu­viel­ar­beit ge­leis­tet hat, be­stimmt sich man­gels ei­ner an­der­wei­ti­gen Re­ge­lung durch den na­tio­na­len Norm­ge­ber nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (7.). Für den Geld­aus­gleich sind die Sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te ma­ß­geb­lich. Der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich er­folgt da­nach nicht pau­schal nach der Dif­fe­renz zwi­schen der Höchst­ar­beits­zeit und der ge­neh­mig­ten Zu­viel­ar­beit. Er rich­tet sich viel­mehr nach den vom Be­am­ten kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den (8.). Die Ein­ho­lung ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on im Ver­fah­ren nach Art. 267 AEUV ist nicht ver­an­lasst (9.).

9 1. Die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die be­klag­te Stadt, die nicht für die Um­set­zung der Vor­ga­ben der Richt­li­nie durch den Er­lass von Rechts­nor­men zu­stän­dig ist, sind im Zeit­raum ab dem Jahr 2009 dem Grun­de nach ge­ge­ben. Denn die Be­klag­te hat die zur Um­set­zung von Art. 22 RL 2003/88/EG er­las­se­nen Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg an­ge­wen­det, ob­wohl für sie er­kenn­bar war, dass die­se Um­set­zung im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot un­zu­rei­chend ge­we­sen ist.

10 Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch setzt nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) vor­aus, dass die uni­ons­recht­li­che Norm, ge­gen die ver­sto­ßen wor­den ist, die Ver­lei­hung von Rech­ten an die Ge­schä­dig­ten be­zweckt (a), zwi­schen die­sem Ver­stoß und dem den Ge­schä­dig­ten ent­stan­de­nen Scha­den ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang be­steht (b) und der Ver­stoß ge­gen die­se Norm hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG tref­fen die Mit­glied­staa­ten die er­for­der­li­chen Maß­nah­men, da­mit nach Ma­ß­ga­be der Er­for­der­nis­se der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer die durch­schnitt­li­che Ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum 48 Stun­den ein­schlie­ß­lich der Über­stun­den nicht über­schrei­tet. Die­se Vor­schrift ver­leiht dem Ein­zel­nen Rech­te, die die­ser nach Ab­lauf der Frist zur Um­set­zung der wort­glei­chen Vor­gän­ger­be­stim­mung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Ar­beits­zeit­recht der Be­klag­ten un­mit­tel­bar vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend ma­chen kann (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ro­päi­schen Uni­on, der ge­mäß Art. 6 Abs. 1 EUV der glei­che Rang wie den Ver­trä­gen zu­er­kannt ist (stRspr, zu­letzt Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2016 - C-178/15, Sob­c­zys­zyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. No­vem­ber 2015 - C-219/14, Green­field - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Ar­beit­neh­mer kei­ne wei­ter­ge­hen­den Schutz­rech­te her­lei­ten (zum ein­heit­li­chen Ar­beit­neh­mer­be­griff von Richt­li­nie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: Eu­GH, Ur­teil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fe­noll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wo­nach je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer u.a. das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit hat, ge­währ­leis­tet auf­grund der Un­be­stimmt­heit sei­nes Wort­lauts kei­ne wei­ter­ge­hen­den In­di­vi­du­al­rech­te.

12 Ge­mäß der Aus­nah­me­vor­schrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mit­glied­staa­ten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zu­läs­si­ge Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum nor­miert wird, un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen nicht an­zu­wen­den. Ein sol­ches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur mög­lich, wenn die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­ge­hal­ten wer­den und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für ge­sorgt wird, dass kein Ar­beit­ge­ber von dem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn, der Ar­beit­neh­mer ist frei­wil­lig da­zu be­reit, und dass ihm im Wei­ge­rungs­fall kei­ne Nach­tei­le ent­ste­hen.

13 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur der­zei­ti­gen Ar­beits­schutz­richt­li­nie RL 2003/88/EG, eben­so wie zu der Vor­gän­ger­richt­li­nie RL 1993/104/EG, sind ab­wei­chen­de Be­stim­mun­gen als Aus­nah­men von der Ge­mein­schafts­re­ge­lung über die Ar­beits­zeit­ge­stal­tung - wie hier Art. 22 der Richt­li­nie - so aus­zu­le­gen, dass ihr An­wen­dungs­be­reich auf das zur Wah­rung der In­ter­es­sen, de­ren Schutz sie er­mög­li­chen, un­be­dingt Er­for­der­li­che be­grenzt wird (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 2003 - C-151/02, Jae­ger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31; eben­so Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vor­ga­ben in den Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar for­mell wirk­sam (sie­he un­ten 2.), aber in­halt­lich in­fol­ge Nicht­be­ach­tung des Nach­teils­ver­bots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um­ge­setzt (sie­he un­ten 3.). Dies ver­letzt den Klä­ger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Rech­ten. Die be­klag­te Stadt hat die­se im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot uni­ons­rechts­wid­ri­gen Vor­schrif­ten an­ge­wandt und da­mit ih­rer­seits den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch des Klä­gers aus­ge­löst (sie­he un­ten 4.).

15 b) Zwi­schen dem Ver­stoß ge­gen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Scha­den, der dem Klä­ger durch die uni­ons­rechts­wid­rig er­brach­te Zu­viel­ar­beit ent­stan­den ist, be­steht auch ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang. Un­er­heb­lich ist, dass die­se Zu­viel­ar­beit des Klä­gers und der da­mit ver­bun­de­ne Ver­lust an Frei­zeit und Er­ho­lungs­zeit nach na­tio­na­lem Recht kei­nen Scha­den im Sin­ne des zi­vil­recht­li­chen Scha­dens­er­satz­rechts dar­stel­len. Ma­ß­geb­lich ist in­so­weit al­lein auf das Uni­ons­recht ab­zu­stel­len, das hier­in ei­nen Scha­den sieht (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 so­wie Te­nor 1 und 4; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Dar­über hin­aus ist der Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht auch hin­rei­chend qua­li­fi­ziert, um den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch zu be­grün­den. Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ist das der Fall, wenn der Mit­glied­staat die Gren­zen, die sei­nem Er­mes­sen ge­setzt sind, of­fen­kun­dig und er­heb­lich über­schrit­ten hat, wo­bei zu den in­so­weit zu be­rück­sich­ti­gen­den Ge­sichts­punk­ten ins­be­son­de­re das Maß an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der ver­letz­ten Vor­schrift so­wie der Um­fang des Er­mes­sens­spiel­raums ge­hö­ren, den die ver­letz­te Vor­schrift den na­tio­na­len Be­hör­den be­lässt (Eu­GH, Ur­tei­le vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Bras­se­rie du pêcheur und Fac­tor­ta­me - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Ja­nu­ar 2007 - C-278/05, Ro­bins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 so­wie Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVer­wG, Ur­teil vom 30. Ok­to­ber 2014 - 2 C 3.13 - Buch­holz 245 Lan­des­BesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qua­li­fi­zier­ter Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht zu­las­ten des Klä­gers liegt im Hin­blick auf das von der Be­klag­ten zu be­ach­ten­de Nach­teils­ver­bot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (sie­he 3.a).

17 Für den Zeit­raum ab dem Jahr 2009 sind zu­gleich grund­sätz­lich die Vor­aus­set­zun­gen des dienst­recht­li­chen Aus­gleichs­an­spruchs aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ge­ge­ben (BVer­wG, Ur­tei­le vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buch­holz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26). Die bei­den An­sprü­che sind hin­sicht­lich der Ver­jäh­rung so­wie der Rechts­fol­gen gleich­ge­rich­tet (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. In­ner­staat­li­che Rechts­vor­schrif­ten, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - ei­ne Richt­li­nie der Eu­ro­päi­schen Uni­on in deut­sches Recht um­set­zen, sind am Maß­stab des Uni­ons­rechts zu mes­sen, so­weit die Richt­li­nie den Mit­glied­staa­ten kei­nen Um­set­zungs­spiel­raum lässt, son­dern zwin­gen­de Vor­ga­ben macht (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 22. Ok­to­ber 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerf­GE 73, 339 <387>, vom 7. Ju­ni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerf­GE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerf­GE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerf­GE 121, 1 <15>, vom 14. Ok­to­ber 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerf­GE 122, 1 <20> und vom 21. Sep­tem­ber 2016 - 2 BvL 1/15 - ju­ris Rn. 32). Den Mit­glied­staa­ten steht es un­ter den in Art. 22 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­si­gen Höchst­ar­beits­zeit für Ar­beit­neh­mer ab­zu­wei­chen. Da­für müs­sen sie Rechts­nor­men er­las­sen (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richt­li­nie ga­ran­tier­ten all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ge­währ­leis­ten und die dar­über hin­aus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Kri­te­ri­en ge­nü­gen. Für die Trans­for­ma­ti­on von Uni­ons­recht in in­ner­staat­li­ches Recht kom­men so­wohl for­mel­le Ge­set­ze als auch Rechts­ver­ord­nun­gen in Be­tracht (vgl. nur Ruf­fert, in: Cal­liess/Ruf­fert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schro­eder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 je­weils m.w.N.). Da­mit rich­tet sich die Uni­ons­rechts­kon­for­mi­tät der frag­li­chen Rechts­ver­ord­nun­gen in­so­weit al­lein da­nach, ob die­se nach in­ner­staat­li­chem Recht ei­ne hin­rei­chen­de Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge ha­ben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - eben­so wie sei­ne in­halts­glei­che Vor­gän­ger­norm in § 143 und § 134 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 8. Ok­to­ber 1999 (GVBl. I S. 446) - er­mäch­tigt die zu­stän­di­gen Mit­glie­der der Lan­des­re­gie­rung aus­drück­lich, die Ar­beits­zeit der Po­li­zei- und Jus­tiz­voll­zugs­be­am­ten so­wie die des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in ei­ner Rechts­ver­ord­nung zu re­geln. Da­mit ist so­wohl dem uni­ons­recht­li­chen Rechts­norm­vor­be­halt als auch dem in­ner­staat­li­chen Ge­set­zes­vor­be­halt Ge­nü­ge ge­tan.

19 3. § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und sei­ne Nach­fol­ger­vor­schrift, der wort­lauti­den­tisch bis zum 31. Ju­li 2014 gel­ten­de § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009, be­stim­men, dass auf An­trag des Be­am­ten über den Rah­men von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus Schicht­dienst bis zu 56 Stun­den un­ter Be­ach­tung der all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes als durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Ar­beits­zeit be­wil­ligt wer­den kann. Die Be­wil­li­gung kann aus dienst­li­chen Grün­den zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jahrs mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen wer­den. Der Be­am­te ist auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit schrift­lich hin­zu­wei­sen. Er kann sei­nen An­trag zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jah­res mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen.

20 a) So­wohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 set­zen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hin­rei­chend um. Da­nach hat ein Mit­glied­staat, der von die­ser Aus­nah­me­vor­schrift Ge­brauch ma­chen möch­te, mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für zu sor­gen, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, ei­ner über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hin­aus­ge­hen­den Ar­beit nach­zu­ge­hen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" da­mit un­ter den Vor­be­halt, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, aus den in der Ar­beits­zeitricht­li­nie fest­ge­leg­ten Ar­beits­zeit­höchst­gren­zen "aus­zu­tre­ten" oder "hin­aus­zu­op­tie­ren" (Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­ho­fes der Eu­ro­päi­schen Uni­on er­for­dert die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie nicht ei­ne förm­li­che und wört­li­che Über­nah­me ih­rer Be­stim­mun­gen in ei­ne aus­drück­li­che, be­son­de­re Rechts­vor­schrift. Ihr kann viel­mehr durch ei­nen all­ge­mei­nen recht­li­chen Kon­text Ge­nü­ge ge­tan wer­den, wenn die­ser tat­säch­lich die voll­stän­di­ge An­wen­dung der Richt­li­nie hin­rei­chend klar und be­stimmt ge­währ­leis­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on ist je­doch er­for­der­lich, dass die Rechts­la­ge hin­rei­chend be­stimmt, klar und trans­pa­rent ist und die Be­güns­tig­ten in die La­ge ver­setzt, von al­len ih­ren Rech­ten Kennt­nis zu er­lan­gen und die­se ggf. vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend zu ma­chen (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vor­ga­be, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nor­mier­te Nach­teils­ver­bot in in­ner­staat­li­ches Recht um­zu­set­zen, wer­den we­der § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ge­recht. In bei­den Vor­schrif­ten fehlt ein Hin­weis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Nach­teils­ver­bot. Da­durch wird des­sen prak­ti­sche Wirk­sam­keit ge­schwächt, weil der Ar­beit­neh­mer nicht hin­rei­chend klar er­ken­nen kann, dass er sich, nach der Er­klä­rung sei­ner­seits an der Höchst­ar­beits­zeit ge­mäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­hal­ten zu wol­len, et­wa ge­gen nach­tei­li­ge Dienst­plan­ge­stal­tun­gen mit Er­folg zur Wehr set­zen kann (Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nach­teils­ver­bot, das mit Blick auf den Schutz­cha­rak­ter der Ar­beits­zeitricht­li­nie we­sent­li­che Be­deu­tung hat, kommt auch nicht in sons­ti­gen im Be­reich des Lan­des Bran­den­burg gel­ten­den ver­öf­fent­lich­ten Rechts­vor­schrif­ten, wie ins­be­son­de­re den Be­am­ten­ge­set­zen, in die der in­so­weit be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer et­wa Ein­sicht neh­men könn­te, mit hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit, Klar­heit und Trans­pa­renz zum Aus­druck. Das gilt ins­be­son­de­re für die - le­dig­lich als Ge­ne­ral­klau­sel for­mu­lier­te - be­am­ten­recht­li­che Für­sor­ge­pflicht ge­mäß § 45 Be­amtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zu­dem wä­re, selbst wenn man un­ter­stellt, dass sol­che Rechts­vor­schrif­ten vor­han­den sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den bran­den­bur­gi­schen Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen hin­zu­wei­sen. Dar­an fehlt es eben­falls. An­de­ren­falls wä­re der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer, der ty­pi­scher­wei­se ge­ra­de über kei­ne ver­tief­ten ju­ris­ti­schen Kennt­nis­se ver­fügt, nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge, die er­for­der­li­che in­halt­li­che Ver­knüp­fung zwi­schen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den na­tio­na­len Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeit­ver­ord­nung und dem an an­de­rer Stel­le nor­mier­ten Nach­teils­ver­bot her­zu­stel­len. So wä­re et­wa der be­güns­tig­te (be­am­te­te) Ar­beit­neh­mer nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge zu er­ken­nen, dass sei­ne - aus dienst­li­chen Grün­den mög­li­che - Um­set­zung oder auch nur ei­ne ihm nach­tei­li­ge Dienst­plan­än­de­rung dem Nach­teils­ver­bot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG un­ter­fällt, wenn sie des­halb er­folgt, weil er nicht be­reit ist, über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit­gren­ze von 48 Stun­den hin­aus zu ar­bei­ten (sie­he so auch Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on, Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Des­halb grei­fen die Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen so­wohl des Bun­des und meh­re­rer an­de­rer Bun­des­län­der, die von der Öff­nungs­klau­sel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Ge­brauch ge­macht ha­ben, das Nach­teils­ver­bot ge­ra­de aus­drück­lich auf (vgl. et­wa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzV­BY vom 5. Ja­nu­ar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZ­VO vom 30. De­zem­ber 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZ­VO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZ­VOFeu NW vom 1. Sep­tem­ber 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 Säch­s­AZ­VO vom 28. Ja­nu­ar 2008, GVBl. S. 198). Her­vor­zu­he­ben ist, dass auch das Recht des Lan­des Bran­den­burg nun­mehr - mit Wir­kung ab dem 1. Au­gust 2014 - das Nach­teils­ver­bot in § 21 Abs. 4 Satz 2 Bb­gAZV­PFJ vom 10. Ju­li 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) aus­drück­lich nennt. Dar­an fehlt es - für den hier streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009.

26 b) Steht da­mit die un­voll­stän­di­ge Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­deu­tig und klar fest, kommt es auf die wei­te­re Fra­ge, ob die­se Be­stim­mun­gen der bei­den ge­nann­ten Rechts­ver­ord­nun­gen dar­über hin­aus auch den An­for­de­run­gen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG of­fen­kun­dig nicht ge­recht wer­den, vor­lie­gend nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich an. Der Se­nat hält die­se Fra­ge für of­fen.

27 aa) Maß­st­abs­bil­den­de Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur Fra­ge der Not­wen­dig­keit ei­nes Be­zugs­zeit­raums und zur Aus­le­gung des Be­griffs "im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vor­gän­ger­richt­li­nie gibt es für den Fall des "Opt-out" bis­lang nicht. Das gilt auch für das Ur­teil des Ge­richts­hofs vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Die­ses Ur­teil be­zieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vor­gän­ger­richt­li­nie 1993/104/EG, der al­ler­dings im We­sent­li­chen mit Art. 22 RL 2003/88/EG ver­gleich­bar ist. In die­sem Ur­teil führt der Ge­richts­hof aber nur aus, dass die In­an­spruch­nah­me der Mög­lich­keit, die Grund­satz­norm des Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, vor­aus­setzt, dass die Mit­glied­staa­ten die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hal­ten und be­stimm­te - in der Richt­li­nie ge­nann­te - ku­mu­la­ti­ve Vor­aus­set­zun­gen er­fül­len. Für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums folgt dar­aus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum" die Re­de ist.

28 Die in­ner­staat­li­che Recht­spre­chung zu die­ser Fra­ge ist un­ein­heit­lich (be­ja­hend: OVG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­tei­le vom 18. Ju­ni 2015 - OVG 6 B 19.15 - ju­ris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - ju­ris Rn. 25; ver­nei­nend: VG Mün­chen, Ur­teil vom 18. Ok­to­ber 2016 - M 5 K 14.5855 - ju­ris Rn. 32; VG Aa­chen, Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2016 - 1 K 2244/14 - ju­ris Rn. 32).

29 Ei­ner­seits gibt es Ar­gu­men­te, die da­für spre­chen, ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur un­ter Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums zu­zu­las­sen. Der Wort­laut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könn­te in deut­scher Sprach­fas­sung dar­auf hin­deu­ten, dass es den Mit­glied­staa­ten ob­liegt, ei­nen (bis zu vier­mo­na­ti­gen) Be­zugs­zeit­raum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu re­geln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG be­stimmt, dass es ei­nem Mit­glied­staat frei­ge­stellt ist, Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, wenn er die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hält und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für sorgt, dass kein Ar­beit­ge­ber von ei­nem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn der Ar­beit­neh­mer hat sich hier­zu be­reit er­klärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Wei­te­ren vor, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass "der Ar­beit­ge­ber die zu­stän­di­gen Be­hör­den [...] dar­über un­ter­rich­tet, wel­che Ar­beit­neh­mer sich da­zu be­reit er­klärt ha­ben, im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten".

30 Auch aus der Norm­sys­te­ma­tik las­sen sich Grün­de für die Not­wen­dig­keit, ei­nen Be­zugs­zeit­raum nach Ma­ß­ga­be von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Fal­le des "Opt-out" zu re­geln, her­lei­ten. Sys­te­ma­tisch spricht der Zu­sam­men­hang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Er­for­der­nis ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Zu den un­ab­hän­gig vom Ein­ver­ständ­nis des Ar­beit­neh­mers zu re­geln­den Vor­ga­ben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­hört, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass ein Ar­beit­neh­mer die Mög­lich­keit hat, nur durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den zu ar­bei­ten. Da­für wä­re die Re­ge­lung je­den­falls ei­nes Be­zugs­zeit­raums hilf­reich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­währ­leis­ten, dass die Mit­glied­staa­ten ei­ne Gren­ze für die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit re­geln, um so zum Ar­beits- und Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer bei­zu­tra­gen (EFTA-Ge­richts­hof, Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein sol­cher Schutz wür­de oh­ne die Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums für den Durch­schnitt der Wo­chen­ar­beits­zeit er­schwert. Der durch die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit be­zweck­te Schutz ist um­so in­ten­si­ver, je kür­zer der für den Durch­schnitt ma­ß­geb­li­che Be­zugs­zeit­raum ist. Be­son­ders in­ten­siv ist er, wenn der Be­zugs­zeit­raum nur ei­ne Wo­che be­trägt, weil es dann un­mög­lich ist, ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit ei­ner Wo­che durch ge­rin­ge­re Ar­beits­zei­ten an­de­rer Wo­chen "weg­zu­rech­nen". Ein ma­xi­ma­ler Schutz in die­sem Sin­ne wä­re mit­hin da­durch zu er­rei­chen, dass bei Feh­len ei­ner Re­ge­lung des Be­zugs­zeit­raums der kon­kre­te Sie­ben­ta­ges­zeit­raum ma­ß­geb­lich ist. Die­se Rechts­fol­ge tritt bei Feh­len ei­ner Be­zugs­zeit­raum­re­ge­lung ein, so­lan­ge Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG An­wen­dung fin­det (BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zu­las­sung ei­ner oh­ne Be­zugs­zeit­raum mög­li­chen und da­mit un­li­mi­tier­ten Höchst­ar­beits­zeit könn­te zu­dem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh wi­der­spre­chen, der be­stimmt, dass je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit, auf täg­li­che und wö­chent­li­che Ru­he­zei­ten so­wie auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hat (vgl. Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Fer­ner ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass auch ein recht­mä­ßi­ges "Opt-out" ge­mäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Er­for­der­nis der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­freit, aber nicht von den täg­li­chen und wö­chent­li­chen Min­dest­ru­he­zei­ten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ru­he­pau­sen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Be­schrän­kun­gen der Nacht­ar­beit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dis­pen­siert. Des­halb ist die Fest­stel­lung der Kom­mis­si­on in ih­ren ak­tu­el­len An­wen­dungs­hin­wei­sen zu Aus­le­gungs­fra­gen der Ar­beits­zeitricht­li­nie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zu­tref­fend, dass, be­rück­sich­tigt man nur den Zeit­raum der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit, die in der Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­nen Min­dest­zeit­räu­me der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit von den ins­ge­samt 168 Stun­den (24 Stun­den x 7 Ta­ge) ei­ner Wo­che be­reits durch­schnitt­lich 90 Ru­he­stun­den be­deu­ten (6 Ta­ge x 11 Stun­den täg­li­che Ru­he­zeit + 24 Stun­den wö­chent­li­che Ru­he­zeit). Dem­zu­fol­ge dürf­te un­ter Be­rück­sich­ti­gung von Ru­he­zei­ten, Ru­he­pau­sen und der mög­li­chen stren­ge­ren Be­schrän­kun­gen im Fall von Nacht­ar­beit die Ar­beits­zeit auch im Fal­le ei­ner recht­mä­ßi­gen Aus­nah­me­re­ge­lung nach Art. 22 RL 2003/88/EG ei­nen Durch­schnitt von 78 Stun­den pro Wo­che nicht über­schrei­ten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 An­de­rer­seits wirft die kon­kre­te Be­stim­mung ei­nes Be­zugs­zeit­raums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ei­ne Viel­zahl von bis­lang un­ge­klär­ten uni­ons­recht­li­chen Fra­gen auf. So ist zu­nächst un­klar, ob es zur abs­trakt-ge­ne­rel­len Re­ge­lung der Mög­lich­keit ei­ner "Opt-out"-Ver­ein­ba­rung ei­nes be­son­de­ren Be­zugs­zeit­raums be­darf. Der Hin­weis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum könn­te näm­lich auch dar­auf hin­deu­ten, dass da­mit der längs­te vom Mit­glied­staat fest­zu­le­gen­de Be­zugs­zeit­raum ge­meint ist. Da­für könn­te auch nach der deut­schen Sprach­fas­sung des Richt­li­ni­en­tex­tes spre­chen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Zeit­raum" die Re­de ist und nicht von dem "nach Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) fest­ge­setz­ten Be­zugs­zeit­raum".

34 Des Wei­te­ren stel­len sich norm­sys­te­ma­ti­sche Fra­gen nach dem Ver­hält­nis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ver­weist wört­lich be­trach­tet al­lein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Zeit­raum, so­dass frag­lich ist, ob er auch die Fest­set­zun­gen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richt­li­nie er­fasst, in de­nen - je­weils un­ter be­son­de­ren Vor­aus­set­zun­gen - an­de­re Be­zugs­zeit­räu­me be­nannt wer­den. Da­bei ist ins­be­son­de­re zu be­rück­sich­tig­ten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Ver­hält­nis zu Art. 16 RL 2003/88/EG un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen län­ge­re Be­zugs­zeit­räu­me von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Mo­na­ten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) er­öff­nen.

35 Die For­mu­lie­rung der ver­schie­de­nen Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie ist je nach Sprach­fas­sung und auch in­ner­halb ein­zel­ner Sprach­fas­sun­gen nach den Aus­füh­run­gen der Schluss­an­trä­ge der Ge­ne­ral­an­wäl­tin Ko­kott im Ver­fah­ren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) un­ein­heit­lich. Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on müs­sen aber die Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts im Licht der Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on ein­heit­lich aus­ge­legt und an­ge­wandt wer­den. Wei­chen die ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen ei­nes Rechts­tex­tes der Uni­on von­ein­an­der ab, muss die frag­li­che Vor­schrift an­hand der all­ge­mei­nen Sys­te­ma­tik und des Zwecks der Re­ge­lung aus­ge­legt wer­den, zu der sie ge­hört (Eu­GH, Ur­tei­le vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ER­GO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Os­so - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Not­wen­dig­keit ei­ner ein­heit­li­chen An­wen­dung und da­mit ei­ner ein­heit­li­chen Aus­le­gung der Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts schlie­ßt es da­nach aus, ei­ne Vor­schrift in ei­ner ih­rer Fas­sun­gen iso­liert zu be­trach­ten, son­dern ge­bie­tet es, sie an­hand des wirk­li­chen Wil­lens ih­res Norm­ge­bers und des von ihm ver­folg­ten Zwecks na­ment­lich im Licht ih­rer Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on aus­zu­le­gen. Ei­ne ab­wei­chen­de Sprach­fas­sung kann des­halb nicht al­lein ge­gen­über al­len an­de­ren Sprach­fas­sun­gen den Aus­schlag ge­ben (EuG-Rechts­mit­tel­kam­mer, Ur­teil vom 8. No­vem­ber 2012 - T-268/11 P - ju­ris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Un­ein­heit­lich­keit in den ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hin­zu­wei­sen. Die Fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG wei­sen in eng­li­scher, fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung je­weils klei­ne Be­son­der­hei­ten auf, die bei der Aus­le­gung der Norm zu be­rück­sich­ti­gen sein könn­ten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lau­tet in eng­li­scher Fas­sung: "for the ap­pli­ca­ti­on of Ar­ti­cle 6 (ma­xi­mum weekly working time), a re­fe­rence pe­ri­od not ex­cee­ding four months", al­so um ei­nen Be­zugs­zeit­raum, der vier Mo­na­te nicht über­schrei­ten darf, wäh­rend es in fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung im Gleich­klang um ei­nen Be­zugs­zeit­raum von bis zu vier Mo­na­ten ("une pe­ri­ode de re­fe­rence ne de­pas­sant pas quat­re mois") geht. Wei­ter hei­ßt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in eng­li­scher Fas­sung "du­ra­ti­on of the working time", wäh­rend sich die fran­zö­si­sche und deut­sche Fas­sung des Norm­tex­tes je­weils mit den Wor­ten "la du­ree du temps de tra­vail" oder mit dem Wort "Ar­beits­zeit" be­gnügt. Die eng­li­sche Fas­sung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG dar­über hin­aus nur von Ta­rif­ver­trä­gen (collec­ti­ve agree­ments) und Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen bei­den Sei­ten der In­dus­trie (the two si­des of in­dus­try) wäh­rend im fran­zö­si­schen und deut­schen Text der Richt­li­nie an die­ser Stel­le von "con­ven­ti­ons collec­ti­ves"/"Ta­rif­ver­trä­gen" und "ac­cords con­clus ent­re par­ten­aires so­ci­aux"/"So­zi­al­part­nern" ge­spro­chen wird. In die­sem Zu­sam­men­hang ist auch zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Kom­mis­si­on in ih­rer ak­tu­el­len Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) aus­drück­lich dar­auf hin­weist, dass die Richt­li­nie we­der den Be­griff "Ta­rif­ver­trag" de­fi­niert noch nä­her er­läu­tert, was "Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern auf na­tio­na­ler und re­gio­na­ler Ebe­ne" sind, mit der Fol­ge, dass die­se Be­grif­fe durch na­tio­na­le Rechts­vor­schrif­ten und Ge­pflo­gen­hei­ten nä­her zu be­stim­men sei­en (ABl. EU Nr. C 165/49). Schlie­ß­lich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf­merk­sam zu ma­chen. Dort hei­ßt es in der eng­li­schen Fas­sung am En­de "un­less he has first ob­tai­ned the worker’s agree­ment to per­form such work”, wäh­rend es nach der fran­zö­si­schen und deut­schen Text­fas­sung aus­reicht, dass sich der Ar­beit­neh­mer be­reit er­klärt hat, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten.

37 All die­se sprach­li­chen Un­eben­hei­ten las­sen sich norm­sys­te­ma­tisch und te­leo­lo­gisch zwar un­ter Rück­füh­rung dar­auf ver­ein­heit­li­chen, dass der Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on in den Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie über die Min­dest­ru­he­zei­ten und die Höchst­ar­beits­zei­ten "be­son­ders wich­ti­ge Re­geln des So­zi­al­rechts der Ge­mein­schaft" sieht. Die­se Re­geln müs­sen je­dem Ar­beit­neh­mer als ein zum Schutz sei­ner Si­cher­heit und sei­ner Ge­sund­heit be­stimm­ter Min­dest­an­spruch zu­gu­te­kom­men (vgl. z.B. Eu­GH, Ur­tei­le vom 7. Sep­tem­ber 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Ok­to­ber 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Des­halb be­grenzt der Ge­richts­hof die den Mit­glied­staa­ten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mög­li­che Ab­wei­chungs­mög­lich­keit u.a. von der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit für Fäl­le, in de­nen die Ar­beits­zeit we­gen der be­son­de­ren Merk­ma­le der aus­ge­üb­ten Tä­tig­keit nicht ge­mes­sen und oder nicht im Vor­aus fest­ge­legt wird oder von den Ar­beit­neh­mern selbst fest­ge­legt wer­den kann, auf das zum Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer "un­be­dingt Er­for­der­li­che" (Eu­GH, Ur­teil vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31).

38 Dar­aus aber den für den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch er­for­der­li­chen wei­te­ren Schluss zu zie­hen, ein Mit­glied­staat ver­sto­ße hin­rei­chend qua­li­fi­ziert und da­mit of­fen­kun­dig ge­gen ei­ne uni­ons­recht­li­che Norm, wenn er ei­ne "Opt-out"-Ent­schei­dung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, oh­ne zu­gleich ei­nen Be­zugs­zeit­raum im Sin­ne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­zu­le­gen, ist dem Se­nat man­gels des er­for­der­li­chen Ma­ßes an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der als ver­letzt gel­ten­den Vor­schrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht mög­lich.

39 bb) Eben­so ver­hält es sich mit der wei­te­ren Fra­ge der Frei­wil­lig­keit der nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs (Eu­GH, Ur­teil vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 u.a., Pfeif­fer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) not­wen­dig in­di­vi­du­el­len Be­reit­schafts­er­klä­rung ei­nes Ar­beit­neh­mers. Hier geht es um den schrift­li­chen An­trag des Klä­gers vom Sep­tem­ber 2007, Zu­viel­ar­beit im Sin­ne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leis­ten zu dür­fen. Wäh­rend die Frei­wil­lig­keit und In­di­vi­dua­li­tät der Be­reit­schafts­er­klä­rung des Klä­gers un­zwei­fel­haft sind, stellt sich die Fra­ge der Ver­ein­bar­keit mit Uni­ons­recht im Hin­blick auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit die­ser Er­klä­rung oder die­ses An­trags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009. Der Richt­li­ni­en­text ent­hält kei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung über das "ob" und das "wie" ei­nes die Be­reit­schafts­er­klä­rung be­tref­fen­den Wi­der­rufs­rechts des Ar­beit­neh­mers. Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu Mög­lich­keit und Mo­da­li­tä­ten ei­nes Wi­der­rufs ist nicht er­sicht­lich. Der EFTA-Ge­richts­hof hat im Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - (ju­ris) nur ent­schie­den, dass der ge­ne­rel­le Wi­der­rufsau­schluss ei­ner ein­mal wirk­sam ge­ge­be­nen Be­reit­schafts­er­klä­rung im Ein­zel­fall ei­ne Ver­let­zung der Richt­li­nie be­grün­den kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 vor­ge­se­he­ne Wi­der­rufs­mög­lich­keit mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten zum Ab­lauf des Ka­len­der­jah­res den An­for­de­run­gen an die je­der­zei­ti­ge Frei­wil­lig­keit der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit ge­nügt, kann hier un­ent­schie­den blei­ben. Da­für könn­te die Tat­sa­che spre­chen, dass der Richt­li­ni­en­text für die Fra­ge des Wi­der­rufs und der Wi­der­rufs­frist ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit kei­ne aus­drück­li­chen Vor­ga­ben macht. Da­ge­gen lie­ße sich in­des norm­sys­te­ma­tisch und am Zweck des Ar­beits­zeit­schut­zes ori­en­tiert für ei­nen mög­li­chen Gleich­lauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ma­xi­ma­len Be­zugs­zeit­raums von vier Mo­na­ten und der Frist für den Wi­der­ruf ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit ar­gu­men­tie­ren (so et­wa Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tat­sa­che, dass der bun­des­deut­sche Ge­setz­ge­ber in Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Wi­der­rufs­frist für nicht be­am­te­te Ar­beit­neh­mer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fas­sung vom 24. De­zem­ber 2003 (BGBl. I S. 3002) ge­ne­rell auf sechs Mo­na­te oh­ne Be­gren­zung auf das Jah­res­en­de be­stimmt hat (vgl. da­zu nä­her Wank, in: Mül­ler-Glö­ge/Preis/Schmidt, Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könn­te ge­gen ei­ne ma­xi­mal 15 Mo­na­te lau­fen­de Wi­der­rufs­frist - Wi­der­ruf am 1. Ok­to­ber, Frist­ab­lauf am 31. De­zem­ber des Fol­ge­jah­res - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­ge­wandt wer­den. Dies zeigt: Auch die Fra­ge, ob die Vor­ga­ben des streit­ge­gen­ständ­li­chen bran­den­bur­gi­schen Lan­des­rechts zur Ar­beits­zeit für Feu­er­wehr­be­am­te in der Zeit zwi­schen 2007 (In­kraft­tre­ten von § 4 AZV Feu 2007 im Au­gust 2007) und 2014 (In­kraft­tre­ten von § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2014 im Au­gust 2014) den An­for­de­run­gen der Frei­wil­lig­keit für die Dau­er der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­nü­gen, lässt sich auf­grund ei­ner Nor­m­aus­le­gung nach Wort­laut, Sys­te­ma­tik und Zweck nicht hin­rei­chend ein­deu­tig und klar be­ant­wor­ten.

41 cc) Die Text­ana­ly­se schlie­ßt es nach al­le­dem aus, hin­sicht­lich der Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fra­gen der Not­wen­dig­keit von Be­zugs­zeit­räu­men und den An­for­de­run­gen an die Frei­wil­lig­keit für den Wi­der­ruf von Ein­ver­ständ­nis­er­klä­run­gen zur Zu­viel­ar­beit hin­sicht­lich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 von ei­nem "hin­rei­chend qua­li­fi­zier­ten Ver­stoß" ge­gen das Uni­ons­recht im Sinn des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs aus­zu­ge­hen.

42 4. Un­ge­ach­tet der evi­dent un­zu­rei­chen­den Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Re­ge­lung der Ar­beits­zeit von kom­mu­na­len Feu­er­wehr­be­am­ten zu­stän­di­gen Lan­des­ge­setz­ge­ber ist die be­klag­te Stadt hier als Nor­m­an­wen­der auf­grund des An­wen­dungs­vor­rangs des Uni­ons­rechts ge­hal­ten ge­we­sen, die Vor­ga­ben der Richt­li­nie zu be­fol­gen und ent­ge­gen­ste­hen­des Lan­des­recht un­an­ge­wen­det zu las­sen. Die Be­klag­te hät­te er­ken­nen müs­sen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 klar und ein­deu­tig die Vor­ga­be ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ver­let­zen, weil es die­sen Rechts­ver­ord­nun­gen an ei­ner Vor­schrift fehlt, die ge­währ­leis­tet, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, Zu­viel­ar­beit zu leis­ten. Ein Trä­ger öf­fent­li­cher Ge­walt ist auch in sei­ner Ei­gen­schaft als öf­fent­li­cher Ar­beit­ge­ber zur An­wen­dung des Uni­ons­rechts ver­pflich­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Im­pact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Da­nach hat die Be­klag­te in ih­rer Ei­gen­schaft als Dienst­her­rin des Klä­gers durch Nicht­be­ach­tung des An­wen­dungs­vor­rangs der EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ge­gen das Uni­ons­recht ver­sto­ßen. Dass sie in­ner­staat­lich die Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des im Rah­men ih­rer Auf­ga­ben der mit­tel­ba­ren Staats­ver­wal­tung zu be­fol­gen hat­te, än­dert dar­an nichts.

43 5. Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit setzt - wie der na­tio­na­le dienst­recht­li­che Aus­gleichs­an­spruch - vor­aus, dass er vom Be­am­ten oder Sol­da­ten zu­vor zu­min­dest in Form ei­ner Rü­ge gel­tend ge­macht wor­den ist. Aus­zu­glei­chen ist die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit, die ab dem auf die erst­ma­li­ge schrift­li­che Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet wor­den ist (stRspr, BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Klä­ger den Aus­gleich­an­spruch erst im De­zem­ber 2010 gel­tend ge­macht hat, ste­hen ihm An­sprü­che erst ab Ja­nu­ar 2011 zu.

44 a) Be­sol­dungs­an­sprü­che von Be­am­ten und Sol­da­ten er­ge­ben sich un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), ei­nes An­tra­ges oder ei­ner Rü­ge be­darf es da­her nicht. Ent­spre­chen­des gilt für Ver­sor­gungs­be­zü­ge (z.B. § 3 Abs. 1 Be­amtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechts­grund der Ali­men­tie­rung von Ru­he­stands­be­am­ten ist zwar der Ver­sor­gungs­fest­set­zungs­be­scheid, auch die­ser er­geht in­des von Amts we­gen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 Be­amtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und be­darf da­her we­der ei­nes An­trags noch ei­ner Hin­weis­pflicht (BVer­wG, Ur­teil vom 25. Ok­to­ber 2012 - 2 C 59.11 - BVer­w­GE 145, 14 Rn. 34).

45 An­sprü­che, de­ren Fest­set­zung und Zah­lung sich nicht un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz er­ge­ben, be­dür­fen da­ge­gen ei­ner vor­he­ri­gen Gel­tend­ma­chung (BVerfG, Be­schluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerf­GE 81, 363 <384 f.>; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - ju­ris Rn. 16). Denn hier ist ei­ne vor­gän­gi­ge be­hörd­li­che Ent­schei­dung über Grund und Hö­he der be­gehr­ten Zah­lung er­for­der­lich.

46 Für An­sprü­che we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit gilt dies in be­son­de­rer Wei­se. Die­se sind nicht pri­mär auf die Zah­lung ei­nes fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs ge­rich­tet, son­dern auf die Be­sei­ti­gung des rechts­wid­ri­gen Zu­stands. Durch den Hin­weis des Be­am­ten oder Sol­da­ten ist da­her zu­nächst ei­ne Prü­fung sei­nes Dienst­herrn ver­an­lasst, ob ei­ne Än­de­rung der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung er­for­der­lich ist und ob ei­ne rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit - et­wa durch An­pas­sung der ma­ß­geb­li­chen Dienst­plä­ne - ver­mie­den oder durch die Ge­wäh­rung von Frei­zeit­aus­gleich kom­pen­siert wer­den kann. Oh­ne ent­spre­chen­de Rü­ge muss der Dienst­herr nicht da­von aus­ge­hen, je­der Be­am­te wer­de die Über­schrei­tung der ak­tu­el­len Ar­beits­zeit­re­ge­lung be­an­stan­den. Auch hin­sicht­lich der mög­li­chen fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs­pflicht hat der Dienst­herr ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an, nicht nach­träg­lich mit un­vor­her­seh­ba­ren Zah­lungs­be­geh­ren kon­fron­tiert zu wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 21. Sep­tem­ber 2006 - 2 C 7.06 - Buch­holz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Be­am­te wird durch das Er­for­der­nis der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn auch nicht un­zu­mut­bar be­las­tet. Denn an die Rü­ge des Be­rech­tig­ten sind kei­ne zu ho­hen An­for­de­run­gen zu stel­len. Es reicht aus, wenn sich aus der Äu­ße­rung er­gibt, dass der Be­am­te oder Sol­dat die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt hält. We­der ist ein An­trag im rechts­tech­ni­schen Sin­ne er­for­der­lich noch muss Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich, be­an­tragt oder der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich kon­kret be­rech­net wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buch­holz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die An­wen­dung des Grund­sat­zes der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung auch auf den nicht nor­ma­tiv ge­re­gel­ten uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch ist mit Uni­ons­recht ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­teil vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Vor­aus­set­zung für die Ver­ein­bar­keit des ge­nann­ten Grund­sat­zes mit Uni­ons­recht ist, dass den An­for­de­run­gen des Äqui­va­lenz- und des Ef­fek­ti­vi­täts­grund­sat­zes Rech­nung ge­tra­gen ist (Eu­GH, Ur­tei­le vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C-20/13, Un­land - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den na­tio­na­len Ge­rich­ten ob­lie­gen­de Prü­fung er­gibt, dass die Vor­aus­set­zun­gen der bei­den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben in Be­zug auf das Ge­bot der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung er­füllt sind. Dem Ge­bot, dass die Mo­da­li­tä­ten zur Durch­set­zung des uni­ons­recht­li­chen An­spruchs nicht un­güns­ti­ger sein dür­fen als die­je­ni­gen, die gleich­ar­ti­ge Sach­ver­hal­te in­ner­staat­li­cher Art re­geln (Äqui­va­lenz­grund­satz), ist Rech­nung ge­tra­gen. Auch der - ne­ben dem uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch be­stehen­de, rich­ter­recht­lich ent­wi­ckel­te - Aus­gleichs­an­spruch aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ist nur ge­ge­ben, wenn der Be­rech­tig­te die­sen ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn gel­tend macht (BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz ver­langt, dass die Aus­übung der durch das Uni­ons­recht ver­lie­he­nen Rech­te nicht prak­tisch un­mög­lich ge­macht oder über­mä­ßig er­schwert wird. Die Fest­set­zung an­ge­mes­se­ner Aus­schluss­fris­ten für die Rechts­ver­fol­gung ist im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit, die zu­gleich den Be­rech­tig­ten und die Be­hör­de schützt, mit die­sen Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2011 - C-262/09, Meili­cke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C- 20/13, Un­land - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zu­dem sind, wie dar­ge­legt, die An­for­de­run­gen an die schrift­li­che Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­ring. Denn der Be­rech­tig­te muss ge­gen­über dem Dienst­herrn le­dig­lich schrift­lich zum Aus­druck brin­gen, er hal­te die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt.

50 6. Der pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­te­te An­spruch des Klä­gers wan­delt sich in­fol­ge Ab­laufs des mög­li­chen Aus­gleichs­zeit­raums in ei­nen An­spruch auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich, der we­der ver­fal­len noch aus an­de­ren Grün­den aus­ge­schlos­sen ist.

51 Der Haf­tungs­an­spruch we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­tet. Zweck der Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum, den Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer zu ge­währ­leis­ten, ist nicht durch ei­ne Geld­zah­lung, son­dern durch die Frei­stel­lung von der Pflicht zur Dienst­leis­tung zu er­rei­chen.

52 Schei­det aber die Ge­wäh­rung von Frei­zeit zum Aus­gleich der uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit aus vom Be­rech­tig­ten nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus, so ge­bie­tet es der uni­ons­recht­li­che Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz, dass die ent­stan­de­nen An­sprü­che nicht un­ter­ge­hen, son­dern sich in sol­che auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich um­wan­deln (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Da­nach sind hier fi­nan­zi­el­le Aus­gleichs­an­sprü­che des Klä­gers nicht aus­ge­schlos­sen, weil die über die Jah­re hin­weg an­ge­spann­te Per­so­nal­si­tua­ti­on bei der Be­rufs­feu­er­wehr der Be­klag­ten, in der der Klä­ger Dienst zu leis­ten hat­te, eben­so wie der zwi­schen­zeit­li­che Zeit­ab­lauf der Ge­wäh­rung von Frei­zeit zur Ab­gel­tung der ent­stan­de­nen An­sprü­che ent­ge­gen­stan­den.

53 7. Ob der Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig zu viel ge­ar­bei­tet hat, be­stimmt sich hier nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum im Sin­ne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Eben­so wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wen­det sich auch Art. 16 die­ser Richt­li­nie ("Die Mit­glied­staa­ten kön­nen ... vor­se­hen") an den Mit­glied­staat. Die­ser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG ab­wei­chen­den Fest­le­gung des Be­zugs­zeit­raums ("bis zu vier Mo­na­ten") be­rech­tigt, aber nicht ver­pflich­tet. Ob und in­wie­weit der Mit­glied­staat die­se Er­mäch­ti­gung zu der für den Ar­beit­neh­mer un­güns­ti­gen Aus­deh­nung des Be­zugs­zeit­raums auf bis zu vier Mo­na­ten aus­nutzt, ist Sa­che der je­weils zu­stän­di­gen ge­setz­ge­ben­den Or­ga­ne des Mit­glied­staa­tes, weil nur sie die zur Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie er­for­der­li­chen Rechts­no­men er­las­sen kön­nen. Die Aus­übung der Er­mäch­ti­gung ist je­den­falls nicht den das Recht an­wen­den­den na­tio­na­len Ge­rich­ten in dem Sin­ne über­ant­wor­tet, dass die­se den Be­zugs­zeit­raum nach dem As­pekt der "Sach­ge­rech­tig­keit" fest­le­gen kön­nen. Um die ihm ein­ge­räum­te Be­fug­nis in An­spruch zu neh­men, muss der Mit­glied­staat auch die Ent­schei­dung tref­fen, sich auf die­se Er­mäch­ti­gung zu be­ru­fen. Im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit muss die­se Ent­schei­dung des Mit­glied­staa­tes be­stimmt und klar sein (Eu­GH, Ur­teil vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVer­wG, Ur­teil vom 15. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeit­raum bis zum 1. Au­gust 2014 und da­mit in der hier zwi­schen den Be­tei­lig­ten strei­ti­gen Zeit zwi­schen 2010 und 2012 hat­te das Land den Be­zugs­zeit­raum für die vom Klä­ger frei­wil­lig er­brach­te uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 auf ein Jahr - an­statt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­sig er­öff­net - auf bis zu ma­xi­mal vier Mo­na­ten er­streckt.

56 Auch die sons­ti­gen Be­stim­mun­gen der RL 2003/88/EG, die zu ei­ner Ver­län­ge­rung des Be­zugs­zeit­raums füh­ren kön­nen - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Mo­na­te bei Fest­le­gun­gen in Ta­rif­ver­trä­gen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen So­zi­al­part­nern -, grei­fen nicht zu Guns­ten der Be­klag­ten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG set­zen je­weils vor­aus, dass der Mit­glied­staat Re­ge­lun­gen im Sin­ne von Art. 16 RL 2003/88/EG er­las­sen hat, die den An­for­de­run­gen an die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie in na­tio­na­les Recht im Sin­ne von Art. 288 Abs. 3 AEUV ge­nü­gen. Dar­an fehlt es aber eben­so wie an der Aus­nut­zung der ge­nann­ten Be­fug­nis­se ("sind ... zu­läs­sig" und "kann ab­ge­wi­chen wer­den") durch den Er­lass ei­ner für die Um­set­zung er­for­der­li­chen Rechts­norm des in­ner­staat­li­chen Norm­ge­bers.

57 8. Die Be­rech­nung der vom Klä­ger für die Zeit ab dem Fol­ge­mo­nat der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung - hier: Gel­tend­ma­chung im De­zem­ber 2010 - der im Ein­zel­nen er­brach­ten uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit ist kon­kret und nicht - wie vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt an­ge­nom­men - pau­schal zu er­mit­teln. Die kon­kre­te Er­mitt­lung der vom Klä­ger für den Zeit­raum von Ja­nu­ar 2011 bis De­zem­ber 2012 tat­säch­lich ge­leis­te­ten Zu­viel­ar­beit ist die wei­te­re Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens. Da­bei folgt schon aus dem Uni­ons­recht ge­mäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Zei­ten des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs so­wie die Krank­heits­zei­ten bei der Be­rech­nung des Durch­schnitts der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit un­be­rück­sich­tigt blei­ben oder neu­tral sind. Die­se Vor­ga­be des Uni­ons­rechts ver­langt, dass un­ge­ach­tet der Fra­ge der Um­set­zung in in­ner­staat­li­ches Recht durch ei­ne Rechts­norm die be­tref­fen­den Ta­ge bei der Be­rech­nung mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen sind.

58 Die Ar­beits­zeitricht­li­nie nimmt zwar le­dig­lich auf den uni­ons­recht­lich ge­währ­leis­te­ten Min­dest­ur­laub von vier Wo­chen Be­zug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der dar­über hin­aus­ge­hen­de, im na­tio­na­len Recht be­grün­de­te Mehr­ur­laub ist in­des mit der Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mit­glied­staa­ten un­be­rührt, für die Si­cher­heit und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten an­zu­wen­den oder zu er­las­sen. Dies um­fasst auch die Ein­räu­mung ei­nes über den uni­ons­recht­li­chen Min­dest­ur­laub hin­aus­ge­hen­den Ur­laubs­an­spruchs. Da der Klä­ger am Ur­laubs­tag von der Pflicht zur Dienst­leis­tung be­freit ist und auch der Mehr­ur­laub der Er­ho­lung des Klä­gers dient, kön­nen die­se Ta­ge nicht als Aus­gleich für ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum her­an­ge­zo­gen wer­den (vgl. eben­so schon BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Fei­er­ta­ge, die auf Wo­chen­ta­ge fal­len, sind mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit ein­zu­be­zie­hen und da­mit grund­sätz­lich zu neu­tra­li­sie­ren. So­weit der Klä­ger an die­sen Ta­gen nicht zur Dienst­leis­tung ver­pflich­tet war, kön­nen sol­che Ta­ge nicht zum Aus­gleich ei­ner et­wai­gen Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit her­an­ge­zo­gen wer­den. Dem­ge­gen­über sind Zei­ten, in de­nen dem Klä­ger auf Grund­la­ge des Dienst­zeit­aus­gleichser­las­ses ein zeit­li­cher Aus­gleich ge­währt wur­de, kei­ne Ar­beits­zeit im Sin­ne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Ar­beits­zeit zäh­len uni­ons­recht­lich sämt­li­che Zei­ten, die vom be­tref­fen­den Feu­er­wehr­be­am­ten im Rah­men von Ar­beits­be­reit­schaft und Be­reit­schafts­dienst in Form per­sön­li­cher An­we­sen­heit in der Dienst­stel­le ab­ge­leis­tet wor­den sind, un­ab­hän­gig da­von, wel­che Ar­beits­leis­tung er wäh­rend die­ses Diens­tes tat­säch­lich er­bracht hat (Eu­GH, Ur­teil vom 3. Ok­to­ber 2000 - C-303/98, Si­map - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Des­halb wird auch die ge­naue Be­stim­mung der Zahl der aus­zu­glei­chen­den Stun­den Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens sein. Nach dem uni­ons­recht­li­chen Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz muss da­nach vor­lie­gend je­de Stun­de, die der Klä­ger in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­rau­mes über 48 Stun­den hin­aus ge­ar­bei­tet hat, aus­ge­gli­chen wer­den, weil die Vor­aus­set­zun­gen für das von der Be­klag­ten gel­tend ge­mach­te "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie ge­zeigt - nicht vor­la­gen. Auch dies spricht nur für ei­nen Aus­gleich von tat­säch­lich und kon­kret er­brach­ter Zu­viel­ar­beit.

61 Der Geld­aus­gleich für die vom Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit ori­en­tiert sich an den je­weils gel­ten­den Stun­den­sät­zen der Ver­ord­nung über die Ge­wäh­rung von Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te in der Fas­sung der Be­kannt­ma­chung vom 3. De­zem­ber 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deut­lich, dass es um die kon­kret stun­den­be­zo­ge­ne Ab­rech­nung der Zu­viel­ar­beit geht und nicht um de­ren pau­scha­le Zu­grun­de­le­gung. Zwar un­ter­schei­den sich recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit und uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit tat­be­stand­lich. Recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit be­darf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der An­ord­nung oder Ge­neh­mi­gung, die nur ver­fügt oder er­teilt wer­den darf, wenn zwin­gen­de dienst­li­che Ver­hält­nis­se dies er­for­dern und sich die Mehr­ar­beit auf Aus­nah­me­fäl­le be­schränkt. Des Wei­te­ren darf an­ge­ord­ne­te oder ge­neh­mig­te Mehr­ar­beit die uni­ons­recht­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den im Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - au­ßer­halb der vom Uni­ons­recht vor­ge­se­he­nen Ver­fah­ren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht über­schrei­ten (BVer­wG, Ur­teil vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 14). Nur un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen liegt Mehr­ar­beit im dienst­recht­li­chen Sinn vor, die zeit­aus­gleichs- oder ver­gü­tungs­fä­hig ist. Da­ge­gen han­delt es sich bei rechts­wid­rig ge­leis­te­ter Zu­viel­ar­beit im öf­fent­li­chen Dienst­recht um die Dienst­zeit, die der Be­am­te über die uni­ons­recht­lich nach Ma­ß­ga­be der Ar­beits­zeitricht­li­nie und ih­rer Aus­nah­me­be­stim­mun­gen höchs­tens zu­läs­si­ge wö­chent­li­che Ar­beits­zeit hin­aus er­bringt. Sie ist ihm stets voll aus­zu­glei­chen, pri­mär durch Frei­zeit­aus­gleich, so­fern dies nicht mehr mög­lich ist, se­kun­där durch Geld­aus­gleich. Den­noch geht es in bei­den Fäl­len um den Aus­gleich für ei­ne über­ob­li­ga­ti­ons­mä­ßi­ge Her­an­zie­hung des Be­am­ten (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), so­dass für den Geld­aus­gleich auch in Fäl­len uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit in der Rechts­fol­ge die Stun­den­sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tungs­ver­ord­nung her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen.

62 Auf die Vor­schrif­ten über die Be­sol­dung kann hin­ge­gen nicht zu­rück­ge­grif­fen wer­den (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 39). Denn die Be­sol­dung ist kein Ent­gelt im Sin­ne ei­ner Ent­loh­nung für kon­kre­te Diens­te (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerf­GE 44, 249 <264>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>), son­dern die Ge­gen­leis­tung des Dienst­herrn da­für, dass sich der Be­am­te mit vol­lem per­sön­li­chen Ein­satz der Er­fül­lung sei­ner Dienst­pflich­ten wid­met (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerf­GE 21, 329 <345>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Ent­loh­nung von Ar­beits­stun­den, son­dern auf die Si­cher­stel­lung ei­ner amts­an­ge­mes­se­nen Le­bens­füh­rung ge­rich­tet.

63 9. Nach al­le­dem hat für den Se­nat kei­ne Ver­an­las­sung be­stan­den, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen, um ei­ne Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Uni­on nach Art. 267 AEUV ein­zu­ho­len. Dem Klä­ger steht für den Zeit­raum von Ja­nu­ar 2011 bis De­zem­ber 2012 stun­den­be­zo­ge­ner Geld­aus­gleich zu, für den die Be­klag­te nach Ma­ß­ga­be der Grund­sät­ze des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ein­zu­tre­ten hat, weil sie bei der vom Klä­ger kon­kret er­brach­ten Zu­viel­ar­beit den An­wen­dungs­vor­rang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 of­fen­kun­dig ver­letz­ten Nach­teils­ver­bots ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht be­ach­tet hat. Auf wei­te­re Fra­gen des Uni­ons­rechts hat es des­halb nicht mehr ent­schei­dungs­er­heb­lich an­kom­men kön­nen.

Ur­teil vom 20.07.2017 -
BVer­wG 2 C 36.16ECLI:DE:BVer­wG:2017:200717U2C36.16.0

Fi­nan­zi­el­le Ab­gel­tung uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit von Feu­er­wehr­be­am­ten; Dienst­ver­ein­ba­rung mit dem Per­so­nal­rat

Leit­sät­ze:

1. Es bleibt of­fen, ob un­ter "Ta­rif­ver­trag" und "Ver­ein­ba­rung zwi­schen So­zi­al­part­nern" i.S.v. Art. 18 Un­terabs. 1 und Art. 19 der RL 2003/88/EG, durch die ab­wei­chen­de Re­ge­lun­gen des Be­zugs­zeit­raums der uni­ons­recht­lich er­laub­ten wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit ge­trof­fen wer­den kön­nen, al­lein ent­spre­chen­de Ver­ein­ba­run­gen der Ta­rif­ver­trags­par­tei­en - in Ab­gren­zung zu sol­chen mit Be­triebs- und Per­so­nal­rä­ten - zu ver­ste­hen sind.

2. Die in § 21 Bb­gAZV­PFJ 2009 ge­trof­fe­ne (auf § 76 Abs. 2 Satz 1 LBG BB be­ru­hen­de) Re­ge­lung des Be­zugs­zeit­raums für die durch­schnitt­li­che Wo­chen­ar­beits­zeit von Be­am­ten des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes, die in Schich­ten Dienst leis­ten, steht als ab­schlie­ßen­de Re­ge­lung i.S.v. § 62 Abs. 6 Satz 2 Pers­VG BB ei­ner ab­wei­chen­den Re­ge­lung durch ei­ne Dienst­ver­ein­ba­rung ei­nes (kom­mu­na­len) Dienst­herrn mit ei­nem bei die­sem ge­bil­de­ten Per­so­nal­rat ent­ge­gen.

3. Im Üb­ri­gen (Rn. 9 bis 49, Rn. 55 bis 67, Rn. 69) Par­al­lel­ent­schei­dung zu dem mit Leit­sät­zen ver­se­he­nen Ur­teil vom sel­ben Tag - BVer­wG 2 C 31.16 -.

  • Rechts­quel­len
  • Zi­tier­vor­schlag

Ur­teil

BVer­wG 2 C 36.16

  • VG Cott­bus - 28.02.2013 - AZ: VG 5 K 914/11
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 32.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 20. Ju­li 2017
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung, Dr. Kennt­ner, Dol­lin­ger und Dr. Gün­ther
für Recht er­kannt:

  1. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen, so­weit mit ihr ein Geld­aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ok­to­ber 2007 bis 31. De­zem­ber 2010 gel­tend ge­macht wird. Die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 18. Ju­ni 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Cott­bus vom 28. Fe­bru­ar 2013 wer­den auf­ge­ho­ben, so­weit sie dem ent­ge­gen­ste­hen.
  2. Im Üb­ri­gen (hin­sicht­lich des Zeit­raums vom 1. Ja­nu­ar 2011 bis 31. De­zem­ber 2011) wird das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg auf­ge­ho­ben. In­so­weit wird die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.

Grün­de

I

1 Der Klä­ger, der im streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum bei der be­klag­ten Stadt als Feu­er­wehr­be­am­ter im 24-Stun­den-Schicht­dienst tä­tig war, be­gehrt fi­nan­zi­el­len Aus­gleich für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit.

2 Der von dem Klä­ger im Sep­tem­ber 2007 be­an­trag­ten Er­hö­hung sei­ner durch­schnitt­li­chen wö­chent­li­chen Ar­beits­zeit auf bis zu 56 Stun­den ent­sprach die Be­klag­te für die Zeit ab Ok­to­ber 2007. Den an sie im De­zem­ber 2010 ge­rich­te­ten An­trag des Klä­gers auf Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se auf Geld­aus­gleich für die von ihm seit dem 1. Ok­to­ber 2007 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus ver­rich­te­ten Dienst­zei­ten, be­schied die Be­klag­te nicht.

3 Auf die vom Klä­ger dar­auf­hin im De­zem­ber 2011 er­ho­be­ne Kla­ge hat das Ver­wal­tungs­ge­richt die Be­klag­te un­ter Ab­leh­nung des An­trags im Üb­ri­gen ver­ur­teilt, dem Klä­ger für die im Zeit­raum von Ok­to­ber 2007 bis De­zem­ber 2011 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus­ge­hend ge­leis­te­te Ar­beit 15 987,15 € nebst Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz ab Rechts­hän­gig­keit zu zah­len. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat das Ur­teil des Ver­wal­tungs­ge­richts un­ter Zu­rück­wei­sung der Be­ru­fung der Be­klag­ten auf die An­schluss­be­ru­fung des Klä­gers neu ge­fasst und die Be­klag­te ver­ur­teilt, an den Klä­ger für die von im Zeit­raum von Ok­to­ber 2007 bis De­zem­ber 2011 ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit ei­nen Be­trag von 16 147,20 € nebst Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins­satz ab dem Zeit­punkt der Rechts­hän­gig­keit zu zah­len. Zur Be­grün­dung hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt im We­sent­li­chen aus­ge­führt, dem Klä­ger ste­he der zu­ge­spro­che­ne Geld­aus­gleich in­fol­ge des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs we­gen Ver­let­zung der Ar­beits­zeitricht­li­nie zu. Ei­ne frei­wil­li­ge Zu­viel­ar­beit bei Über­schrei­tung der uni­ons­recht­lich höchst­zu­läs­si­gen Be­zugs­zeit­räu­me sei auch auf­grund von Aus­nah­me­vor­schrif­ten nicht vor­ge­se­hen.

4 Hier­ge­gen wen­det sich die vom Se­nat zu­ge­las­se­ne Re­vi­si­on der Be­klag­ten, mit der sie be­an­tragt,
die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 18. Ju­ni 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Cott­bus vom 28. Fe­bru­ar 2013 auf­zu­he­ben und die Kla­ge in vol­lem Um­fang ab­zu­wei­sen.

5 Der Klä­ger be­an­tragt,
die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen.

6 Der Ver­tre­ter des Bun­des­in­ter­es­ses beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt un­ter­stützt die Re­vi­si­on der Be­klag­ten.

II

7 Die Re­vi­si­on ist teil­wei­se be­grün­det. Das Be­ru­fungs­ur­teil ist auf­zu­he­ben. So­weit die Sa­che nicht vom Se­nat selbst ent­schie­den wer­den kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO), ist sie an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO). Die An­nah­men des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit set­ze kei­ne erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung durch den Be­trof­fe­nen vor­aus und ver­lan­ge nicht den Nach­weis der über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den hin­aus kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den, ver­let­zen re­vi­si­bles Recht. Des­halb ist die Kla­ge ab­zu­wei­sen, so­weit mit ihr fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ok­to­ber 2007 bis 31. De­zem­ber 2010 gel­tend ge­macht wird. Ob sich das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für den ver­blei­ben­den streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2011 bis zum 31. De­zem­ber 2011 aus an­de­ren Grün­den im Er­geb­nis ganz oder teil­wei­se als rich­tig dar­stellt (§ 144 Abs. 4 Vw­GO), kann der Se­nat man­gels hier­für aus­rei­chen­der tat­säch­li­cher Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts nicht ent­schei­den.

8 In dem Zeit­raum ab Ok­to­ber 2007 lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die Be­klag­te, die das vom Land Bran­den­burg er­las­se­ne Recht le­dig­lich an­wen­det, dem Grun­de nach vor (1.). Uni­ons­recht kann in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land durch Rechts­ver­ord­nun­gen um­ge­setzt wer­den (2.). § 4 Abs. 3 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit der Be­am­ten des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in den Feu­er­weh­ren und den Leit­stel­len der Land­krei­se im Land Bran­den­burg vom 3. Au­gust 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit für die Be­am­ten des Po­li­zei­voll­zugs­diens­tes, des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes und des Jus­tiz­voll­zugs­diens­tes des Lan­des Bran­den­burg vom 16. Sep­tem­ber 2009 (Bb­gAZV­PFJ, GVBl. II S. 686) set­zen Art. 22 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um. Sie ver­let­zen of­fen­kun­dig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Ver­bot, wo­nach kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten (3.). Die An­wen­dung die­ses mit Uni­ons­recht un­ver­ein­ba­ren Lan­des­rechts ist der be­klag­ten Stadt als Dienst­her­rin der Feu­er­wehr­be­am­ten an­zu­las­ten. Durch die An­wen­dung des den Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts nicht ge­nü­gen­den in­ner­staat­li­chen Rechts ist der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch auch ge­gen­über der Kom­mu­ne als Dienst­her­rin be­grün­det (4.). Der Dienst­herr muss aber le­dig­lich die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit aus­glei­chen, die der Be­rech­tig­te ab dem auf die erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet hat. Dies ist im Fall des Klä­gers erst für die Zeit ab Ja­nu­ar 2011 der Fall (5.). Auch aus den Dienst­ver­ein­ba­run­gen der Be­klag­ten mit dem Per­so­nal­rat ih­rer Stadt­ver­wal­tung über die Um­set­zung der Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen Feu­er­wehr (AZV Feu 2007 und Bb­gAZV­PFJ 2009) kön­nen die Be­tei­lig­ten nichts an­de­res her­lei­ten, weil sie für den hier ma­ß­geb­li­chen Zeit­raum ab Ja­nu­ar 2011 ge­gen die §§ 70 und 62 Abs. 6 Pers­VG BB ver­sto­ßen (6.). Der noch nicht ver­fal­le­ne Aus­gleichs­an­spruch ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit aus­ge­rich­tet. Da die­se Form des Aus­gleichs aus vom Klä­ger nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus­schei­det, wan­delt sich der Aus­gleichs­an­spruch in ei­nen sol­chen auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich (7.). Ob und ggf. in­wie­weit der Klä­ger Zu­viel­ar­beit ge­leis­tet hat, be­stimmt sich man­gels ei­ner an­der­wei­ti­gen Re­ge­lung durch den na­tio­na­len Norm­ge­ber nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (8.). Für den Geld­aus­gleich der Zu­viel­ar­beit sind die Sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te ma­ß­geb­lich. Der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich er­folgt da­nach nicht pau­schal nach der Dif­fe­renz zwi­schen der Höchst­ar­beits­zeit und der ge­neh­mig­ten Zu­viel­ar­beit. Er rich­tet sich viel­mehr nach den vom Be­am­ten kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den (9.). Das Be­ru­fungs­ge­richt hat dem Klä­ger al­lein ei­nen An­spruch auf Geld­aus­gleich für rechts­wid­rig ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit zu­ge­spro­chen, nicht aber ei­nen sol­chen für Mehr­ar­beit (10.). Die Ein­ho­lung ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on im Ver­fah­ren nach Art. 267 AEUV ist nicht ver­an­lasst (11.).

9 1. Die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die be­klag­te Stadt, die nicht für die Um­set­zung der Vor­ga­ben der Richt­li­nie durch den Er­lass von Rechts­nor­men zu­stän­dig ist, sind im Zeit­raum ab dem Jahr 2009 dem Grun­de nach ge­ge­ben. Denn die Be­klag­te hat die zur Um­set­zung von Art. 22 RL 2003/88/EG er­las­se­nen Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg an­ge­wen­det, ob­wohl für sie er­kenn­bar war, dass die­se Um­set­zung im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot un­zu­rei­chend ge­we­sen ist.

10 Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch setzt nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) vor­aus, dass die uni­ons­recht­li­che Norm, ge­gen die ver­sto­ßen wor­den ist, die Ver­lei­hung von Rech­ten an die Ge­schä­dig­ten be­zweckt (a), zwi­schen die­sem Ver­stoß und dem den Ge­schä­dig­ten ent­stan­de­nen Scha­den ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang be­steht (b) und der Ver­stoß ge­gen die­se Norm hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG tref­fen die Mit­glied­staa­ten die er­for­der­li­chen Maß­nah­men, da­mit nach Ma­ß­ga­be der Er­for­der­nis­se der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer die durch­schnitt­li­che Ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum 48 Stun­den ein­schlie­ß­lich der Über­stun­den nicht über­schrei­tet. Die­se Vor­schrift ver­leiht dem Ein­zel­nen Rech­te, die die­ser nach Ab­lauf der Frist zur Um­set­zung der wort­glei­chen Vor­gän­ger­be­stim­mung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Ar­beits­zeit­recht der Be­klag­ten un­mit­tel­bar vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend ma­chen kann (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ro­päi­schen Uni­on, der ge­mäß Art. 6 Abs. 1 EUV der glei­che Rang wie den Ver­trä­gen zu­er­kannt ist (stRspr, zu­letzt Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2016 - C-178/15, Sob­c­zys­zyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. No­vem­ber 2015 - C-219/14, Green­field - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Ar­beit­neh­mer kei­ne wei­ter­ge­hen­den Schutz­rech­te her­lei­ten (zum ein­heit­li­chen Ar­beit­neh­mer­be­griff von Richt­li­nie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: Eu­GH, Ur­teil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fe­noll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wo­nach je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer u.a. das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit hat, ge­währ­leis­tet auf­grund der Un­be­stimmt­heit sei­nes Wort­lauts kei­ne wei­ter­ge­hen­den In­di­vi­du­al­rech­te.

12 Ge­mäß der Aus­nah­me­vor­schrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mit­glied­staa­ten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zu­läs­si­ge Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum nor­miert wird, un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen nicht an­zu­wen­den. Ein sol­ches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur mög­lich, wenn die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­ge­hal­ten wer­den und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für ge­sorgt wird, dass kein Ar­beit­ge­ber von dem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn, der Ar­beit­neh­mer ist frei­wil­lig da­zu be­reit, und dass ihm im Wei­ge­rungs­fall kei­ne Nach­tei­le ent­ste­hen.

13 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur der­zei­ti­gen Ar­beits­schutz­richt­li­nie RL 2003/88/EG, eben­so wie zu der Vor­gän­ger­richt­li­nie RL 1993/104/EG, sind ab­wei­chen­de Be­stim­mun­gen als Aus­nah­men von der Ge­mein­schafts­re­ge­lung über die Ar­beits­zeit­ge­stal­tung - wie hier Art. 22 der Richt­li­nie - so aus­zu­le­gen, dass ihr An­wen­dungs­be­reich auf das zur Wah­rung der In­ter­es­sen, de­ren Schutz sie er­mög­li­chen, un­be­dingt Er­for­der­li­che be­grenzt wird (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 2003 - C-151/02, Jae­ger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31; eben­so Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vor­ga­ben in den Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar for­mell wirk­sam (sie­he un­ten 2.), aber in­halt­lich in­fol­ge Nicht­be­ach­tung des Nach­teils­ver­bots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um­ge­setzt (sie­he un­ten 3.). Dies ver­letzt den Klä­ger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Rech­ten. Die be­klag­te Stadt hat die­se im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot uni­ons­rechts­wid­ri­gen Vor­schrif­ten an­ge­wandt und da­mit ih­rer­seits den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch des Klä­gers aus­ge­löst (sie­he un­ten 4.).

15 b) Zwi­schen dem Ver­stoß ge­gen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Scha­den, der dem Klä­ger durch die uni­ons­rechts­wid­rig er­brach­te Zu­viel­ar­beit ent­stan­den ist, be­steht auch ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang. Un­er­heb­lich ist, dass die­se Zu­viel­ar­beit des Klä­gers und der da­mit ver­bun­de­ne Ver­lust an Frei­zeit und Er­ho­lungs­zeit nach na­tio­na­lem Recht kei­nen Scha­den im Sin­ne des zi­vil­recht­li­chen Scha­dens­er­satz­rechts dar­stel­len. Ma­ß­geb­lich ist in­so­weit al­lein auf das Uni­ons­recht ab­zu­stel­len, das hier­in ei­nen Scha­den sieht (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 so­wie Te­nor 1 und 4; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Dar­über hin­aus ist der Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht auch hin­rei­chend qua­li­fi­ziert, um den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch zu be­grün­den. Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ist das der Fall, wenn der Mit­glied­staat die Gren­zen, die sei­nem Er­mes­sen ge­setzt sind, of­fen­kun­dig und er­heb­lich über­schrit­ten hat, wo­bei zu den in­so­weit zu be­rück­sich­ti­gen­den Ge­sichts­punk­ten ins­be­son­de­re das Maß an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der ver­letz­ten Vor­schrift so­wie der Um­fang des Er­mes­sens­spiel­raums ge­hö­ren, den die ver­letz­te Vor­schrift den na­tio­na­len Be­hör­den be­lässt (Eu­GH, Ur­tei­le vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Bras­se­rie du pêcheur und Fac­tor­ta­me - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Ja­nu­ar 2007 - C-278/05, Ro­bins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 so­wie Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVer­wG, Ur­teil vom 30. Ok­to­ber 2014 - 2 C 3.13 - Buch­holz 245 Lan­des­BesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qua­li­fi­zier­ter Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht zu­las­ten des Klä­gers liegt im Hin­blick auf das von der Be­klag­ten zu be­ach­ten­de Nach­teils­ver­bot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (sie­he 3.a).

17 Für den Zeit­raum ab dem Jahr 2009 sind zu­gleich grund­sätz­lich die Vor­aus­set­zun­gen des dienst­recht­li­chen Aus­gleichs­an­spruchs aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ge­ge­ben (BVer­wG, Ur­tei­le vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buch­holz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26). Die bei­den An­sprü­che sind hin­sicht­lich der Ver­jäh­rung so­wie der Rechts­fol­gen gleich­ge­rich­tet (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. In­ner­staat­li­che Rechts­vor­schrif­ten, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - ei­ne Richt­li­nie der Eu­ro­päi­schen Uni­on in deut­sches Recht um­set­zen, sind am Maß­stab des Uni­ons­rechts zu mes­sen, so­weit die Richt­li­nie den Mit­glied­staa­ten kei­nen Um­set­zungs­spiel­raum lässt, son­dern zwin­gen­de Vor­ga­ben macht (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 22. Ok­to­ber 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerf­GE 73, 339 <387>, vom 7. Ju­ni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerf­GE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerf­GE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerf­GE 121, 1 <15>, vom 14. Ok­to­ber 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerf­GE 122, 1 <20> und vom 21. Sep­tem­ber 2016 - 2 BvL 1/15 - ju­ris Rn. 32). Den Mit­glied­staa­ten steht es un­ter den in Art. 22 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­si­gen Höchst­ar­beits­zeit für Ar­beit­neh­mer ab­zu­wei­chen. Da­für müs­sen sie Rechts­nor­men er­las­sen (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richt­li­nie ga­ran­tier­ten all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ge­währ­leis­ten und die dar­über hin­aus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Kri­te­ri­en ge­nü­gen. Für die Trans­for­ma­ti­on von Uni­ons­recht in in­ner­staat­li­ches Recht kom­men so­wohl for­mel­le Ge­set­ze als auch Rechts­ver­ord­nun­gen in Be­tracht (vgl. nur Ruf­fert, in: Cal­liess/Ruf­fert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schro­eder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 je­weils m.w.N.). Da­mit rich­tet sich die Uni­ons­rechts­kon­for­mi­tät der frag­li­chen Rechts­ver­ord­nun­gen in­so­weit al­lein da­nach, ob die­se nach in­ner­staat­li­chem Recht ei­ne hin­rei­chen­de Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge ha­ben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - eben­so wie sei­ne in­halts­glei­che Vor­gän­ger­norm in § 143 und § 134 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 8. Ok­to­ber 1999 (GVBl. I S. 446) - er­mäch­tigt die zu­stän­di­gen Mit­glie­der der Lan­des­re­gie­rung aus­drück­lich, die Ar­beits­zeit der Po­li­zei- und Jus­tiz­voll­zugs­be­am­ten so­wie die des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in ei­ner Rechts­ver­ord­nung zu re­geln. Da­mit ist so­wohl dem uni­ons­recht­li­chen Rechts­norm­vor­be­halt als auch dem in­ner­staat­li­chen Ge­set­zes­vor­be­halt Ge­nü­ge ge­tan.

19 3. § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und sei­ne Nach­fol­ger­vor­schrift, der wort­lauti­den­tisch bis zum 31. Ju­li 2014 gel­ten­de § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009, be­stim­men, dass auf An­trag des Be­am­ten über den Rah­men von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus Schicht­dienst bis zu 56 Stun­den un­ter Be­ach­tung der all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes als durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Ar­beits­zeit be­wil­ligt wer­den kann. Die Be­wil­li­gung kann aus dienst­li­chen Grün­den zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jahrs mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen wer­den. Der Be­am­te ist auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit schrift­lich hin­zu­wei­sen. Er kann sei­nen An­trag zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jah­res mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen.

20 a) So­wohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 set­zen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hin­rei­chend um. Da­nach hat ein Mit­glied­staat, der von die­ser Aus­nah­me­vor­schrift Ge­brauch ma­chen möch­te, mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für zu sor­gen, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, ei­ner über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hin­aus­ge­hen­den Ar­beit nach­zu­ge­hen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" da­mit un­ter den Vor­be­halt, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, aus den in der Ar­beits­zeitricht­li­nie fest­ge­leg­ten Ar­beits­zeit­höchst­gren­zen "aus­zu­tre­ten" oder "hin­aus­zu­op­tie­ren" (Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­ho­fes der Eu­ro­päi­schen Uni­on er­for­dert die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie nicht ei­ne förm­li­che und wört­li­che Über­nah­me ih­rer Be­stim­mun­gen in ei­ne aus­drück­li­che, be­son­de­re Rechts­vor­schrift. Ihr kann viel­mehr durch ei­nen all­ge­mei­nen recht­li­chen Kon­text Ge­nü­ge ge­tan wer­den, wenn die­ser tat­säch­lich die voll­stän­di­ge An­wen­dung der Richt­li­nie hin­rei­chend klar und be­stimmt ge­währ­leis­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on ist je­doch er­for­der­lich, dass die Rechts­la­ge hin­rei­chend be­stimmt, klar und trans­pa­rent ist und die Be­güns­tig­ten in die La­ge ver­setzt, von al­len ih­ren Rech­ten Kennt­nis zu er­lan­gen und die­se ggf. vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend zu ma­chen (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vor­ga­be, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nor­mier­te Nach­teils­ver­bot in in­ner­staat­li­ches Recht um­zu­set­zen, wer­den we­der § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ge­recht. In bei­den Vor­schrif­ten fehlt ein Hin­weis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Nach­teils­ver­bot. Da­durch wird des­sen prak­ti­sche Wirk­sam­keit ge­schwächt, weil der Ar­beit­neh­mer nicht hin­rei­chend klar er­ken­nen kann, dass er sich, nach der Er­klä­rung sei­ner­seits an der Höchst­ar­beits­zeit ge­mäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­hal­ten zu wol­len, et­wa ge­gen nach­tei­li­ge Dienst­plan­ge­stal­tun­gen mit Er­folg zur Wehr set­zen kann (Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nach­teils­ver­bot, das mit Blick auf den Schutz­cha­rak­ter der Ar­beits­zeitricht­li­nie we­sent­li­che Be­deu­tung hat, kommt auch nicht in sons­ti­gen im Be­reich des Lan­des Bran­den­burg gel­ten­den ver­öf­fent­lich­ten Rechts­vor­schrif­ten, wie ins­be­son­de­re den Be­am­ten­ge­set­zen, in die der in­so­weit be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer et­wa Ein­sicht neh­men könn­te, mit hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit, Klar­heit und Trans­pa­renz zum Aus­druck. Das gilt ins­be­son­de­re für die - le­dig­lich als Ge­ne­ral­klau­sel for­mu­lier­te - be­am­ten­recht­li­che Für­sor­ge­pflicht ge­mäß § 45 Be­amtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zu­dem wä­re, selbst wenn man un­ter­stellt, dass sol­che Rechts­vor­schrif­ten vor­han­den sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den bran­den­bur­gi­schen Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen hin­zu­wei­sen. Dar­an fehlt es eben­falls. An­de­ren­falls wä­re der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer, der ty­pi­scher­wei­se ge­ra­de über kei­ne ver­tief­ten ju­ris­ti­schen Kennt­nis­se ver­fügt, nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge, die er­for­der­li­che in­halt­li­che Ver­knüp­fung zwi­schen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den na­tio­na­len Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeit­ver­ord­nung und dem an an­de­rer Stel­le nor­mier­ten Nach­teils­ver­bot her­zu­stel­len. So wä­re et­wa der be­güns­tig­te (be­am­te­te) Ar­beit­neh­mer nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge zu er­ken­nen, dass sei­ne - aus dienst­li­chen Grün­den mög­li­che - Um­set­zung oder auch nur ei­ne ihm nach­tei­li­ge Dienst­plan­än­de­rung dem Nach­teils­ver­bot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG un­ter­fällt, wenn sie des­halb er­folgt, weil er nicht be­reit ist, über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit­gren­ze von 48 Stun­den hin­aus zu ar­bei­ten (sie­he so auch Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on, Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Des­halb grei­fen die Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen so­wohl des Bun­des und meh­re­rer an­de­rer Bun­des­län­der, die von der Öff­nungs­klau­sel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Ge­brauch ge­macht ha­ben, das Nach­teils­ver­bot ge­ra­de aus­drück­lich auf (vgl. et­wa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzV­BY vom 5. Ja­nu­ar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZ­VO vom 30. De­zem­ber 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZ­VO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZ­VOFeu NW vom 1. Sep­tem­ber 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 Säch­s­AZ­VO vom 28. Ja­nu­ar 2008, GVBl. S. 198). Her­vor­zu­he­ben ist, dass auch das Recht des Lan­des Bran­den­burg nun­mehr - mit Wir­kung ab dem 1. Au­gust 2014 - das Nach­teils­ver­bot in § 21 Abs. 4 Satz 2 Bb­gAZV­PFJ vom 10. Ju­li 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) aus­drück­lich nennt. Dar­an fehlt es - für den hier streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009.

26 b) Steht da­mit die un­voll­stän­di­ge Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­deu­tig und klar fest, kommt es auf die wei­te­re Fra­ge, ob die­se Be­stim­mun­gen der bei­den ge­nann­ten Rechts­ver­ord­nun­gen dar­über hin­aus auch den An­for­de­run­gen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG of­fen­kun­dig nicht ge­recht wer­den, vor­lie­gend nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich an. Der Se­nat hält die­se Fra­ge für of­fen.

27 aa) Maß­st­abs­bil­den­de Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur Fra­ge der Not­wen­dig­keit ei­nes Be­zugs­zeit­raums und zur Aus­le­gung des Be­griffs "im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vor­gän­ger­richt­li­nie gibt es für den Fall des "Opt-out" bis­lang nicht. Das gilt auch für das Ur­teil des Ge­richts­hofs vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Die­ses Ur­teil be­zieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vor­gän­ger­richt­li­nie 1993/104/EG, der al­ler­dings im We­sent­li­chen mit Art. 22 RL 2003/88/EG ver­gleich­bar ist. In die­sem Ur­teil führt der Ge­richts­hof aber nur aus, dass die In­an­spruch­nah­me der Mög­lich­keit, die Grund­satz­norm des Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, vor­aus­setzt, dass die Mit­glied­staa­ten die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hal­ten und be­stimm­te - in der Richt­li­nie ge­nann­te - ku­mu­la­ti­ve Vor­aus­set­zun­gen er­fül­len. Für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums folgt dar­aus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum" die Re­de ist.

28 Die in­ner­staat­li­che Recht­spre­chung zu die­ser Fra­ge ist un­ein­heit­lich (be­ja­hend: OVG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­tei­le vom 18. Ju­ni 2015 - OVG 6 B 19.15 - ju­ris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - ju­ris Rn. 25; ver­nei­nend: VG Mün­chen, Ur­teil vom 18. Ok­to­ber 2016 - M 5 K 14.5855 - ju­ris Rn. 32; VG Aa­chen, Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2016 - 1 K 2244/14 - ju­ris Rn. 32).

29 Ei­ner­seits gibt es Ar­gu­men­te, die da­für spre­chen, ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur un­ter Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums zu­zu­las­sen. Der Wort­laut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könn­te in deut­scher Sprach­fas­sung dar­auf hin­deu­ten, dass es den Mit­glied­staa­ten ob­liegt, ei­nen (bis zu vier­mo­na­ti­gen) Be­zugs­zeit­raum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu re­geln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG be­stimmt, dass es ei­nem Mit­glied­staat frei­ge­stellt ist, Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, wenn er die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hält und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für sorgt, dass kein Ar­beit­ge­ber von ei­nem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn der Ar­beit­neh­mer hat sich hier­zu be­reit er­klärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Wei­te­ren vor, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass "der Ar­beit­ge­ber die zu­stän­di­gen Be­hör­den [...] dar­über un­ter­rich­tet, wel­che Ar­beit­neh­mer sich da­zu be­reit er­klärt ha­ben, im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten".

30 Auch aus der Norm­sys­te­ma­tik las­sen sich Grün­de für die Not­wen­dig­keit, ei­nen Be­zugs­zeit­raum nach Ma­ß­ga­be von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Fal­le des "Opt-out" zu re­geln, her­lei­ten. Sys­te­ma­tisch spricht der Zu­sam­men­hang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Er­for­der­nis ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Zu den un­ab­hän­gig vom Ein­ver­ständ­nis des Ar­beit­neh­mers zu re­geln­den Vor­ga­ben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­hört, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass ein Ar­beit­neh­mer die Mög­lich­keit hat, nur durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den zu ar­bei­ten. Da­für wä­re die Re­ge­lung je­den­falls ei­nes Be­zugs­zeit­raums hilf­reich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­währ­leis­ten, dass die Mit­glied­staa­ten ei­ne Gren­ze für die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit re­geln, um so zum Ar­beits- und Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer bei­zu­tra­gen (EFTA-Ge­richts­hof, Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein sol­cher Schutz wür­de oh­ne die Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums für den Durch­schnitt der Wo­chen­ar­beits­zeit er­schwert. Der durch die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit be­zweck­te Schutz ist um­so in­ten­si­ver, je kür­zer der für den Durch­schnitt ma­ß­geb­li­che Be­zugs­zeit­raum ist. Be­son­ders in­ten­siv ist er, wenn der Be­zugs­zeit­raum nur ei­ne Wo­che be­trägt, weil es dann un­mög­lich ist, ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit ei­ner Wo­che durch ge­rin­ge­re Ar­beits­zei­ten an­de­rer Wo­chen "weg­zu­rech­nen". Ein ma­xi­ma­ler Schutz in die­sem Sin­ne wä­re mit­hin da­durch zu er­rei­chen, dass bei Feh­len ei­ner Re­ge­lung des Be­zugs­zeit­raums der kon­kre­te Sie­ben­ta­ges­zeit­raum ma­ß­geb­lich ist. Die­se Rechts­fol­ge tritt bei Feh­len ei­ner Be­zugs­zeit­raum­re­ge­lung ein, so­lan­ge Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG An­wen­dung fin­det (BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zu­las­sung ei­ner oh­ne Be­zugs­zeit­raum mög­li­chen und da­mit un­li­mi­tier­ten Höchst­ar­beits­zeit könn­te zu­dem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh wi­der­spre­chen, der be­stimmt, dass je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit, auf täg­li­che und wö­chent­li­che Ru­he­zei­ten so­wie auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hat (vgl. Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Fer­ner ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass auch ein recht­mä­ßi­ges "Opt-out" ge­mäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Er­for­der­nis der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­freit, aber nicht von den täg­li­chen und wö­chent­li­chen Min­dest­ru­he­zei­ten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ru­he­pau­sen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Be­schrän­kun­gen der Nacht­ar­beit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dis­pen­siert. Des­halb ist die Fest­stel­lung der Kom­mis­si­on in ih­ren ak­tu­el­len An­wen­dungs­hin­wei­sen zu Aus­le­gungs­fra­gen der Ar­beits­zeitricht­li­nie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zu­tref­fend, dass, be­rück­sich­tigt man nur den Zeit­raum der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit, die in der Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­nen Min­dest­zeit­räu­me der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit von den ins­ge­samt 168 Stun­den (24 Stun­den x 7 Ta­ge) ei­ner Wo­che be­reits durch­schnitt­lich 90 Ru­he­stun­den be­deu­ten (6 Ta­ge x 11 Stun­den täg­li­che Ru­he­zeit + 24 Stun­den wö­chent­li­che Ru­he­zeit). Dem­zu­fol­ge dürf­te un­ter Be­rück­sich­ti­gung von Ru­he­zei­ten, Ru­he­pau­sen und der mög­li­chen stren­ge­ren Be­schrän­kun­gen im Fall von Nacht­ar­beit die Ar­beits­zeit auch im Fal­le ei­ner recht­mä­ßi­gen Aus­nah­me­re­ge­lung nach Art. 22 RL 2003/88/EG ei­nen Durch­schnitt von 78 Stun­den pro Wo­che nicht über­schrei­ten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 An­de­rer­seits wirft die kon­kre­te Be­stim­mung ei­nes Be­zugs­zeit­raums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ei­ne Viel­zahl von bis­lang un­ge­klär­ten uni­ons­recht­li­chen Fra­gen auf. So ist zu­nächst un­klar, ob es zur abs­trakt-ge­ne­rel­len Re­ge­lung der Mög­lich­keit ei­ner "Opt-out"-Ver­ein­ba­rung ei­nes be­son­de­ren Be­zugs­zeit­raums be­darf. Der Hin­weis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum könn­te näm­lich auch dar­auf hin­deu­ten, dass da­mit der längs­te vom Mit­glied­staat fest­zu­le­gen­de Be­zugs­zeit­raum ge­meint ist. Da­für könn­te auch nach der deut­schen Sprach­fas­sung des Richt­li­ni­en­tex­tes spre­chen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Zeit­raum" die Re­de ist und nicht von dem "nach Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) fest­ge­setz­ten Be­zugs­zeit­raum".

34 Des Wei­te­ren stel­len sich norm­sys­te­ma­ti­sche Fra­gen nach dem Ver­hält­nis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ver­weist wört­lich be­trach­tet al­lein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Zeit­raum, so­dass frag­lich ist, ob er auch die Fest­set­zun­gen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richt­li­nie er­fasst, in de­nen - je­weils un­ter be­son­de­ren Vor­aus­set­zun­gen - an­de­re Be­zugs­zeit­räu­me be­nannt wer­den. Da­bei ist ins­be­son­de­re zu be­rück­sich­tig­ten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Ver­hält­nis zu Art. 16 RL 2003/88/EG un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen län­ge­re Be­zugs­zeit­räu­me von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Mo­na­ten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) er­öff­nen.

35 Die For­mu­lie­rung der ver­schie­de­nen Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie ist je nach Sprach­fas­sung und auch in­ner­halb ein­zel­ner Sprach­fas­sun­gen nach den Aus­füh­run­gen der Schluss­an­trä­ge der Ge­ne­ral­an­wäl­tin Ko­kott im Ver­fah­ren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) un­ein­heit­lich. Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on müs­sen aber die Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts im Licht der Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on ein­heit­lich aus­ge­legt und an­ge­wandt wer­den. Wei­chen die ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen ei­nes Rechts­tex­tes der Uni­on von­ein­an­der ab, muss die frag­li­che Vor­schrift an­hand der all­ge­mei­nen Sys­te­ma­tik und des Zwecks der Re­ge­lung aus­ge­legt wer­den, zu der sie ge­hört (Eu­GH, Ur­tei­le vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ER­GO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Os­so - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Not­wen­dig­keit ei­ner ein­heit­li­chen An­wen­dung und da­mit ei­ner ein­heit­li­chen Aus­le­gung der Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts schlie­ßt es da­nach aus, ei­ne Vor­schrift in ei­ner ih­rer Fas­sun­gen iso­liert zu be­trach­ten, son­dern ge­bie­tet es, sie an­hand des wirk­li­chen Wil­lens ih­res Norm­ge­bers und des von ihm ver­folg­ten Zwecks na­ment­lich im Licht ih­rer Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on aus­zu­le­gen. Ei­ne ab­wei­chen­de Sprach­fas­sung kann des­halb nicht al­lein ge­gen­über al­len an­de­ren Sprach­fas­sun­gen den Aus­schlag ge­ben (EuG-Rechts­mit­tel­kam­mer, Ur­teil vom 8. No­vem­ber 2012 - T-268/11 P - ju­ris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Un­ein­heit­lich­keit in den ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hin­zu­wei­sen. Die Fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG wei­sen in eng­li­scher, fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung je­weils klei­ne Be­son­der­hei­ten auf, die bei der Aus­le­gung der Norm zu be­rück­sich­ti­gen sein könn­ten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lau­tet in eng­li­scher Fas­sung: "for the ap­pli­ca­ti­on of Ar­ti­cle 6 (ma­xi­mum weekly working time), a re­fe­rence pe­ri­od not ex­cee­ding four months", al­so um ei­nen Be­zugs­zeit­raum, der vier Mo­na­te nicht über­schrei­ten darf, wäh­rend es in fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung im Gleich­klang um ei­nen Be­zugs­zeit­raum von bis zu vier Mo­na­ten ("une pe­ri­ode de re­fe­rence ne de­pas­sant pas quat­re mois") geht. Wei­ter hei­ßt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in eng­li­scher Fas­sung "du­ra­ti­on of the working time", wäh­rend sich die fran­zö­si­sche und deut­sche Fas­sung des Norm­tex­tes je­weils mit den Wor­ten "la du­ree du temps de tra­vail" oder mit dem Wort "Ar­beits­zeit" be­gnügt. Die eng­li­sche Fas­sung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG dar­über hin­aus nur von Ta­rif­ver­trä­gen (collec­ti­ve agree­ments) und Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen bei­den Sei­ten der In­dus­trie (the two si­des of in­dus­try) wäh­rend im fran­zö­si­schen und deut­schen Text der Richt­li­nie an die­ser Stel­le von "con­ven­ti­ons collec­ti­ves"/"Ta­rif­ver­trä­gen" und "ac­cords con­clus ent­re par­ten­aires so­ci­aux"/"So­zi­al­part­nern" ge­spro­chen wird. In die­sem Zu­sam­men­hang ist auch zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Kom­mis­si­on in ih­rer ak­tu­el­len Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) aus­drück­lich dar­auf hin­weist, dass die Richt­li­nie we­der den Be­griff "Ta­rif­ver­trag" de­fi­niert noch nä­her er­läu­tert, was "Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern auf na­tio­na­ler und re­gio­na­ler Ebe­ne" sind, mit der Fol­ge, dass die­se Be­grif­fe durch na­tio­na­le Rechts­vor­schrif­ten und Ge­pflo­gen­hei­ten nä­her zu be­stim­men sei­en (ABl. EU Nr. C 165/49). Schlie­ß­lich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf­merk­sam zu ma­chen. Dort hei­ßt es in der eng­li­schen Fas­sung am En­de "un­less he has first ob­tai­ned the worker’s agree­ment to per­form such work”, wäh­rend es nach der fran­zö­si­schen und deut­schen Text­fas­sung aus­reicht, dass sich der Ar­beit­neh­mer be­reit er­klärt hat, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten.

37 All die­se sprach­li­chen Un­eben­hei­ten las­sen sich norm­sys­te­ma­tisch und te­leo­lo­gisch zwar un­ter Rück­füh­rung dar­auf ver­ein­heit­li­chen, dass der Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on in den Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie über die Min­dest­ru­he­zei­ten und die Höchst­ar­beits­zei­ten "be­son­ders wich­ti­ge Re­geln des So­zi­al­rechts der Ge­mein­schaft" sieht. Die­se Re­geln müs­sen je­dem Ar­beit­neh­mer als ein zum Schutz sei­ner Si­cher­heit und sei­ner Ge­sund­heit be­stimm­ter Min­dest­an­spruch zu­gu­te­kom­men (vgl. z.B. Eu­GH, Ur­tei­le vom 7. Sep­tem­ber 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Ok­to­ber 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Des­halb be­grenzt der Ge­richts­hof die den Mit­glied­staa­ten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mög­li­che Ab­wei­chungs­mög­lich­keit u.a. von der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit für Fäl­le, in de­nen die Ar­beits­zeit we­gen der be­son­de­ren Merk­ma­le der aus­ge­üb­ten Tä­tig­keit nicht ge­mes­sen und oder nicht im Vor­aus fest­ge­legt wird oder von den Ar­beit­neh­mern selbst fest­ge­legt wer­den kann, auf das zum Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer "un­be­dingt Er­for­der­li­che" (Eu­GH, Ur­teil vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31).

38 Dar­aus aber den für den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch er­for­der­li­chen wei­te­ren Schluss zu zie­hen, ein Mit­glied­staat ver­sto­ße hin­rei­chend qua­li­fi­ziert und da­mit of­fen­kun­dig ge­gen ei­ne uni­ons­recht­li­che Norm, wenn er ei­ne "Opt-out"-Ent­schei­dung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, oh­ne zu­gleich ei­nen Be­zugs­zeit­raum im Sin­ne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­zu­le­gen, ist dem Se­nat man­gels des er­for­der­li­chen Ma­ßes an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der als ver­letzt gel­ten­den Vor­schrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht mög­lich.

39 bb) Eben­so ver­hält es sich mit der wei­te­ren Fra­ge der Frei­wil­lig­keit der nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs (Eu­GH, Ur­teil vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 u.a., Pfeif­fer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) not­wen­dig in­di­vi­du­el­len Be­reit­schafts­er­klä­rung ei­nes Ar­beit­neh­mers. Hier geht es um den schrift­li­chen An­trag des Klä­gers vom Sep­tem­ber 2007, Zu­viel­ar­beit im Sin­ne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leis­ten zu dür­fen. Wäh­rend die Frei­wil­lig­keit und In­di­vi­dua­li­tät der Be­reit­schafts­er­klä­rung des Klä­gers un­zwei­fel­haft sind, stellt sich die Fra­ge der Ver­ein­bar­keit mit Uni­ons­recht im Hin­blick auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit die­ser Er­klä­rung oder die­ses An­trags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009. Der Richt­li­ni­en­text ent­hält kei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung über das "ob" und das "wie" ei­nes die Be­reit­schafts­er­klä­rung be­tref­fen­den Wi­der­rufs­rechts des Ar­beit­neh­mers. Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu Mög­lich­keit und Mo­da­li­tä­ten ei­nes Wi­der­rufs ist nicht er­sicht­lich. Der EFTA-Ge­richts­hof hat im Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - (ju­ris) nur ent­schie­den, dass der ge­ne­rel­le Wi­der­rufsau­schluss ei­ner ein­mal wirk­sam ge­ge­be­nen Be­reit­schafts­er­klä­rung im Ein­zel­fall ei­ne Ver­let­zung der Richt­li­nie be­grün­den kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 vor­ge­se­he­ne Wi­der­rufs­mög­lich­keit mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten zum Ab­lauf des Ka­len­der­jah­res den An­for­de­run­gen an die je­der­zei­ti­ge Frei­wil­lig­keit der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit ge­nügt, kann hier un­ent­schie­den blei­ben. Da­für könn­te die Tat­sa­che spre­chen, dass der Richt­li­ni­en­text für die Fra­ge des Wi­der­rufs und der Wi­der­rufs­frist ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit kei­ne aus­drück­li­chen Vor­ga­ben macht. Da­ge­gen lie­ße sich in­des norm­sys­te­ma­tisch und am Zweck des Ar­beits­zeit­schut­zes ori­en­tiert für ei­nen mög­li­chen Gleich­lauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ma­xi­ma­len Be­zugs­zeit­raums von vier Mo­na­ten und der Frist für den Wi­der­ruf ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit ar­gu­men­tie­ren (so et­wa Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tat­sa­che, dass der bun­des­deut­sche Ge­setz­ge­ber in Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Wi­der­rufs­frist für nicht be­am­te­te Ar­beit­neh­mer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fas­sung vom 24. De­zem­ber 2003 (BGBl. I S. 3002) ge­ne­rell auf sechs Mo­na­te oh­ne Be­gren­zung auf das Jah­res­en­de be­stimmt hat (vgl. da­zu nä­her Wank, in: Mül­ler-Glö­ge/Preis/Schmidt, Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könn­te ge­gen ei­ne ma­xi­mal 15 Mo­na­te lau­fen­de Wi­der­rufs­frist - Wi­der­ruf am 1. Ok­to­ber, Frist­ab­lauf am 31. De­zem­ber des Fol­ge­jah­res - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­ge­wandt wer­den. Dies zeigt: Auch die Fra­ge, ob die Vor­ga­ben des streit­ge­gen­ständ­li­chen bran­den­bur­gi­schen Lan­des­rechts zur Ar­beits­zeit für Feu­er­wehr­be­am­te in der Zeit zwi­schen 2007 (In­kraft­tre­ten von § 4 AZV Feu 2007 im Au­gust 2007) und 2014 (In­kraft­tre­ten von § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2014 im Au­gust 2014) den An­for­de­run­gen der Frei­wil­lig­keit für die Dau­er der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­nü­gen, lässt sich auf­grund ei­ner Nor­m­aus­le­gung nach Wort­laut, Sys­te­ma­tik und Zweck nicht hin­rei­chend ein­deu­tig und klar be­ant­wor­ten.

41 cc) Die Text­ana­ly­se schlie­ßt es nach al­le­dem aus, hin­sicht­lich der Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fra­gen der Not­wen­dig­keit von Be­zugs­zeit­räu­men und den An­for­de­run­gen an die Frei­wil­lig­keit für den Wi­der­ruf von Ein­ver­ständ­nis­er­klä­run­gen zur Zu­viel­ar­beit hin­sicht­lich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 von ei­nem "hin­rei­chend qua­li­fi­zier­ten Ver­stoß" ge­gen das Uni­ons­recht im Sinn des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs aus­zu­ge­hen.

42 4. Un­ge­ach­tet der evi­dent un­zu­rei­chen­den Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Re­ge­lung der Ar­beits­zeit von kom­mu­na­len Feu­er­wehr­be­am­ten zu­stän­di­gen Lan­des­ge­setz­ge­ber ist die be­klag­te Stadt hier als Nor­m­an­wen­der auf­grund des An­wen­dungs­vor­rangs des Uni­ons­rechts ge­hal­ten ge­we­sen, die Vor­ga­ben der Richt­li­nie zu be­fol­gen und ent­ge­gen­ste­hen­des Lan­des­recht un­an­ge­wen­det zu las­sen. Die Be­klag­te hät­te er­ken­nen müs­sen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 klar und ein­deu­tig die Vor­ga­be ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ver­let­zen, weil es die­sen Rechts­ver­ord­nun­gen an ei­ner Vor­schrift fehlt, die ge­währ­leis­tet, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, Zu­viel­ar­beit zu leis­ten. Ein Trä­ger öf­fent­li­cher Ge­walt ist auch in sei­ner Ei­gen­schaft als öf­fent­li­cher Ar­beit­ge­ber zur An­wen­dung des Uni­ons­rechts ver­pflich­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Im­pact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Da­nach hat die Be­klag­te in ih­rer Ei­gen­schaft als Dienst­her­rin des Klä­gers durch Nicht­be­ach­tung des An­wen­dungs­vor­rangs der EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ge­gen das Uni­ons­recht ver­sto­ßen. Dass sie in­ner­staat­lich die Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des im Rah­men ih­rer Auf­ga­ben der mit­tel­ba­ren Staats­ver­wal­tung zu be­fol­gen hat­te, än­dert dar­an nichts.

43 5. Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit setzt - wie der na­tio­na­le dienst­recht­li­che Aus­gleichs­an­spruch - vor­aus, dass er vom Be­am­ten oder Sol­da­ten zu­vor zu­min­dest in Form ei­ner Rü­ge gel­tend ge­macht wor­den ist. Aus­zu­glei­chen ist die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit, die ab dem auf die erst­ma­li­ge schrift­li­che Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet wor­den ist (stRspr, BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Klä­ger erst im De­zem­ber 2010 den An­trag ge­stellt hat, ste­hen ihm An­sprü­che erst ab Ja­nu­ar 2011 zu.

44 a) Be­sol­dungs­an­sprü­che von Be­am­ten und Sol­da­ten er­ge­ben sich un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), ei­nes An­tra­ges oder ei­ner Rü­ge be­darf es da­her nicht. Ent­spre­chen­des gilt für Ver­sor­gungs­be­zü­ge (z.B. § 3 Abs. 1 Be­amtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechts­grund der Ali­men­tie­rung von Ru­he­stands­be­am­ten ist zwar der Ver­sor­gungs­fest­set­zungs­be­scheid, auch die­ser er­geht in­des von Amts we­gen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 Be­amtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und be­darf da­her we­der ei­nes An­trags noch ei­ner Hin­weis­pflicht (BVer­wG, Ur­teil vom 25. Ok­to­ber 2012 - 2 C 59.11 - BVer­w­GE 145, 14 Rn. 34).

45 An­sprü­che, de­ren Fest­set­zung und Zah­lung sich nicht un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz er­ge­ben, be­dür­fen da­ge­gen ei­ner vor­he­ri­gen Gel­tend­ma­chung (BVerfG, Be­schluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerf­GE 81, 363 <384 f.>; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - ju­ris Rn. 16). Denn hier ist ei­ne vor­gän­gi­ge be­hörd­li­che Ent­schei­dung über Grund und Hö­he der be­gehr­ten Zah­lung er­for­der­lich.

46 Für An­sprü­che we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit gilt dies in be­son­de­rer Wei­se. Die­se sind nicht pri­mär auf die Zah­lung ei­nes fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs ge­rich­tet, son­dern auf die Be­sei­ti­gung des rechts­wid­ri­gen Zu­stands. Durch den Hin­weis des Be­am­ten oder Sol­da­ten ist da­her zu­nächst ei­ne Prü­fung sei­nes Dienst­herrn ver­an­lasst, ob ei­ne Än­de­rung der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung er­for­der­lich ist und ob ei­ne rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit - et­wa durch An­pas­sung der ma­ß­geb­li­chen Dienst­plä­ne - ver­mie­den oder durch die Ge­wäh­rung von Frei­zeit­aus­gleich kom­pen­siert wer­den kann. Oh­ne ent­spre­chen­de Rü­ge muss der Dienst­herr nicht da­von aus­ge­hen, je­der Be­am­te wer­de die Über­schrei­tung der ak­tu­el­len Ar­beits­zeit­re­ge­lung be­an­stan­den. Auch hin­sicht­lich der mög­li­chen fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs­pflicht hat der Dienst­herr ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an, nicht nach­träg­lich mit un­vor­her­seh­ba­ren Zah­lungs­be­geh­ren kon­fron­tiert zu wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 21. Sep­tem­ber 2006 - 2 C 7.06 - Buch­holz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Be­am­te wird durch das Er­for­der­nis der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn auch nicht un­zu­mut­bar be­las­tet. Denn an die Rü­ge des Be­rech­tig­ten sind kei­ne zu ho­hen An­for­de­run­gen zu stel­len. Es reicht aus, wenn sich aus der Äu­ße­rung er­gibt, dass der Be­am­te oder Sol­dat die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt hält. We­der ist ein An­trag im rechts­tech­ni­schen Sin­ne er­for­der­lich noch muss Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich, be­an­tragt oder der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich kon­kret be­rech­net wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buch­holz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die An­wen­dung des Grund­sat­zes der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung auch auf den nicht nor­ma­tiv ge­re­gel­ten uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch ist mit Uni­ons­recht ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­teil vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Vor­aus­set­zung für die Ver­ein­bar­keit des ge­nann­ten Grund­sat­zes mit Uni­ons­recht ist, dass den An­for­de­run­gen des Äqui­va­lenz- und des Ef­fek­ti­vi­täts­grund­sat­zes Rech­nung ge­tra­gen ist (Eu­GH, Ur­tei­le vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C-20/13, Un­land - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den na­tio­na­len Ge­rich­ten ob­lie­gen­de Prü­fung er­gibt, dass die Vor­aus­set­zun­gen der bei­den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben in Be­zug auf das Ge­bot der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung er­füllt sind. Dem Ge­bot, dass die Mo­da­li­tä­ten zur Durch­set­zung des uni­ons­recht­li­chen An­spruchs nicht un­güns­ti­ger sein dür­fen als die­je­ni­gen, die gleich­ar­ti­ge Sach­ver­hal­te in­ner­staat­li­cher Art re­geln (Äqui­va­lenz­grund­satz), ist Rech­nung ge­tra­gen. Auch der - ne­ben dem uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch be­stehen­de, rich­ter­recht­lich ent­wi­ckel­te - Aus­gleichs­an­spruch aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ist nur ge­ge­ben, wenn der Be­rech­tig­te die­sen ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn gel­tend macht (BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz ver­langt, dass die Aus­übung der durch das Uni­ons­recht ver­lie­he­nen Rech­te nicht prak­tisch un­mög­lich ge­macht oder über­mä­ßig er­schwert wird. Die Fest­set­zung an­ge­mes­se­ner Aus­schluss­fris­ten für die Rechts­ver­fol­gung ist im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit, die zu­gleich den Be­rech­tig­ten und die Be­hör­de schützt, mit die­sen Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2011 - C-262/09, Meili­cke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C- 20/13, Un­land - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zu­dem sind, wie dar­ge­legt, die An­for­de­run­gen an die schrift­li­che Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­ring. Denn der Be­rech­tig­te muss ge­gen­über dem Dienst­herrn le­dig­lich schrift­lich zum Aus­druck brin­gen, er hal­te die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt.

50 6. Die Fra­ge, ob die von der Be­klag­ten mit dem Per­so­nal­rat ih­rer Stadt­ver­wal­tung ab den Jah­ren 2007 jähr­lich ge­schlos­se­nen Dienst­ver­ein­ba­run­gen über die Um­set­zung der Ar­beits­zeit­ver­ord­nung Feu­er­wehr (AZV Feu 2007 und Bb­gAZV­PFJ 2009) im Hin­blick auf den dort ge­re­gel­ten ein­jäh­ri­gen Be­zugs­zeit­raum für die Be­rech­nung der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit uni­ons­rechts­kon­form ge­we­sen sind, ist von dem Se­nat nicht ab­schlie­ßend zu be­ant­wor­ten.

51 Zwar er­lau­ben die Ab­wei­chungs­kom­pe­ten­zen nach Art. 18 Un­terabs. 1 und Art. 19 RL 2003/88/EG die Re­ge­lung ei­nes ein­jäh­ri­gen Be­zugs­zeit­raums im We­ge von Ta­rif­ver­trä­gen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern auf na­tio­na­ler oder re­gio­na­ler Ebe­ne, oder bei zwi­schen den So­zi­al­part­nern ge­trof­fe­nen Ab­ma­chun­gen, im We­ge von Ta­rif­ver­trä­gen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen So­zi­al­part­nern auf nied­ri­ge­rer Ebe­ne. Uni­ons­recht­lich wer­den die Be­grif­fe "Ta­rif­ver­trag" und "Ver­ein­ba­rung zwi­schen So­zi­al­part­nern" nicht nä­her de­fi­niert. Die Kom­mis­si­on ist der An­sicht, dass die­se Be­grif­fe durch na­tio­na­le Rechts­vor­schrif­ten und Ge­pflo­gen­hei­ten zu be­stim­men sind (ABl. EU 2017 C 165/01 vom 24. Mai 2017 S. 49), oh­ne dass es ge­nügt, ein ent­spre­chen­des Do­ku­ment le­dig­lich als "Ta­rif­ver­trag" oder "Ver­ein­ba­rung" zu be­zeich­nen. In der deut­schen ar­beits­recht­li­chen Li­te­ra­tur wer­den als "So­zi­al­part­ner" im Sin­ne der Ar­beits­zeitricht­li­nie in Ab­gren­zung zu den Be­triebs­par­tei­en al­lein die Ta­rif­ver­trags­par­tei­en ver­stan­den (et­wa Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum Eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 18 RL 2003/88/EG Rn. 5; Ulb­er, in: Preis/Sa­gan, Eu­ro­päi­sches Ar­beits­recht, 2015, § 6 Rn. 273 f., 277). Da­für könn­te das vom Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on be­ton­te ho­he Schutz­ni­veau des uni­ons­recht­li­chen Ar­beits­zeit­schut­zes spre­chen, dass ei­ne re­strik­ti­ve Aus­le­gung ab­wei­chen­der Be­stim­mun­gen als Aus­nah­men von der Uni­ons­re­ge­lung über die Ar­beits­zeit­ge­stal­tung - wie hier die Art. 18 und 19 RL 2003/88/EG - ge­bie­tet (vgl. Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 2003 - C-151/02 ,Jae­ger - Slg. 2003, I-8389 = ju­ris Rn. 89, vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010 I-10273 = ju­ris Rn. 58 und vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16 Häl­vä NZA 2017, 1113 Rn. 31). Es liegt da­nach nicht fern, nach Art. 18 f. RL 2003/88/EG statt­haf­te Ab­wei­chun­gen al­lein in die Kom­pe­tenz von So­zi­al­part­nern im oben ge­schil­der­ten Sin­ne zu le­gen. Dies schlös­se uni­ons­rechts­kon­for­me Ab­wei­chun­gen von der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit durch Be­triebs- oder Dienst­ver­ein­ba­run­gen zwi­schen dem Dienst­herrn und dem bei die­sem ge­bil­de­ten Per­so­nal­rat aus. Da die Be­tei­lig­ten aus der hier ge­schlos­se­nen Dienst­ver­ein­ba­rung für den streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum ab Ja­nu­ar 2011 nach Lan­des­recht kei­ne An­sprü­che her­lei­ten kön­nen, ent­hält sich der Se­nat in­so­weit ei­ner ab­schlie­ßen­den Be­ur­tei­lung.

52 Denn ge­mäß § 70 Abs. 1 Satz 1 Pers­VG BB vom 15. Sep­tem­ber 1993 (GVBl. I 1993, 358) sind Dienst­ver­ein­ba­run­gen zu per­so­nel­len, so­zia­len, or­ga­ni­sa­to­ri­schen und sons­ti­gen in­ner­dienst­li­chen An­ge­le­gen­hei­ten nur zu­läs­sig, so­weit sie nicht Ein­zel­an­ge­le­gen­hei­ten sind oder ge­setz­li­che oder ta­rif­recht­li­che Re­ge­lun­gen, ins­be­son­de­re § 62 Abs. 6 Pers­VG BB nicht ent­ge­gen­ste­hen. Nach § 62 Abs. 6 Satz 1 Pers­VG BB ent­fällt die Mit­be­stim­mung des Per­so­nal­rats beim Er­lass von Rechts­vor­schrif­ten, bei all­ge­mei­nen Re­ge­lun­gen be­am­ten­recht­li­cher Ver­hält­nis­se, so­weit die Spit­zen­or­ga­ni­sa­tio­nen der Ge­werk­schaf­ten und Be­rufs­ver­bän­de nach § 53 Be­amtStG i.V.m. § 131 LBG BB zu be­tei­li­gen sind und bei Or­ga­ni­sa­ti­ons­ent­schei­dun­gen der Mi­nis­te­ri­en, die auf de­ren ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Rech­ten be­ru­hen. Nach § 62 Abs. 6 Satz 2 Pers­VG BB ent­fällt die Mit­be­stim­mung auch, wenn ein Ge­setz oder Ta­rif­ver­trag die An­ge­le­gen­heit ab­schlie­ßend re­gelt. Ei­ne Re­ge­lung durch Ver­ord­nung auf­grund Ge­set­zes ist ei­ner Re­ge­lung durch Ge­setz oder Ta­rif­ver­trag gleich zu be­han­deln.

53 Der Be­zugs­zeit­raum für die durch­schnitt­li­che Wo­chen­ar­beits­zeit von Be­am­ten des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes, die in Schich­ten Dienst leis­ten, ist auf­grund von § 76 Abs. 1 Satz 1 LBG BB in § 21 Bb­gAZV­PFJ 2009 ge­re­gelt. Die­se Re­ge­lung ist ab­schlie­ßend i.S.v. § 62 Abs. 6 Satz 2 Pers­VG BB, so­weit es um Ar­beits­zei­ten ab 2011 geht.

54 Die Dienst­ver­ein­ba­rung der Be­klag­ten vom 27. Ju­li 2010, die ab 2011 gel­ten soll­te, ver­stieß ge­gen §§ 70 und 62 Abs. 6 Pers­VG BB. Da­mit kön­nen die Be­tei­lig­ten aus der Dienst­ver­ein­ba­rung - un­ab­hän­gig da­von, ob sie ge­gen Uni­ons­recht ver­stö­ßt - für Aus­gleichs­an­sprü­che we­gen Zu­viel­ar­beit für die Zeit ab Ja­nu­ar 2011 nichts her­lei­ten.

55 7. Der pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­te­te An­spruch des Klä­gers wan­delt sich in­fol­ge Ab­laufs des mög­li­chen Aus­gleichs­zeit­raums in ei­nen An­spruch auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich, der we­der ver­fal­len noch aus an­de­ren Grün­den aus­ge­schlos­sen ist.

56 Der Haf­tungs­an­spruch we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­tet. Zweck der Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum, den Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer zu ge­währ­leis­ten, ist nicht durch ei­ne Geld­zah­lung, son­dern durch die Frei­stel­lung von der Pflicht zur Dienst­leis­tung zu er­rei­chen.

57 Schei­det aber die Ge­wäh­rung von Frei­zeit zum Aus­gleich der uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit aus vom Be­rech­tig­ten nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus, so ge­bie­tet es der uni­ons­recht­li­che Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz, dass die ent­stan­de­nen An­sprü­che nicht un­ter­ge­hen, son­dern sich in sol­che auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich um­wan­deln (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Da­nach sind hier fi­nan­zi­el­le Aus­gleichs­an­sprü­che des Klä­gers nicht aus­ge­schlos­sen, weil die über die Jah­re hin­weg an­ge­spann­te Per­so­nal­si­tua­ti­on bei der Be­rufs­feu­er­wehr der Be­klag­ten, in der der Klä­ger Dienst zu leis­ten hat­te, eben­so wie der zwi­schen­zeit­li­che Zeit­ab­lauf der Ge­wäh­rung von Frei­zeit zur Ab­gel­tung der ent­stan­de­nen An­sprü­che ent­ge­gen­stan­den.

58 8. Ob der Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig zu viel ge­ar­bei­tet hat, be­stimmt sich hier nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum im Sin­ne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

59 Eben­so wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wen­det sich auch Art. 16 die­ser Richt­li­nie ("Die Mit­glied­staa­ten kön­nen ... vor­se­hen") an den Mit­glied­staat. Die­ser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG ab­wei­chen­den Fest­le­gung des Be­zugs­zeit­raums ("bis zu vier Mo­na­ten") be­rech­tigt, aber nicht ver­pflich­tet. Ob und in­wie­weit der Mit­glied­staat die­se Er­mäch­ti­gung zu der für den Ar­beit­neh­mer un­güns­ti­gen Aus­deh­nung des Be­zugs­zeit­raums auf bis zu vier Mo­na­ten aus­nutzt, ist Sa­che der je­weils zu­stän­di­gen ge­setz­ge­ben­den Or­ga­ne des Mit­glied­staa­tes, weil nur sie die zur Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie er­for­der­li­chen Rechts­no­men er­las­sen kön­nen. Die Aus­übung der Er­mäch­ti­gung ist je­den­falls nicht den das Recht an­wen­den­den na­tio­na­len Ge­rich­ten in dem Sin­ne über­ant­wor­tet, dass die­se den Be­zugs­zeit­raum nach dem As­pekt der "Sach­ge­rech­tig­keit" fest­le­gen kön­nen. Um die ihm ein­ge­räum­te Be­fug­nis in An­spruch zu neh­men, muss der Mit­glied­staat auch die Ent­schei­dung tref­fen, sich auf die­se Er­mäch­ti­gung zu be­ru­fen. Im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit muss die­se Ent­schei­dung des Mit­glied­staa­tes be­stimmt und klar sein (Eu­GH, Ur­teil vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVer­wG, Ur­teil vom 15. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

60 Im Zeit­raum bis zum 1. Au­gust 2014 und da­mit in der hier zwi­schen den Be­tei­lig­ten strei­ti­gen Zeit zwi­schen 2007 und 2011 hat­te das Land den Be­zugs­zeit­raum für die vom Klä­ger frei­wil­lig er­brach­te uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 auf ein Jahr - an­statt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­sig er­öff­net - auf bis zu ma­xi­mal vier Mo­na­ten er­streckt.

61 Auch die sons­ti­gen Be­stim­mun­gen der RL 2003/88/EG, die zu ei­ner Ver­län­ge­rung des Be­zugs­zeit­raums füh­ren kön­nen - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Mo­na­te bei Fest­le­gun­gen in Ta­rif­ver­trä­gen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen So­zi­al­part­nern -, grei­fen nicht zu Guns­ten der Be­klag­ten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG set­zen je­weils vor­aus, dass der Mit­glied­staat Re­ge­lun­gen im Sin­ne von Art. 16 RL 2003/88/EG er­las­sen hat, die den An­for­de­run­gen an die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie in na­tio­na­les Recht im Sin­ne von Art. 288 Abs. 3 AEUV ge­nü­gen. Dar­an fehlt es aber eben­so wie an der Aus­nut­zung der ge­nann­ten Be­fug­nis­se ("sind ... zu­läs­sig" und "kann ab­ge­wi­chen wer­den") durch den Er­lass ei­ner für die Um­set­zung er­for­der­li­chen Rechts­norm des in­ner­staat­li­chen Norm­ge­bers.

62 9. Die Be­rech­nung der vom Klä­ger für die Zeit ab dem Fol­ge­mo­nat der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung - hier: Gel­tend­ma­chung im De­zem­ber 2010 - der im Ein­zel­nen er­brach­ten uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit ist kon­kret und nicht - wie vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt an­ge­nom­men - pau­schal zu er­mit­teln. Die kon­kre­te Er­mitt­lung der vom Klä­ger für den Zeit­raum von Ja­nu­ar 2011 bis De­zem­ber 2011 tat­säch­lich ge­leis­te­ten Zu­viel­ar­beit ist die wei­te­re Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens. Da­bei folgt schon aus dem Uni­ons­recht ge­mäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Zei­ten des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs so­wie die Krank­heits­zei­ten bei der Be­rech­nung des Durch­schnitts der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit un­be­rück­sich­tigt blei­ben oder neu­tral sind. Die­se Vor­ga­be des Uni­ons­rechts ver­langt, dass un­ge­ach­tet der Fra­ge der Um­set­zung in in­ner­staat­li­ches Recht durch ei­ne Rechts­norm die be­tref­fen­den Ta­ge bei der Be­rech­nung mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen sind.

63 Die Ar­beits­zeitricht­li­nie nimmt zwar le­dig­lich auf den uni­ons­recht­lich ge­währ­leis­te­ten Min­dest­ur­laub von vier Wo­chen Be­zug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der dar­über hin­aus­ge­hen­de, im na­tio­na­len Recht be­grün­de­te Mehr­ur­laub ist in­des mit der Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mit­glied­staa­ten un­be­rührt, für die Si­cher­heit und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten an­zu­wen­den oder zu er­las­sen. Dies um­fasst auch die Ein­räu­mung ei­nes über den uni­ons­recht­li­chen Min­dest­ur­laub hin­aus­ge­hen­den Ur­laubs­an­spruchs. Da der Klä­ger am Ur­laubs­tag von der Pflicht zur Dienst­leis­tung be­freit ist und auch der Mehr­ur­laub der Er­ho­lung des Klä­gers dient, kön­nen die­se Ta­ge nicht als Aus­gleich für ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum her­an­ge­zo­gen wer­den (vgl. eben­so schon BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

64 Auch Fei­er­ta­ge, die auf Wo­chen­ta­ge fal­len, sind mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit ein­zu­be­zie­hen und da­mit grund­sätz­lich zu neu­tra­li­sie­ren. So­weit der Klä­ger an die­sen Ta­gen nicht zur Dienst­leis­tung ver­pflich­tet war, kön­nen sol­che Ta­ge nicht zum Aus­gleich ei­ner et­wai­gen Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit her­an­ge­zo­gen wer­den. Dem­ge­gen­über sind Zei­ten, in de­nen dem Klä­ger auf Grund­la­ge des Dienst­zeit­aus­gleichser­las­ses ein zeit­li­cher Aus­gleich ge­währt wur­de, kei­ne Ar­beits­zeit im Sin­ne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

65 Zur Ar­beits­zeit zäh­len uni­ons­recht­lich sämt­li­che Zei­ten, die vom be­tref­fen­den Feu­er­wehr­be­am­ten im Rah­men von Ar­beits­be­reit­schaft und Be­reit­schafts­dienst in Form per­sön­li­cher An­we­sen­heit in der Dienst­stel­le ab­ge­leis­tet wor­den sind, un­ab­hän­gig da­von, wel­che Ar­beits­leis­tung er wäh­rend die­ses Diens­tes tat­säch­lich er­bracht hat (Eu­GH, Ur­teil vom 3. Ok­to­ber 2000 - C-303/98, Si­map - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Des­halb wird auch die ge­naue Be­stim­mung der Zahl der aus­zu­glei­chen­den Stun­den Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens sein. Nach dem uni­ons­recht­li­chen Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz muss da­nach vor­lie­gend je­de Stun­de, die der Klä­ger in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­rau­mes über 48 Stun­den hin­aus ge­ar­bei­tet hat, aus­ge­gli­chen wer­den, weil die Vor­aus­set­zun­gen für das von der Be­klag­ten gel­tend ge­mach­te "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie ge­zeigt - nicht vor­la­gen. Auch dies spricht nur für ei­nen Aus­gleich von tat­säch­lich und kon­kret er­brach­ter Zu­viel­ar­beit.

66 Der Geld­aus­gleich für die vom Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit ori­en­tiert sich an den je­weils gel­ten­den Stun­den­sät­zen der Ver­ord­nung über die Ge­wäh­rung von Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te in der Fas­sung der Be­kannt­ma­chung vom 3. De­zem­ber 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deut­lich, dass es um die kon­kret stun­den­be­zo­ge­ne Ab­rech­nung der Zu­viel­ar­beit geht und nicht um de­ren pau­scha­le Zu­grun­de­le­gung. Zwar un­ter­schei­den sich recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit und uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit tat­be­stand­lich. Recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit be­darf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der An­ord­nung oder Ge­neh­mi­gung, die nur ver­fügt oder er­teilt wer­den darf, wenn zwin­gen­de dienst­li­che Ver­hält­nis­se dies er­for­dern und sich die Mehr­ar­beit auf Aus­nah­me­fäl­le be­schränkt. Des Wei­te­ren darf an­ge­ord­ne­te oder ge­neh­mig­te Mehr­ar­beit die uni­ons­recht­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den im Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - au­ßer­halb der vom Uni­ons­recht vor­ge­se­he­nen Ver­fah­ren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht über­schrei­ten (BVer­wG, Ur­teil vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 14). Nur un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen liegt Mehr­ar­beit im dienst­recht­li­chen Sinn vor, die zeit­aus­gleichs- oder ver­gü­tungs­fä­hig ist. Da­ge­gen han­delt es sich bei rechts­wid­rig ge­leis­te­ter Zu­viel­ar­beit im öf­fent­li­chen Dienst­recht um die Dienst­zeit, die der Be­am­te über die uni­ons­recht­lich nach Ma­ß­ga­be der Ar­beits­zeitricht­li­nie und ih­rer Aus­nah­me­be­stim­mun­gen höchs­tens zu­läs­si­ge wö­chent­li­che Ar­beits­zeit hin­aus er­bringt. Sie ist ihm stets voll aus­zu­glei­chen, pri­mär durch Frei­zeit­aus­gleich, so­fern dies nicht mehr mög­lich ist, se­kun­där durch Geld­aus­gleich. Den­noch geht es in bei­den Fäl­len um den Aus­gleich für ei­ne über­ob­li­ga­ti­ons­mä­ßi­ge Her­an­zie­hung des Be­am­ten (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), so­dass für den Geld­aus­gleich auch in Fäl­len uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit in der Rechts­fol­ge die Stun­den­sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tungs­ver­ord­nung her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen.

67 Auf die Vor­schrif­ten über die Be­sol­dung kann hin­ge­gen nicht zu­rück­ge­grif­fen wer­den (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 39). Denn die Be­sol­dung ist kein Ent­gelt im Sin­ne ei­ner Ent­loh­nung für kon­kre­te Diens­te (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerf­GE 44, 249 <264>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>), son­dern die Ge­gen­leis­tung des Dienst­herrn da­für, dass sich der Be­am­te mit vol­lem per­sön­li­chen Ein­satz der Er­fül­lung sei­ner Dienst­pflich­ten wid­met (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerf­GE 21, 329 <345>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Ent­loh­nung von Ar­beits­stun­den, son­dern auf die Si­cher­stel­lung ei­ner amts­an­ge­mes­se­nen Le­bens­füh­rung ge­rich­tet.

68 10. Nach den für den Se­nat re­vi­si­ons­recht­lich bin­den­den Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ur­teils ist dem Klä­ger al­lein Geld­aus­gleich für von ihm uni­ons­rechts­wid­rig ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit zu­ge­spro­chen wor­den. Mehr­ar­beits­ver­gü­tung ge­mäß § 76 Abs. 2 S. 3 LBG BB ist dem Klä­ger hin­ge­gen nicht ge­währt wor­den (vgl. zur Ab­gren­zung von Zu­viel- und Mehr­ar­bei­ten oben und II 9.). Be­reits im zwei­ten Ein­gangs­satz des Tat­be­stands des Be­ru­fungs­ur­teils hei­ßt es, dass der Klä­ger zu­letzt ei­nen Geld­aus­gleich für ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit be­gehrt. In den Ent­schei­dungs­grün­den wird im Ober­satz der Be­gründet­heits­prü­fung aus­ge­führt, dass dem Klä­ger ein An­spruch auf den ihm vom Ver­wal­tungs­ge­richt zu­ge­spro­che­nen Geld­aus­gleich für rechts­wid­rig ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit zu­steht. Auch in der Fol­ge der Aus­füh­run­gen des Be­ru­fungs­ur­teils (vgl. et­wa UA S. 8 und 14) wird von Zu­viel­ar­beit und aus­zu­glei­chen­der Zu­viel­ar­beit ge­spro­chen. Ein­zu­räu­men ist dem Klä­ger zwar, dass das Be­ru­fungs­ge­richt ne­ben dem Be­griff der Zu­viel­ar­beit wohl syn­onym auch den Be­griff der "frei­wil­li­gen Mehr­ar­beit" ver­wen­det, et­wa bei der Aus­le­gung von Art. 22 RL 2003/88/EG (UA S. 10). Ei­ne Ent­schei­dung über et­wa im Fall des Klä­gers an­ge­ord­ne­te Mehr­ar­beit der Be­klag­ten nach § 76 Abs. 2 LBG BB hat das Be­ru­fungs­ge­richt im hier an­ge­foch­te­nen Ur­teil aber nicht ge­trof­fen. Denn es hat we­der die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen da­für mit­ge­teilt noch hat es sich in den Ent­schei­dungs­grün­den zu ei­nem et­wai­gen An­spruch auf Mehr­ar­beit ge­mäß § 76 Abs. 2 LBG BB ver­hal­ten. An­ge­sichts des im Tat­be­stand des Be­ru­fungs­ur­teils sinn­ge­mäß wie­der­ge­ge­be­nen Klä­ger­an­trags - "die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, für die vom Klä­ger im Zeit­raum vom 1. Ok­to­ber 2007 bis 31. De­zem­ber 2011 ge­leis­te­te Mehr­ar­beit über die 48. wö­chent­li­che Dienst­stun­de hin­aus an den Klä­ger 16 147,20 € ... zu zah­len", wird das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt im zu­rück­ver­wie­se­nen Ver­fah­ren zu prü­fen ha­ben, ob dem Klä­ger ggf. Ver­gü­tungs­an­sprü­che we­gen ge­leis­te­ter Mehr­ar­beit zu­ste­hen. Mit dem vor­lie­gen­den Ur­teil ver­neint der Se­nat ab­schlie­ßend al­lein vom Klä­ger gel­tend ge­mach­te und vom Be­ru­fungs­ge­richt aus­ge­ur­teil­te An­sprü­che aus Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ok­to­ber 2007 bis zum 31. De­zem­ber 2010.

69 11. Nach al­le­dem hat für den Se­nat kei­ne Ver­an­las­sung be­stan­den, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen, um ei­ne Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Uni­on nach Art. 267 AEUV ein­zu­ho­len. Dem Klä­ger steht für den Zeit­raum von Ja­nu­ar 2011 bis De­zem­ber 2011 stun­den­be­zo­ge­ner Geld­aus­gleich zu, für den die Be­klag­te nach Ma­ß­ga­be der Grund­sät­ze des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ein­zu­tre­ten hat, weil sie bei der vom Klä­ger kon­kret er­brach­ten Zu­viel­ar­beit den An­wen­dungs­vor­rang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 of­fen­kun­dig ver­letz­ten Nach­teils­ver­bots ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht be­ach­tet hat. Auf wei­te­re Fra­gen des Uni­ons­rechts hat es des­halb nicht mehr ent­schei­dungs­er­heb­lich an­kom­men kön­nen.

Ur­teil vom 20.07.2017 -
BVer­wG 2 C 37.16ECLI:DE:BVer­wG:2017:200717U2C37.16.0

Ur­teil

BVer­wG 2 C 37.16

  • VG Pots­dam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 838/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 21.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 20. Ju­li 2017
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung, Dr. Kennt­ner, Dol­lin­ger und Dr. Gün­ther
für Recht er­kannt:

  1. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen, so­weit mit ihr ein Geld­aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2008 bis 31. Ja­nu­ar 2011 gel­tend ge­macht wird. Die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 1. Ju­li 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 11. Sep­tem­ber 2013 wer­den auf­ge­ho­ben, so­weit sie dem ent­ge­gen­ste­hen.
  2. Im Üb­ri­gen (hin­sicht­lich des Zeit­raums vom 1. Fe­bru­ar 2011 bis 30. Sep­tem­ber 2013) wird das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg auf­ge­ho­ben. In­so­weit wird die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.

Grün­de

I

1 Der Klä­ger, der im streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum bei der be­klag­ten Stadt als Feu­er­wehr­be­am­ter im 24-Stun­den-Schicht­dienst tä­tig war, be­gehrt fi­nan­zi­el­len Aus­gleich für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit.

2 Der von dem Klä­ger im Sep­tem­ber 2007 be­an­trag­ten Er­hö­hung sei­ner durch­schnitt­li­chen wö­chent­li­chen Ar­beits­zeit auf bis zu 56 Stun­den ent­sprach die Be­klag­te durch Be­schei­de vom 25. Sep­tem­ber 2007 und 18. De­zem­ber 2007. Den auf den 28. De­zem­ber 2010 da­tier­ten und am 3. Ja­nu­ar 2011 ein­ge­gan­ge­nen An­trag des Klä­gers auf Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se auf Geld­aus­gleich für die von ihm seit dem Jahr 2004 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus ver­rich­te­ten Dienst­zei­ten, lehn­te die Be­klag­te ab. Das Vor­ver­fah­ren blieb er­folg­los.

3 Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­klag­te un­ter Ab­leh­nung des An­trags im Üb­ri­gen und teil­wei­ser Auf­he­bung der an­ge­foch­te­nen Be­schei­de ver­pflich­tet, dem Klä­ger für die im Zeit­raum von Ja­nu­ar 2008 bis Sep­tem­ber 2013 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus­ge­hend ge­leis­te­te und noch nicht durch Mehr­ar­beit ver­gü­te­te Ar­beit Geld­aus­gleich nach dem je­weils gel­ten­den Stun­den­satz für die Mehr­ar­beits­ver­gü­tung zu ge­wäh­ren. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­ru­fung mit der Ma­ß­ga­be zu­rück­ge­wie­sen, dass es die Be­klag­te ver­ur­teilt hat, an den Klä­ger für den ge­nann­ten Zeit­raum 25 403,40 € nebst Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins ab Rechts­hän­gig­keit zu zah­len. Zur Be­grün­dung hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt im We­sent­li­chen aus­ge­führt, dem Klä­ger ste­he der zu­ge­spro­che­ne Geld­aus­gleich in­fol­ge des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs we­gen Ver­let­zung der Ar­beits­zeitricht­li­nie zu. Ei­ne frei­wil­li­ge Zu­viel­ar­beit bei Über­schrei­tung der uni­ons­recht­lich höchst­zu­läs­si­gen Be­zugs­zeit­räu­me sei auch auf­grund von Aus­nah­me­vor­schrif­ten nicht vor­ge­se­hen.

4 Hier­ge­gen wen­det sich die vom Se­nat zu­ge­las­se­ne Re­vi­si­on der Be­klag­ten, mit der sie be­an­tragt,
die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 1. Ju­li 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 11. Sep­tem­ber 2013 auf­zu­he­ben und die Kla­ge in vol­lem Um­fang ab­zu­wei­sen.

5 Der Klä­ger be­an­tragt,
die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen.

6 Der Ver­tre­ter des Bun­des­in­ter­es­ses beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt un­ter­stützt die Re­vi­si­on der Be­klag­ten.

II

7 Die Re­vi­si­on ist teil­wei­se be­grün­det. Das Be­ru­fungs­ur­teil ist auf­zu­he­ben. So­weit die Sa­che nicht vom Se­nat selbst ent­schie­den wer­den kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO), ist sie an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO). Die An­nah­men des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit set­ze kei­ne erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung durch den Be­trof­fe­nen vor­aus und ver­lan­ge nicht den Nach­weis der über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den hin­aus kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den, ver­let­zen re­vi­si­bles Recht. Des­halb ist die Kla­ge ab­zu­wei­sen, so­weit mit ihr fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2008 bis 31. Ja­nu­ar 2011 gel­tend ge­macht wird. Ob sich das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für den ver­blei­ben­den streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum vom 1. Fe­bru­ar 2011 bis zum 30. Sep­tem­ber 2013 aus an­de­ren Grün­den im Er­geb­nis ganz oder teil­wei­se als rich­tig dar­stellt (§ 144 Abs. 4 Vw­GO), kann der Se­nat man­gels hier­für aus­rei­chen­der tat­säch­li­cher Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts nicht ent­schei­den.

8 In dem Zeit­raum ab 2008 lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die Be­klag­te, die das vom Land Bran­den­burg er­las­se­ne Recht le­dig­lich an­wen­det, dem Grun­de nach vor (1.). Uni­ons­recht kann in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land durch Rechts­ver­ord­nun­gen um­ge­setzt wer­den (2.). § 4 Abs. 3 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit der Be­am­ten des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in den Feu­er­weh­ren und den Leit­stel­len der Land­krei­se im Land Bran­den­burg vom 3. Au­gust 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit für die Be­am­ten des Po­li­zei­voll­zugs­diens­tes, des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes und des Jus­tiz­voll­zugs­diens­tes des Lan­des Bran­den­burg vom 16. Sep­tem­ber 2009 (Bb­gAZV­PFJ, GVBl. II S. 686) set­zen Art. 22 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um. Sie ver­let­zen of­fen­kun­dig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Ver­bot, wo­nach kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten (3.). Die An­wen­dung die­ses mit Uni­ons­recht un­ver­ein­ba­ren Lan­des­rechts ist der be­klag­ten Stadt als Dienst­her­rin der Feu­er­wehr­be­am­ten an­zu­las­ten. Durch die An­wen­dung des den Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts nicht ge­nü­gen­den in­ner­staat­li­chen Rechts ist der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch auch ge­gen­über der Kom­mu­ne als Dienst­her­rin be­grün­det (4.). Der Dienst­herr muss aber le­dig­lich die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit aus­glei­chen, die der Be­rech­tig­te ab dem auf die erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet hat. Dies ist im Fall des Klä­gers erst für die Zeit ab Fe­bru­ar 2011 der Fall (5.). Der noch nicht ver­fal­le­ne Aus­gleichs­an­spruch ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit aus­ge­rich­tet. Da die­se Form des Aus­gleichs aus vom Klä­ger nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus­schei­det, wan­delt sich der Aus­gleichs­an­spruch in ei­nen sol­chen auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich (6.). Ob und ggf. in­wie­weit der Klä­ger Zu­viel­ar­beit ge­leis­tet hat, be­stimmt sich man­gels ei­ner an­der­wei­ti­gen Re­ge­lung durch den na­tio­na­len Norm­ge­ber nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (7.). Für den Geld­aus­gleich sind die Sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te ma­ß­geb­lich. Der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich er­folgt da­nach nicht pau­schal nach der Dif­fe­renz zwi­schen der Höchst­ar­beits­zeit und der ge­neh­mig­ten Zu­viel­ar­beit. Er rich­tet sich viel­mehr nach den vom Be­am­ten kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den (8.). Die Ein­ho­lung ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on im Ver­fah­ren nach Art. 267 AEUV ist nicht ver­an­lasst (9.).

9 1. Die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die be­klag­te Stadt, die nicht für die Um­set­zung der Vor­ga­ben der Richt­li­nie durch den Er­lass von Rechts­nor­men zu­stän­dig ist, sind im Zeit­raum ab dem Jahr 2009 dem Grun­de nach ge­ge­ben. Denn die Be­klag­te hat die zur Um­set­zung von Art. 22 RL 2003/88/EG er­las­se­nen Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg an­ge­wen­det, ob­wohl für sie er­kenn­bar war, dass die­se Um­set­zung im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot un­zu­rei­chend ge­we­sen ist.

10 Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch setzt nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) vor­aus, dass die uni­ons­recht­li­che Norm, ge­gen die ver­sto­ßen wor­den ist, die Ver­lei­hung von Rech­ten an die Ge­schä­dig­ten be­zweckt (a), zwi­schen die­sem Ver­stoß und dem den Ge­schä­dig­ten ent­stan­de­nen Scha­den ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang be­steht (b) und der Ver­stoß ge­gen die­se Norm hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG tref­fen die Mit­glied­staa­ten die er­for­der­li­chen Maß­nah­men, da­mit nach Ma­ß­ga­be der Er­for­der­nis­se der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer die durch­schnitt­li­che Ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum 48 Stun­den ein­schlie­ß­lich der Über­stun­den nicht über­schrei­tet. Die­se Vor­schrift ver­leiht dem Ein­zel­nen Rech­te, die die­ser nach Ab­lauf der Frist zur Um­set­zung der wort­glei­chen Vor­gän­ger­be­stim­mung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Ar­beits­zeit­recht der Be­klag­ten un­mit­tel­bar vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend ma­chen kann (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ro­päi­schen Uni­on, der ge­mäß Art. 6 Abs. 1 EUV der glei­che Rang wie den Ver­trä­gen zu­er­kannt ist (stRspr, zu­letzt Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2016 - C-178/15, Sob­c­zys­zyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. No­vem­ber 2015 - C-219/14, Green­field - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Ar­beit­neh­mer kei­ne wei­ter­ge­hen­den Schutz­rech­te her­lei­ten (zum ein­heit­li­chen Ar­beit­neh­mer­be­griff von Richt­li­nie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: Eu­GH, Ur­teil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fe­noll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wo­nach je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer u.a. das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit hat, ge­währ­leis­tet auf­grund der Un­be­stimmt­heit sei­nes Wort­lauts kei­ne wei­ter­ge­hen­den In­di­vi­du­al­rech­te.

12 Ge­mäß der Aus­nah­me­vor­schrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mit­glied­staa­ten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zu­läs­si­ge Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum nor­miert wird, un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen nicht an­zu­wen­den. Ein sol­ches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur mög­lich, wenn die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­ge­hal­ten wer­den und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für ge­sorgt wird, dass kein Ar­beit­ge­ber von dem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn, der Ar­beit­neh­mer ist frei­wil­lig da­zu be­reit, und dass ihm im Wei­ge­rungs­fall kei­ne Nach­tei­le ent­ste­hen.

13 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur der­zei­ti­gen Ar­beits­schutz­richt­li­nie RL 2003/88/EG, eben­so wie zu der Vor­gän­ger­richt­li­nie RL 1993/104/EG, sind ab­wei­chen­de Be­stim­mun­gen als Aus­nah­men von der Ge­mein­schafts­re­ge­lung über die Ar­beits­zeit­ge­stal­tung - wie hier Art. 22 der Richt­li­nie - so aus­zu­le­gen, dass ihr An­wen­dungs­be­reich auf das zur Wah­rung der In­ter­es­sen, de­ren Schutz sie er­mög­li­chen, un­be­dingt Er­for­der­li­che be­grenzt wird (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 2003 - C-151/02, Jae­ger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31; eben­so Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vor­ga­ben in den Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar for­mell wirk­sam (sie­he un­ten 2.), aber in­halt­lich in­fol­ge Nicht­be­ach­tung des Nach­teils­ver­bots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um­ge­setzt (sie­he un­ten 3.). Dies ver­letzt den Klä­ger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Rech­ten. Die be­klag­te Stadt hat die­se im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot uni­ons­rechts­wid­ri­gen Vor­schrif­ten an­ge­wandt und da­mit ih­rer­seits den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch des Klä­gers aus­ge­löst (sie­he un­ten 4.).

15 b) Zwi­schen dem Ver­stoß ge­gen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Scha­den, der dem Klä­ger durch die uni­ons­rechts­wid­rig er­brach­te Zu­viel­ar­beit ent­stan­den ist, be­steht auch ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang. Un­er­heb­lich ist, dass die­se Zu­viel­ar­beit des Klä­gers und der da­mit ver­bun­de­ne Ver­lust an Frei­zeit und Er­ho­lungs­zeit nach na­tio­na­lem Recht kei­nen Scha­den im Sin­ne des zi­vil­recht­li­chen Scha­dens­er­satz­rechts dar­stel­len. Ma­ß­geb­lich ist in­so­weit al­lein auf das Uni­ons­recht ab­zu­stel­len, das hier­in ei­nen Scha­den sieht (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 so­wie Te­nor 1 und 4; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Dar­über hin­aus ist der Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht auch hin­rei­chend qua­li­fi­ziert, um den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch zu be­grün­den. Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ist das der Fall, wenn der Mit­glied­staat die Gren­zen, die sei­nem Er­mes­sen ge­setzt sind, of­fen­kun­dig und er­heb­lich über­schrit­ten hat, wo­bei zu den in­so­weit zu be­rück­sich­ti­gen­den Ge­sichts­punk­ten ins­be­son­de­re das Maß an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der ver­letz­ten Vor­schrift so­wie der Um­fang des Er­mes­sens­spiel­raums ge­hö­ren, den die ver­letz­te Vor­schrift den na­tio­na­len Be­hör­den be­lässt (Eu­GH, Ur­tei­le vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Bras­se­rie du pêcheur und Fac­tor­ta­me - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Ja­nu­ar 2007 - C-278/05, Ro­bins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 so­wie Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVer­wG, Ur­teil vom 30. Ok­to­ber 2014 - 2 C 3.13 - Buch­holz 245 Lan­des­BesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qua­li­fi­zier­ter Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht zu­las­ten des Klä­gers liegt im Hin­blick auf das von der Be­klag­ten zu be­ach­ten­de Nach­teils­ver­bot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (sie­he 3.a).

17 Für den Zeit­raum ab dem Jahr 2009 sind zu­gleich grund­sätz­lich die Vor­aus­set­zun­gen des dienst­recht­li­chen Aus­gleichs­an­spruchs aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ge­ge­ben (BVer­wG, Ur­tei­le vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buch­holz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26). Die bei­den An­sprü­che sind hin­sicht­lich der Ver­jäh­rung so­wie der Rechts­fol­gen gleich­ge­rich­tet (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. In­ner­staat­li­che Rechts­vor­schrif­ten, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - ei­ne Richt­li­nie der Eu­ro­päi­schen Uni­on in deut­sches Recht um­set­zen, sind am Maß­stab des Uni­ons­rechts zu mes­sen, so­weit die Richt­li­nie den Mit­glied­staa­ten kei­nen Um­set­zungs­spiel­raum lässt, son­dern zwin­gen­de Vor­ga­ben macht (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 22. Ok­to­ber 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerf­GE 73, 339 <387>, vom 7. Ju­ni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerf­GE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerf­GE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerf­GE 121, 1 <15>, vom 14. Ok­to­ber 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerf­GE 122, 1 <20> und vom 21. Sep­tem­ber 2016 - 2 BvL 1/15 - ju­ris Rn. 32). Den Mit­glied­staa­ten steht es un­ter den in Art. 22 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­si­gen Höchst­ar­beits­zeit für Ar­beit­neh­mer ab­zu­wei­chen. Da­für müs­sen sie Rechts­nor­men er­las­sen (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richt­li­nie ga­ran­tier­ten all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ge­währ­leis­ten und die dar­über hin­aus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Kri­te­ri­en ge­nü­gen. Für die Trans­for­ma­ti­on von Uni­ons­recht in in­ner­staat­li­ches Recht kom­men so­wohl for­mel­le Ge­set­ze als auch Rechts­ver­ord­nun­gen in Be­tracht (vgl. nur Ruf­fert, in: Cal­liess/Ruf­fert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schro­eder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 je­weils m.w.N.). Da­mit rich­tet sich die Uni­ons­rechts­kon­for­mi­tät der frag­li­chen Rechts­ver­ord­nun­gen in­so­weit al­lein da­nach, ob die­se nach in­ner­staat­li­chem Recht ei­ne hin­rei­chen­de Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge ha­ben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - eben­so wie sei­ne in­halts­glei­che Vor­gän­ger­norm in § 143 und § 134 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 8. Ok­to­ber 1999 (GVBl. I S. 446) - er­mäch­tigt die zu­stän­di­gen Mit­glie­der der Lan­des­re­gie­rung aus­drück­lich, die Ar­beits­zeit der Po­li­zei- und Jus­tiz­voll­zugs­be­am­ten so­wie die des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in ei­ner Rechts­ver­ord­nung zu re­geln. Da­mit ist so­wohl dem uni­ons­recht­li­chen Rechts­norm­vor­be­halt als auch dem in­ner­staat­li­chen Ge­set­zes­vor­be­halt Ge­nü­ge ge­tan.

19 3. § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und sei­ne Nach­fol­ger­vor­schrift, der wort­lauti­den­tisch bis zum 31. Ju­li 2014 gel­ten­de § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009, be­stim­men, dass auf An­trag des Be­am­ten über den Rah­men von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus Schicht­dienst bis zu 56 Stun­den un­ter Be­ach­tung der all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes als durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Ar­beits­zeit be­wil­ligt wer­den kann. Die Be­wil­li­gung kann aus dienst­li­chen Grün­den zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jahrs mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen wer­den. Der Be­am­te ist auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit schrift­lich hin­zu­wei­sen. Er kann sei­nen An­trag zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jah­res mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen.

20 a) So­wohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 set­zen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hin­rei­chend um. Da­nach hat ein Mit­glied­staat, der von die­ser Aus­nah­me­vor­schrift Ge­brauch ma­chen möch­te, mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für zu sor­gen, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, ei­ner über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hin­aus­ge­hen­den Ar­beit nach­zu­ge­hen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" da­mit un­ter den Vor­be­halt, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, aus den in der Ar­beits­zeitricht­li­nie fest­ge­leg­ten Ar­beits­zeit­höchst­gren­zen "aus­zu­tre­ten" oder "hin­aus­zu­op­tie­ren" (Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­ho­fes der Eu­ro­päi­schen Uni­on er­for­dert die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie nicht ei­ne förm­li­che und wört­li­che Über­nah­me ih­rer Be­stim­mun­gen in ei­ne aus­drück­li­che, be­son­de­re Rechts­vor­schrift. Ihr kann viel­mehr durch ei­nen all­ge­mei­nen recht­li­chen Kon­text Ge­nü­ge ge­tan wer­den, wenn die­ser tat­säch­lich die voll­stän­di­ge An­wen­dung der Richt­li­nie hin­rei­chend klar und be­stimmt ge­währ­leis­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on ist je­doch er­for­der­lich, dass die Rechts­la­ge hin­rei­chend be­stimmt, klar und trans­pa­rent ist und die Be­güns­tig­ten in die La­ge ver­setzt, von al­len ih­ren Rech­ten Kennt­nis zu er­lan­gen und die­se ggf. vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend zu ma­chen (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vor­ga­be, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nor­mier­te Nach­teils­ver­bot in in­ner­staat­li­ches Recht um­zu­set­zen, wer­den we­der § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ge­recht. In bei­den Vor­schrif­ten fehlt ein Hin­weis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Nach­teils­ver­bot. Da­durch wird des­sen prak­ti­sche Wirk­sam­keit ge­schwächt, weil der Ar­beit­neh­mer nicht hin­rei­chend klar er­ken­nen kann, dass er sich, nach der Er­klä­rung sei­ner­seits an der Höchst­ar­beits­zeit ge­mäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­hal­ten zu wol­len, et­wa ge­gen nach­tei­li­ge Dienst­plan­ge­stal­tun­gen mit Er­folg zur Wehr set­zen kann (Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nach­teils­ver­bot, das mit Blick auf den Schutz­cha­rak­ter der Ar­beits­zeitricht­li­nie we­sent­li­che Be­deu­tung hat, kommt auch nicht in sons­ti­gen im Be­reich des Lan­des Bran­den­burg gel­ten­den ver­öf­fent­lich­ten Rechts­vor­schrif­ten, wie ins­be­son­de­re den Be­am­ten­ge­set­zen, in die der in­so­weit be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer et­wa Ein­sicht neh­men könn­te, mit hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit, Klar­heit und Trans­pa­renz zum Aus­druck. Das gilt ins­be­son­de­re für die - le­dig­lich als Ge­ne­ral­klau­sel for­mu­lier­te - be­am­ten­recht­li­che Für­sor­ge­pflicht ge­mäß § 45 Be­amtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zu­dem wä­re, selbst wenn man un­ter­stellt, dass sol­che Rechts­vor­schrif­ten vor­han­den sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den bran­den­bur­gi­schen Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen hin­zu­wei­sen. Dar­an fehlt es eben­falls. An­de­ren­falls wä­re der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer, der ty­pi­scher­wei­se ge­ra­de über kei­ne ver­tief­ten ju­ris­ti­schen Kennt­nis­se ver­fügt, nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge, die er­for­der­li­che in­halt­li­che Ver­knüp­fung zwi­schen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den na­tio­na­len Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeit­ver­ord­nung und dem an an­de­rer Stel­le nor­mier­ten Nach­teils­ver­bot her­zu­stel­len. So wä­re et­wa der be­güns­tig­te (be­am­te­te) Ar­beit­neh­mer nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge zu er­ken­nen, dass sei­ne - aus dienst­li­chen Grün­den mög­li­che - Um­set­zung oder auch nur ei­ne ihm nach­tei­li­ge Dienst­plan­än­de­rung dem Nach­teils­ver­bot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG un­ter­fällt, wenn sie des­halb er­folgt, weil er nicht be­reit ist, über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit­gren­ze von 48 Stun­den hin­aus zu ar­bei­ten (sie­he so auch Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on, Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Des­halb grei­fen die Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen so­wohl des Bun­des und meh­re­rer an­de­rer Bun­des­län­der, die von der Öff­nungs­klau­sel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Ge­brauch ge­macht ha­ben, das Nach­teils­ver­bot ge­ra­de aus­drück­lich auf (vgl. et­wa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzV­BY vom 5. Ja­nu­ar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZ­VO vom 30. De­zem­ber 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZ­VO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZ­VOFeu NW vom 1. Sep­tem­ber 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 Säch­s­AZ­VO vom 28. Ja­nu­ar 2008, GVBl. S. 198). Her­vor­zu­he­ben ist, dass auch das Recht des Lan­des Bran­den­burg nun­mehr - mit Wir­kung ab dem 1. Au­gust 2014 - das Nach­teils­ver­bot in § 21 Abs. 4 Satz 2 Bb­gAZV­PFJ vom 10. Ju­li 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) aus­drück­lich nennt. Dar­an fehlt es - für den hier streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009.

26 b) Steht da­mit die un­voll­stän­di­ge Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­deu­tig und klar fest, kommt es auf die wei­te­re Fra­ge, ob die­se Be­stim­mun­gen der bei­den ge­nann­ten Rechts­ver­ord­nun­gen dar­über hin­aus auch den An­for­de­run­gen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG of­fen­kun­dig nicht ge­recht wer­den, vor­lie­gend nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich an. Der Se­nat hält die­se Fra­ge für of­fen.

27 aa) Maß­st­abs­bil­den­de Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur Fra­ge der Not­wen­dig­keit ei­nes Be­zugs­zeit­raums und zur Aus­le­gung des Be­griffs "im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vor­gän­ger­richt­li­nie gibt es für den Fall des "Opt-out" bis­lang nicht. Das gilt auch für das Ur­teil des Ge­richts­hofs vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Die­ses Ur­teil be­zieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vor­gän­ger­richt­li­nie 1993/104/EG, der al­ler­dings im We­sent­li­chen mit Art. 22 RL 2003/88/EG ver­gleich­bar ist. In die­sem Ur­teil führt der Ge­richts­hof aber nur aus, dass die In­an­spruch­nah­me der Mög­lich­keit, die Grund­satz­norm des Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, vor­aus­setzt, dass die Mit­glied­staa­ten die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hal­ten und be­stimm­te - in der Richt­li­nie ge­nann­te - ku­mu­la­ti­ve Vor­aus­set­zun­gen er­fül­len. Für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums folgt dar­aus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum" die Re­de ist.

28 Die in­ner­staat­li­che Recht­spre­chung zu die­ser Fra­ge ist un­ein­heit­lich (be­ja­hend: OVG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­tei­le vom 18. Ju­ni 2015 - OVG 6 B 19.15 - ju­ris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - ju­ris Rn. 25; ver­nei­nend: VG Mün­chen, Ur­teil vom 18. Ok­to­ber 2016 - M 5 K 14.5855 - ju­ris Rn. 32; VG Aa­chen, Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2016 - 1 K 2244/14 - ju­ris Rn. 32).

29 Ei­ner­seits gibt es Ar­gu­men­te, die da­für spre­chen, ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur un­ter Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums zu­zu­las­sen. Der Wort­laut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könn­te in deut­scher Sprach­fas­sung dar­auf hin­deu­ten, dass es den Mit­glied­staa­ten ob­liegt, ei­nen (bis zu vier­mo­na­ti­gen) Be­zugs­zeit­raum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu re­geln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG be­stimmt, dass es ei­nem Mit­glied­staat frei­ge­stellt ist, Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, wenn er die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hält und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für sorgt, dass kein Ar­beit­ge­ber von ei­nem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn der Ar­beit­neh­mer hat sich hier­zu be­reit er­klärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Wei­te­ren vor, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass "der Ar­beit­ge­ber die zu­stän­di­gen Be­hör­den [...] dar­über un­ter­rich­tet, wel­che Ar­beit­neh­mer sich da­zu be­reit er­klärt ha­ben, im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten".

30 Auch aus der Norm­sys­te­ma­tik las­sen sich Grün­de für die Not­wen­dig­keit, ei­nen Be­zugs­zeit­raum nach Ma­ß­ga­be von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Fal­le des "Opt-out" zu re­geln, her­lei­ten. Sys­te­ma­tisch spricht der Zu­sam­men­hang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Er­for­der­nis ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Zu den un­ab­hän­gig vom Ein­ver­ständ­nis des Ar­beit­neh­mers zu re­geln­den Vor­ga­ben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­hört, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass ein Ar­beit­neh­mer die Mög­lich­keit hat, nur durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den zu ar­bei­ten. Da­für wä­re die Re­ge­lung je­den­falls ei­nes Be­zugs­zeit­raums hilf­reich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­währ­leis­ten, dass die Mit­glied­staa­ten ei­ne Gren­ze für die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit re­geln, um so zum Ar­beits- und Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer bei­zu­tra­gen (EFTA-Ge­richts­hof, Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein sol­cher Schutz wür­de oh­ne die Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums für den Durch­schnitt der Wo­chen­ar­beits­zeit er­schwert. Der durch die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit be­zweck­te Schutz ist um­so in­ten­si­ver, je kür­zer der für den Durch­schnitt ma­ß­geb­li­che Be­zugs­zeit­raum ist. Be­son­ders in­ten­siv ist er, wenn der Be­zugs­zeit­raum nur ei­ne Wo­che be­trägt, weil es dann un­mög­lich ist, ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit ei­ner Wo­che durch ge­rin­ge­re Ar­beits­zei­ten an­de­rer Wo­chen "weg­zu­rech­nen". Ein ma­xi­ma­ler Schutz in die­sem Sin­ne wä­re mit­hin da­durch zu er­rei­chen, dass bei Feh­len ei­ner Re­ge­lung des Be­zugs­zeit­raums der kon­kre­te Sie­ben­ta­ges­zeit­raum ma­ß­geb­lich ist. Die­se Rechts­fol­ge tritt bei Feh­len ei­ner Be­zugs­zeit­raum­re­ge­lung ein, so­lan­ge Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG An­wen­dung fin­det (BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zu­las­sung ei­ner oh­ne Be­zugs­zeit­raum mög­li­chen und da­mit un­li­mi­tier­ten Höchst­ar­beits­zeit könn­te zu­dem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh wi­der­spre­chen, der be­stimmt, dass je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit, auf täg­li­che und wö­chent­li­che Ru­he­zei­ten so­wie auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hat (vgl. Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Fer­ner ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass auch ein recht­mä­ßi­ges "Opt-out" ge­mäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Er­for­der­nis der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­freit, aber nicht von den täg­li­chen und wö­chent­li­chen Min­dest­ru­he­zei­ten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ru­he­pau­sen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Be­schrän­kun­gen der Nacht­ar­beit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dis­pen­siert. Des­halb ist die Fest­stel­lung der Kom­mis­si­on in ih­ren ak­tu­el­len An­wen­dungs­hin­wei­sen zu Aus­le­gungs­fra­gen der Ar­beits­zeitricht­li­nie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zu­tref­fend, dass, be­rück­sich­tigt man nur den Zeit­raum der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit, die in der Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­nen Min­dest­zeit­räu­me der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit von den ins­ge­samt 168 Stun­den (24 Stun­den x 7 Ta­ge) ei­ner Wo­che be­reits durch­schnitt­lich 90 Ru­he­stun­den be­deu­ten (6 Ta­ge x 11 Stun­den täg­li­che Ru­he­zeit + 24 Stun­den wö­chent­li­che Ru­he­zeit). Dem­zu­fol­ge dürf­te un­ter Be­rück­sich­ti­gung von Ru­he­zei­ten, Ru­he­pau­sen und der mög­li­chen stren­ge­ren Be­schrän­kun­gen im Fall von Nacht­ar­beit die Ar­beits­zeit auch im Fal­le ei­ner recht­mä­ßi­gen Aus­nah­me­re­ge­lung nach Art. 22 RL 2003/88/EG ei­nen Durch­schnitt von 78 Stun­den pro Wo­che nicht über­schrei­ten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 An­de­rer­seits wirft die kon­kre­te Be­stim­mung ei­nes Be­zugs­zeit­raums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ei­ne Viel­zahl von bis­lang un­ge­klär­ten uni­ons­recht­li­chen Fra­gen auf. So ist zu­nächst un­klar, ob es zur abs­trakt-ge­ne­rel­len Re­ge­lung der Mög­lich­keit ei­ner "Opt-out"-Ver­ein­ba­rung ei­nes be­son­de­ren Be­zugs­zeit­raums be­darf. Der Hin­weis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum könn­te näm­lich auch dar­auf hin­deu­ten, dass da­mit der längs­te vom Mit­glied­staat fest­zu­le­gen­de Be­zugs­zeit­raum ge­meint ist. Da­für könn­te auch nach der deut­schen Sprach­fas­sung des Richt­li­ni­en­tex­tes spre­chen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Zeit­raum" die Re­de ist und nicht von dem "nach Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) fest­ge­setz­ten Be­zugs­zeit­raum".

34 Des Wei­te­ren stel­len sich norm­sys­te­ma­ti­sche Fra­gen nach dem Ver­hält­nis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ver­weist wört­lich be­trach­tet al­lein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Zeit­raum, so­dass frag­lich ist, ob er auch die Fest­set­zun­gen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richt­li­nie er­fasst, in de­nen - je­weils un­ter be­son­de­ren Vor­aus­set­zun­gen - an­de­re Be­zugs­zeit­räu­me be­nannt wer­den. Da­bei ist ins­be­son­de­re zu be­rück­sich­tig­ten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Ver­hält­nis zu Art. 16 RL 2003/88/EG un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen län­ge­re Be­zugs­zeit­räu­me von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Mo­na­ten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) er­öff­nen.

35 Die For­mu­lie­rung der ver­schie­de­nen Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie ist je nach Sprach­fas­sung und auch in­ner­halb ein­zel­ner Sprach­fas­sun­gen nach den Aus­füh­run­gen der Schluss­an­trä­ge der Ge­ne­ral­an­wäl­tin Ko­kott im Ver­fah­ren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) un­ein­heit­lich. Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on müs­sen aber die Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts im Licht der Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on ein­heit­lich aus­ge­legt und an­ge­wandt wer­den. Wei­chen die ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen ei­nes Rechts­tex­tes der Uni­on von­ein­an­der ab, muss die frag­li­che Vor­schrift an­hand der all­ge­mei­nen Sys­te­ma­tik und des Zwecks der Re­ge­lung aus­ge­legt wer­den, zu der sie ge­hört (Eu­GH, Ur­tei­le vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ER­GO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Os­so - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Not­wen­dig­keit ei­ner ein­heit­li­chen An­wen­dung und da­mit ei­ner ein­heit­li­chen Aus­le­gung der Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts schlie­ßt es da­nach aus, ei­ne Vor­schrift in ei­ner ih­rer Fas­sun­gen iso­liert zu be­trach­ten, son­dern ge­bie­tet es, sie an­hand des wirk­li­chen Wil­lens ih­res Norm­ge­bers und des von ihm ver­folg­ten Zwecks na­ment­lich im Licht ih­rer Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on aus­zu­le­gen. Ei­ne ab­wei­chen­de Sprach­fas­sung kann des­halb nicht al­lein ge­gen­über al­len an­de­ren Sprach­fas­sun­gen den Aus­schlag ge­ben (EuG-Rechts­mit­tel­kam­mer, Ur­teil vom 8. No­vem­ber 2012 - T-268/11 P - ju­ris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Un­ein­heit­lich­keit in den ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hin­zu­wei­sen. Die Fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG wei­sen in eng­li­scher, fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung je­weils klei­ne Be­son­der­hei­ten auf, die bei der Aus­le­gung der Norm zu be­rück­sich­ti­gen sein könn­ten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lau­tet in eng­li­scher Fas­sung: "for the ap­pli­ca­ti­on of Ar­ti­cle 6 (ma­xi­mum weekly working time), a re­fe­rence pe­ri­od not ex­cee­ding four months", al­so um ei­nen Be­zugs­zeit­raum, der vier Mo­na­te nicht über­schrei­ten darf, wäh­rend es in fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung im Gleich­klang um ei­nen Be­zugs­zeit­raum von bis zu vier Mo­na­ten ("une pe­ri­ode de re­fe­rence ne de­pas­sant pas quat­re mois") geht. Wei­ter hei­ßt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in eng­li­scher Fas­sung "du­ra­ti­on of the working time", wäh­rend sich die fran­zö­si­sche und deut­sche Fas­sung des Norm­tex­tes je­weils mit den Wor­ten "la du­ree du temps de tra­vail" oder mit dem Wort "Ar­beits­zeit" be­gnügt. Die eng­li­sche Fas­sung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG dar­über hin­aus nur von Ta­rif­ver­trä­gen (collec­ti­ve agree­ments) und Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen bei­den Sei­ten der In­dus­trie (the two si­des of in­dus­try) wäh­rend im fran­zö­si­schen und deut­schen Text der Richt­li­nie an die­ser Stel­le von "con­ven­ti­ons collec­ti­ves"/"Ta­rif­ver­trä­gen" und "ac­cords con­clus ent­re par­ten­aires so­ci­aux"/"So­zi­al­part­nern" ge­spro­chen wird. In die­sem Zu­sam­men­hang ist auch zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Kom­mis­si­on in ih­rer ak­tu­el­len Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) aus­drück­lich dar­auf hin­weist, dass die Richt­li­nie we­der den Be­griff "Ta­rif­ver­trag" de­fi­niert noch nä­her er­läu­tert, was "Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern auf na­tio­na­ler und re­gio­na­ler Ebe­ne" sind, mit der Fol­ge, dass die­se Be­grif­fe durch na­tio­na­le Rechts­vor­schrif­ten und Ge­pflo­gen­hei­ten nä­her zu be­stim­men sei­en (ABl. EU Nr. C 165/49). Schlie­ß­lich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf­merk­sam zu ma­chen. Dort hei­ßt es in der eng­li­schen Fas­sung am En­de "un­less he has first ob­tai­ned the worker’s agree­ment to per­form such work”, wäh­rend es nach der fran­zö­si­schen und deut­schen Text­fas­sung aus­reicht, dass sich der Ar­beit­neh­mer be­reit er­klärt hat, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten.

37 All die­se sprach­li­chen Un­eben­hei­ten las­sen sich norm­sys­te­ma­tisch und te­leo­lo­gisch zwar un­ter Rück­füh­rung dar­auf ver­ein­heit­li­chen, dass der Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on in den Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie über die Min­dest­ru­he­zei­ten und die Höchst­ar­beits­zei­ten "be­son­ders wich­ti­ge Re­geln des So­zi­al­rechts der Ge­mein­schaft" sieht. Die­se Re­geln müs­sen je­dem Ar­beit­neh­mer als ein zum Schutz sei­ner Si­cher­heit und sei­ner Ge­sund­heit be­stimm­ter Min­dest­an­spruch zu­gu­te­kom­men (vgl. z.B. Eu­GH, Ur­tei­le vom 7. Sep­tem­ber 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Ok­to­ber 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Des­halb be­grenzt der Ge­richts­hof die den Mit­glied­staa­ten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mög­li­che Ab­wei­chungs­mög­lich­keit u.a. von der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit für Fäl­le, in de­nen die Ar­beits­zeit we­gen der be­son­de­ren Merk­ma­le der aus­ge­üb­ten Tä­tig­keit nicht ge­mes­sen und oder nicht im Vor­aus fest­ge­legt wird oder von den Ar­beit­neh­mern selbst fest­ge­legt wer­den kann, auf das zum Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer "un­be­dingt Er­for­der­li­che" (Eu­GH, Ur­teil vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31).

38 Dar­aus aber den für den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch er­for­der­li­chen wei­te­ren Schluss zu zie­hen, ein Mit­glied­staat ver­sto­ße hin­rei­chend qua­li­fi­ziert und da­mit of­fen­kun­dig ge­gen ei­ne uni­ons­recht­li­che Norm, wenn er ei­ne "Opt-out"-Ent­schei­dung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, oh­ne zu­gleich ei­nen Be­zugs­zeit­raum im Sin­ne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­zu­le­gen, ist dem Se­nat man­gels des er­for­der­li­chen Ma­ßes an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der als ver­letzt gel­ten­den Vor­schrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht mög­lich.

39 bb) Eben­so ver­hält es sich mit der wei­te­ren Fra­ge der Frei­wil­lig­keit der nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs (Eu­GH, Ur­teil vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 u.a., Pfeif­fer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) not­wen­dig in­di­vi­du­el­len Be­reit­schafts­er­klä­rung ei­nes Ar­beit­neh­mers. Hier geht es um den schrift­li­chen An­trag des Klä­gers vom 10. Ok­to­ber 2007, Zu­viel­ar­beit im Sin­ne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leis­ten zu dür­fen. Wäh­rend die Frei­wil­lig­keit und In­di­vi­dua­li­tät der Be­reit­schafts­er­klä­rung des Klä­gers un­zwei­fel­haft sind, stellt sich die Fra­ge der Ver­ein­bar­keit mit Uni­ons­recht im Hin­blick auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit die­ser Er­klä­rung oder die­ses An­trags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009. Der Richt­li­ni­en­text ent­hält kei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung über das "ob" und das "wie" ei­nes die Be­reit­schafts­er­klä­rung be­tref­fen­den Wi­der­rufs­rechts des Ar­beit­neh­mers. Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu Mög­lich­keit und Mo­da­li­tä­ten ei­nes Wi­der­rufs ist nicht er­sicht­lich. Der EFTA-Ge­richts­hof hat im Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - (ju­ris) nur ent­schie­den, dass der ge­ne­rel­le Wi­der­rufsau­schluss ei­ner ein­mal wirk­sam ge­ge­be­nen Be­reit­schafts­er­klä­rung im Ein­zel­fall ei­ne Ver­let­zung der Richt­li­nie be­grün­den kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 vor­ge­se­he­ne Wi­der­rufs­mög­lich­keit mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten zum Ab­lauf des Ka­len­der­jah­res den An­for­de­run­gen an die je­der­zei­ti­ge Frei­wil­lig­keit der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit ge­nügt, kann hier un­ent­schie­den blei­ben. Da­für könn­te die Tat­sa­che spre­chen, dass der Richt­li­ni­en­text für die Fra­ge des Wi­der­rufs und der Wi­der­rufs­frist ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit kei­ne aus­drück­li­chen Vor­ga­ben macht. Da­ge­gen lie­ße sich in­des norm­sys­te­ma­tisch und am Zweck des Ar­beits­zeit­schut­zes ori­en­tiert für ei­nen mög­li­chen Gleich­lauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ma­xi­ma­len Be­zugs­zeit­raums von vier Mo­na­ten und der Frist für den Wi­der­ruf ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit ar­gu­men­tie­ren (so et­wa Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tat­sa­che, dass der bun­des­deut­sche Ge­setz­ge­ber in Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Wi­der­rufs­frist für nicht be­am­te­te Ar­beit­neh­mer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fas­sung vom 24. De­zem­ber 2003 (BGBl. I S. 3002) ge­ne­rell auf sechs Mo­na­te oh­ne Be­gren­zung auf das Jah­res­en­de be­stimmt hat (vgl. da­zu nä­her Wank, in: Mül­ler-Glö­ge/Preis/Schmidt, Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könn­te ge­gen ei­ne ma­xi­mal 15 Mo­na­te lau­fen­de Wi­der­rufs­frist - Wi­der­ruf am 1. Ok­to­ber, Frist­ab­lauf am 31. De­zem­ber des Fol­ge­jah­res - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­ge­wandt wer­den. Dies zeigt: Auch die Fra­ge, ob die Vor­ga­ben des streit­ge­gen­ständ­li­chen bran­den­bur­gi­schen Lan­des­rechts zur Ar­beits­zeit für Feu­er­wehr­be­am­te in der Zeit zwi­schen 2007 (In­kraft­tre­ten von § 4 AZV Feu 2007 im Au­gust 2007) und 2014 (In­kraft­tre­ten von § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2014 im Au­gust 2014) den An­for­de­run­gen der Frei­wil­lig­keit für die Dau­er der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­nü­gen, lässt sich auf­grund ei­ner Nor­m­aus­le­gung nach Wort­laut, Sys­te­ma­tik und Zweck nicht hin­rei­chend ein­deu­tig und klar be­ant­wor­ten.

41 cc) Die Text­ana­ly­se schlie­ßt es nach al­le­dem aus, hin­sicht­lich der Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fra­gen der Not­wen­dig­keit von Be­zugs­zeit­räu­men und den An­for­de­run­gen an die Frei­wil­lig­keit für den Wi­der­ruf von Ein­ver­ständ­nis­er­klä­run­gen zur Zu­viel­ar­beit hin­sicht­lich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 von ei­nem "hin­rei­chend qua­li­fi­zier­ten Ver­stoß" ge­gen das Uni­ons­recht im Sinn des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs aus­zu­ge­hen.

42 4. Un­ge­ach­tet der evi­dent un­zu­rei­chen­den Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Re­ge­lung der Ar­beits­zeit von kom­mu­na­len Feu­er­wehr­be­am­ten zu­stän­di­gen Lan­des­ge­setz­ge­ber ist die be­klag­te Stadt hier als Nor­m­an­wen­der auf­grund des An­wen­dungs­vor­rangs des Uni­ons­rechts ge­hal­ten ge­we­sen, die Vor­ga­ben der Richt­li­nie zu be­fol­gen und ent­ge­gen­ste­hen­des Lan­des­recht un­an­ge­wen­det zu las­sen. Die Be­klag­te hät­te er­ken­nen müs­sen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 klar und ein­deu­tig die Vor­ga­be ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ver­let­zen, weil es die­sen Rechts­ver­ord­nun­gen an ei­ner Vor­schrift fehlt, die ge­währ­leis­tet, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, Zu­viel­ar­beit zu leis­ten. Ein Trä­ger öf­fent­li­cher Ge­walt ist auch in sei­ner Ei­gen­schaft als öf­fent­li­cher Ar­beit­ge­ber zur An­wen­dung des Uni­ons­rechts ver­pflich­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Im­pact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Da­nach hat die Be­klag­te in ih­rer Ei­gen­schaft als Dienst­her­rin des Klä­gers durch Nicht­be­ach­tung des An­wen­dungs­vor­rangs der EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ge­gen das Uni­ons­recht ver­sto­ßen. Dass sie in­ner­staat­lich die Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des im Rah­men ih­rer Auf­ga­ben der mit­tel­ba­ren Staats­ver­wal­tung zu be­fol­gen hat­te, än­dert dar­an nichts.

43 5. Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit setzt - wie der na­tio­na­le dienst­recht­li­che Aus­gleichs­an­spruch - vor­aus, dass er vom Be­am­ten oder Sol­da­ten zu­vor zu­min­dest in Form ei­ner Rü­ge gel­tend ge­macht wor­den ist. Aus­zu­glei­chen ist die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit, die ab dem auf die erst­ma­li­ge schrift­li­che Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet wor­den ist (stRspr, BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Klä­ger den Aus­gleich­an­spruch erst im Ja­nu­ar 2011 gel­tend ge­macht hat (Ein­gang des auf den 28. De­zem­ber 2010 da­tier­ten Schrei­bens bei der Be­klag­ten am 3. Ja­nu­ar 2011), ste­hen ihm An­sprü­che erst ab Fe­bru­ar 2011 zu.

44 a) Be­sol­dungs­an­sprü­che von Be­am­ten und Sol­da­ten er­ge­ben sich un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), ei­nes An­tra­ges oder ei­ner Rü­ge be­darf es da­her nicht. Ent­spre­chen­des gilt für Ver­sor­gungs­be­zü­ge (z.B. § 3 Abs. 1 Be­amtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechts­grund der Ali­men­tie­rung von Ru­he­stands­be­am­ten ist zwar der Ver­sor­gungs­fest­set­zungs­be­scheid, auch die­ser er­geht in­des von Amts we­gen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 Be­amtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und be­darf da­her we­der ei­nes An­trags noch ei­ner Hin­weis­pflicht (BVer­wG, Ur­teil vom 25. Ok­to­ber 2012 - 2 C 59.11 - BVer­w­GE 145, 14 Rn. 34).

45 An­sprü­che, de­ren Fest­set­zung und Zah­lung sich nicht un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz er­ge­ben, be­dür­fen da­ge­gen ei­ner vor­he­ri­gen Gel­tend­ma­chung (BVerfG, Be­schluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerf­GE 81, 363 <384 f.>; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - ju­ris Rn. 16). Denn hier ist ei­ne vor­gän­gi­ge be­hörd­li­che Ent­schei­dung über Grund und Hö­he der be­gehr­ten Zah­lung er­for­der­lich.

46 Für An­sprü­che we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit gilt dies in be­son­de­rer Wei­se. Die­se sind nicht pri­mär auf die Zah­lung ei­nes fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs ge­rich­tet, son­dern auf die Be­sei­ti­gung des rechts­wid­ri­gen Zu­stands. Durch den Hin­weis des Be­am­ten oder Sol­da­ten ist da­her zu­nächst ei­ne Prü­fung sei­nes Dienst­herrn ver­an­lasst, ob ei­ne Än­de­rung der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung er­for­der­lich ist und ob ei­ne rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit - et­wa durch An­pas­sung der ma­ß­geb­li­chen Dienst­plä­ne - ver­mie­den oder durch die Ge­wäh­rung von Frei­zeit­aus­gleich kom­pen­siert wer­den kann. Oh­ne ent­spre­chen­de Rü­ge muss der Dienst­herr nicht da­von aus­ge­hen, je­der Be­am­te wer­de die Über­schrei­tung der ak­tu­el­len Ar­beits­zeit­re­ge­lung be­an­stan­den. Auch hin­sicht­lich der mög­li­chen fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs­pflicht hat der Dienst­herr ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an, nicht nach­träg­lich mit un­vor­her­seh­ba­ren Zah­lungs­be­geh­ren kon­fron­tiert zu wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 21. Sep­tem­ber 2006 - 2 C 7.06 - Buch­holz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Be­am­te wird durch das Er­for­der­nis der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn auch nicht un­zu­mut­bar be­las­tet. Denn an die Rü­ge des Be­rech­tig­ten sind kei­ne zu ho­hen An­for­de­run­gen zu stel­len. Es reicht aus, wenn sich aus der Äu­ße­rung er­gibt, dass der Be­am­te oder Sol­dat die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt hält. We­der ist ein An­trag im rechts­tech­ni­schen Sin­ne er­for­der­lich noch muss Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich, be­an­tragt oder der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich kon­kret be­rech­net wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buch­holz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die An­wen­dung des Grund­sat­zes der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung auch auf den nicht nor­ma­tiv ge­re­gel­ten uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch ist mit Uni­ons­recht ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­teil vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Vor­aus­set­zung für die Ver­ein­bar­keit des ge­nann­ten Grund­sat­zes mit Uni­ons­recht ist, dass den An­for­de­run­gen des Äqui­va­lenz- und des Ef­fek­ti­vi­täts­grund­sat­zes Rech­nung ge­tra­gen ist (Eu­GH, Ur­tei­le vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C-20/13, Un­land - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den na­tio­na­len Ge­rich­ten ob­lie­gen­de Prü­fung er­gibt, dass die Vor­aus­set­zun­gen der bei­den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben in Be­zug auf das Ge­bot der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung er­füllt sind. Dem Ge­bot, dass die Mo­da­li­tä­ten zur Durch­set­zung des uni­ons­recht­li­chen An­spruchs nicht un­güns­ti­ger sein dür­fen als die­je­ni­gen, die gleich­ar­ti­ge Sach­ver­hal­te in­ner­staat­li­cher Art re­geln (Äqui­va­lenz­grund­satz), ist Rech­nung ge­tra­gen. Auch der - ne­ben dem uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch be­stehen­de, rich­ter­recht­lich ent­wi­ckel­te - Aus­gleichs­an­spruch aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ist nur ge­ge­ben, wenn der Be­rech­tig­te die­sen ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn gel­tend macht (BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz ver­langt, dass die Aus­übung der durch das Uni­ons­recht ver­lie­he­nen Rech­te nicht prak­tisch un­mög­lich ge­macht oder über­mä­ßig er­schwert wird. Die Fest­set­zung an­ge­mes­se­ner Aus­schluss­fris­ten für die Rechts­ver­fol­gung ist im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit, die zu­gleich den Be­rech­tig­ten und die Be­hör­de schützt, mit die­sen Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2011 - C-262/09, Meili­cke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C- 20/13, Un­land - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zu­dem sind, wie dar­ge­legt, die An­for­de­run­gen an die schrift­li­che Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­ring. Denn der Be­rech­tig­te muss ge­gen­über dem Dienst­herrn le­dig­lich schrift­lich zum Aus­druck brin­gen, er hal­te die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt.

50 6. Der pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­te­te An­spruch des Klä­gers wan­delt sich in­fol­ge Ab­laufs des mög­li­chen Aus­gleichs­zeit­raums in ei­nen An­spruch auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich, der we­der ver­fal­len noch aus an­de­ren Grün­den aus­ge­schlos­sen ist.

51 Der Haf­tungs­an­spruch we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­tet. Zweck der Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum, den Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer zu ge­währ­leis­ten, ist nicht durch ei­ne Geld­zah­lung, son­dern durch die Frei­stel­lung von der Pflicht zur Dienst­leis­tung zu er­rei­chen.

52 Schei­det aber die Ge­wäh­rung von Frei­zeit zum Aus­gleich der uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit aus vom Be­rech­tig­ten nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus, so ge­bie­tet es der uni­ons­recht­li­che Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz, dass die ent­stan­de­nen An­sprü­che nicht un­ter­ge­hen, son­dern sich in sol­che auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich um­wan­deln (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Da­nach sind hier fi­nan­zi­el­le Aus­gleichs­an­sprü­che des Klä­gers nicht aus­ge­schlos­sen, weil die über die Jah­re hin­weg an­ge­spann­te Per­so­nal­si­tua­ti­on bei der Be­rufs­feu­er­wehr der Be­klag­ten, in der der Klä­ger Dienst zu leis­ten hat­te, eben­so wie der zwi­schen­zeit­li­che Zeit­ab­lauf der Ge­wäh­rung von Frei­zeit zur Ab­gel­tung der ent­stan­de­nen An­sprü­che ent­ge­gen­stan­den.

53 7. Ob der Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig zu viel ge­ar­bei­tet hat, be­stimmt sich hier nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum im Sin­ne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Eben­so wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wen­det sich auch Art. 16 die­ser Richt­li­nie ("Die Mit­glied­staa­ten kön­nen ... vor­se­hen") an den Mit­glied­staat. Die­ser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG ab­wei­chen­den Fest­le­gung des Be­zugs­zeit­raums ("bis zu vier Mo­na­ten") be­rech­tigt, aber nicht ver­pflich­tet. Ob und in­wie­weit der Mit­glied­staat die­se Er­mäch­ti­gung zu der für den Ar­beit­neh­mer un­güns­ti­gen Aus­deh­nung des Be­zugs­zeit­raums auf bis zu vier Mo­na­ten aus­nutzt, ist Sa­che der je­weils zu­stän­di­gen ge­setz­ge­ben­den Or­ga­ne des Mit­glied­staa­tes, weil nur sie die zur Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie er­for­der­li­chen Rechts­no­men er­las­sen kön­nen. Die Aus­übung der Er­mäch­ti­gung ist je­den­falls nicht den das Recht an­wen­den­den na­tio­na­len Ge­rich­ten in dem Sin­ne über­ant­wor­tet, dass die­se den Be­zugs­zeit­raum nach dem As­pekt der "Sach­ge­rech­tig­keit" fest­le­gen kön­nen. Um die ihm ein­ge­räum­te Be­fug­nis in An­spruch zu neh­men, muss der Mit­glied­staat auch die Ent­schei­dung tref­fen, sich auf die­se Er­mäch­ti­gung zu be­ru­fen. Im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit muss die­se Ent­schei­dung des Mit­glied­staa­tes be­stimmt und klar sein (Eu­GH, Ur­teil vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVer­wG, Ur­teil vom 15. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeit­raum bis zum 1. Au­gust 2014 und da­mit in der hier zwi­schen den Be­tei­lig­ten noch strei­ti­gen Zeit zwi­schen 2010 und 2013 hat­te das Land den Be­zugs­zeit­raum für die vom Klä­ger frei­wil­lig er­brach­te uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 auf ein Jahr - an­statt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­sig er­öff­net - auf bis zu ma­xi­mal vier Mo­na­ten er­streckt.

56 Auch die sons­ti­gen Be­stim­mun­gen der RL 2003/88/EG, die zu ei­ner Ver­län­ge­rung des Be­zugs­zeit­raums füh­ren kön­nen - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Mo­na­te bei Fest­le­gun­gen in Ta­rif­ver­trä­gen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen So­zi­al­part­nern -, grei­fen nicht zu Guns­ten der Be­klag­ten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG set­zen je­weils vor­aus, dass der Mit­glied­staat Re­ge­lun­gen im Sin­ne von Art. 16 RL 2003/88/EG er­las­sen hat, die den An­for­de­run­gen an die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie in na­tio­na­les Recht im Sin­ne von Art. 288 Abs. 3 AEUV ge­nü­gen. Dar­an fehlt es aber eben­so wie an der Aus­nut­zung der ge­nann­ten Be­fug­nis­se ("sind ... zu­läs­sig" und "kann ab­ge­wi­chen wer­den") durch den Er­lass ei­ner für die Um­set­zung er­for­der­li­chen Rechts­norm des in­ner­staat­li­chen Norm­ge­bers.

57 8. Die Be­rech­nung der vom Klä­ger für die Zeit ab dem Fol­ge­mo­nat der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung - hier: Gel­tend­ma­chung im Ja­nu­ar 2011 - der im Ein­zel­nen er­brach­ten uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit ist kon­kret und nicht - wie vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt an­ge­nom­men - pau­schal zu er­mit­teln. Die kon­kre­te Er­mitt­lung der vom Klä­ger für den Zeit­raum von Fe­bru­ar 2011 bis Sep­tem­ber 2013 tat­säch­lich ge­leis­te­ten Zu­viel­ar­beit ist die wei­te­re Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens. Da­bei folgt schon aus dem Uni­ons­recht ge­mäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Zei­ten des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs so­wie die Krank­heits­zei­ten bei der Be­rech­nung des Durch­schnitts der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit un­be­rück­sich­tigt blei­ben oder neu­tral sind. Die­se Vor­ga­be des Uni­ons­rechts ver­langt, dass un­ge­ach­tet der Fra­ge der Um­set­zung in in­ner­staat­li­ches Recht durch ei­ne Rechts­norm die be­tref­fen­den Ta­ge bei der Be­rech­nung mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen sind.

58 Die Ar­beits­zeitricht­li­nie nimmt zwar le­dig­lich auf den uni­ons­recht­lich ge­währ­leis­te­ten Min­dest­ur­laub von vier Wo­chen Be­zug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der dar­über hin­aus­ge­hen­de, im na­tio­na­len Recht be­grün­de­te Mehr­ur­laub ist in­des mit der Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mit­glied­staa­ten un­be­rührt, für die Si­cher­heit und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten an­zu­wen­den oder zu er­las­sen. Dies um­fasst auch die Ein­räu­mung ei­nes über den uni­ons­recht­li­chen Min­dest­ur­laub hin­aus­ge­hen­den Ur­laubs­an­spruchs. Da der Klä­ger am Ur­laubs­tag von der Pflicht zur Dienst­leis­tung be­freit ist und auch der Mehr­ur­laub der Er­ho­lung des Klä­gers dient, kön­nen die­se Ta­ge nicht als Aus­gleich für ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum her­an­ge­zo­gen wer­den (vgl. eben­so schon BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Fei­er­ta­ge, die auf Wo­chen­ta­ge fal­len, sind mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit ein­zu­be­zie­hen und da­mit grund­sätz­lich zu neu­tra­li­sie­ren. So­weit der Klä­ger an die­sen Ta­gen nicht zur Dienst­leis­tung ver­pflich­tet war, kön­nen sol­che Ta­ge nicht zum Aus­gleich ei­ner et­wai­gen Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit her­an­ge­zo­gen wer­den. Dem­ge­gen­über sind Zei­ten, in de­nen dem Klä­ger auf Grund­la­ge des Dienst­zeit­aus­gleichser­las­ses ein zeit­li­cher Aus­gleich ge­währt wur­de, kei­ne Ar­beits­zeit im Sin­ne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Ar­beits­zeit zäh­len uni­ons­recht­lich sämt­li­che Zei­ten, die vom be­tref­fen­den Feu­er­wehr­be­am­ten im Rah­men von Ar­beits­be­reit­schaft und Be­reit­schafts­dienst in Form per­sön­li­cher An­we­sen­heit in der Dienst­stel­le ab­ge­leis­tet wor­den sind, un­ab­hän­gig da­von, wel­che Ar­beits­leis­tung er wäh­rend die­ses Diens­tes tat­säch­lich er­bracht hat (Eu­GH, Ur­teil vom 3. Ok­to­ber 2000 - C-303/98, Si­map - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Des­halb wird auch die ge­naue Be­stim­mung der Zahl der aus­zu­glei­chen­den Stun­den Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens sein. Nach dem uni­ons­recht­li­chen Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz muss da­nach vor­lie­gend je­de Stun­de, die der Klä­ger in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­rau­mes über 48 Stun­den hin­aus ge­ar­bei­tet hat, aus­ge­gli­chen wer­den, weil die Vor­aus­set­zun­gen für das von der Be­klag­ten gel­tend ge­mach­te "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie ge­zeigt - nicht vor­la­gen. Auch dies spricht nur für ei­nen Aus­gleich von tat­säch­lich und kon­kret er­brach­ter Zu­viel­ar­beit.

61 Der Geld­aus­gleich für die vom Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit ori­en­tiert sich an den je­weils gel­ten­den Stun­den­sät­zen der Ver­ord­nung über die Ge­wäh­rung von Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te in der Fas­sung der Be­kannt­ma­chung vom 3. De­zem­ber 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deut­lich, dass es um die kon­kret stun­den­be­zo­ge­ne Ab­rech­nung der Zu­viel­ar­beit geht und nicht um de­ren pau­scha­le Zu­grun­de­le­gung. Zwar un­ter­schei­den sich recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit und uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit tat­be­stand­lich. Recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit be­darf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der An­ord­nung oder Ge­neh­mi­gung, die nur ver­fügt oder er­teilt wer­den darf, wenn zwin­gen­de dienst­li­che Ver­hält­nis­se dies er­for­dern und sich die Mehr­ar­beit auf Aus­nah­me­fäl­le be­schränkt. Des Wei­te­ren darf an­ge­ord­ne­te oder ge­neh­mig­te Mehr­ar­beit die uni­ons­recht­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den im Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - au­ßer­halb der vom Uni­ons­recht vor­ge­se­he­nen Ver­fah­ren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht über­schrei­ten (BVer­wG, Ur­teil vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 14). Nur un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen liegt Mehr­ar­beit im dienst­recht­li­chen Sinn vor, die zeit­aus­gleichs- oder ver­gü­tungs­fä­hig ist. Da­ge­gen han­delt es sich bei rechts­wid­rig ge­leis­te­ter Zu­viel­ar­beit im öf­fent­li­chen Dienst­recht um die Dienst­zeit, die der Be­am­te über die uni­ons­recht­lich nach Ma­ß­ga­be der Ar­beits­zeitricht­li­nie und ih­rer Aus­nah­me­be­stim­mun­gen höchs­tens zu­läs­si­ge wö­chent­li­che Ar­beits­zeit hin­aus er­bringt. Sie ist ihm stets voll aus­zu­glei­chen, pri­mär durch Frei­zeit­aus­gleich, so­fern dies nicht mehr mög­lich ist, se­kun­där durch Geld­aus­gleich. Den­noch geht es in bei­den Fäl­len um den Aus­gleich für ei­ne über­ob­li­ga­ti­ons­mä­ßi­ge Her­an­zie­hung des Be­am­ten (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), so­dass für den Geld­aus­gleich auch in Fäl­len uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit in der Rechts­fol­ge die Stun­den­sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tungs­ver­ord­nung her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen.

62 Auf die Vor­schrif­ten über die Be­sol­dung kann hin­ge­gen nicht zu­rück­ge­grif­fen wer­den (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 39). Denn die Be­sol­dung ist kein Ent­gelt im Sin­ne ei­ner Ent­loh­nung für kon­kre­te Diens­te (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerf­GE 44, 249 <264>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>), son­dern die Ge­gen­leis­tung des Dienst­herrn da­für, dass sich der Be­am­te mit vol­lem per­sön­li­chen Ein­satz der Er­fül­lung sei­ner Dienst­pflich­ten wid­met (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerf­GE 21, 329 <345>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Ent­loh­nung von Ar­beits­stun­den, son­dern auf die Si­cher­stel­lung ei­ner amts­an­ge­mes­se­nen Le­bens­füh­rung ge­rich­tet.

63 9. Nach al­le­dem hat für den Se­nat kei­ne Ver­an­las­sung be­stan­den, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen, um ei­ne Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Uni­on nach Art. 267 AEUV ein­zu­ho­len. Dem Klä­ger steht für den Zeit­raum von Fe­bru­ar 2011 bis Sep­tem­ber 2013 stun­den­be­zo­ge­ner Geld­aus­gleich zu, für den die Be­klag­te nach Ma­ß­ga­be der Grund­sät­ze des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ein­zu­tre­ten hat, weil sie bei der vom Klä­ger kon­kret er­brach­ten Zu­viel­ar­beit den An­wen­dungs­vor­rang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 of­fen­kun­dig ver­letz­ten Nach­teils­ver­bots ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht be­ach­tet hat. Auf wei­te­re Fra­gen des Uni­ons­rechts hat es des­halb nicht mehr ent­schei­dungs­er­heb­lich an­kom­men kön­nen.

Ur­teil vom 20.07.2017 -
BVer­wG 2 C 38.16ECLI:DE:BVer­wG:2017:200717U2C38.16.0

Ur­teil

BVer­wG 2 C 38.16

  • VG Pots­dam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1241/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 26.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 20. Ju­li 2017
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung, Dr. Kennt­ner, Dol­lin­ger und Dr. Gün­ther
für Recht er­kannt:

  1. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen, so­weit mit ihr ein Geld­aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 7. Ju­ni 2009 bis 31. März 2012 gel­tend ge­macht wird. Die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 18. Ju­ni 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 16. Ok­to­ber 2013 wer­den auf­ge­ho­ben, so­weit sie dem ent­ge­gen­ste­hen.
  2. Im Üb­ri­gen (hin­sicht­lich des Zeit­raums vom 1. April 2012 bis 16. Ok­to­ber 2013) wird das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg auf­ge­ho­ben. In­so­weit wird die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.

Grün­de

I

1 Der Klä­ger, der im streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum bei der be­klag­ten Stadt als Feu­er­wehr­be­am­ter im 24-Stun­den-Schicht­dienst tä­tig war, be­gehrt fi­nan­zi­el­len Aus­gleich für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit.

2 Der von dem Klä­ger im Ok­to­ber 2007 be­an­trag­ten Er­hö­hung sei­ner durch­schnitt­li­chen wö­chent­li­chen Ar­beits­zeit auf bis zu 56 Stun­den ent­sprach die Be­klag­te durch Be­scheid vom 26. Ok­to­ber 2007. Den an sie im März 2012 ge­rich­te­ten An­trag des Klä­gers auf Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se auf Geld­aus­gleich für die von ihm seit dem Jahr 2003 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus ver­rich­te­ten Dienst­zei­ten, lehn­te die Be­klag­te ab. Das Vor­ver­fah­ren blieb er­folg­los.

3 Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­klag­te un­ter Ab­leh­nung des An­trags im Üb­ri­gen und teil­wei­ser Auf­he­bung der an­ge­foch­te­nen Be­schei­de ver­pflich­tet, dem Klä­ger für die im Zeit­raum ab dem 7. Ju­ni 2009 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus­ge­hend ge­leis­te­te Ar­beit Geld­aus­gleich nach dem je­weils gel­ten­den Stun­den­satz für die Mehr­ar­beits­ver­gü­tung zu ge­wäh­ren. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­ru­fung mit der Ma­ß­ga­be zu­rück­ge­wie­sen, dass es die Be­klag­te ver­ur­teilt hat, an den Klä­ger für den Zeit­raum vom 7. Ju­ni 2009 bis zum 16. Ok­to­ber 2013 ei­nen Be­trag von 19 873,29 € nebst Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins ab Rechts­hän­gig­keit zu zah­len. Zur Be­grün­dung hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt im We­sent­li­chen aus­ge­führt, dem Klä­ger ste­he der zu­ge­spro­che­ne Geld­aus­gleich in­fol­ge des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs we­gen Ver­let­zung der Ar­beits­zeitricht­li­nie zu. Ei­ne frei­wil­li­ge Zu­viel­ar­beit bei Über­schrei­tung der uni­ons­recht­lich höchst­zu­läs­si­gen Be­zugs­zeit­räu­me sei auch auf­grund von Aus­nah­me­vor­schrif­ten nicht vor­ge­se­hen.

4 Hier­ge­gen wen­det sich die vom Se­nat zu­ge­las­se­ne Re­vi­si­on der Be­klag­ten, mit der sie be­an­tragt,
die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 18. Ju­ni 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 16. Ok­to­ber 2013 auf­zu­he­ben und die Kla­ge in vol­lem Um­fang ab­zu­wei­sen.

5 Der Klä­ger be­an­tragt,
die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen.

6 Der Ver­tre­ter des Bun­des­in­ter­es­ses beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt un­ter­stützt die Re­vi­si­on der Be­klag­ten.

II

7 Die Re­vi­si­on ist teil­wei­se be­grün­det. Das Be­ru­fungs­ur­teil ist auf­zu­he­ben. So­weit die Sa­che nicht vom Se­nat selbst ent­schie­den wer­den kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO), ist sie an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO). Die An­nah­men des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit set­ze kei­ne erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung durch den Be­trof­fe­nen vor­aus und ver­lan­ge nicht den Nach­weis der über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den hin­aus kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den, ver­let­zen re­vi­si­bles Recht. Des­halb ist die Kla­ge ab­zu­wei­sen, so­weit mit ihr fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 7. Ju­ni 2009 bis 31. März 2012 gel­tend ge­macht wird. Ob sich das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für den ver­blei­ben­den streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum vom 1. April 2012 bis zum 16. Ok­to­ber 2013 aus an­de­ren Grün­den im Er­geb­nis ganz oder teil­wei­se als rich­tig dar­stellt (§ 144 Abs. 4 Vw­GO), kann der Se­nat man­gels hier­für aus­rei­chen­der tat­säch­li­cher Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts nicht ent­schei­den.

8 In dem Zeit­raum ab Ju­ni 2009 lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die Be­klag­te, die das vom Land Bran­den­burg er­las­se­ne Recht le­dig­lich an­wen­det, dem Grun­de nach vor (1.). Uni­ons­recht kann in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land durch Rechts­ver­ord­nun­gen um­ge­setzt wer­den (2.). § 4 Abs. 3 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit der Be­am­ten des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in den Feu­er­weh­ren und den Leit­stel­len der Land­krei­se im Land Bran­den­burg vom 3. Au­gust 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit für die Be­am­ten des Po­li­zei­voll­zugs­diens­tes, des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes und des Jus­tiz­voll­zugs­diens­tes des Lan­des Bran­den­burg vom 16. Sep­tem­ber 2009 (Bb­gAZV­PFJ, GVBl. II S. 686) set­zen Art. 22 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um. Sie ver­let­zen of­fen­kun­dig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Ver­bot, wo­nach kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten (3.). Die An­wen­dung die­ses mit Uni­ons­recht un­ver­ein­ba­ren Lan­des­rechts ist der be­klag­ten Stadt als Dienst­her­rin der Feu­er­wehr­be­am­ten an­zu­las­ten. Durch die An­wen­dung des den Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts nicht ge­nü­gen­den in­ner­staat­li­chen Rechts ist der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch auch ge­gen­über der Kom­mu­ne als Dienst­her­rin be­grün­det (4.). Der Dienst­herr muss aber le­dig­lich die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit aus­glei­chen, die der Be­rech­tig­te ab dem auf die erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet hat. Dies ist im Fall des Klä­gers erst für die Zeit ab April 2012 der Fall (5.). Der noch nicht ver­fal­le­ne Aus­gleichs­an­spruch ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit aus­ge­rich­tet. Da die­se Form des Aus­gleichs aus vom Klä­ger nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus­schei­det, wan­delt sich der Aus­gleichs­an­spruch in ei­nen sol­chen auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich (6.). Ob und ggf. in­wie­weit der Klä­ger Zu­viel­ar­beit ge­leis­tet hat, be­stimmt sich man­gels ei­ner an­der­wei­ti­gen Re­ge­lung durch den na­tio­na­len Norm­ge­ber nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (7.). Für den Geld­aus­gleich sind die Sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te ma­ß­geb­lich. Der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich er­folgt da­nach nicht pau­schal nach der Dif­fe­renz zwi­schen der Höchst­ar­beits­zeit und der ge­neh­mig­ten Zu­viel­ar­beit. Er rich­tet sich viel­mehr nach den vom Be­am­ten kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den (8.). Die Ein­ho­lung ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on im Ver­fah­ren nach Art. 267 AEUV ist nicht ver­an­lasst (9.).

9 1. Die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die be­klag­te Stadt, die nicht für die Um­set­zung der Vor­ga­ben der Richt­li­nie durch den Er­lass von Rechts­nor­men zu­stän­dig ist, sind im Zeit­raum ab dem Jahr 2009 dem Grun­de nach ge­ge­ben. Denn die Be­klag­te hat die zur Um­set­zung von Art. 22 RL 2003/88/EG er­las­se­nen Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg an­ge­wen­det, ob­wohl für sie er­kenn­bar war, dass die­se Um­set­zung im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot un­zu­rei­chend ge­we­sen ist.

10 Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch setzt nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) vor­aus, dass die uni­ons­recht­li­che Norm, ge­gen die ver­sto­ßen wor­den ist, die Ver­lei­hung von Rech­ten an die Ge­schä­dig­ten be­zweckt (a), zwi­schen die­sem Ver­stoß und dem den Ge­schä­dig­ten ent­stan­de­nen Scha­den ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang be­steht (b) und der Ver­stoß ge­gen die­se Norm hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG tref­fen die Mit­glied­staa­ten die er­for­der­li­chen Maß­nah­men, da­mit nach Ma­ß­ga­be der Er­for­der­nis­se der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer die durch­schnitt­li­che Ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum 48 Stun­den ein­schlie­ß­lich der Über­stun­den nicht über­schrei­tet. Die­se Vor­schrift ver­leiht dem Ein­zel­nen Rech­te, die die­ser nach Ab­lauf der Frist zur Um­set­zung der wort­glei­chen Vor­gän­ger­be­stim­mung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Ar­beits­zeit­recht der Be­klag­ten un­mit­tel­bar vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend ma­chen kann (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ro­päi­schen Uni­on, der ge­mäß Art. 6 Abs. 1 EUV der glei­che Rang wie den Ver­trä­gen zu­er­kannt ist (stRspr, zu­letzt Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2016 - C-178/15, Sob­c­zys­zyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. No­vem­ber 2015 - C-219/14, Green­field - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Ar­beit­neh­mer kei­ne wei­ter­ge­hen­den Schutz­rech­te her­lei­ten (zum ein­heit­li­chen Ar­beit­neh­mer­be­griff von Richt­li­nie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: Eu­GH, Ur­teil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fe­noll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wo­nach je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer u.a. das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit hat, ge­währ­leis­tet auf­grund der Un­be­stimmt­heit sei­nes Wort­lauts kei­ne wei­ter­ge­hen­den In­di­vi­du­al­rech­te.

12 Ge­mäß der Aus­nah­me­vor­schrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mit­glied­staa­ten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zu­läs­si­ge Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum nor­miert wird, un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen nicht an­zu­wen­den. Ein sol­ches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur mög­lich, wenn die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­ge­hal­ten wer­den und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für ge­sorgt wird, dass kein Ar­beit­ge­ber von dem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn, der Ar­beit­neh­mer ist frei­wil­lig da­zu be­reit, und dass ihm im Wei­ge­rungs­fall kei­ne Nach­tei­le ent­ste­hen.

13 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur der­zei­ti­gen Ar­beits­schutz­richt­li­nie RL 2003/88/EG, eben­so wie zu der Vor­gän­ger­richt­li­nie RL 1993/104/EG, sind ab­wei­chen­de Be­stim­mun­gen als Aus­nah­men von der Ge­mein­schafts­re­ge­lung über die Ar­beits­zeit­ge­stal­tung - wie hier Art. 22 der Richt­li­nie - so aus­zu­le­gen, dass ihr An­wen­dungs­be­reich auf das zur Wah­rung der In­ter­es­sen, de­ren Schutz sie er­mög­li­chen, un­be­dingt Er­for­der­li­che be­grenzt wird (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 2003 - C-151/02, Jae­ger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31; eben­so Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vor­ga­ben in den Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar for­mell wirk­sam (sie­he un­ten 2.), aber in­halt­lich in­fol­ge Nicht­be­ach­tung des Nach­teils­ver­bots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um­ge­setzt (sie­he un­ten 3.). Dies ver­letzt den Klä­ger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Rech­ten. Die be­klag­te Stadt hat die­se im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot uni­ons­rechts­wid­ri­gen Vor­schrif­ten an­ge­wandt und da­mit ih­rer­seits den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch des Klä­gers aus­ge­löst (sie­he un­ten 4.).

15 b) Zwi­schen dem Ver­stoß ge­gen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Scha­den, der dem Klä­ger durch die uni­ons­rechts­wid­rig er­brach­te Zu­viel­ar­beit ent­stan­den ist, be­steht auch ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang. Un­er­heb­lich ist, dass die­se Zu­viel­ar­beit des Klä­gers und der da­mit ver­bun­de­ne Ver­lust an Frei­zeit und Er­ho­lungs­zeit nach na­tio­na­lem Recht kei­nen Scha­den im Sin­ne des zi­vil­recht­li­chen Scha­dens­er­satz­rechts dar­stel­len. Ma­ß­geb­lich ist in­so­weit al­lein auf das Uni­ons­recht ab­zu­stel­len, das hier­in ei­nen Scha­den sieht (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 so­wie Te­nor 1 und 4; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Dar­über hin­aus ist der Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht auch hin­rei­chend qua­li­fi­ziert, um den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch zu be­grün­den. Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ist das der Fall, wenn der Mit­glied­staat die Gren­zen, die sei­nem Er­mes­sen ge­setzt sind, of­fen­kun­dig und er­heb­lich über­schrit­ten hat, wo­bei zu den in­so­weit zu be­rück­sich­ti­gen­den Ge­sichts­punk­ten ins­be­son­de­re das Maß an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der ver­letz­ten Vor­schrift so­wie der Um­fang des Er­mes­sens­spiel­raums ge­hö­ren, den die ver­letz­te Vor­schrift den na­tio­na­len Be­hör­den be­lässt (Eu­GH, Ur­tei­le vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Bras­se­rie du pêcheur und Fac­tor­ta­me - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Ja­nu­ar 2007 - C-278/05, Ro­bins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 so­wie Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVer­wG, Ur­teil vom 30. Ok­to­ber 2014 - 2 C 3.13 - Buch­holz 245 Lan­des­BesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qua­li­fi­zier­ter Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht zu­las­ten des Klä­gers liegt im Hin­blick auf das von der Be­klag­ten zu be­ach­ten­de Nach­teils­ver­bot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (sie­he 3.a).

17 Für den Zeit­raum ab dem Jahr 2009 sind zu­gleich grund­sätz­lich die Vor­aus­set­zun­gen des dienst­recht­li­chen Aus­gleichs­an­spruchs aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ge­ge­ben (BVer­wG, Ur­tei­le vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buch­holz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26). Die bei­den An­sprü­che sind hin­sicht­lich der Ver­jäh­rung so­wie der Rechts­fol­gen gleich­ge­rich­tet (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. In­ner­staat­li­che Rechts­vor­schrif­ten, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - ei­ne Richt­li­nie der Eu­ro­päi­schen Uni­on in deut­sches Recht um­set­zen, sind am Maß­stab des Uni­ons­rechts zu mes­sen, so­weit die Richt­li­nie den Mit­glied­staa­ten kei­nen Um­set­zungs­spiel­raum lässt, son­dern zwin­gen­de Vor­ga­ben macht (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 22. Ok­to­ber 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerf­GE 73, 339 <387>, vom 7. Ju­ni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerf­GE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerf­GE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerf­GE 121, 1 <15>, vom 14. Ok­to­ber 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerf­GE 122, 1 <20> und vom 21. Sep­tem­ber 2016 - 2 BvL 1/15 - ju­ris Rn. 32). Den Mit­glied­staa­ten steht es un­ter den in Art. 22 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­si­gen Höchst­ar­beits­zeit für Ar­beit­neh­mer ab­zu­wei­chen. Da­für müs­sen sie Rechts­nor­men er­las­sen (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richt­li­nie ga­ran­tier­ten all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ge­währ­leis­ten und die dar­über hin­aus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Kri­te­ri­en ge­nü­gen. Für die Trans­for­ma­ti­on von Uni­ons­recht in in­ner­staat­li­ches Recht kom­men so­wohl for­mel­le Ge­set­ze als auch Rechts­ver­ord­nun­gen in Be­tracht (vgl. nur Ruf­fert, in: Cal­liess/Ruf­fert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schro­eder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 je­weils m.w.N.). Da­mit rich­tet sich die Uni­ons­rechts­kon­for­mi­tät der frag­li­chen Rechts­ver­ord­nun­gen in­so­weit al­lein da­nach, ob die­se nach in­ner­staat­li­chem Recht ei­ne hin­rei­chen­de Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge ha­ben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - eben­so wie sei­ne in­halts­glei­che Vor­gän­ger­norm in § 143 und § 134 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 8. Ok­to­ber 1999 (GVBl. I S. 446) - er­mäch­tigt die zu­stän­di­gen Mit­glie­der der Lan­des­re­gie­rung aus­drück­lich, die Ar­beits­zeit der Po­li­zei- und Jus­tiz­voll­zugs­be­am­ten so­wie die des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in ei­ner Rechts­ver­ord­nung zu re­geln. Da­mit ist so­wohl dem uni­ons­recht­li­chen Rechts­norm­vor­be­halt als auch dem in­ner­staat­li­chen Ge­set­zes­vor­be­halt Ge­nü­ge ge­tan.

19 3. § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und sei­ne Nach­fol­ger­vor­schrift, der wort­lauti­den­tisch bis zum 31. Ju­li 2014 gel­ten­de § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009, be­stim­men, dass auf An­trag des Be­am­ten über den Rah­men von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus Schicht­dienst bis zu 56 Stun­den un­ter Be­ach­tung der all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes als durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Ar­beits­zeit be­wil­ligt wer­den kann. Die Be­wil­li­gung kann aus dienst­li­chen Grün­den zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jahrs mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen wer­den. Der Be­am­te ist auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit schrift­lich hin­zu­wei­sen. Er kann sei­nen An­trag zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jah­res mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen.

20 a) So­wohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 set­zen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hin­rei­chend um. Da­nach hat ein Mit­glied­staat, der von die­ser Aus­nah­me­vor­schrift Ge­brauch ma­chen möch­te, mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für zu sor­gen, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, ei­ner über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hin­aus­ge­hen­den Ar­beit nach­zu­ge­hen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" da­mit un­ter den Vor­be­halt, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, aus den in der Ar­beits­zeitricht­li­nie fest­ge­leg­ten Ar­beits­zeit­höchst­gren­zen "aus­zu­tre­ten" oder "hin­aus­zu­op­tie­ren" (Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­ho­fes der Eu­ro­päi­schen Uni­on er­for­dert die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie nicht ei­ne förm­li­che und wört­li­che Über­nah­me ih­rer Be­stim­mun­gen in ei­ne aus­drück­li­che, be­son­de­re Rechts­vor­schrift. Ihr kann viel­mehr durch ei­nen all­ge­mei­nen recht­li­chen Kon­text Ge­nü­ge ge­tan wer­den, wenn die­ser tat­säch­lich die voll­stän­di­ge An­wen­dung der Richt­li­nie hin­rei­chend klar und be­stimmt ge­währ­leis­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on ist je­doch er­for­der­lich, dass die Rechts­la­ge hin­rei­chend be­stimmt, klar und trans­pa­rent ist und die Be­güns­tig­ten in die La­ge ver­setzt, von al­len ih­ren Rech­ten Kennt­nis zu er­lan­gen und die­se ggf. vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend zu ma­chen (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vor­ga­be, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nor­mier­te Nach­teils­ver­bot in in­ner­staat­li­ches Recht um­zu­set­zen, wer­den we­der § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ge­recht. In bei­den Vor­schrif­ten fehlt ein Hin­weis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Nach­teils­ver­bot. Da­durch wird des­sen prak­ti­sche Wirk­sam­keit ge­schwächt, weil der Ar­beit­neh­mer nicht hin­rei­chend klar er­ken­nen kann, dass er sich, nach der Er­klä­rung sei­ner­seits an der Höchst­ar­beits­zeit ge­mäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­hal­ten zu wol­len, et­wa ge­gen nach­tei­li­ge Dienst­plan­ge­stal­tun­gen mit Er­folg zur Wehr set­zen kann (Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nach­teils­ver­bot, das mit Blick auf den Schutz­cha­rak­ter der Ar­beits­zeitricht­li­nie we­sent­li­che Be­deu­tung hat, kommt auch nicht in sons­ti­gen im Be­reich des Lan­des Bran­den­burg gel­ten­den ver­öf­fent­lich­ten Rechts­vor­schrif­ten, wie ins­be­son­de­re den Be­am­ten­ge­set­zen, in die der in­so­weit be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer et­wa Ein­sicht neh­men könn­te, mit hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit, Klar­heit und Trans­pa­renz zum Aus­druck. Das gilt ins­be­son­de­re für die - le­dig­lich als Ge­ne­ral­klau­sel for­mu­lier­te - be­am­ten­recht­li­che Für­sor­ge­pflicht ge­mäß § 45 Be­amtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zu­dem wä­re, selbst wenn man un­ter­stellt, dass sol­che Rechts­vor­schrif­ten vor­han­den sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den bran­den­bur­gi­schen Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen hin­zu­wei­sen. Dar­an fehlt es eben­falls. An­de­ren­falls wä­re der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer, der ty­pi­scher­wei­se ge­ra­de über kei­ne ver­tief­ten ju­ris­ti­schen Kennt­nis­se ver­fügt, nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge, die er­for­der­li­che in­halt­li­che Ver­knüp­fung zwi­schen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den na­tio­na­len Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeit­ver­ord­nung und dem an an­de­rer Stel­le nor­mier­ten Nach­teils­ver­bot her­zu­stel­len. So wä­re et­wa der be­güns­tig­te (be­am­te­te) Ar­beit­neh­mer nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge zu er­ken­nen, dass sei­ne - aus dienst­li­chen Grün­den mög­li­che - Um­set­zung oder auch nur ei­ne ihm nach­tei­li­ge Dienst­plan­än­de­rung dem Nach­teils­ver­bot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG un­ter­fällt, wenn sie des­halb er­folgt, weil er nicht be­reit ist, über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit­gren­ze von 48 Stun­den hin­aus zu ar­bei­ten (sie­he so auch Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on, Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Des­halb grei­fen die Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen so­wohl des Bun­des und meh­re­rer an­de­rer Bun­des­län­der, die von der Öff­nungs­klau­sel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Ge­brauch ge­macht ha­ben, das Nach­teils­ver­bot ge­ra­de aus­drück­lich auf (vgl. et­wa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzV­BY vom 5. Ja­nu­ar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZ­VO vom 30. De­zem­ber 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZ­VO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZ­VOFeu NW vom 1. Sep­tem­ber 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 Säch­s­AZ­VO vom 28. Ja­nu­ar 2008, GVBl. S. 198). Her­vor­zu­he­ben ist, dass auch das Recht des Lan­des Bran­den­burg nun­mehr - mit Wir­kung ab dem 1. Au­gust 2014 - das Nach­teils­ver­bot in § 21 Abs. 4 Satz 2 Bb­gAZV­PFJ vom 10. Ju­li 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) aus­drück­lich nennt. Dar­an fehlt es - für den hier streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009.

26 b) Steht da­mit die un­voll­stän­di­ge Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­deu­tig und klar fest, kommt es auf die wei­te­re Fra­ge, ob die­se Be­stim­mun­gen der bei­den ge­nann­ten Rechts­ver­ord­nun­gen dar­über hin­aus auch den An­for­de­run­gen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG of­fen­kun­dig nicht ge­recht wer­den, vor­lie­gend nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich an. Der Se­nat hält die­se Fra­ge für of­fen.

27 aa) Maß­st­abs­bil­den­de Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur Fra­ge der Not­wen­dig­keit ei­nes Be­zugs­zeit­raums und zur Aus­le­gung des Be­griffs "im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vor­gän­ger­richt­li­nie gibt es für den Fall des "Opt-out" bis­lang nicht. Das gilt auch für das Ur­teil des Ge­richts­hofs vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Die­ses Ur­teil be­zieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vor­gän­ger­richt­li­nie 1993/104/EG, der al­ler­dings im We­sent­li­chen mit Art. 22 RL 2003/88/EG ver­gleich­bar ist. In die­sem Ur­teil führt der Ge­richts­hof aber nur aus, dass die In­an­spruch­nah­me der Mög­lich­keit, die Grund­satz­norm des Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, vor­aus­setzt, dass die Mit­glied­staa­ten die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hal­ten und be­stimm­te - in der Richt­li­nie ge­nann­te - ku­mu­la­ti­ve Vor­aus­set­zun­gen er­fül­len. Für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums folgt dar­aus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum" die Re­de ist.

28 Die in­ner­staat­li­che Recht­spre­chung zu die­ser Fra­ge ist un­ein­heit­lich (be­ja­hend: OVG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­tei­le vom 18. Ju­ni 2015 - OVG 6 B 19.15 - ju­ris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - ju­ris Rn. 25; ver­nei­nend: VG Mün­chen, Ur­teil vom 18. Ok­to­ber 2016 - M 5 K 14.5855 - ju­ris Rn. 32; VG Aa­chen, Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2016 - 1 K 2244/14 - ju­ris Rn. 32).

29 Ei­ner­seits gibt es Ar­gu­men­te, die da­für spre­chen, ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur un­ter Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums zu­zu­las­sen. Der Wort­laut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könn­te in deut­scher Sprach­fas­sung dar­auf hin­deu­ten, dass es den Mit­glied­staa­ten ob­liegt, ei­nen (bis zu vier­mo­na­ti­gen) Be­zugs­zeit­raum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu re­geln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG be­stimmt, dass es ei­nem Mit­glied­staat frei­ge­stellt ist, Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, wenn er die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hält und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für sorgt, dass kein Ar­beit­ge­ber von ei­nem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn der Ar­beit­neh­mer hat sich hier­zu be­reit er­klärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Wei­te­ren vor, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass "der Ar­beit­ge­ber die zu­stän­di­gen Be­hör­den [...] dar­über un­ter­rich­tet, wel­che Ar­beit­neh­mer sich da­zu be­reit er­klärt ha­ben, im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten".

30 Auch aus der Norm­sys­te­ma­tik las­sen sich Grün­de für die Not­wen­dig­keit, ei­nen Be­zugs­zeit­raum nach Ma­ß­ga­be von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Fal­le des "Opt-out" zu re­geln, her­lei­ten. Sys­te­ma­tisch spricht der Zu­sam­men­hang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Er­for­der­nis ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Zu den un­ab­hän­gig vom Ein­ver­ständ­nis des Ar­beit­neh­mers zu re­geln­den Vor­ga­ben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­hört, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass ein Ar­beit­neh­mer die Mög­lich­keit hat, nur durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den zu ar­bei­ten. Da­für wä­re die Re­ge­lung je­den­falls ei­nes Be­zugs­zeit­raums hilf­reich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­währ­leis­ten, dass die Mit­glied­staa­ten ei­ne Gren­ze für die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit re­geln, um so zum Ar­beits- und Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer bei­zu­tra­gen (EFTA-Ge­richts­hof, Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein sol­cher Schutz wür­de oh­ne die Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums für den Durch­schnitt der Wo­chen­ar­beits­zeit er­schwert. Der durch die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit be­zweck­te Schutz ist um­so in­ten­si­ver, je kür­zer der für den Durch­schnitt ma­ß­geb­li­che Be­zugs­zeit­raum ist. Be­son­ders in­ten­siv ist er, wenn der Be­zugs­zeit­raum nur ei­ne Wo­che be­trägt, weil es dann un­mög­lich ist, ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit ei­ner Wo­che durch ge­rin­ge­re Ar­beits­zei­ten an­de­rer Wo­chen "weg­zu­rech­nen". Ein ma­xi­ma­ler Schutz in die­sem Sin­ne wä­re mit­hin da­durch zu er­rei­chen, dass bei Feh­len ei­ner Re­ge­lung des Be­zugs­zeit­raums der kon­kre­te Sie­ben­ta­ges­zeit­raum ma­ß­geb­lich ist. Die­se Rechts­fol­ge tritt bei Feh­len ei­ner Be­zugs­zeit­raum­re­ge­lung ein, so­lan­ge Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG An­wen­dung fin­det (BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zu­las­sung ei­ner oh­ne Be­zugs­zeit­raum mög­li­chen und da­mit un­li­mi­tier­ten Höchst­ar­beits­zeit könn­te zu­dem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh wi­der­spre­chen, der be­stimmt, dass je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit, auf täg­li­che und wö­chent­li­che Ru­he­zei­ten so­wie auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hat (vgl. Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Fer­ner ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass auch ein recht­mä­ßi­ges "Opt-out" ge­mäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Er­for­der­nis der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­freit, aber nicht von den täg­li­chen und wö­chent­li­chen Min­dest­ru­he­zei­ten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ru­he­pau­sen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Be­schrän­kun­gen der Nacht­ar­beit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dis­pen­siert. Des­halb ist die Fest­stel­lung der Kom­mis­si­on in ih­ren ak­tu­el­len An­wen­dungs­hin­wei­sen zu Aus­le­gungs­fra­gen der Ar­beits­zeitricht­li­nie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zu­tref­fend, dass, be­rück­sich­tigt man nur den Zeit­raum der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit, die in der Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­nen Min­dest­zeit­räu­me der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit von den ins­ge­samt 168 Stun­den (24 Stun­den x 7 Ta­ge) ei­ner Wo­che be­reits durch­schnitt­lich 90 Ru­he­stun­den be­deu­ten (6 Ta­ge x 11 Stun­den täg­li­che Ru­he­zeit + 24 Stun­den wö­chent­li­che Ru­he­zeit). Dem­zu­fol­ge dürf­te un­ter Be­rück­sich­ti­gung von Ru­he­zei­ten, Ru­he­pau­sen und der mög­li­chen stren­ge­ren Be­schrän­kun­gen im Fall von Nacht­ar­beit die Ar­beits­zeit auch im Fal­le ei­ner recht­mä­ßi­gen Aus­nah­me­re­ge­lung nach Art. 22 RL 2003/88/EG ei­nen Durch­schnitt von 78 Stun­den pro Wo­che nicht über­schrei­ten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 An­de­rer­seits wirft die kon­kre­te Be­stim­mung ei­nes Be­zugs­zeit­raums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ei­ne Viel­zahl von bis­lang un­ge­klär­ten uni­ons­recht­li­chen Fra­gen auf. So ist zu­nächst un­klar, ob es zur abs­trakt-ge­ne­rel­len Re­ge­lung der Mög­lich­keit ei­ner "Opt-out"-Ver­ein­ba­rung ei­nes be­son­de­ren Be­zugs­zeit­raums be­darf. Der Hin­weis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum könn­te näm­lich auch dar­auf hin­deu­ten, dass da­mit der längs­te vom Mit­glied­staat fest­zu­le­gen­de Be­zugs­zeit­raum ge­meint ist. Da­für könn­te auch nach der deut­schen Sprach­fas­sung des Richt­li­ni­en­tex­tes spre­chen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Zeit­raum" die Re­de ist und nicht von dem "nach Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) fest­ge­setz­ten Be­zugs­zeit­raum".

34 Des Wei­te­ren stel­len sich norm­sys­te­ma­ti­sche Fra­gen nach dem Ver­hält­nis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ver­weist wört­lich be­trach­tet al­lein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Zeit­raum, so­dass frag­lich ist, ob er auch die Fest­set­zun­gen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richt­li­nie er­fasst, in de­nen - je­weils un­ter be­son­de­ren Vor­aus­set­zun­gen - an­de­re Be­zugs­zeit­räu­me be­nannt wer­den. Da­bei ist ins­be­son­de­re zu be­rück­sich­tig­ten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Ver­hält­nis zu Art. 16 RL 2003/88/EG un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen län­ge­re Be­zugs­zeit­räu­me von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Mo­na­ten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) er­öff­nen.

35 Die For­mu­lie­rung der ver­schie­de­nen Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie ist je nach Sprach­fas­sung und auch in­ner­halb ein­zel­ner Sprach­fas­sun­gen nach den Aus­füh­run­gen der Schluss­an­trä­ge der Ge­ne­ral­an­wäl­tin Ko­kott im Ver­fah­ren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) un­ein­heit­lich. Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on müs­sen aber die Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts im Licht der Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on ein­heit­lich aus­ge­legt und an­ge­wandt wer­den. Wei­chen die ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen ei­nes Rechts­tex­tes der Uni­on von­ein­an­der ab, muss die frag­li­che Vor­schrift an­hand der all­ge­mei­nen Sys­te­ma­tik und des Zwecks der Re­ge­lung aus­ge­legt wer­den, zu der sie ge­hört (Eu­GH, Ur­tei­le vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ER­GO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Os­so - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Not­wen­dig­keit ei­ner ein­heit­li­chen An­wen­dung und da­mit ei­ner ein­heit­li­chen Aus­le­gung der Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts schlie­ßt es da­nach aus, ei­ne Vor­schrift in ei­ner ih­rer Fas­sun­gen iso­liert zu be­trach­ten, son­dern ge­bie­tet es, sie an­hand des wirk­li­chen Wil­lens ih­res Norm­ge­bers und des von ihm ver­folg­ten Zwecks na­ment­lich im Licht ih­rer Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on aus­zu­le­gen. Ei­ne ab­wei­chen­de Sprach­fas­sung kann des­halb nicht al­lein ge­gen­über al­len an­de­ren Sprach­fas­sun­gen den Aus­schlag ge­ben (EuG-Rechts­mit­tel­kam­mer, Ur­teil vom 8. No­vem­ber 2012 - T-268/11 P - ju­ris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Un­ein­heit­lich­keit in den ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hin­zu­wei­sen. Die Fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG wei­sen in eng­li­scher, fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung je­weils klei­ne Be­son­der­hei­ten auf, die bei der Aus­le­gung der Norm zu be­rück­sich­ti­gen sein könn­ten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lau­tet in eng­li­scher Fas­sung: "for the ap­pli­ca­ti­on of Ar­ti­cle 6 (ma­xi­mum weekly working time), a re­fe­rence pe­ri­od not ex­cee­ding four months", al­so um ei­nen Be­zugs­zeit­raum, der vier Mo­na­te nicht über­schrei­ten darf, wäh­rend es in fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung im Gleich­klang um ei­nen Be­zugs­zeit­raum von bis zu vier Mo­na­ten ("une pe­ri­ode de re­fe­rence ne de­pas­sant pas quat­re mois") geht. Wei­ter hei­ßt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in eng­li­scher Fas­sung "du­ra­ti­on of the working time", wäh­rend sich die fran­zö­si­sche und deut­sche Fas­sung des Norm­tex­tes je­weils mit den Wor­ten "la du­ree du temps de tra­vail" oder mit dem Wort "Ar­beits­zeit" be­gnügt. Die eng­li­sche Fas­sung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG dar­über hin­aus nur von Ta­rif­ver­trä­gen (collec­ti­ve agree­ments) und Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen bei­den Sei­ten der In­dus­trie (the two si­des of in­dus­try) wäh­rend im fran­zö­si­schen und deut­schen Text der Richt­li­nie an die­ser Stel­le von "con­ven­ti­ons collec­ti­ves"/"Ta­rif­ver­trä­gen" und "ac­cords con­clus ent­re par­ten­aires so­ci­aux"/"So­zi­al­part­nern" ge­spro­chen wird. In die­sem Zu­sam­men­hang ist auch zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Kom­mis­si­on in ih­rer ak­tu­el­len Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) aus­drück­lich dar­auf hin­weist, dass die Richt­li­nie we­der den Be­griff "Ta­rif­ver­trag" de­fi­niert noch nä­her er­läu­tert, was "Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern auf na­tio­na­ler und re­gio­na­ler Ebe­ne" sind, mit der Fol­ge, dass die­se Be­grif­fe durch na­tio­na­le Rechts­vor­schrif­ten und Ge­pflo­gen­hei­ten nä­her zu be­stim­men sei­en (ABl. EU Nr. C 165/49). Schlie­ß­lich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf­merk­sam zu ma­chen. Dort hei­ßt es in der eng­li­schen Fas­sung am En­de "un­less he has first ob­tai­ned the worker’s agree­ment to per­form such work”, wäh­rend es nach der fran­zö­si­schen und deut­schen Text­fas­sung aus­reicht, dass sich der Ar­beit­neh­mer be­reit er­klärt hat, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten.

37 All die­se sprach­li­chen Un­eben­hei­ten las­sen sich norm­sys­te­ma­tisch und te­leo­lo­gisch zwar un­ter Rück­füh­rung dar­auf ver­ein­heit­li­chen, dass der Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on in den Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie über die Min­dest­ru­he­zei­ten und die Höchst­ar­beits­zei­ten "be­son­ders wich­ti­ge Re­geln des So­zi­al­rechts der Ge­mein­schaft" sieht. Die­se Re­geln müs­sen je­dem Ar­beit­neh­mer als ein zum Schutz sei­ner Si­cher­heit und sei­ner Ge­sund­heit be­stimm­ter Min­dest­an­spruch zu­gu­te­kom­men (vgl. z.B. Eu­GH, Ur­tei­le vom 7. Sep­tem­ber 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Ok­to­ber 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Des­halb be­grenzt der Ge­richts­hof die den Mit­glied­staa­ten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mög­li­che Ab­wei­chungs­mög­lich­keit u.a. von der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit für Fäl­le, in de­nen die Ar­beits­zeit we­gen der be­son­de­ren Merk­ma­le der aus­ge­üb­ten Tä­tig­keit nicht ge­mes­sen und oder nicht im Vor­aus fest­ge­legt wird oder von den Ar­beit­neh­mern selbst fest­ge­legt wer­den kann, auf das zum Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer "un­be­dingt Er­for­der­li­che" (Eu­GH, Ur­teil vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31).

38 Dar­aus aber den für den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch er­for­der­li­chen wei­te­ren Schluss zu zie­hen, ein Mit­glied­staat ver­sto­ße hin­rei­chend qua­li­fi­ziert und da­mit of­fen­kun­dig ge­gen ei­ne uni­ons­recht­li­che Norm, wenn er ei­ne "Opt-out"-Ent­schei­dung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, oh­ne zu­gleich ei­nen Be­zugs­zeit­raum im Sin­ne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­zu­le­gen, ist dem Se­nat man­gels des er­for­der­li­chen Ma­ßes an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der als ver­letzt gel­ten­den Vor­schrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht mög­lich.

39 bb) Eben­so ver­hält es sich mit der wei­te­ren Fra­ge der Frei­wil­lig­keit der nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs (Eu­GH, Ur­teil vom 5. Ok­to­ber 2004 - C 397/01 u.a., Pfeif­fer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) not­wen­dig in­di­vi­du­el­len Be­reit­schafts­er­klä­rung ei­nes Ar­beit­neh­mers. Hier geht es um den schrift­li­chen An­trag des Klä­gers vom 10. Ok­to­ber 2007, Zu­viel­ar­beit im Sin­ne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leis­ten zu dür­fen. Wäh­rend die Frei­wil­lig­keit und In­di­vi­dua­li­tät der Be­reit­schafts­er­klä­rung des Klä­gers un­zwei­fel­haft sind, stellt sich die Fra­ge der Ver­ein­bar­keit mit Uni­ons­recht im Hin­blick auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit die­ser Er­klä­rung oder die­ses An­trags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009. Der Richt­li­ni­en­text ent­hält kei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung über das "ob" und das "wie" ei­nes die Be­reit­schafts­er­klä­rung be­tref­fen­den Wi­der­rufs­rechts des Ar­beit­neh­mers. Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu Mög­lich­keit und Mo­da­li­tä­ten ei­nes Wi­der­rufs ist nicht er­sicht­lich. Der EFTA-Ge­richts­hof hat im Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E 5/15 - (ju­ris) nur ent­schie­den, dass der ge­ne­rel­le Wi­der­rufsau­schluss ei­ner ein­mal wirk­sam ge­ge­be­nen Be­reit­schafts­er­klä­rung im Ein­zel­fall ei­ne Ver­let­zung der Richt­li­nie be­grün­den kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 vor­ge­se­he­ne Wi­der­rufs­mög­lich­keit mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten zum Ab­lauf des Ka­len­der­jah­res den An­for­de­run­gen an die je­der­zei­ti­ge Frei­wil­lig­keit der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit ge­nügt, kann hier un­ent­schie­den blei­ben. Da­für könn­te die Tat­sa­che spre­chen, dass der Richt­li­ni­en­text für die Fra­ge des Wi­der­rufs und der Wi­der­rufs­frist ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit kei­ne aus­drück­li­chen Vor­ga­ben macht. Da­ge­gen lie­ße sich in­des norm­sys­te­ma­tisch und am Zweck des Ar­beits­zeit­schut­zes ori­en­tiert für ei­nen mög­li­chen Gleich­lauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ma­xi­ma­len Be­zugs­zeit­raums von vier Mo­na­ten und der Frist für den Wi­der­ruf ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit ar­gu­men­tie­ren (so et­wa Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tat­sa­che, dass der bun­des­deut­sche Ge­setz­ge­ber in Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Wi­der­rufs­frist für nicht be­am­te­te Ar­beit­neh­mer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fas­sung vom 24. De­zem­ber 2003 (BGBl. I S. 3002) ge­ne­rell auf sechs Mo­na­te oh­ne Be­gren­zung auf das Jah­res­en­de be­stimmt hat (vgl. da­zu nä­her Wank, in: Mül­ler-Glö­ge/Preis/Schmidt, Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könn­te ge­gen ei­ne ma­xi­mal 15 Mo­na­te lau­fen­de Wi­der­rufs­frist - Wi­der­ruf am 1. Ok­to­ber, Frist­ab­lauf am 31. De­zem­ber des Fol­ge­jah­res - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­ge­wandt wer­den. Dies zeigt: Auch die Fra­ge, ob die Vor­ga­ben des streit­ge­gen­ständ­li­chen bran­den­bur­gi­schen Lan­des­rechts zur Ar­beits­zeit für Feu­er­wehr­be­am­te in der Zeit zwi­schen 2007 (In­kraft­tre­ten von § 4 AZV Feu 2007 im Au­gust 2007) und 2014 (In­kraft­tre­ten von § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2014 im Au­gust 2014) den An­for­de­run­gen der Frei­wil­lig­keit für die Dau­er der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­nü­gen, lässt sich auf­grund ei­ner Nor­m­aus­le­gung nach Wort­laut, Sys­te­ma­tik und Zweck nicht hin­rei­chend ein­deu­tig und klar be­ant­wor­ten.

41 cc) Die Text­ana­ly­se schlie­ßt es nach al­le­dem aus, hin­sicht­lich der Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fra­gen der Not­wen­dig­keit von Be­zugs­zeit­räu­men und den An­for­de­run­gen an die Frei­wil­lig­keit für den Wi­der­ruf von Ein­ver­ständ­nis­er­klä­run­gen zur Zu­viel­ar­beit hin­sicht­lich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 von ei­nem "hin­rei­chend qua­li­fi­zier­ten Ver­stoß" ge­gen das Uni­ons­recht im Sinn des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs aus­zu­ge­hen.

42 4. Un­ge­ach­tet der evi­dent un­zu­rei­chen­den Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Re­ge­lung der Ar­beits­zeit von kom­mu­na­len Feu­er­wehr­be­am­ten zu­stän­di­gen Lan­des­ge­setz­ge­ber ist die be­klag­te Stadt hier als Nor­m­an­wen­der auf­grund des An­wen­dungs­vor­rangs des Uni­ons­rechts ge­hal­ten ge­we­sen, die Vor­ga­ben der Richt­li­nie zu be­fol­gen und ent­ge­gen­ste­hen­des Lan­des­recht un­an­ge­wen­det zu las­sen. Die Be­klag­te hät­te er­ken­nen müs­sen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 klar und ein­deu­tig die Vor­ga­be ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ver­let­zen, weil es die­sen Rechts­ver­ord­nun­gen an ei­ner Vor­schrift fehlt, die ge­währ­leis­tet, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, Zu­viel­ar­beit zu leis­ten. Ein Trä­ger öf­fent­li­cher Ge­walt ist auch in sei­ner Ei­gen­schaft als öf­fent­li­cher Ar­beit­ge­ber zur An­wen­dung des Uni­ons­rechts ver­pflich­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Im­pact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Da­nach hat die Be­klag­te in ih­rer Ei­gen­schaft als Dienst­her­rin des Klä­gers durch Nicht­be­ach­tung des An­wen­dungs­vor­rangs der EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ge­gen das Uni­ons­recht ver­sto­ßen. Dass sie in­ner­staat­lich die Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des im Rah­men ih­rer Auf­ga­ben der mit­tel­ba­ren Staats­ver­wal­tung zu be­fol­gen hat­te, än­dert dar­an nichts.

43 5. Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit setzt - wie der na­tio­na­le dienst­recht­li­che Aus­gleichs­an­spruch - vor­aus, dass er vom Be­am­ten oder Sol­da­ten zu­vor zu­min­dest in Form ei­ner Rü­ge gel­tend ge­macht wor­den ist. Aus­zu­glei­chen ist die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit, die ab dem auf die erst­ma­li­ge schrift­li­che Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet wor­den ist (stRspr, BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Klä­ger den Aus­gleichs­an­spruch erst im März 2012 gel­tend ge­macht hat, ste­hen ihm An­sprü­che erst ab April 2012 zu.

44 a) Be­sol­dungs­an­sprü­che von Be­am­ten und Sol­da­ten er­ge­ben sich un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), ei­nes An­tra­ges oder ei­ner Rü­ge be­darf es da­her nicht. Ent­spre­chen­des gilt für Ver­sor­gungs­be­zü­ge (z.B. § 3 Abs. 1 Be­amtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechts­grund der Ali­men­tie­rung von Ru­he­stands­be­am­ten ist zwar der Ver­sor­gungs­fest­set­zungs­be­scheid, auch die­ser er­geht in­des von Amts we­gen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 Be­amtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und be­darf da­her we­der ei­nes An­trags noch ei­ner Hin­weis­pflicht (BVer­wG, Ur­teil vom 25. Ok­to­ber 2012 - 2 C 59.11 - BVer­w­GE 145, 14 Rn. 34).

45 An­sprü­che, de­ren Fest­set­zung und Zah­lung sich nicht un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz er­ge­ben, be­dür­fen da­ge­gen ei­ner vor­he­ri­gen Gel­tend­ma­chung (BVerfG, Be­schluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerf­GE 81, 363 <384 f.>; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - ju­ris Rn. 16). Denn hier ist ei­ne vor­gän­gi­ge be­hörd­li­che Ent­schei­dung über Grund und Hö­he der be­gehr­ten Zah­lung er­for­der­lich.

46 Für An­sprü­che we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit gilt dies in be­son­de­rer Wei­se. Die­se sind nicht pri­mär auf die Zah­lung ei­nes fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs ge­rich­tet, son­dern auf die Be­sei­ti­gung des rechts­wid­ri­gen Zu­stands. Durch den Hin­weis des Be­am­ten oder Sol­da­ten ist da­her zu­nächst ei­ne Prü­fung sei­nes Dienst­herrn ver­an­lasst, ob ei­ne Än­de­rung der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung er­for­der­lich ist und ob ei­ne rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit - et­wa durch An­pas­sung der ma­ß­geb­li­chen Dienst­plä­ne - ver­mie­den oder durch die Ge­wäh­rung von Frei­zeit­aus­gleich kom­pen­siert wer­den kann. Oh­ne ent­spre­chen­de Rü­ge muss der Dienst­herr nicht da­von aus­ge­hen, je­der Be­am­te wer­de die Über­schrei­tung der ak­tu­el­len Ar­beits­zeit­re­ge­lung be­an­stan­den. Auch hin­sicht­lich der mög­li­chen fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs­pflicht hat der Dienst­herr ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an, nicht nach­träg­lich mit un­vor­her­seh­ba­ren Zah­lungs­be­geh­ren kon­fron­tiert zu wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 21. Sep­tem­ber 2006 - 2 C 7.06 - Buch­holz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Be­am­te wird durch das Er­for­der­nis der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn auch nicht un­zu­mut­bar be­las­tet. Denn an die Rü­ge des Be­rech­tig­ten sind kei­ne zu ho­hen An­for­de­run­gen zu stel­len. Es reicht aus, wenn sich aus der Äu­ße­rung er­gibt, dass der Be­am­te oder Sol­dat die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt hält. We­der ist ein An­trag im rechts­tech­ni­schen Sin­ne er­for­der­lich noch muss Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich, be­an­tragt oder der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich kon­kret be­rech­net wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buch­holz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die An­wen­dung des Grund­sat­zes der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung auch auf den nicht nor­ma­tiv ge­re­gel­ten uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch ist mit Uni­ons­recht ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­teil vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Vor­aus­set­zung für die Ver­ein­bar­keit des ge­nann­ten Grund­sat­zes mit Uni­ons­recht ist, dass den An­for­de­run­gen des Äqui­va­lenz- und des Ef­fek­ti­vi­täts­grund­sat­zes Rech­nung ge­tra­gen ist (Eu­GH, Ur­tei­le vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C-20/13, Un­land - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den na­tio­na­len Ge­rich­ten ob­lie­gen­de Prü­fung er­gibt, dass die Vor­aus­set­zun­gen der bei­den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben in Be­zug auf das Ge­bot der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung er­füllt sind. Dem Ge­bot, dass die Mo­da­li­tä­ten zur Durch­set­zung des uni­ons­recht­li­chen An­spruchs nicht un­güns­ti­ger sein dür­fen als die­je­ni­gen, die gleich­ar­ti­ge Sach­ver­hal­te in­ner­staat­li­cher Art re­geln (Äqui­va­lenz­grund­satz), ist Rech­nung ge­tra­gen. Auch der - ne­ben dem uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch be­stehen­de, rich­ter­recht­lich ent­wi­ckel­te - Aus­gleichs­an­spruch aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ist nur ge­ge­ben, wenn der Be­rech­tig­te die­sen ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn gel­tend macht (BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz ver­langt, dass die Aus­übung der durch das Uni­ons­recht ver­lie­he­nen Rech­te nicht prak­tisch un­mög­lich ge­macht oder über­mä­ßig er­schwert wird. Die Fest­set­zung an­ge­mes­se­ner Aus­schluss­fris­ten für die Rechts­ver­fol­gung ist im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit, die zu­gleich den Be­rech­tig­ten und die Be­hör­de schützt, mit die­sen Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2011 - C-262/09, Meili­cke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C- 20/13, Un­land - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zu­dem sind, wie dar­ge­legt, die An­for­de­run­gen an die schrift­li­che Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­ring. Denn der Be­rech­tig­te muss ge­gen­über dem Dienst­herrn le­dig­lich schrift­lich zum Aus­druck brin­gen, er hal­te die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt.

50 6. Der pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­te­te An­spruch des Klä­gers wan­delt sich in­fol­ge Ab­laufs des mög­li­chen Aus­gleichs­zeit­raums in ei­nen An­spruch auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich, der we­der ver­fal­len noch aus an­de­ren Grün­den aus­ge­schlos­sen ist.

51 Der Haf­tungs­an­spruch we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­tet. Zweck der Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum, den Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer zu ge­währ­leis­ten, ist nicht durch ei­ne Geld­zah­lung, son­dern durch die Frei­stel­lung von der Pflicht zur Dienst­leis­tung zu er­rei­chen.

52 Schei­det aber die Ge­wäh­rung von Frei­zeit zum Aus­gleich der uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit aus vom Be­rech­tig­ten nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus, so ge­bie­tet es der uni­ons­recht­li­che Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz, dass die ent­stan­de­nen An­sprü­che nicht un­ter­ge­hen, son­dern sich in sol­che auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich um­wan­deln (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Da­nach sind hier fi­nan­zi­el­le Aus­gleichs­an­sprü­che des Klä­gers nicht aus­ge­schlos­sen, weil die über die Jah­re hin­weg an­ge­spann­te Per­so­nal­si­tua­ti­on bei der Be­rufs­feu­er­wehr der Be­klag­ten, in der der Klä­ger Dienst zu leis­ten hat­te, eben­so wie der zwi­schen­zeit­li­che Zeit­ab­lauf der Ge­wäh­rung von Frei­zeit zur Ab­gel­tung der ent­stan­de­nen An­sprü­che ent­ge­gen­stan­den.

53 7. Ob der Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig zu viel ge­ar­bei­tet hat, be­stimmt sich hier nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum im Sin­ne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Eben­so wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wen­det sich auch Art. 16 die­ser Richt­li­nie ("Die Mit­glied­staa­ten kön­nen ... vor­se­hen") an den Mit­glied­staat. Die­ser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG ab­wei­chen­den Fest­le­gung des Be­zugs­zeit­raums ("bis zu vier Mo­na­ten") be­rech­tigt, aber nicht ver­pflich­tet. Ob und in­wie­weit der Mit­glied­staat die­se Er­mäch­ti­gung zu der für den Ar­beit­neh­mer un­güns­ti­gen Aus­deh­nung des Be­zugs­zeit­raums auf bis zu vier Mo­na­ten aus­nutzt, ist Sa­che der je­weils zu­stän­di­gen ge­setz­ge­ben­den Or­ga­ne des Mit­glied­staa­tes, weil nur sie die zur Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie er­for­der­li­chen Rechts­no­men er­las­sen kön­nen. Die Aus­übung der Er­mäch­ti­gung ist je­den­falls nicht den das Recht an­wen­den­den na­tio­na­len Ge­rich­ten in dem Sin­ne über­ant­wor­tet, dass die­se den Be­zugs­zeit­raum nach dem As­pekt der "Sach­ge­rech­tig­keit" fest­le­gen kön­nen. Um die ihm ein­ge­räum­te Be­fug­nis in An­spruch zu neh­men, muss der Mit­glied­staat auch die Ent­schei­dung tref­fen, sich auf die­se Er­mäch­ti­gung zu be­ru­fen. Im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit muss die­se Ent­schei­dung des Mit­glied­staa­tes be­stimmt und klar sein (Eu­GH, Ur­teil vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVer­wG, Ur­teil vom 15. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeit­raum bis zum 1. Au­gust 2014 und da­mit in der hier zwi­schen den Be­tei­lig­ten noch strei­ti­gen Zeit zwi­schen 2009 und 2013 hat­te das Land den Be­zugs­zeit­raum für die vom Klä­ger frei­wil­lig er­brach­te uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 auf ein Jahr - an­statt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­sig er­öff­net - auf bis zu ma­xi­mal vier Mo­na­ten er­streckt.

56 Auch die sons­ti­gen Be­stim­mun­gen der RL 2003/88/EG, die zu ei­ner Ver­län­ge­rung des Be­zugs­zeit­raums füh­ren kön­nen - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Mo­na­te bei Fest­le­gun­gen in Ta­rif­ver­trä­gen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen So­zi­al­part­nern -, grei­fen nicht zu Guns­ten der Be­klag­ten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG set­zen je­weils vor­aus, dass der Mit­glied­staat Re­ge­lun­gen im Sin­ne von Art. 16 RL 2003/88/EG er­las­sen hat, die den An­for­de­run­gen an die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie in na­tio­na­les Recht im Sin­ne von Art. 288 Abs. 3 AEUV ge­nü­gen. Dar­an fehlt es aber eben­so wie an der Aus­nut­zung der ge­nann­ten Be­fug­nis­se ("sind ... zu­läs­sig" und "kann ab­ge­wi­chen wer­den") durch den Er­lass ei­ner für die Um­set­zung er­for­der­li­chen Rechts­norm des in­ner­staat­li­chen Norm­ge­bers.

57 8. Die Be­rech­nung der vom Klä­ger für die Zeit ab dem Fol­ge­mo­nat der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung - hier: Gel­tend­ma­chung im März 2012 - der im Ein­zel­nen er­brach­ten uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit ist kon­kret und nicht - wie vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt an­ge­nom­men - pau­schal zu er­mit­teln. Die kon­kre­te Er­mitt­lung der vom Klä­ger für den Zeit­raum vom 1. April 2012 bis 16. Ok­to­ber 2013 tat­säch­lich ge­leis­te­ten Zu­viel­ar­beit ist die wei­te­re Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens. Da­bei folgt schon aus dem Uni­ons­recht ge­mäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Zei­ten des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs so­wie die Krank­heits­zei­ten bei der Be­rech­nung des Durch­schnitts der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit un­be­rück­sich­tigt blei­ben oder neu­tral sind. Die­se Vor­ga­be des Uni­ons­rechts ver­langt, dass un­ge­ach­tet der Fra­ge der Um­set­zung in in­ner­staat­li­ches Recht durch ei­ne Rechts­norm die be­tref­fen­den Ta­ge bei der Be­rech­nung mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen sind.

58 Die Ar­beits­zeitricht­li­nie nimmt zwar le­dig­lich auf den uni­ons­recht­lich ge­währ­leis­te­ten Min­dest­ur­laub von vier Wo­chen Be­zug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der dar­über hin­aus­ge­hen­de, im na­tio­na­len Recht be­grün­de­te Mehr­ur­laub ist in­des mit der Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mit­glied­staa­ten un­be­rührt, für die Si­cher­heit und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten an­zu­wen­den oder zu er­las­sen. Dies um­fasst auch die Ein­räu­mung ei­nes über den uni­ons­recht­li­chen Min­dest­ur­laub hin­aus­ge­hen­den Ur­laubs­an­spruchs. Da der Klä­ger am Ur­laubs­tag von der Pflicht zur Dienst­leis­tung be­freit ist und auch der Mehr­ur­laub der Er­ho­lung des Klä­gers dient, kön­nen die­se Ta­ge nicht als Aus­gleich für ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum her­an­ge­zo­gen wer­den (vgl. eben­so schon BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Fei­er­ta­ge, die auf Wo­chen­ta­ge fal­len, sind mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit ein­zu­be­zie­hen und da­mit grund­sätz­lich zu neu­tra­li­sie­ren. So­weit der Klä­ger an die­sen Ta­gen nicht zur Dienst­leis­tung ver­pflich­tet war, kön­nen sol­che Ta­ge nicht zum Aus­gleich ei­ner et­wai­gen Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit her­an­ge­zo­gen wer­den. Dem­ge­gen­über sind Zei­ten, in de­nen dem Klä­ger auf Grund­la­ge des Dienst­zeit­aus­gleichser­las­ses ein zeit­li­cher Aus­gleich ge­währt wur­de, kei­ne Ar­beits­zeit im Sin­ne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Ar­beits­zeit zäh­len uni­ons­recht­lich sämt­li­che Zei­ten, die vom be­tref­fen­den Feu­er­wehr­be­am­ten im Rah­men von Ar­beits­be­reit­schaft und Be­reit­schafts­dienst in Form per­sön­li­cher An­we­sen­heit in der Dienst­stel­le ab­ge­leis­tet wor­den sind, un­ab­hän­gig da­von, wel­che Ar­beits­leis­tung er wäh­rend die­ses Diens­tes tat­säch­lich er­bracht hat (Eu­GH, Ur­teil vom 3. Ok­to­ber 2000 - C-303/98, Si­map - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Des­halb wird auch die ge­naue Be­stim­mung der Zahl der aus­zu­glei­chen­den Stun­den Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens sein. Nach dem uni­ons­recht­li­chen Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz muss da­nach vor­lie­gend je­de Stun­de, die der Klä­ger in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­rau­mes über 48 Stun­den hin­aus ge­ar­bei­tet hat, aus­ge­gli­chen wer­den, weil die Vor­aus­set­zun­gen für das von der Be­klag­ten gel­tend ge­mach­te "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie ge­zeigt - nicht vor­la­gen. Auch dies spricht nur für ei­nen Aus­gleich von tat­säch­lich und kon­kret er­brach­ter Zu­viel­ar­beit.

61 Der Geld­aus­gleich für die vom Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit ori­en­tiert sich an den je­weils gel­ten­den Stun­den­sät­zen der Ver­ord­nung über die Ge­wäh­rung von Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te in der Fas­sung der Be­kannt­ma­chung vom 3. De­zem­ber 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deut­lich, dass es um die kon­kret stun­den­be­zo­ge­ne Ab­rech­nung der Zu­viel­ar­beit geht und nicht um de­ren pau­scha­le Zu­grun­de­le­gung. Zwar un­ter­schei­den sich recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit und uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit tat­be­stand­lich. Recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit be­darf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der An­ord­nung oder Ge­neh­mi­gung, die nur ver­fügt oder er­teilt wer­den darf, wenn zwin­gen­de dienst­li­che Ver­hält­nis­se dies er­for­dern und sich die Mehr­ar­beit auf Aus­nah­me­fäl­le be­schränkt. Des Wei­te­ren darf an­ge­ord­ne­te oder ge­neh­mig­te Mehr­ar­beit die uni­ons­recht­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den im Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - au­ßer­halb der vom Uni­ons­recht vor­ge­se­he­nen Ver­fah­ren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht über­schrei­ten (BVer­wG, Ur­teil vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 14). Nur un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen liegt Mehr­ar­beit im dienst­recht­li­chen Sinn vor, die zeit­aus­gleichs- oder ver­gü­tungs­fä­hig ist. Da­ge­gen han­delt es sich bei rechts­wid­rig ge­leis­te­ter Zu­viel­ar­beit im öf­fent­li­chen Dienst­recht um die Dienst­zeit, die der Be­am­te über die uni­ons­recht­lich nach Ma­ß­ga­be der Ar­beits­zeitricht­li­nie und ih­rer Aus­nah­me­be­stim­mun­gen höchs­tens zu­läs­si­ge wö­chent­li­che Ar­beits­zeit hin­aus er­bringt. Sie ist ihm stets voll aus­zu­glei­chen, pri­mär durch Frei­zeit­aus­gleich, so­fern dies nicht mehr mög­lich ist, se­kun­där durch Geld­aus­gleich. Den­noch geht es in bei­den Fäl­len um den Aus­gleich für ei­ne über­ob­li­ga­ti­ons­mä­ßi­ge Her­an­zie­hung des Be­am­ten (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), so­dass für den Geld­aus­gleich auch in Fäl­len uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit in der Rechts­fol­ge die Stun­den­sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tungs­ver­ord­nung her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen.

62 Auf die Vor­schrif­ten über die Be­sol­dung kann hin­ge­gen nicht zu­rück­ge­grif­fen wer­den (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 39). Denn die Be­sol­dung ist kein Ent­gelt im Sin­ne ei­ner Ent­loh­nung für kon­kre­te Diens­te (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerf­GE 44, 249 <264>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>), son­dern die Ge­gen­leis­tung des Dienst­herrn da­für, dass sich der Be­am­te mit vol­lem per­sön­li­chen Ein­satz der Er­fül­lung sei­ner Dienst­pflich­ten wid­met (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerf­GE 21, 329 <345>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Ent­loh­nung von Ar­beits­stun­den, son­dern auf die Si­cher­stel­lung ei­ner amts­an­ge­mes­se­nen Le­bens­füh­rung ge­rich­tet.

63 9. Nach al­le­dem hat für den Se­nat kei­ne Ver­an­las­sung be­stan­den, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen, um ei­ne Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Uni­on nach Art. 267 AEUV ein­zu­ho­len. Dem Klä­ger steht für den Zeit­raum vom 1. April 2012 bis zum 16. Ok­to­ber 2013 stun­den­be­zo­ge­ner Geld­aus­gleich zu, für den die Be­klag­te nach Ma­ß­ga­be der Grund­sät­ze des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ein­zu­tre­ten hat, weil sie bei der vom Klä­ger kon­kret er­brach­ten Zu­viel­ar­beit den An­wen­dungs­vor­rang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 of­fen­kun­dig ver­letz­ten Nach­teils­ver­bots ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht be­ach­tet hat. Auf wei­te­re Fra­gen des Uni­ons­rechts hat es des­halb nicht mehr ent­schei­dungs­er­heb­lich an­kom­men kön­nen.

Ur­teil vom 20.07.2017 -
BVer­wG 2 C 39.16ECLI:DE:BVer­wG:2017:200717U2C39.16.0

Ur­teil

BVer­wG 2 C 39.16

  • VG Pots­dam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1292/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 29.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 20. Ju­li 2017
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung, Dr. Kennt­ner, Dol­lin­ger und Dr. Gün­ther
für Recht er­kannt:

  1. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen, so­weit mit ihr ein Geld­aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2009 bis 31. Ja­nu­ar 2012 gel­tend ge­macht wird. Die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 18. Ju­ni 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 16. Ok­to­ber 2013 wer­den auf­ge­ho­ben, so­weit sie dem ent­ge­gen­ste­hen.
  2. Im Üb­ri­gen (hin­sicht­lich des Zeit­raums vom 1. Fe­bru­ar 2012 bis 16. Ok­to­ber 2013) wird das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg auf­ge­ho­ben. In­so­weit wird die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.

Grün­de

I

1 Der Klä­ger, der im streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum bei der be­klag­ten Stadt als Feu­er­wehr­be­am­ter im 24-Stun­den-Schicht­dienst tä­tig war, be­gehrt fi­nan­zi­el­len Aus­gleich für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit.

2 Der von dem Klä­ger im Ok­to­ber 2007 be­an­trag­ten Er­hö­hung sei­ner durch­schnitt­li­chen wö­chent­li­chen Ar­beits­zeit auf bis zu 56 Stun­den ent­sprach die Be­klag­te durch Be­scheid vom 26. Ok­to­ber 2007. Den an sie im Ja­nu­ar 2012 ge­rich­te­ten An­trag des Klä­gers auf Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se auf Geld­aus­gleich für die von ihm seit dem Jahr 2003 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus ver­rich­te­ten Dienst­zei­ten, lehn­te die Be­klag­te ab. Das Vor­ver­fah­ren blieb er­folg­los.

3 Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­klag­te un­ter Ab­leh­nung des An­trags im Üb­ri­gen und teil­wei­ser Auf­he­bung der an­ge­foch­te­nen Be­schei­de ver­pflich­tet, dem Klä­ger für die im Zeit­raum ab Ja­nu­ar 2009 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus­ge­hend ge­leis­te­te Ar­beit Geld­aus­gleich nach dem je­weils gel­ten­den Stun­den­satz für die Mehr­ar­beits­ver­gü­tung zu ge­wäh­ren. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­ru­fung mit der Ma­ß­ga­be zu­rück­ge­wie­sen, dass es die Be­klag­te ver­ur­teilt hat, an den Klä­ger für den Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2009 bis zum 16. Ok­to­ber 2013 ei­nen Be­trag von 21 784,36 € nebst Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins ab Rechts­hän­gig­keit zu zah­len. Zur Be­grün­dung hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt im We­sent­li­chen aus­ge­führt, dem Klä­ger ste­he der zu­ge­spro­che­ne Geld­aus­gleich in­fol­ge des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs we­gen Ver­let­zung der Ar­beits­zeitricht­li­nie zu. Ei­ne frei­wil­li­ge Zu­viel­ar­beit bei Über­schrei­tung der uni­ons­recht­lich höchst­zu­läs­si­gen Be­zugs­zeit­räu­me sei auch auf­grund von Aus­nah­me­vor­schrif­ten nicht vor­ge­se­hen.

4 Hier­ge­gen wen­det sich die vom Se­nat zu­ge­las­se­ne Re­vi­si­on der Be­klag­ten, mit der sie be­an­tragt,
die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 18. Ju­ni 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 16. Ok­to­ber 2013 auf­zu­he­ben und die Kla­ge in vol­lem Um­fang ab­zu­wei­sen.

5 Der Klä­ger be­an­tragt,
die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen.

6 Der Ver­tre­ter des Bun­des­in­ter­es­ses beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt un­ter­stützt die Re­vi­si­on der Be­klag­ten.

II

7 Die Re­vi­si­on ist teil­wei­se be­grün­det. Das Be­ru­fungs­ur­teil ist auf­zu­he­ben. So­weit die Sa­che nicht vom Se­nat selbst ent­schie­den wer­den kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO), ist sie an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO). Die An­nah­men des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit set­ze kei­ne erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung durch den Be­trof­fe­nen vor­aus und ver­lan­ge nicht den Nach­weis der über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den hin­aus kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den, ver­let­zen re­vi­si­bles Recht. Des­halb ist die Kla­ge ab­zu­wei­sen, so­weit mit ihr fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2009 bis 31. Ja­nu­ar 2012 gel­tend ge­macht wird. Ob sich das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für den ver­blei­ben­den streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum vom 1. Fe­bru­ar 2012 bis zum 16. Ok­to­ber 2013 aus an­de­ren Grün­den im Er­geb­nis ganz oder teil­wei­se als rich­tig dar­stellt (§ 144 Abs. 4 Vw­GO), kann der Se­nat man­gels hier­für aus­rei­chen­der tat­säch­li­cher Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts nicht ent­schei­den.

8 In dem Zeit­raum ab 2009 lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die Be­klag­te, die das vom Land Bran­den­burg er­las­se­ne Recht le­dig­lich an­wen­det, dem Grun­de nach vor (1.). Uni­ons­recht kann in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land durch Rechts­ver­ord­nun­gen um­ge­setzt wer­den (2.). § 4 Abs. 3 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit der Be­am­ten des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in den Feu­er­weh­ren und den Leit­stel­len der Land­krei­se im Land Bran­den­burg vom 3. Au­gust 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit für die Be­am­ten des Po­li­zei­voll­zugs­diens­tes, des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes und des Jus­tiz­voll­zugs­diens­tes des Lan­des Bran­den­burg vom 16. Sep­tem­ber 2009 (Bb­gAZV­PFJ, GVBl. II S. 686) set­zen Art. 22 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um. Sie ver­let­zen of­fen­kun­dig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Ver­bot, wo­nach kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten (3.). Die An­wen­dung die­ses mit Uni­ons­recht un­ver­ein­ba­ren Lan­des­rechts ist der be­klag­ten Stadt als Dienst­her­rin der Feu­er­wehr­be­am­ten an­zu­las­ten. Durch die An­wen­dung des den Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts nicht ge­nü­gen­den in­ner­staat­li­chen Rechts ist der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch auch ge­gen­über der Kom­mu­ne als Dienst­her­rin be­grün­det (4.). Der Dienst­herr muss aber le­dig­lich die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit aus­glei­chen, die der Be­rech­tig­te ab dem auf die erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet hat. Dies ist im Fall des Klä­gers erst für die Zeit ab Fe­bru­ar 2012 der Fall (5.). Der noch nicht ver­fal­le­ne Aus­gleichs­an­spruch ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit aus­ge­rich­tet. Da die­se Form des Aus­gleichs aus vom Klä­ger nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus­schei­det, wan­delt sich der Aus­gleichs­an­spruch in ei­nen sol­chen auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich (6.). Ob und ggf. in­wie­weit der Klä­ger Zu­viel­ar­beit ge­leis­tet hat, be­stimmt sich man­gels ei­ner an­der­wei­ti­gen Re­ge­lung durch den na­tio­na­len Norm­ge­ber nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (7.). Für den Geld­aus­gleich sind die Sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te ma­ß­geb­lich. Der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich er­folgt da­nach nicht pau­schal nach der Dif­fe­renz zwi­schen der Höchst­ar­beits­zeit und der ge­neh­mig­ten Zu­viel­ar­beit. Er rich­tet sich viel­mehr nach den vom Be­am­ten kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den (8.). Die Ein­ho­lung ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on im Ver­fah­ren nach Art. 267 AEUV ist nicht ver­an­lasst (9.).

9 1. Die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die be­klag­te Stadt, die nicht für die Um­set­zung der Vor­ga­ben der Richt­li­nie durch den Er­lass von Rechts­nor­men zu­stän­dig ist, sind im Zeit­raum ab dem Jahr 2009 dem Grun­de nach ge­ge­ben. Denn die Be­klag­te hat die zur Um­set­zung von Art. 22 RL 2003/88/EG er­las­se­nen Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg an­ge­wen­det, ob­wohl für sie er­kenn­bar war, dass die­se Um­set­zung im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot un­zu­rei­chend ge­we­sen ist.

10 Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch setzt nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) vor­aus, dass die uni­ons­recht­li­che Norm, ge­gen die ver­sto­ßen wor­den ist, die Ver­lei­hung von Rech­ten an die Ge­schä­dig­ten be­zweckt (a), zwi­schen die­sem Ver­stoß und dem den Ge­schä­dig­ten ent­stan­de­nen Scha­den ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang be­steht (b) und der Ver­stoß ge­gen die­se Norm hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG tref­fen die Mit­glied­staa­ten die er­for­der­li­chen Maß­nah­men, da­mit nach Ma­ß­ga­be der Er­for­der­nis­se der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer die durch­schnitt­li­che Ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum 48 Stun­den ein­schlie­ß­lich der Über­stun­den nicht über­schrei­tet. Die­se Vor­schrift ver­leiht dem Ein­zel­nen Rech­te, die die­ser nach Ab­lauf der Frist zur Um­set­zung der wort­glei­chen Vor­gän­ger­be­stim­mung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Ar­beits­zeit­recht der Be­klag­ten un­mit­tel­bar vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend ma­chen kann (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ro­päi­schen Uni­on, der ge­mäß Art. 6 Abs. 1 EUV der glei­che Rang wie den Ver­trä­gen zu­er­kannt ist (stRspr, zu­letzt Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2016 - C-178/15, Sob­c­zys­zyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. No­vem­ber 2015 - C-219/14, Green­field - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Ar­beit­neh­mer kei­ne wei­ter­ge­hen­den Schutz­rech­te her­lei­ten (zum ein­heit­li­chen Ar­beit­neh­mer­be­griff von Richt­li­nie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: Eu­GH, Ur­teil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fe­noll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wo­nach je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer u.a. das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit hat, ge­währ­leis­tet auf­grund der Un­be­stimmt­heit sei­nes Wort­lauts kei­ne wei­ter­ge­hen­den In­di­vi­du­al­rech­te.

12 Ge­mäß der Aus­nah­me­vor­schrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mit­glied­staa­ten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zu­läs­si­ge Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum nor­miert wird, un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen nicht an­zu­wen­den. Ein sol­ches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur mög­lich, wenn die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­ge­hal­ten wer­den und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für ge­sorgt wird, dass kein Ar­beit­ge­ber von dem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn, der Ar­beit­neh­mer ist frei­wil­lig da­zu be­reit, und dass ihm im Wei­ge­rungs­fall kei­ne Nach­tei­le ent­ste­hen.

13 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur der­zei­ti­gen Ar­beits­schutz­richt­li­nie RL 2003/88/EG, eben­so wie zu der Vor­gän­ger­richt­li­nie RL 1993/104/EG, sind ab­wei­chen­de Be­stim­mun­gen als Aus­nah­men von der Ge­mein­schafts­re­ge­lung über die Ar­beits­zeit­ge­stal­tung - wie hier Art. 22 der Richt­li­nie - so aus­zu­le­gen, dass ihr An­wen­dungs­be­reich auf das zur Wah­rung der In­ter­es­sen, de­ren Schutz sie er­mög­li­chen, un­be­dingt Er­for­der­li­che be­grenzt wird (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 2003 - C-151/02, Jae­ger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31; eben­so Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vor­ga­ben in den Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar for­mell wirk­sam (sie­he un­ten 2.), aber in­halt­lich in­fol­ge Nicht­be­ach­tung des Nach­teils­ver­bots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um­ge­setzt (sie­he un­ten 3.). Dies ver­letzt den Klä­ger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Rech­ten. Die be­klag­te Stadt hat die­se im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot uni­ons­rechts­wid­ri­gen Vor­schrif­ten an­ge­wandt und da­mit ih­rer­seits den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch des Klä­gers aus­ge­löst (sie­he un­ten 4.).

15 b) Zwi­schen dem Ver­stoß ge­gen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Scha­den, der dem Klä­ger durch die uni­ons­rechts­wid­rig er­brach­te Zu­viel­ar­beit ent­stan­den ist, be­steht auch ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang. Un­er­heb­lich ist, dass die­se Zu­viel­ar­beit des Klä­gers und der da­mit ver­bun­de­ne Ver­lust an Frei­zeit und Er­ho­lungs­zeit nach na­tio­na­lem Recht kei­nen Scha­den im Sin­ne des zi­vil­recht­li­chen Scha­dens­er­satz­rechts dar­stel­len. Ma­ß­geb­lich ist in­so­weit al­lein auf das Uni­ons­recht ab­zu­stel­len, das hier­in ei­nen Scha­den sieht (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 so­wie Te­nor 1 und 4; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Dar­über hin­aus ist der Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht auch hin­rei­chend qua­li­fi­ziert, um den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch zu be­grün­den. Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ist das der Fall, wenn der Mit­glied­staat die Gren­zen, die sei­nem Er­mes­sen ge­setzt sind, of­fen­kun­dig und er­heb­lich über­schrit­ten hat, wo­bei zu den in­so­weit zu be­rück­sich­ti­gen­den Ge­sichts­punk­ten ins­be­son­de­re das Maß an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der ver­letz­ten Vor­schrift so­wie der Um­fang des Er­mes­sens­spiel­raums ge­hö­ren, den die ver­letz­te Vor­schrift den na­tio­na­len Be­hör­den be­lässt (Eu­GH, Ur­tei­le vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Bras­se­rie du pêcheur und Fac­tor­ta­me - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Ja­nu­ar 2007 - C-278/05, Ro­bins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 so­wie Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVer­wG, Ur­teil vom 30. Ok­to­ber 2014 - 2 C 3.13 - Buch­holz 245 Lan­des­BesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qua­li­fi­zier­ter Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht zu­las­ten des Klä­gers liegt im Hin­blick auf das von der Be­klag­ten zu be­ach­ten­de Nach­teils­ver­bot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (sie­he 3.a).

17 Für den Zeit­raum ab dem Jahr 2009 sind zu­gleich grund­sätz­lich die Vor­aus­set­zun­gen des dienst­recht­li­chen Aus­gleichs­an­spruchs aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ge­ge­ben (BVer­wG, Ur­tei­le vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buch­holz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26). Die bei­den An­sprü­che sind hin­sicht­lich der Ver­jäh­rung so­wie der Rechts­fol­gen gleich­ge­rich­tet (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. In­ner­staat­li­che Rechts­vor­schrif­ten, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - ei­ne Richt­li­nie der Eu­ro­päi­schen Uni­on in deut­sches Recht um­set­zen, sind am Maß­stab des Uni­ons­rechts zu mes­sen, so­weit die Richt­li­nie den Mit­glied­staa­ten kei­nen Um­set­zungs­spiel­raum lässt, son­dern zwin­gen­de Vor­ga­ben macht (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 22. Ok­to­ber 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerf­GE 73, 339 <387>, vom 7. Ju­ni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerf­GE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerf­GE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerf­GE 121, 1 <15>, vom 14. Ok­to­ber 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerf­GE 122, 1 <20> und vom 21. Sep­tem­ber 2016 - 2 BvL 1/15 - ju­ris Rn. 32). Den Mit­glied­staa­ten steht es un­ter den in Art. 22 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­si­gen Höchst­ar­beits­zeit für Ar­beit­neh­mer ab­zu­wei­chen. Da­für müs­sen sie Rechts­nor­men er­las­sen (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richt­li­nie ga­ran­tier­ten all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ge­währ­leis­ten und die dar­über hin­aus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Kri­te­ri­en ge­nü­gen. Für die Trans­for­ma­ti­on von Uni­ons­recht in in­ner­staat­li­ches Recht kom­men so­wohl for­mel­le Ge­set­ze als auch Rechts­ver­ord­nun­gen in Be­tracht (vgl. nur Ruf­fert, in: Cal­liess/Ruf­fert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schro­eder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 je­weils m.w.N.). Da­mit rich­tet sich die Uni­ons­rechts­kon­for­mi­tät der frag­li­chen Rechts­ver­ord­nun­gen in­so­weit al­lein da­nach, ob die­se nach in­ner­staat­li­chem Recht ei­ne hin­rei­chen­de Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge ha­ben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - eben­so wie sei­ne in­halts­glei­che Vor­gän­ger­norm in § 143 und § 134 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 8. Ok­to­ber 1999 (GVBl. I S. 446) - er­mäch­tigt die zu­stän­di­gen Mit­glie­der der Lan­des­re­gie­rung aus­drück­lich, die Ar­beits­zeit der Po­li­zei- und Jus­tiz­voll­zugs­be­am­ten so­wie die des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in ei­ner Rechts­ver­ord­nung zu re­geln. Da­mit ist so­wohl dem uni­ons­recht­li­chen Rechts­norm­vor­be­halt als auch dem in­ner­staat­li­chen Ge­set­zes­vor­be­halt Ge­nü­ge ge­tan.

19 3. § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und sei­ne Nach­fol­ger­vor­schrift, der wort­lauti­den­tisch bis zum 31. Ju­li 2014 gel­ten­de § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009, be­stim­men, dass auf An­trag des Be­am­ten über den Rah­men von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus Schicht­dienst bis zu 56 Stun­den un­ter Be­ach­tung der all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes als durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Ar­beits­zeit be­wil­ligt wer­den kann. Die Be­wil­li­gung kann aus dienst­li­chen Grün­den zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jahrs mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen wer­den. Der Be­am­te ist auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit schrift­lich hin­zu­wei­sen. Er kann sei­nen An­trag zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jah­res mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen.

20 a) So­wohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 set­zen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hin­rei­chend um. Da­nach hat ein Mit­glied­staat, der von die­ser Aus­nah­me­vor­schrift Ge­brauch ma­chen möch­te, mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für zu sor­gen, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, ei­ner über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hin­aus­ge­hen­den Ar­beit nach­zu­ge­hen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" da­mit un­ter den Vor­be­halt, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, aus den in der Ar­beits­zeitricht­li­nie fest­ge­leg­ten Ar­beits­zeit­höchst­gren­zen "aus­zu­tre­ten" oder "hin­aus­zu­op­tie­ren" (Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­ho­fes der Eu­ro­päi­schen Uni­on er­for­dert die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie nicht ei­ne förm­li­che und wört­li­che Über­nah­me ih­rer Be­stim­mun­gen in ei­ne aus­drück­li­che, be­son­de­re Rechts­vor­schrift. Ihr kann viel­mehr durch ei­nen all­ge­mei­nen recht­li­chen Kon­text Ge­nü­ge ge­tan wer­den, wenn die­ser tat­säch­lich die voll­stän­di­ge An­wen­dung der Richt­li­nie hin­rei­chend klar und be­stimmt ge­währ­leis­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on ist je­doch er­for­der­lich, dass die Rechts­la­ge hin­rei­chend be­stimmt, klar und trans­pa­rent ist und die Be­güns­tig­ten in die La­ge ver­setzt, von al­len ih­ren Rech­ten Kennt­nis zu er­lan­gen und die­se ggf. vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend zu ma­chen (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vor­ga­be, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nor­mier­te Nach­teils­ver­bot in in­ner­staat­li­ches Recht um­zu­set­zen, wer­den we­der § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ge­recht. In bei­den Vor­schrif­ten fehlt ein Hin­weis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Nach­teils­ver­bot. Da­durch wird des­sen prak­ti­sche Wirk­sam­keit ge­schwächt, weil der Ar­beit­neh­mer nicht hin­rei­chend klar er­ken­nen kann, dass er sich, nach der Er­klä­rung sei­ner­seits an der Höchst­ar­beits­zeit ge­mäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­hal­ten zu wol­len, et­wa ge­gen nach­tei­li­ge Dienst­plan­ge­stal­tun­gen mit Er­folg zur Wehr set­zen kann (Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nach­teils­ver­bot, das mit Blick auf den Schutz­cha­rak­ter der Ar­beits­zeitricht­li­nie we­sent­li­che Be­deu­tung hat, kommt auch nicht in sons­ti­gen im Be­reich des Lan­des Bran­den­burg gel­ten­den ver­öf­fent­lich­ten Rechts­vor­schrif­ten, wie ins­be­son­de­re den Be­am­ten­ge­set­zen, in die der in­so­weit be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer et­wa Ein­sicht neh­men könn­te, mit hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit, Klar­heit und Trans­pa­renz zum Aus­druck. Das gilt ins­be­son­de­re für die - le­dig­lich als Ge­ne­ral­klau­sel for­mu­lier­te - be­am­ten­recht­li­che Für­sor­ge­pflicht ge­mäß § 45 Be­amtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zu­dem wä­re, selbst wenn man un­ter­stellt, dass sol­che Rechts­vor­schrif­ten vor­han­den sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den bran­den­bur­gi­schen Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen hin­zu­wei­sen. Dar­an fehlt es eben­falls. An­de­ren­falls wä­re der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer, der ty­pi­scher­wei­se ge­ra­de über kei­ne ver­tief­ten ju­ris­ti­schen Kennt­nis­se ver­fügt, nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge, die er­for­der­li­che in­halt­li­che Ver­knüp­fung zwi­schen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den na­tio­na­len Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeit­ver­ord­nung und dem an an­de­rer Stel­le nor­mier­ten Nach­teils­ver­bot her­zu­stel­len. So wä­re et­wa der be­güns­tig­te (be­am­te­te) Ar­beit­neh­mer nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge zu er­ken­nen, dass sei­ne - aus dienst­li­chen Grün­den mög­li­che - Um­set­zung oder auch nur ei­ne ihm nach­tei­li­ge Dienst­plan­än­de­rung dem Nach­teils­ver­bot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG un­ter­fällt, wenn sie des­halb er­folgt, weil er nicht be­reit ist, über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit­gren­ze von 48 Stun­den hin­aus zu ar­bei­ten (sie­he so auch Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on, Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Des­halb grei­fen die Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen so­wohl des Bun­des und meh­re­rer an­de­rer Bun­des­län­der, die von der Öff­nungs­klau­sel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Ge­brauch ge­macht ha­ben, das Nach­teils­ver­bot ge­ra­de aus­drück­lich auf (vgl. et­wa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzV­BY vom 5. Ja­nu­ar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZ­VO vom 30. De­zem­ber 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZ­VO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZ­VOFeu NW vom 1. Sep­tem­ber 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 Säch­s­AZ­VO vom 28. Ja­nu­ar 2008, GVBl. S. 198). Her­vor­zu­he­ben ist, dass auch das Recht des Lan­des Bran­den­burg nun­mehr - mit Wir­kung ab dem 1. Au­gust 2014 - das Nach­teils­ver­bot in § 21 Abs. 4 Satz 2 Bb­gAZV­PFJ vom 10. Ju­li 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) aus­drück­lich nennt. Dar­an fehlt es - für den hier streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009.

26 b) Steht da­mit die un­voll­stän­di­ge Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­deu­tig und klar fest, kommt es auf die wei­te­re Fra­ge, ob die­se Be­stim­mun­gen der bei­den ge­nann­ten Rechts­ver­ord­nun­gen dar­über hin­aus auch den An­for­de­run­gen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG of­fen­kun­dig nicht ge­recht wer­den, vor­lie­gend nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich an. Der Se­nat hält die­se Fra­ge für of­fen.

27 aa) Maß­st­abs­bil­den­de Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur Fra­ge der Not­wen­dig­keit ei­nes Be­zugs­zeit­raums und zur Aus­le­gung des Be­griffs "im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vor­gän­ger­richt­li­nie gibt es für den Fall des "Opt-out" bis­lang nicht. Das gilt auch für das Ur­teil des Ge­richts­hofs vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Die­ses Ur­teil be­zieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vor­gän­ger­richt­li­nie 1993/104/EG, der al­ler­dings im We­sent­li­chen mit Art. 22 RL 2003/88/EG ver­gleich­bar ist. In die­sem Ur­teil führt der Ge­richts­hof aber nur aus, dass die In­an­spruch­nah­me der Mög­lich­keit, die Grund­satz­norm des Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, vor­aus­setzt, dass die Mit­glied­staa­ten die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hal­ten und be­stimm­te - in der Richt­li­nie ge­nann­te - ku­mu­la­ti­ve Vor­aus­set­zun­gen er­fül­len. Für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums folgt dar­aus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum" die Re­de ist.

28 Die in­ner­staat­li­che Recht­spre­chung zu die­ser Fra­ge ist un­ein­heit­lich (be­ja­hend: OVG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­tei­le vom 18. Ju­ni 2015 - OVG 6 B 19.15 - ju­ris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - ju­ris Rn. 25; ver­nei­nend: VG Mün­chen, Ur­teil vom 18. Ok­to­ber 2016 - M 5 K 14.5855 - ju­ris Rn. 32; VG Aa­chen, Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2016 - 1 K 2244/14 - ju­ris Rn. 32).

29 Ei­ner­seits gibt es Ar­gu­men­te, die da­für spre­chen, ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur un­ter Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums zu­zu­las­sen. Der Wort­laut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könn­te in deut­scher Sprach­fas­sung dar­auf hin­deu­ten, dass es den Mit­glied­staa­ten ob­liegt, ei­nen (bis zu vier­mo­na­ti­gen) Be­zugs­zeit­raum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu re­geln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG be­stimmt, dass es ei­nem Mit­glied­staat frei­ge­stellt ist, Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, wenn er die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hält und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für sorgt, dass kein Ar­beit­ge­ber von ei­nem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn der Ar­beit­neh­mer hat sich hier­zu be­reit er­klärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Wei­te­ren vor, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass "der Ar­beit­ge­ber die zu­stän­di­gen Be­hör­den [...] dar­über un­ter­rich­tet, wel­che Ar­beit­neh­mer sich da­zu be­reit er­klärt ha­ben, im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten".

30 Auch aus der Norm­sys­te­ma­tik las­sen sich Grün­de für die Not­wen­dig­keit, ei­nen Be­zugs­zeit­raum nach Ma­ß­ga­be von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Fal­le des "Opt-out" zu re­geln, her­lei­ten. Sys­te­ma­tisch spricht der Zu­sam­men­hang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Er­for­der­nis ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Zu den un­ab­hän­gig vom Ein­ver­ständ­nis des Ar­beit­neh­mers zu re­geln­den Vor­ga­ben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­hört, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass ein Ar­beit­neh­mer die Mög­lich­keit hat, nur durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den zu ar­bei­ten. Da­für wä­re die Re­ge­lung je­den­falls ei­nes Be­zugs­zeit­raums hilf­reich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­währ­leis­ten, dass die Mit­glied­staa­ten ei­ne Gren­ze für die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit re­geln, um so zum Ar­beits- und Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer bei­zu­tra­gen (EFTA-Ge­richts­hof, Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein sol­cher Schutz wür­de oh­ne die Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums für den Durch­schnitt der Wo­chen­ar­beits­zeit er­schwert. Der durch die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit be­zweck­te Schutz ist um­so in­ten­si­ver, je kür­zer der für den Durch­schnitt ma­ß­geb­li­che Be­zugs­zeit­raum ist. Be­son­ders in­ten­siv ist er, wenn der Be­zugs­zeit­raum nur ei­ne Wo­che be­trägt, weil es dann un­mög­lich ist, ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit ei­ner Wo­che durch ge­rin­ge­re Ar­beits­zei­ten an­de­rer Wo­chen "weg­zu­rech­nen". Ein ma­xi­ma­ler Schutz in die­sem Sin­ne wä­re mit­hin da­durch zu er­rei­chen, dass bei Feh­len ei­ner Re­ge­lung des Be­zugs­zeit­raums der kon­kre­te Sie­ben­ta­ges­zeit­raum ma­ß­geb­lich ist. Die­se Rechts­fol­ge tritt bei Feh­len ei­ner Be­zugs­zeit­raum­re­ge­lung ein, so­lan­ge Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG An­wen­dung fin­det (BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zu­las­sung ei­ner oh­ne Be­zugs­zeit­raum mög­li­chen und da­mit un­li­mi­tier­ten Höchst­ar­beits­zeit könn­te zu­dem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh wi­der­spre­chen, der be­stimmt, dass je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit, auf täg­li­che und wö­chent­li­che Ru­he­zei­ten so­wie auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hat (vgl. Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Fer­ner ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass auch ein recht­mä­ßi­ges "Opt-out" ge­mäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Er­for­der­nis der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­freit, aber nicht von den täg­li­chen und wö­chent­li­chen Min­dest­ru­he­zei­ten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ru­he­pau­sen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Be­schrän­kun­gen der Nacht­ar­beit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dis­pen­siert. Des­halb ist die Fest­stel­lung der Kom­mis­si­on in ih­ren ak­tu­el­len An­wen­dungs­hin­wei­sen zu Aus­le­gungs­fra­gen der Ar­beits­zeitricht­li­nie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zu­tref­fend, dass, be­rück­sich­tigt man nur den Zeit­raum der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit, die in der Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­nen Min­dest­zeit­räu­me der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit von den ins­ge­samt 168 Stun­den (24 Stun­den x 7 Ta­ge) ei­ner Wo­che be­reits durch­schnitt­lich 90 Ru­he­stun­den be­deu­ten (6 Ta­ge x 11 Stun­den täg­li­che Ru­he­zeit + 24 Stun­den wö­chent­li­che Ru­he­zeit). Dem­zu­fol­ge dürf­te un­ter Be­rück­sich­ti­gung von Ru­he­zei­ten, Ru­he­pau­sen und der mög­li­chen stren­ge­ren Be­schrän­kun­gen im Fall von Nacht­ar­beit die Ar­beits­zeit auch im Fal­le ei­ner recht­mä­ßi­gen Aus­nah­me­re­ge­lung nach Art. 22 RL 2003/88/EG ei­nen Durch­schnitt von 78 Stun­den pro Wo­che nicht über­schrei­ten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 An­de­rer­seits wirft die kon­kre­te Be­stim­mung ei­nes Be­zugs­zeit­raums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ei­ne Viel­zahl von bis­lang un­ge­klär­ten uni­ons­recht­li­chen Fra­gen auf. So ist zu­nächst un­klar, ob es zur abs­trakt-ge­ne­rel­len Re­ge­lung der Mög­lich­keit ei­ner "Opt-out"-Ver­ein­ba­rung ei­nes be­son­de­ren Be­zugs­zeit­raums be­darf. Der Hin­weis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum könn­te näm­lich auch dar­auf hin­deu­ten, dass da­mit der längs­te vom Mit­glied­staat fest­zu­le­gen­de Be­zugs­zeit­raum ge­meint ist. Da­für könn­te auch nach der deut­schen Sprach­fas­sung des Richt­li­ni­en­tex­tes spre­chen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Zeit­raum" die Re­de ist und nicht von dem "nach Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) fest­ge­setz­ten Be­zugs­zeit­raum".

34 Des Wei­te­ren stel­len sich norm­sys­te­ma­ti­sche Fra­gen nach dem Ver­hält­nis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ver­weist wört­lich be­trach­tet al­lein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Zeit­raum, so­dass frag­lich ist, ob er auch die Fest­set­zun­gen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richt­li­nie er­fasst, in de­nen - je­weils un­ter be­son­de­ren Vor­aus­set­zun­gen - an­de­re Be­zugs­zeit­räu­me be­nannt wer­den. Da­bei ist ins­be­son­de­re zu be­rück­sich­tig­ten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Ver­hält­nis zu Art. 16 RL 2003/88/EG un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen län­ge­re Be­zugs­zeit­räu­me von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Mo­na­ten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) er­öff­nen.

35 Die For­mu­lie­rung der ver­schie­de­nen Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie ist je nach Sprach­fas­sung und auch in­ner­halb ein­zel­ner Sprach­fas­sun­gen nach den Aus­füh­run­gen der Schluss­an­trä­ge der Ge­ne­ral­an­wäl­tin Ko­kott im Ver­fah­ren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) un­ein­heit­lich. Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on müs­sen aber die Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts im Licht der Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on ein­heit­lich aus­ge­legt und an­ge­wandt wer­den. Wei­chen die ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen ei­nes Rechts­tex­tes der Uni­on von­ein­an­der ab, muss die frag­li­che Vor­schrift an­hand der all­ge­mei­nen Sys­te­ma­tik und des Zwecks der Re­ge­lung aus­ge­legt wer­den, zu der sie ge­hört (Eu­GH, Ur­tei­le vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ER­GO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Os­so - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Not­wen­dig­keit ei­ner ein­heit­li­chen An­wen­dung und da­mit ei­ner ein­heit­li­chen Aus­le­gung der Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts schlie­ßt es da­nach aus, ei­ne Vor­schrift in ei­ner ih­rer Fas­sun­gen iso­liert zu be­trach­ten, son­dern ge­bie­tet es, sie an­hand des wirk­li­chen Wil­lens ih­res Norm­ge­bers und des von ihm ver­folg­ten Zwecks na­ment­lich im Licht ih­rer Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on aus­zu­le­gen. Ei­ne ab­wei­chen­de Sprach­fas­sung kann des­halb nicht al­lein ge­gen­über al­len an­de­ren Sprach­fas­sun­gen den Aus­schlag ge­ben (EuG-Rechts­mit­tel­kam­mer, Ur­teil vom 8. No­vem­ber 2012 - T-268/11 P - ju­ris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Un­ein­heit­lich­keit in den ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hin­zu­wei­sen. Die Fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG wei­sen in eng­li­scher, fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung je­weils klei­ne Be­son­der­hei­ten auf, die bei der Aus­le­gung der Norm zu be­rück­sich­ti­gen sein könn­ten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lau­tet in eng­li­scher Fas­sung: "for the ap­pli­ca­ti­on of Ar­ti­cle 6 (ma­xi­mum weekly working time), a re­fe­rence pe­ri­od not ex­cee­ding four months", al­so um ei­nen Be­zugs­zeit­raum, der vier Mo­na­te nicht über­schrei­ten darf, wäh­rend es in fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung im Gleich­klang um ei­nen Be­zugs­zeit­raum von bis zu vier Mo­na­ten ("une pe­ri­ode de re­fe­rence ne de­pas­sant pas quat­re mois") geht. Wei­ter hei­ßt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in eng­li­scher Fas­sung "du­ra­ti­on of the working time", wäh­rend sich die fran­zö­si­sche und deut­sche Fas­sung des Norm­tex­tes je­weils mit den Wor­ten "la du­ree du temps de tra­vail" oder mit dem Wort "Ar­beits­zeit" be­gnügt. Die eng­li­sche Fas­sung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG dar­über hin­aus nur von Ta­rif­ver­trä­gen (collec­ti­ve agree­ments) und Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen bei­den Sei­ten der In­dus­trie (the two si­des of in­dus­try) wäh­rend im fran­zö­si­schen und deut­schen Text der Richt­li­nie an die­ser Stel­le von "con­ven­ti­ons collec­ti­ves"/"Ta­rif­ver­trä­gen" und "ac­cords con­clus ent­re par­ten­aires so­ci­aux"/"So­zi­al­part­nern" ge­spro­chen wird. In die­sem Zu­sam­men­hang ist auch zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Kom­mis­si­on in ih­rer ak­tu­el­len Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) aus­drück­lich dar­auf hin­weist, dass die Richt­li­nie we­der den Be­griff "Ta­rif­ver­trag" de­fi­niert noch nä­her er­läu­tert, was "Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern auf na­tio­na­ler und re­gio­na­ler Ebe­ne" sind, mit der Fol­ge, dass die­se Be­grif­fe durch na­tio­na­le Rechts­vor­schrif­ten und Ge­pflo­gen­hei­ten nä­her zu be­stim­men sei­en (ABl. EU Nr. C 165/49). Schlie­ß­lich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf­merk­sam zu ma­chen. Dort hei­ßt es in der eng­li­schen Fas­sung am En­de "un­less he has first ob­tai­ned the worker’s agree­ment to per­form such work”, wäh­rend es nach der fran­zö­si­schen und deut­schen Text­fas­sung aus­reicht, dass sich der Ar­beit­neh­mer be­reit er­klärt hat, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten.

37 All die­se sprach­li­chen Un­eben­hei­ten las­sen sich norm­sys­te­ma­tisch und te­leo­lo­gisch zwar un­ter Rück­füh­rung dar­auf ver­ein­heit­li­chen, dass der Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on in den Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie über die Min­dest­ru­he­zei­ten und die Höchst­ar­beits­zei­ten "be­son­ders wich­ti­ge Re­geln des So­zi­al­rechts der Ge­mein­schaft" sieht. Die­se Re­geln müs­sen je­dem Ar­beit­neh­mer als ein zum Schutz sei­ner Si­cher­heit und sei­ner Ge­sund­heit be­stimm­ter Min­dest­an­spruch zu­gu­te­kom­men (vgl. z.B. Eu­GH, Ur­tei­le vom 7. Sep­tem­ber 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Ok­to­ber 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Des­halb be­grenzt der Ge­richts­hof die den Mit­glied­staa­ten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mög­li­che Ab­wei­chungs­mög­lich­keit u.a. von der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit für Fäl­le, in de­nen die Ar­beits­zeit we­gen der be­son­de­ren Merk­ma­le der aus­ge­üb­ten Tä­tig­keit nicht ge­mes­sen und oder nicht im Vor­aus fest­ge­legt wird oder von den Ar­beit­neh­mern selbst fest­ge­legt wer­den kann, auf das zum Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer "un­be­dingt Er­for­der­li­che" (Eu­GH, Ur­teil vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31).

38 Dar­aus aber den für den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch er­for­der­li­chen wei­te­ren Schluss zu zie­hen, ein Mit­glied­staat ver­sto­ße hin­rei­chend qua­li­fi­ziert und da­mit of­fen­kun­dig ge­gen ei­ne uni­ons­recht­li­che Norm, wenn er ei­ne "Opt-out"-Ent­schei­dung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, oh­ne zu­gleich ei­nen Be­zugs­zeit­raum im Sin­ne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­zu­le­gen, ist dem Se­nat man­gels des er­for­der­li­chen Ma­ßes an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der als ver­letzt gel­ten­den Vor­schrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht mög­lich.

39 bb) Eben­so ver­hält es sich mit der wei­te­ren Fra­ge der Frei­wil­lig­keit der nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs (Eu­GH, Ur­teil vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 u.a., Pfeif­fer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) not­wen­dig in­di­vi­du­el­len Be­reit­schafts­er­klä­rung ei­nes Ar­beit­neh­mers. Hier geht es um den schrift­li­chen An­trag des Klä­gers vom 10. Ok­to­ber 2007, Zu­viel­ar­beit im Sin­ne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leis­ten zu dür­fen. Wäh­rend die Frei­wil­lig­keit und In­di­vi­dua­li­tät der Be­reit­schafts­er­klä­rung des Klä­gers un­zwei­fel­haft sind, stellt sich die Fra­ge der Ver­ein­bar­keit mit Uni­ons­recht im Hin­blick auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit die­ser Er­klä­rung oder die­ses An­trags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009. Der Richt­li­ni­en­text ent­hält kei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung über das "ob" und das "wie" ei­nes die Be­reit­schafts­er­klä­rung be­tref­fen­den Wi­der­rufs­rechts des Ar­beit­neh­mers. Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu Mög­lich­keit und Mo­da­li­tä­ten ei­nes Wi­der­rufs ist nicht er­sicht­lich. Der EFTA-Ge­richts­hof hat im Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - (ju­ris) nur ent­schie­den, dass der ge­ne­rel­le Wi­der­rufsau­schluss ei­ner ein­mal wirk­sam ge­ge­be­nen Be­reit­schafts­er­klä­rung im Ein­zel­fall ei­ne Ver­let­zung der Richt­li­nie be­grün­den kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 vor­ge­se­he­ne Wi­der­rufs­mög­lich­keit mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten zum Ab­lauf des Ka­len­der­jah­res den An­for­de­run­gen an die je­der­zei­ti­ge Frei­wil­lig­keit der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit ge­nügt, kann hier un­ent­schie­den blei­ben. Da­für könn­te die Tat­sa­che spre­chen, dass der Richt­li­ni­en­text für die Fra­ge des Wi­der­rufs und der Wi­der­rufs­frist ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit kei­ne aus­drück­li­chen Vor­ga­ben macht. Da­ge­gen lie­ße sich in­des norm­sys­te­ma­tisch und am Zweck des Ar­beits­zeit­schut­zes ori­en­tiert für ei­nen mög­li­chen Gleich­lauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ma­xi­ma­len Be­zugs­zeit­raums von vier Mo­na­ten und der Frist für den Wi­der­ruf ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit ar­gu­men­tie­ren (so et­wa Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tat­sa­che, dass der bun­des­deut­sche Ge­setz­ge­ber in Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Wi­der­rufs­frist für nicht be­am­te­te Ar­beit­neh­mer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fas­sung vom 24. De­zem­ber 2003 (BGBl. I S. 3002) ge­ne­rell auf sechs Mo­na­te oh­ne Be­gren­zung auf das Jah­res­en­de be­stimmt hat (vgl. da­zu nä­her Wank, in: Mül­ler-Glö­ge/Preis/Schmidt, Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könn­te ge­gen ei­ne ma­xi­mal 15 Mo­na­te lau­fen­de Wi­der­rufs­frist - Wi­der­ruf am 1. Ok­to­ber, Frist­ab­lauf am 31. De­zem­ber des Fol­ge­jah­res - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­ge­wandt wer­den. Dies zeigt: Auch die Fra­ge, ob die Vor­ga­ben des streit­ge­gen­ständ­li­chen bran­den­bur­gi­schen Lan­des­rechts zur Ar­beits­zeit für Feu­er­wehr­be­am­te in der Zeit zwi­schen 2007 (In­kraft­tre­ten von § 4 AZV Feu 2007 im Au­gust 2007) und 2014 (In­kraft­tre­ten von § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2014 im Au­gust 2014) den An­for­de­run­gen der Frei­wil­lig­keit für die Dau­er der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­nü­gen, lässt sich auf­grund ei­ner Nor­m­aus­le­gung nach Wort­laut, Sys­te­ma­tik und Zweck nicht hin­rei­chend ein­deu­tig und klar be­ant­wor­ten.

41 cc) Die Text­ana­ly­se schlie­ßt es nach al­le­dem aus, hin­sicht­lich der Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fra­gen der Not­wen­dig­keit von Be­zugs­zeit­räu­men und den An­for­de­run­gen an die Frei­wil­lig­keit für den Wi­der­ruf von Ein­ver­ständ­nis­er­klä­run­gen zur Zu­viel­ar­beit hin­sicht­lich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 von ei­nem "hin­rei­chend qua­li­fi­zier­ten Ver­stoß" ge­gen das Uni­ons­recht im Sinn des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs aus­zu­ge­hen.

42 4. Un­ge­ach­tet der evi­dent un­zu­rei­chen­den Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Re­ge­lung der Ar­beits­zeit von kom­mu­na­len Feu­er­wehr­be­am­ten zu­stän­di­gen Lan­des­ge­setz­ge­ber ist die be­klag­te Stadt hier als Nor­m­an­wen­der auf­grund des An­wen­dungs­vor­rangs des Uni­ons­rechts ge­hal­ten ge­we­sen, die Vor­ga­ben der Richt­li­nie zu be­fol­gen und ent­ge­gen­ste­hen­des Lan­des­recht un­an­ge­wen­det zu las­sen. Die Be­klag­te hät­te er­ken­nen müs­sen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 klar und ein­deu­tig die Vor­ga­be ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ver­let­zen, weil es die­sen Rechts­ver­ord­nun­gen an ei­ner Vor­schrift fehlt, die ge­währ­leis­tet, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, Zu­viel­ar­beit zu leis­ten. Ein Trä­ger öf­fent­li­cher Ge­walt ist auch in sei­ner Ei­gen­schaft als öf­fent­li­cher Ar­beit­ge­ber zur An­wen­dung des Uni­ons­rechts ver­pflich­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Im­pact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Da­nach hat die Be­klag­te in ih­rer Ei­gen­schaft als Dienst­her­rin des Klä­gers durch Nicht­be­ach­tung des An­wen­dungs­vor­rangs der EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ge­gen das Uni­ons­recht ver­sto­ßen. Dass sie in­ner­staat­lich die Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des im Rah­men ih­rer Auf­ga­ben der mit­tel­ba­ren Staats­ver­wal­tung zu be­fol­gen hat­te, än­dert dar­an nichts.

43 5. Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit setzt - wie der na­tio­na­le dienst­recht­li­che Aus­gleichs­an­spruch - vor­aus, dass er vom Be­am­ten oder Sol­da­ten zu­vor zu­min­dest in Form ei­ner Rü­ge gel­tend ge­macht wor­den ist. Aus­zu­glei­chen ist die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit, die ab dem auf die erst­ma­li­ge schrift­li­che Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet wor­den ist (stRspr, BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Klä­ger erst im Ja­nu­ar 2012 den An­trag ge­stellt hat, ste­hen ihm An­sprü­che erst ab Fe­bru­ar 2012 zu.

44 a) Be­sol­dungs­an­sprü­che von Be­am­ten und Sol­da­ten er­ge­ben sich un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), ei­nes An­tra­ges oder ei­ner Rü­ge be­darf es da­her nicht. Ent­spre­chen­des gilt für Ver­sor­gungs­be­zü­ge (z.B. § 3 Abs. 1 Be­amtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechts­grund der Ali­men­tie­rung von Ru­he­stands­be­am­ten ist zwar der Ver­sor­gungs­fest­set­zungs­be­scheid, auch die­ser er­geht in­des von Amts we­gen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 Be­amtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und be­darf da­her we­der ei­nes An­trags noch ei­ner Hin­weis­pflicht (BVer­wG, Ur­teil vom 25. Ok­to­ber 2012 - 2 C 59.11 - BVer­w­GE 145, 14 Rn. 34).

45 An­sprü­che, de­ren Fest­set­zung und Zah­lung sich nicht un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz er­ge­ben, be­dür­fen da­ge­gen ei­ner vor­he­ri­gen Gel­tend­ma­chung (BVerfG, Be­schluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerf­GE 81, 363 <384 f.>; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - ju­ris Rn. 16). Denn hier ist ei­ne vor­gän­gi­ge be­hörd­li­che Ent­schei­dung über Grund und Hö­he der be­gehr­ten Zah­lung er­for­der­lich.

46 Für An­sprü­che we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit gilt dies in be­son­de­rer Wei­se. Die­se sind nicht pri­mär auf die Zah­lung ei­nes fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs ge­rich­tet, son­dern auf die Be­sei­ti­gung des rechts­wid­ri­gen Zu­stands. Durch den Hin­weis des Be­am­ten oder Sol­da­ten ist da­her zu­nächst ei­ne Prü­fung sei­nes Dienst­herrn ver­an­lasst, ob ei­ne Än­de­rung der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung er­for­der­lich ist und ob ei­ne rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit - et­wa durch An­pas­sung der ma­ß­geb­li­chen Dienst­plä­ne - ver­mie­den oder durch die Ge­wäh­rung von Frei­zeit­aus­gleich kom­pen­siert wer­den kann. Oh­ne ent­spre­chen­de Rü­ge muss der Dienst­herr nicht da­von aus­ge­hen, je­der Be­am­te wer­de die Über­schrei­tung der ak­tu­el­len Ar­beits­zeit­re­ge­lung be­an­stan­den. Auch hin­sicht­lich der mög­li­chen fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs­pflicht hat der Dienst­herr ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an, nicht nach­träg­lich mit un­vor­her­seh­ba­ren Zah­lungs­be­geh­ren kon­fron­tiert zu wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 21. Sep­tem­ber 2006 - 2 C 7.06 - Buch­holz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Be­am­te wird durch das Er­for­der­nis der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn auch nicht un­zu­mut­bar be­las­tet. Denn an die Rü­ge des Be­rech­tig­ten sind kei­ne zu ho­hen An­for­de­run­gen zu stel­len. Es reicht aus, wenn sich aus der Äu­ße­rung er­gibt, dass der Be­am­te oder Sol­dat die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt hält. We­der ist ein An­trag im rechts­tech­ni­schen Sin­ne er­for­der­lich noch muss Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich, be­an­tragt oder der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich kon­kret be­rech­net wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buch­holz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die An­wen­dung des Grund­sat­zes der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung auch auf den nicht nor­ma­tiv ge­re­gel­ten uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch ist mit Uni­ons­recht ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­teil vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Vor­aus­set­zung für die Ver­ein­bar­keit des ge­nann­ten Grund­sat­zes mit Uni­ons­recht ist, dass den An­for­de­run­gen des Äqui­va­lenz- und des Ef­fek­ti­vi­täts­grund­sat­zes Rech­nung ge­tra­gen ist (Eu­GH, Ur­tei­le vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C-20/13, Un­land - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den na­tio­na­len Ge­rich­ten ob­lie­gen­de Prü­fung er­gibt, dass die Vor­aus­set­zun­gen der bei­den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben in Be­zug auf das Ge­bot der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung er­füllt sind. Dem Ge­bot, dass die Mo­da­li­tä­ten zur Durch­set­zung des uni­ons­recht­li­chen An­spruchs nicht un­güns­ti­ger sein dür­fen als die­je­ni­gen, die gleich­ar­ti­ge Sach­ver­hal­te in­ner­staat­li­cher Art re­geln (Äqui­va­lenz­grund­satz), ist Rech­nung ge­tra­gen. Auch der - ne­ben dem uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch be­stehen­de, rich­ter­recht­lich ent­wi­ckel­te - Aus­gleichs­an­spruch aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ist nur ge­ge­ben, wenn der Be­rech­tig­te die­sen ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn gel­tend macht (BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz ver­langt, dass die Aus­übung der durch das Uni­ons­recht ver­lie­he­nen Rech­te nicht prak­tisch un­mög­lich ge­macht oder über­mä­ßig er­schwert wird. Die Fest­set­zung an­ge­mes­se­ner Aus­schluss­fris­ten für die Rechts­ver­fol­gung ist im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit, die zu­gleich den Be­rech­tig­ten und die Be­hör­de schützt, mit die­sen Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2011 - C-262/09, Meili­cke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C- 20/13, Un­land - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zu­dem sind, wie dar­ge­legt, die An­for­de­run­gen an die schrift­li­che Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­ring. Denn der Be­rech­tig­te muss ge­gen­über dem Dienst­herrn le­dig­lich schrift­lich zum Aus­druck brin­gen, er hal­te die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt.

50 6. Der pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­te­te An­spruch des Klä­gers wan­delt sich in­fol­ge Ab­laufs des mög­li­chen Aus­gleichs­zeit­raums in ei­nen An­spruch auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich, der we­der ver­fal­len noch aus an­de­ren Grün­den aus­ge­schlos­sen ist.

51 Der Haf­tungs­an­spruch we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­tet. Zweck der Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum, den Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer zu ge­währ­leis­ten, ist nicht durch ei­ne Geld­zah­lung, son­dern durch die Frei­stel­lung von der Pflicht zur Dienst­leis­tung zu er­rei­chen.

52 Schei­det aber die Ge­wäh­rung von Frei­zeit zum Aus­gleich der uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit aus vom Be­rech­tig­ten nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus, so ge­bie­tet es der uni­ons­recht­li­che Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz, dass die ent­stan­de­nen An­sprü­che nicht un­ter­ge­hen, son­dern sich in sol­che auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich um­wan­deln (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Da­nach sind hier fi­nan­zi­el­le Aus­gleichs­an­sprü­che des Klä­gers nicht aus­ge­schlos­sen, weil die über die Jah­re hin­weg an­ge­spann­te Per­so­nal­si­tua­ti­on bei der Be­rufs­feu­er­wehr der Be­klag­ten, in der der Klä­ger Dienst zu leis­ten hat­te, eben­so wie der zwi­schen­zeit­li­che Zeit­ab­lauf der Ge­wäh­rung von Frei­zeit zur Ab­gel­tung der ent­stan­de­nen An­sprü­che ent­ge­gen­stan­den.

53 7. Ob der Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig zu viel ge­ar­bei­tet hat, be­stimmt sich hier nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum im Sin­ne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Eben­so wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wen­det sich auch Art. 16 die­ser Richt­li­nie ("Die Mit­glied­staa­ten kön­nen ... vor­se­hen") an den Mit­glied­staat. Die­ser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG ab­wei­chen­den Fest­le­gung des Be­zugs­zeit­raums ("bis zu vier Mo­na­ten") be­rech­tigt, aber nicht ver­pflich­tet. Ob und in­wie­weit der Mit­glied­staat die­se Er­mäch­ti­gung zu der für den Ar­beit­neh­mer un­güns­ti­gen Aus­deh­nung des Be­zugs­zeit­raums auf bis zu vier Mo­na­ten aus­nutzt, ist Sa­che der je­weils zu­stän­di­gen ge­setz­ge­ben­den Or­ga­ne des Mit­glied­staa­tes, weil nur sie die zur Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie er­for­der­li­chen Rechts­no­men er­las­sen kön­nen. Die Aus­übung der Er­mäch­ti­gung ist je­den­falls nicht den das Recht an­wen­den­den na­tio­na­len Ge­rich­ten in dem Sin­ne über­ant­wor­tet, dass die­se den Be­zugs­zeit­raum nach dem As­pekt der "Sach­ge­rech­tig­keit" fest­le­gen kön­nen. Um die ihm ein­ge­räum­te Be­fug­nis in An­spruch zu neh­men, muss der Mit­glied­staat auch die Ent­schei­dung tref­fen, sich auf die­se Er­mäch­ti­gung zu be­ru­fen. Im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit muss die­se Ent­schei­dung des Mit­glied­staa­tes be­stimmt und klar sein (Eu­GH, Ur­teil vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVer­wG, Ur­teil vom 15. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeit­raum bis zum 1. Au­gust 2014 und da­mit in der hier zwi­schen den Be­tei­lig­ten noch strei­ti­gen Zeit zwi­schen 2009 und 2013 hat­te das Land den Be­zugs­zeit­raum für die vom Klä­ger frei­wil­lig er­brach­te uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 auf ein Jahr - an­statt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­sig er­öff­net - auf bis zu ma­xi­mal vier Mo­na­ten er­streckt.

56 Auch die sons­ti­gen Be­stim­mun­gen der RL 2003/88/EG, die zu ei­ner Ver­län­ge­rung des Be­zugs­zeit­raums füh­ren kön­nen - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Mo­na­te bei Fest­le­gun­gen in Ta­rif­ver­trä­gen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen So­zi­al­part­nern -, grei­fen nicht zu Guns­ten der Be­klag­ten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG set­zen je­weils vor­aus, dass der Mit­glied­staat Re­ge­lun­gen im Sin­ne von Art. 16 RL 2003/88/EG er­las­sen hat, die den An­for­de­run­gen an die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie in na­tio­na­les Recht im Sin­ne von Art. 288 Abs. 3 AEUV ge­nü­gen. Dar­an fehlt es aber eben­so wie an der Aus­nut­zung der ge­nann­ten Be­fug­nis­se ("sind ... zu­läs­sig" und "kann ab­ge­wi­chen wer­den") durch den Er­lass ei­ner für die Um­set­zung er­for­der­li­chen Rechts­norm des in­ner­staat­li­chen Norm­ge­bers.

57 8. Die Be­rech­nung der vom Klä­ger für die Zeit ab dem Fol­ge­mo­nat der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung - hier: Gel­tend­ma­chung im Ja­nu­ar 2012 - der im Ein­zel­nen er­brach­ten uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit ist kon­kret und nicht - wie vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt an­ge­nom­men - pau­schal zu er­mit­teln. Die kon­kre­te Er­mitt­lung der vom Klä­ger für den Zeit­raum vom 1. Fe­bru­ar 2012 bis zum 16. Ok­to­ber 2013 tat­säch­lich ge­leis­te­ten Zu­viel­ar­beit ist die wei­te­re Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens. Da­bei folgt schon aus dem Uni­ons­recht ge­mäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Zei­ten des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs so­wie die Krank­heits­zei­ten bei der Be­rech­nung des Durch­schnitts der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit un­be­rück­sich­tigt blei­ben oder neu­tral sind. Die­se Vor­ga­be des Uni­ons­rechts ver­langt, dass un­ge­ach­tet der Fra­ge der Um­set­zung in in­ner­staat­li­ches Recht durch ei­ne Rechts­norm die be­tref­fen­den Ta­ge bei der Be­rech­nung mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen sind.

58 Die Ar­beits­zeitricht­li­nie nimmt zwar le­dig­lich auf den uni­ons­recht­lich ge­währ­leis­te­ten Min­dest­ur­laub von vier Wo­chen Be­zug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der dar­über hin­aus­ge­hen­de, im na­tio­na­len Recht be­grün­de­te Mehr­ur­laub ist in­des mit der Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mit­glied­staa­ten un­be­rührt, für die Si­cher­heit und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten an­zu­wen­den oder zu er­las­sen. Dies um­fasst auch die Ein­räu­mung ei­nes über den uni­ons­recht­li­chen Min­dest­ur­laub hin­aus­ge­hen­den Ur­laubs­an­spruchs. Da der Klä­ger am Ur­laubs­tag von der Pflicht zur Dienst­leis­tung be­freit ist und auch der Mehr­ur­laub der Er­ho­lung des Klä­gers dient, kön­nen die­se Ta­ge nicht als Aus­gleich für ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum her­an­ge­zo­gen wer­den (vgl. eben­so schon BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Fei­er­ta­ge, die auf Wo­chen­ta­ge fal­len, sind mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit ein­zu­be­zie­hen und da­mit grund­sätz­lich zu neu­tra­li­sie­ren. So­weit der Klä­ger an die­sen Ta­gen nicht zur Dienst­leis­tung ver­pflich­tet war, kön­nen sol­che Ta­ge nicht zum Aus­gleich ei­ner et­wai­gen Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit her­an­ge­zo­gen wer­den. Dem­ge­gen­über sind Zei­ten, in de­nen dem Klä­ger auf Grund­la­ge des Dienst­zeit­aus­gleichser­las­ses ein zeit­li­cher Aus­gleich ge­währt wur­de, kei­ne Ar­beits­zeit im Sin­ne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Ar­beits­zeit zäh­len uni­ons­recht­lich sämt­li­che Zei­ten, die vom be­tref­fen­den Feu­er­wehr­be­am­ten im Rah­men von Ar­beits­be­reit­schaft und Be­reit­schafts­dienst in Form per­sön­li­cher An­we­sen­heit in der Dienst­stel­le ab­ge­leis­tet wor­den sind, un­ab­hän­gig da­von, wel­che Ar­beits­leis­tung er wäh­rend die­ses Diens­tes tat­säch­lich er­bracht hat (Eu­GH, Ur­teil vom 3. Ok­to­ber 2000 - C-303/98, Si­map - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Des­halb wird auch die ge­naue Be­stim­mung der Zahl der aus­zu­glei­chen­den Stun­den Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens sein. Nach dem uni­ons­recht­li­chen Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz muss da­nach vor­lie­gend je­de Stun­de, die der Klä­ger in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­rau­mes über 48 Stun­den hin­aus ge­ar­bei­tet hat, aus­ge­gli­chen wer­den, weil die Vor­aus­set­zun­gen für das von der Be­klag­ten gel­tend ge­mach­te "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie ge­zeigt - nicht vor­la­gen. Auch dies spricht nur für ei­nen Aus­gleich von tat­säch­lich und kon­kret er­brach­ter Zu­viel­ar­beit.

61 Der Geld­aus­gleich für die vom Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit ori­en­tiert sich an den je­weils gel­ten­den Stun­den­sät­zen der Ver­ord­nung über die Ge­wäh­rung von Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te in der Fas­sung der Be­kannt­ma­chung vom 3. De­zem­ber 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deut­lich, dass es um die kon­kret stun­den­be­zo­ge­ne Ab­rech­nung der Zu­viel­ar­beit geht und nicht um de­ren pau­scha­le Zu­grun­de­le­gung. Zwar un­ter­schei­den sich recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit und uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit tat­be­stand­lich. Recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit be­darf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der An­ord­nung oder Ge­neh­mi­gung, die nur ver­fügt oder er­teilt wer­den darf, wenn zwin­gen­de dienst­li­che Ver­hält­nis­se dies er­for­dern und sich die Mehr­ar­beit auf Aus­nah­me­fäl­le be­schränkt. Des Wei­te­ren darf an­ge­ord­ne­te oder ge­neh­mig­te Mehr­ar­beit die uni­ons­recht­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den im Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - au­ßer­halb der vom Uni­ons­recht vor­ge­se­he­nen Ver­fah­ren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht über­schrei­ten (BVer­wG, Ur­teil vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 14). Nur un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen liegt Mehr­ar­beit im dienst­recht­li­chen Sinn vor, die zeit­aus­gleichs- oder ver­gü­tungs­fä­hig ist. Da­ge­gen han­delt es sich bei rechts­wid­rig ge­leis­te­ter Zu­viel­ar­beit im öf­fent­li­chen Dienst­recht um die Dienst­zeit, die der Be­am­te über die uni­ons­recht­lich nach Ma­ß­ga­be der Ar­beits­zeitricht­li­nie und ih­rer Aus­nah­me­be­stim­mun­gen höchs­tens zu­läs­si­ge wö­chent­li­che Ar­beits­zeit hin­aus er­bringt. Sie ist ihm stets voll aus­zu­glei­chen, pri­mär durch Frei­zeit­aus­gleich, so­fern dies nicht mehr mög­lich ist, se­kun­där durch Geld­aus­gleich. Den­noch geht es in bei­den Fäl­len um den Aus­gleich für ei­ne über­ob­li­ga­ti­ons­mä­ßi­ge Her­an­zie­hung des Be­am­ten (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), so­dass für den Geld­aus­gleich auch in Fäl­len uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit in der Rechts­fol­ge die Stun­den­sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tungs­ver­ord­nung her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen.

62 Auf die Vor­schrif­ten über die Be­sol­dung kann hin­ge­gen nicht zu­rück­ge­grif­fen wer­den (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 39). Denn die Be­sol­dung ist kein Ent­gelt im Sin­ne ei­ner Ent­loh­nung für kon­kre­te Diens­te (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerf­GE 44, 249 <264>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>), son­dern die Ge­gen­leis­tung des Dienst­herrn da­für, dass sich der Be­am­te mit vol­lem per­sön­li­chen Ein­satz der Er­fül­lung sei­ner Dienst­pflich­ten wid­met (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerf­GE 21, 329 <345>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Ent­loh­nung von Ar­beits­stun­den, son­dern auf die Si­cher­stel­lung ei­ner amts­an­ge­mes­se­nen Le­bens­füh­rung ge­rich­tet.

63 9. Nach al­le­dem hat für den Se­nat kei­ne Ver­an­las­sung be­stan­den, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen, um ei­ne Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Uni­on nach Art. 267 AEUV ein­zu­ho­len. Dem Klä­ger steht für den Zeit­raum vom 1. Fe­bru­ar 2012 bis zum 16. Ok­to­ber 2013 stun­den­be­zo­ge­ner Geld­aus­gleich zu, für den die Be­klag­te nach Ma­ß­ga­be der Grund­sät­ze des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ein­zu­tre­ten hat, weil sie bei der vom Klä­ger kon­kret er­brach­ten Zu­viel­ar­beit den An­wen­dungs­vor­rang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 of­fen­kun­dig ver­letz­ten Nach­teils­ver­bots ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht be­ach­tet hat. Auf wei­te­re Fra­gen des Uni­ons­rechts hat es des­halb nicht mehr ent­schei­dungs­er­heb­lich an­kom­men kön­nen.

Ur­teil vom 20.07.2017 -
BVer­wG 2 C 40.16ECLI:DE:BVer­wG:2017:200717U2C40.16.0

Ur­teil

BVer­wG 2 C 40.16

  • VG Pots­dam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1367/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 30.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 20. Ju­li 2017
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung, Dr. Kennt­ner, Dol­lin­ger und Dr. Gün­ther
für Recht er­kannt:

  1. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen, so­weit mit ihr ein Geld­aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2009 bis 31. Ja­nu­ar 2012 gel­tend ge­macht wird. Die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 1. Ju­li 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 16. Ok­to­ber 2013 wer­den auf­ge­ho­ben, so­weit sie dem ent­ge­gen­ste­hen.
  2. Im Üb­ri­gen (hin­sicht­lich des Zeit­raums vom 1. Fe­bru­ar 2012 bis 16. Ok­to­ber 2013) wird das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg auf­ge­ho­ben. In­so­weit wird die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.

Grün­de

I

1 Der Klä­ger, der im streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum bei der be­klag­ten Stadt als Feu­er­wehr­be­am­ter im 24-Stun­den-Schicht­dienst tä­tig war, be­gehrt fi­nan­zi­el­len Aus­gleich für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit.

2 Der von dem Klä­ger im Ok­to­ber 2007 be­an­trag­ten Er­hö­hung sei­ner durch­schnitt­li­chen wö­chent­li­chen Ar­beits­zeit auf bis zu 56 Stun­den ent­sprach die Be­klag­te durch Be­scheid vom 26. Ok­to­ber 2007. Den an sie im Ja­nu­ar 2012 ge­rich­te­ten An­trag des Klä­gers auf Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se auf Geld­aus­gleich für die von ihm seit dem Jahr 2003 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus ver­rich­te­ten Dienst­zei­ten, lehn­te die Be­klag­te ab. Das Vor­ver­fah­ren blieb er­folg­los.

3 Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­klag­te un­ter Ab­leh­nung des An­trags im Üb­ri­gen und teil­wei­ser Auf­he­bung der an­ge­foch­te­nen Be­schei­de ver­pflich­tet, dem Klä­ger für die im Zeit­raum ab Ja­nu­ar 2009 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus­ge­hend ge­leis­te­te Ar­beit Geld­aus­gleich nach dem je­weils gel­ten­den Stun­den­satz für die Mehr­ar­beits­ver­gü­tung zu ge­wäh­ren. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­ru­fung mit der Ma­ß­ga­be zu­rück­ge­wie­sen, dass es die Be­klag­te ver­ur­teilt hat, an den Klä­ger für den Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2009 bis zum 16. Ok­to­ber 2013 ei­nen Be­trag von 16 510,00 € nebst Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins ab Rechts­hän­gig­keit zu zah­len. Zur Be­grün­dung hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt im We­sent­li­chen aus­ge­führt, dem Klä­ger ste­he der zu­ge­spro­che­ne Geld­aus­gleich in­fol­ge des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs we­gen Ver­let­zung der Ar­beits­zeitricht­li­nie zu. Ei­ne frei­wil­li­ge Zu­viel­ar­beit bei Über­schrei­tung der uni­ons­recht­lich höchst­zu­läs­si­gen Be­zugs­zeit­räu­me sei auch auf­grund von Aus­nah­me­vor­schrif­ten nicht vor­ge­se­hen.

4 Hier­ge­gen wen­det sich die vom Se­nat zu­ge­las­se­ne Re­vi­si­on der Be­klag­ten, mit der sie be­an­tragt,
die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 1. Ju­li 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 16. Ok­to­ber 2013 auf­zu­he­ben und die Kla­ge in vol­lem Um­fang ab­zu­wei­sen.

5 Der Klä­ger be­an­tragt,
die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen.

6 Der Ver­tre­ter des Bun­des­in­ter­es­ses beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt un­ter­stützt die Re­vi­si­on der Be­klag­ten.

II

7 Die Re­vi­si­on ist teil­wei­se be­grün­det. Das Be­ru­fungs­ur­teil ist auf­zu­he­ben. So­weit die Sa­che nicht vom Se­nat selbst ent­schie­den wer­den kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO), ist sie an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO). Die An­nah­men des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit set­ze kei­ne erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung durch den Be­trof­fe­nen vor­aus und ver­lan­ge nicht den Nach­weis der über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den hin­aus kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den, ver­let­zen re­vi­si­bles Recht. Des­halb ist die Kla­ge ab­zu­wei­sen, so­weit mit ihr fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2009 bis 31. Ja­nu­ar 2012 gel­tend ge­macht wird. Ob sich das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für den ver­blei­ben­den streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum vom 1. Fe­bru­ar 2012 bis zum 16. Ok­to­ber 2013 aus an­de­ren Grün­den im Er­geb­nis ganz oder teil­wei­se als rich­tig dar­stellt (§ 144 Abs. 4 Vw­GO), kann der Se­nat man­gels hier­für aus­rei­chen­der tat­säch­li­cher Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts nicht ent­schei­den.

8 In dem Zeit­raum ab 2009 lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die Be­klag­te, die das vom Land Bran­den­burg er­las­se­ne Recht le­dig­lich an­wen­det, dem Grun­de nach vor (1.). Uni­ons­recht kann in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land durch Rechts­ver­ord­nun­gen um­ge­setzt wer­den (2.). § 4 Abs. 3 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit der Be­am­ten des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in den Feu­er­weh­ren und den Leit­stel­len der Land­krei­se im Land Bran­den­burg vom 3. Au­gust 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit für die Be­am­ten des Po­li­zei­voll­zugs­diens­tes, des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes und des Jus­tiz­voll­zugs­diens­tes des Lan­des Bran­den­burg vom 16. Sep­tem­ber 2009 (Bb­gAZV­PFJ, GVBl. II S. 686) set­zen Art. 22 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um. Sie ver­let­zen of­fen­kun­dig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Ver­bot, wo­nach kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten (3.). Die An­wen­dung die­ses mit Uni­ons­recht un­ver­ein­ba­ren Lan­des­rechts ist der be­klag­ten Stadt als Dienst­her­rin der Feu­er­wehr­be­am­ten an­zu­las­ten. Durch die An­wen­dung des den Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts nicht ge­nü­gen­den in­ner­staat­li­chen Rechts ist der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch auch ge­gen­über der Kom­mu­ne als Dienst­her­rin be­grün­det (4.). Der Dienst­herr muss aber le­dig­lich die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit aus­glei­chen, die der Be­rech­tig­te ab dem auf die erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet hat. Dies ist im Fall des Klä­gers erst für die Zeit ab Fe­bru­ar 2012 der Fall (5.). Der noch nicht ver­fal­le­ne Aus­gleichs­an­spruch ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit aus­ge­rich­tet. Da die­se Form des Aus­gleichs aus vom Klä­ger nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus­schei­det, wan­delt sich der Aus­gleichs­an­spruch in ei­nen sol­chen auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich (6.). Ob und ggf. in­wie­weit der Klä­ger Zu­viel­ar­beit ge­leis­tet hat, be­stimmt sich man­gels ei­ner an­der­wei­ti­gen Re­ge­lung durch den na­tio­na­len Norm­ge­ber nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (7.). Für den Geld­aus­gleich sind die Sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te ma­ß­geb­lich. Der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich er­folgt da­nach nicht pau­schal nach der Dif­fe­renz zwi­schen der Höchst­ar­beits­zeit und der ge­neh­mig­ten Zu­viel­ar­beit. Er rich­tet sich viel­mehr nach den vom Be­am­ten kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den (8.). Die Ein­ho­lung ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on im Ver­fah­ren nach Art. 267 AEUV ist nicht ver­an­lasst (9.).

9 1. Die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die be­klag­te Stadt, die nicht für die Um­set­zung der Vor­ga­ben der Richt­li­nie durch den Er­lass von Rechts­nor­men zu­stän­dig ist, sind im Zeit­raum ab dem Jahr 2009 dem Grun­de nach ge­ge­ben. Denn die Be­klag­te hat die zur Um­set­zung von Art. 22 RL 2003/88/EG er­las­se­nen Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg an­ge­wen­det, ob­wohl für sie er­kenn­bar war, dass die­se Um­set­zung im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot un­zu­rei­chend ge­we­sen ist.

10 Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch setzt nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) vor­aus, dass die uni­ons­recht­li­che Norm, ge­gen die ver­sto­ßen wor­den ist, die Ver­lei­hung von Rech­ten an die Ge­schä­dig­ten be­zweckt (a), zwi­schen die­sem Ver­stoß und dem den Ge­schä­dig­ten ent­stan­de­nen Scha­den ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang be­steht (b) und der Ver­stoß ge­gen die­se Norm hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG tref­fen die Mit­glied­staa­ten die er­for­der­li­chen Maß­nah­men, da­mit nach Ma­ß­ga­be der Er­for­der­nis­se der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer die durch­schnitt­li­che Ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum 48 Stun­den ein­schlie­ß­lich der Über­stun­den nicht über­schrei­tet. Die­se Vor­schrift ver­leiht dem Ein­zel­nen Rech­te, die die­ser nach Ab­lauf der Frist zur Um­set­zung der wort­glei­chen Vor­gän­ger­be­stim­mung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Ar­beits­zeit­recht der Be­klag­ten un­mit­tel­bar vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend ma­chen kann (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ro­päi­schen Uni­on, der ge­mäß Art. 6 Abs. 1 EUV der glei­che Rang wie den Ver­trä­gen zu­er­kannt ist (stRspr, zu­letzt Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2016 - C-178/15, Sob­c­zys­zyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. No­vem­ber 2015 - C-219/14, Green­field - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Ar­beit­neh­mer kei­ne wei­ter­ge­hen­den Schutz­rech­te her­lei­ten (zum ein­heit­li­chen Ar­beit­neh­mer­be­griff von Richt­li­nie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: Eu­GH, Ur­teil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fe­noll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wo­nach je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer u.a. das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit hat, ge­währ­leis­tet auf­grund der Un­be­stimmt­heit sei­nes Wort­lauts kei­ne wei­ter­ge­hen­den In­di­vi­du­al­rech­te.

12 Ge­mäß der Aus­nah­me­vor­schrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mit­glied­staa­ten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zu­läs­si­ge Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum nor­miert wird, un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen nicht an­zu­wen­den. Ein sol­ches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur mög­lich, wenn die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­ge­hal­ten wer­den und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für ge­sorgt wird, dass kein Ar­beit­ge­ber von dem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn, der Ar­beit­neh­mer ist frei­wil­lig da­zu be­reit, und dass ihm im Wei­ge­rungs­fall kei­ne Nach­tei­le ent­ste­hen.

13 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur der­zei­ti­gen Ar­beits­schutz­richt­li­nie RL 2003/88/EG, eben­so wie zu der Vor­gän­ger­richt­li­nie RL 1993/104/EG, sind ab­wei­chen­de Be­stim­mun­gen als Aus­nah­men von der Ge­mein­schafts­re­ge­lung über die Ar­beits­zeit­ge­stal­tung - wie hier Art. 22 der Richt­li­nie - so aus­zu­le­gen, dass ihr An­wen­dungs­be­reich auf das zur Wah­rung der In­ter­es­sen, de­ren Schutz sie er­mög­li­chen, un­be­dingt Er­for­der­li­che be­grenzt wird (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 2003 - C-151/02, Jae­ger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31; eben­so Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vor­ga­ben in den Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar for­mell wirk­sam (sie­he un­ten 2.), aber in­halt­lich in­fol­ge Nicht­be­ach­tung des Nach­teils­ver­bots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um­ge­setzt (sie­he un­ten 3.). Dies ver­letzt den Klä­ger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Rech­ten. Die be­klag­te Stadt hat die­se im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot uni­ons­rechts­wid­ri­gen Vor­schrif­ten an­ge­wandt und da­mit ih­rer­seits den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch des Klä­gers aus­ge­löst (sie­he un­ten 4.).

15 b) Zwi­schen dem Ver­stoß ge­gen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Scha­den, der dem Klä­ger durch die uni­ons­rechts­wid­rig er­brach­te Zu­viel­ar­beit ent­stan­den ist, be­steht auch ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang. Un­er­heb­lich ist, dass die­se Zu­viel­ar­beit des Klä­gers und der da­mit ver­bun­de­ne Ver­lust an Frei­zeit und Er­ho­lungs­zeit nach na­tio­na­lem Recht kei­nen Scha­den im Sin­ne des zi­vil­recht­li­chen Scha­dens­er­satz­rechts dar­stel­len. Ma­ß­geb­lich ist in­so­weit al­lein auf das Uni­ons­recht ab­zu­stel­len, das hier­in ei­nen Scha­den sieht (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 so­wie Te­nor 1 und 4; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Dar­über hin­aus ist der Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht auch hin­rei­chend qua­li­fi­ziert, um den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch zu be­grün­den. Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ist das der Fall, wenn der Mit­glied­staat die Gren­zen, die sei­nem Er­mes­sen ge­setzt sind, of­fen­kun­dig und er­heb­lich über­schrit­ten hat, wo­bei zu den in­so­weit zu be­rück­sich­ti­gen­den Ge­sichts­punk­ten ins­be­son­de­re das Maß an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der ver­letz­ten Vor­schrift so­wie der Um­fang des Er­mes­sens­spiel­raums ge­hö­ren, den die ver­letz­te Vor­schrift den na­tio­na­len Be­hör­den be­lässt (Eu­GH, Ur­tei­le vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Bras­se­rie du pêcheur und Fac­tor­ta­me - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Ja­nu­ar 2007 - C-278/05, Ro­bins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 so­wie Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVer­wG, Ur­teil vom 30. Ok­to­ber 2014 - 2 C 3.13 - Buch­holz 245 Lan­des­BesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qua­li­fi­zier­ter Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht zu­las­ten des Klä­gers liegt im Hin­blick auf das von der Be­klag­ten zu be­ach­ten­de Nach­teils­ver­bot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (sie­he 3.a).

17 Für den Zeit­raum ab dem Jahr 2009 sind zu­gleich grund­sätz­lich die Vor­aus­set­zun­gen des dienst­recht­li­chen Aus­gleichs­an­spruchs aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ge­ge­ben (BVer­wG, Ur­tei­le vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buch­holz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26). Die bei­den An­sprü­che sind hin­sicht­lich der Ver­jäh­rung so­wie der Rechts­fol­gen gleich­ge­rich­tet (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. In­ner­staat­li­che Rechts­vor­schrif­ten, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - ei­ne Richt­li­nie der Eu­ro­päi­schen Uni­on in deut­sches Recht um­set­zen, sind am Maß­stab des Uni­ons­rechts zu mes­sen, so­weit die Richt­li­nie den Mit­glied­staa­ten kei­nen Um­set­zungs­spiel­raum lässt, son­dern zwin­gen­de Vor­ga­ben macht (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 22. Ok­to­ber 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerf­GE 73, 339 <387>, vom 7. Ju­ni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerf­GE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerf­GE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerf­GE 121, 1 <15>, vom 14. Ok­to­ber 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerf­GE 122, 1 <20> und vom 21. Sep­tem­ber 2016 - 2 BvL 1/15 - ju­ris Rn. 32). Den Mit­glied­staa­ten steht es un­ter den in Art. 22 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­si­gen Höchst­ar­beits­zeit für Ar­beit­neh­mer ab­zu­wei­chen. Da­für müs­sen sie Rechts­nor­men er­las­sen (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richt­li­nie ga­ran­tier­ten all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ge­währ­leis­ten und die dar­über hin­aus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Kri­te­ri­en ge­nü­gen. Für die Trans­for­ma­ti­on von Uni­ons­recht in in­ner­staat­li­ches Recht kom­men so­wohl for­mel­le Ge­set­ze als auch Rechts­ver­ord­nun­gen in Be­tracht (vgl. nur Ruf­fert, in: Cal­liess/Ruf­fert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schro­eder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 je­weils m.w.N.). Da­mit rich­tet sich die Uni­ons­rechts­kon­for­mi­tät der frag­li­chen Rechts­ver­ord­nun­gen in­so­weit al­lein da­nach, ob die­se nach in­ner­staat­li­chem Recht ei­ne hin­rei­chen­de Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge ha­ben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - eben­so wie sei­ne in­halts­glei­che Vor­gän­ger­norm in § 143 und § 134 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 8. Ok­to­ber 1999 (GVBl. I S. 446) - er­mäch­tigt die zu­stän­di­gen Mit­glie­der der Lan­des­re­gie­rung aus­drück­lich, die Ar­beits­zeit der Po­li­zei- und Jus­tiz­voll­zugs­be­am­ten so­wie die des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in ei­ner Rechts­ver­ord­nung zu re­geln. Da­mit ist so­wohl dem uni­ons­recht­li­chen Rechts­norm­vor­be­halt als auch dem in­ner­staat­li­chen Ge­set­zes­vor­be­halt Ge­nü­ge ge­tan.

19 3. § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und sei­ne Nach­fol­ger­vor­schrift, der wort­lauti­den­tisch bis zum 31. Ju­li 2014 gel­ten­de § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009, be­stim­men, dass auf An­trag des Be­am­ten über den Rah­men von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus Schicht­dienst bis zu 56 Stun­den un­ter Be­ach­tung der all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes als durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Ar­beits­zeit be­wil­ligt wer­den kann. Die Be­wil­li­gung kann aus dienst­li­chen Grün­den zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jahrs mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen wer­den. Der Be­am­te ist auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit schrift­lich hin­zu­wei­sen. Er kann sei­nen An­trag zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jah­res mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen.

20 a) So­wohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 set­zen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hin­rei­chend um. Da­nach hat ein Mit­glied­staat, der von die­ser Aus­nah­me­vor­schrift Ge­brauch ma­chen möch­te, mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für zu sor­gen, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, ei­ner über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hin­aus­ge­hen­den Ar­beit nach­zu­ge­hen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" da­mit un­ter den Vor­be­halt, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, aus den in der Ar­beits­zeitricht­li­nie fest­ge­leg­ten Ar­beits­zeit­höchst­gren­zen "aus­zu­tre­ten" oder "hin­aus­zu­op­tie­ren" (Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­ho­fes der Eu­ro­päi­schen Uni­on er­for­dert die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie nicht ei­ne förm­li­che und wört­li­che Über­nah­me ih­rer Be­stim­mun­gen in ei­ne aus­drück­li­che, be­son­de­re Rechts­vor­schrift. Ihr kann viel­mehr durch ei­nen all­ge­mei­nen recht­li­chen Kon­text Ge­nü­ge ge­tan wer­den, wenn die­ser tat­säch­lich die voll­stän­di­ge An­wen­dung der Richt­li­nie hin­rei­chend klar und be­stimmt ge­währ­leis­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on ist je­doch er­for­der­lich, dass die Rechts­la­ge hin­rei­chend be­stimmt, klar und trans­pa­rent ist und die Be­güns­tig­ten in die La­ge ver­setzt, von al­len ih­ren Rech­ten Kennt­nis zu er­lan­gen und die­se ggf. vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend zu ma­chen (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vor­ga­be, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nor­mier­te Nach­teils­ver­bot in in­ner­staat­li­ches Recht um­zu­set­zen, wer­den we­der § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ge­recht. In bei­den Vor­schrif­ten fehlt ein Hin­weis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Nach­teils­ver­bot. Da­durch wird des­sen prak­ti­sche Wirk­sam­keit ge­schwächt, weil der Ar­beit­neh­mer nicht hin­rei­chend klar er­ken­nen kann, dass er sich, nach der Er­klä­rung sei­ner­seits an der Höchst­ar­beits­zeit ge­mäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­hal­ten zu wol­len, et­wa ge­gen nach­tei­li­ge Dienst­plan­ge­stal­tun­gen mit Er­folg zur Wehr set­zen kann (Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nach­teils­ver­bot, das mit Blick auf den Schutz­cha­rak­ter der Ar­beits­zeitricht­li­nie we­sent­li­che Be­deu­tung hat, kommt auch nicht in sons­ti­gen im Be­reich des Lan­des Bran­den­burg gel­ten­den ver­öf­fent­lich­ten Rechts­vor­schrif­ten, wie ins­be­son­de­re den Be­am­ten­ge­set­zen, in die der in­so­weit be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer et­wa Ein­sicht neh­men könn­te, mit hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit, Klar­heit und Trans­pa­renz zum Aus­druck. Das gilt ins­be­son­de­re für die - le­dig­lich als Ge­ne­ral­klau­sel for­mu­lier­te - be­am­ten­recht­li­che Für­sor­ge­pflicht ge­mäß § 45 Be­amtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zu­dem wä­re, selbst wenn man un­ter­stellt, dass sol­che Rechts­vor­schrif­ten vor­han­den sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den bran­den­bur­gi­schen Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen hin­zu­wei­sen. Dar­an fehlt es eben­falls. An­de­ren­falls wä­re der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer, der ty­pi­scher­wei­se ge­ra­de über kei­ne ver­tief­ten ju­ris­ti­schen Kennt­nis­se ver­fügt, nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge, die er­for­der­li­che in­halt­li­che Ver­knüp­fung zwi­schen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den na­tio­na­len Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeit­ver­ord­nung und dem an an­de­rer Stel­le nor­mier­ten Nach­teils­ver­bot her­zu­stel­len. So wä­re et­wa der be­güns­tig­te (be­am­te­te) Ar­beit­neh­mer nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge zu er­ken­nen, dass sei­ne - aus dienst­li­chen Grün­den mög­li­che - Um­set­zung oder auch nur ei­ne ihm nach­tei­li­ge Dienst­plan­än­de­rung dem Nach­teils­ver­bot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG un­ter­fällt, wenn sie des­halb er­folgt, weil er nicht be­reit ist, über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit­gren­ze von 48 Stun­den hin­aus zu ar­bei­ten (sie­he so auch Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on, Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Des­halb grei­fen die Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen so­wohl des Bun­des und meh­re­rer an­de­rer Bun­des­län­der, die von der Öff­nungs­klau­sel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Ge­brauch ge­macht ha­ben, das Nach­teils­ver­bot ge­ra­de aus­drück­lich auf (vgl. et­wa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzV­BY vom 5. Ja­nu­ar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZ­VO vom 30. De­zem­ber 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZ­VO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZ­VOFeu NW vom 1. Sep­tem­ber 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 Säch­s­AZ­VO vom 28. Ja­nu­ar 2008, GVBl. S. 198). Her­vor­zu­he­ben ist, dass auch das Recht des Lan­des Bran­den­burg nun­mehr - mit Wir­kung ab dem 1. Au­gust 2014 - das Nach­teils­ver­bot in § 21 Abs. 4 Satz 2 Bb­gAZV­PFJ vom 10. Ju­li 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) aus­drück­lich nennt. Dar­an fehlt es - für den hier streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009.

26 b) Steht da­mit die un­voll­stän­di­ge Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­deu­tig und klar fest, kommt es auf die wei­te­re Fra­ge, ob die­se Be­stim­mun­gen der bei­den ge­nann­ten Rechts­ver­ord­nun­gen dar­über hin­aus auch den An­for­de­run­gen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG of­fen­kun­dig nicht ge­recht wer­den, vor­lie­gend nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich an. Der Se­nat hält die­se Fra­ge für of­fen.

27 aa) Maß­st­abs­bil­den­de Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur Fra­ge der Not­wen­dig­keit ei­nes Be­zugs­zeit­raums und zur Aus­le­gung des Be­griffs "im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vor­gän­ger­richt­li­nie gibt es für den Fall des "Opt-out" bis­lang nicht. Das gilt auch für das Ur­teil des Ge­richts­hofs vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Die­ses Ur­teil be­zieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vor­gän­ger­richt­li­nie 1993/104/EG, der al­ler­dings im We­sent­li­chen mit Art. 22 RL 2003/88/EG ver­gleich­bar ist. In die­sem Ur­teil führt der Ge­richts­hof aber nur aus, dass die In­an­spruch­nah­me der Mög­lich­keit, die Grund­satz­norm des Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, vor­aus­setzt, dass die Mit­glied­staa­ten die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hal­ten und be­stimm­te - in der Richt­li­nie ge­nann­te - ku­mu­la­ti­ve Vor­aus­set­zun­gen er­fül­len. Für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums folgt dar­aus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum" die Re­de ist.

28 Die in­ner­staat­li­che Recht­spre­chung zu die­ser Fra­ge ist un­ein­heit­lich (be­ja­hend: OVG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­tei­le vom 18. Ju­ni 2015 - OVG 6 B 19.15 - ju­ris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - ju­ris Rn. 25; ver­nei­nend: VG Mün­chen, Ur­teil vom 18. Ok­to­ber 2016 - M 5 K 14.5855 - ju­ris Rn. 32; VG Aa­chen, Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2016 - 1 K 2244/14 - ju­ris Rn. 32).

29 Ei­ner­seits gibt es Ar­gu­men­te, die da­für spre­chen, ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur un­ter Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums zu­zu­las­sen. Der Wort­laut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könn­te in deut­scher Sprach­fas­sung dar­auf hin­deu­ten, dass es den Mit­glied­staa­ten ob­liegt, ei­nen (bis zu vier­mo­na­ti­gen) Be­zugs­zeit­raum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu re­geln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG be­stimmt, dass es ei­nem Mit­glied­staat frei­ge­stellt ist, Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, wenn er die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hält und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für sorgt, dass kein Ar­beit­ge­ber von ei­nem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn der Ar­beit­neh­mer hat sich hier­zu be­reit er­klärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Wei­te­ren vor, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass "der Ar­beit­ge­ber die zu­stän­di­gen Be­hör­den [...] dar­über un­ter­rich­tet, wel­che Ar­beit­neh­mer sich da­zu be­reit er­klärt ha­ben, im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten".

30 Auch aus der Norm­sys­te­ma­tik las­sen sich Grün­de für die Not­wen­dig­keit, ei­nen Be­zugs­zeit­raum nach Ma­ß­ga­be von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Fal­le des "Opt-out" zu re­geln, her­lei­ten. Sys­te­ma­tisch spricht der Zu­sam­men­hang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Er­for­der­nis ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Zu den un­ab­hän­gig vom Ein­ver­ständ­nis des Ar­beit­neh­mers zu re­geln­den Vor­ga­ben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­hört, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass ein Ar­beit­neh­mer die Mög­lich­keit hat, nur durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den zu ar­bei­ten. Da­für wä­re die Re­ge­lung je­den­falls ei­nes Be­zugs­zeit­raums hilf­reich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­währ­leis­ten, dass die Mit­glied­staa­ten ei­ne Gren­ze für die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit re­geln, um so zum Ar­beits- und Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer bei­zu­tra­gen (EFTA-Ge­richts­hof, Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein sol­cher Schutz wür­de oh­ne die Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums für den Durch­schnitt der Wo­chen­ar­beits­zeit er­schwert. Der durch die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit be­zweck­te Schutz ist um­so in­ten­si­ver, je kür­zer der für den Durch­schnitt ma­ß­geb­li­che Be­zugs­zeit­raum ist. Be­son­ders in­ten­siv ist er, wenn der Be­zugs­zeit­raum nur ei­ne Wo­che be­trägt, weil es dann un­mög­lich ist, ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit ei­ner Wo­che durch ge­rin­ge­re Ar­beits­zei­ten an­de­rer Wo­chen "weg­zu­rech­nen". Ein ma­xi­ma­ler Schutz in die­sem Sin­ne wä­re mit­hin da­durch zu er­rei­chen, dass bei Feh­len ei­ner Re­ge­lung des Be­zugs­zeit­raums der kon­kre­te Sie­ben­ta­ges­zeit­raum ma­ß­geb­lich ist. Die­se Rechts­fol­ge tritt bei Feh­len ei­ner Be­zugs­zeit­raum­re­ge­lung ein, so­lan­ge Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG An­wen­dung fin­det (BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zu­las­sung ei­ner oh­ne Be­zugs­zeit­raum mög­li­chen und da­mit un­li­mi­tier­ten Höchst­ar­beits­zeit könn­te zu­dem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh wi­der­spre­chen, der be­stimmt, dass je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit, auf täg­li­che und wö­chent­li­che Ru­he­zei­ten so­wie auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hat (vgl. Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Fer­ner ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass auch ein recht­mä­ßi­ges "Opt-out" ge­mäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Er­for­der­nis der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­freit, aber nicht von den täg­li­chen und wö­chent­li­chen Min­dest­ru­he­zei­ten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ru­he­pau­sen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Be­schrän­kun­gen der Nacht­ar­beit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dis­pen­siert. Des­halb ist die Fest­stel­lung der Kom­mis­si­on in ih­ren ak­tu­el­len An­wen­dungs­hin­wei­sen zu Aus­le­gungs­fra­gen der Ar­beits­zeitricht­li­nie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zu­tref­fend, dass, be­rück­sich­tigt man nur den Zeit­raum der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit, die in der Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­nen Min­dest­zeit­räu­me der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit von den ins­ge­samt 168 Stun­den (24 Stun­den x 7 Ta­ge) ei­ner Wo­che be­reits durch­schnitt­lich 90 Ru­he­stun­den be­deu­ten (6 Ta­ge x 11 Stun­den täg­li­che Ru­he­zeit + 24 Stun­den wö­chent­li­che Ru­he­zeit). Dem­zu­fol­ge dürf­te un­ter Be­rück­sich­ti­gung von Ru­he­zei­ten, Ru­he­pau­sen und der mög­li­chen stren­ge­ren Be­schrän­kun­gen im Fall von Nacht­ar­beit die Ar­beits­zeit auch im Fal­le ei­ner recht­mä­ßi­gen Aus­nah­me­re­ge­lung nach Art. 22 RL 2003/88/EG ei­nen Durch­schnitt von 78 Stun­den pro Wo­che nicht über­schrei­ten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 An­de­rer­seits wirft die kon­kre­te Be­stim­mung ei­nes Be­zugs­zeit­raums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ei­ne Viel­zahl von bis­lang un­ge­klär­ten uni­ons­recht­li­chen Fra­gen auf. So ist zu­nächst un­klar, ob es zur abs­trakt-ge­ne­rel­len Re­ge­lung der Mög­lich­keit ei­ner "Opt-out"-Ver­ein­ba­rung ei­nes be­son­de­ren Be­zugs­zeit­raums be­darf. Der Hin­weis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum könn­te näm­lich auch dar­auf hin­deu­ten, dass da­mit der längs­te vom Mit­glied­staat fest­zu­le­gen­de Be­zugs­zeit­raum ge­meint ist. Da­für könn­te auch nach der deut­schen Sprach­fas­sung des Richt­li­ni­en­tex­tes spre­chen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Zeit­raum" die Re­de ist und nicht von dem "nach Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) fest­ge­setz­ten Be­zugs­zeit­raum".

34 Des Wei­te­ren stel­len sich norm­sys­te­ma­ti­sche Fra­gen nach dem Ver­hält­nis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ver­weist wört­lich be­trach­tet al­lein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Zeit­raum, so­dass frag­lich ist, ob er auch die Fest­set­zun­gen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richt­li­nie er­fasst, in de­nen - je­weils un­ter be­son­de­ren Vor­aus­set­zun­gen - an­de­re Be­zugs­zeit­räu­me be­nannt wer­den. Da­bei ist ins­be­son­de­re zu be­rück­sich­tig­ten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Ver­hält­nis zu Art. 16 RL 2003/88/EG un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen län­ge­re Be­zugs­zeit­räu­me von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Mo­na­ten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) er­öff­nen.

35 Die For­mu­lie­rung der ver­schie­de­nen Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie ist je nach Sprach­fas­sung und auch in­ner­halb ein­zel­ner Sprach­fas­sun­gen nach den Aus­füh­run­gen der Schluss­an­trä­ge der Ge­ne­ral­an­wäl­tin Ko­kott im Ver­fah­ren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) un­ein­heit­lich. Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on müs­sen aber die Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts im Licht der Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on ein­heit­lich aus­ge­legt und an­ge­wandt wer­den. Wei­chen die ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen ei­nes Rechts­tex­tes der Uni­on von­ein­an­der ab, muss die frag­li­che Vor­schrift an­hand der all­ge­mei­nen Sys­te­ma­tik und des Zwecks der Re­ge­lung aus­ge­legt wer­den, zu der sie ge­hört (Eu­GH, Ur­tei­le vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ER­GO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Os­so - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Not­wen­dig­keit ei­ner ein­heit­li­chen An­wen­dung und da­mit ei­ner ein­heit­li­chen Aus­le­gung der Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts schlie­ßt es da­nach aus, ei­ne Vor­schrift in ei­ner ih­rer Fas­sun­gen iso­liert zu be­trach­ten, son­dern ge­bie­tet es, sie an­hand des wirk­li­chen Wil­lens ih­res Norm­ge­bers und des von ihm ver­folg­ten Zwecks na­ment­lich im Licht ih­rer Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on aus­zu­le­gen. Ei­ne ab­wei­chen­de Sprach­fas­sung kann des­halb nicht al­lein ge­gen­über al­len an­de­ren Sprach­fas­sun­gen den Aus­schlag ge­ben (EuG-Rechts­mit­tel­kam­mer, Ur­teil vom 8. No­vem­ber 2012 - T-268/11 P - ju­ris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Un­ein­heit­lich­keit in den ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hin­zu­wei­sen. Die Fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG wei­sen in eng­li­scher, fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung je­weils klei­ne Be­son­der­hei­ten auf, die bei der Aus­le­gung der Norm zu be­rück­sich­ti­gen sein könn­ten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lau­tet in eng­li­scher Fas­sung: "for the ap­pli­ca­ti­on of Ar­ti­cle 6 (ma­xi­mum weekly working time), a re­fe­rence pe­ri­od not ex­cee­ding four months", al­so um ei­nen Be­zugs­zeit­raum, der vier Mo­na­te nicht über­schrei­ten darf, wäh­rend es in fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung im Gleich­klang um ei­nen Be­zugs­zeit­raum von bis zu vier Mo­na­ten ("une pe­ri­ode de re­fe­rence ne de­pas­sant pas quat­re mois") geht. Wei­ter hei­ßt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in eng­li­scher Fas­sung "du­ra­ti­on of the working time", wäh­rend sich die fran­zö­si­sche und deut­sche Fas­sung des Norm­tex­tes je­weils mit den Wor­ten "la du­ree du temps de tra­vail" oder mit dem Wort "Ar­beits­zeit" be­gnügt. Die eng­li­sche Fas­sung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG dar­über hin­aus nur von Ta­rif­ver­trä­gen (collec­ti­ve agree­ments) und Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen bei­den Sei­ten der In­dus­trie (the two si­des of in­dus­try) wäh­rend im fran­zö­si­schen und deut­schen Text der Richt­li­nie an die­ser Stel­le von "con­ven­ti­ons collec­ti­ves"/"Ta­rif­ver­trä­gen" und "ac­cords con­clus ent­re par­ten­aires so­ci­aux"/"So­zi­al­part­nern" ge­spro­chen wird. In die­sem Zu­sam­men­hang ist auch zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Kom­mis­si­on in ih­rer ak­tu­el­len Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) aus­drück­lich dar­auf hin­weist, dass die Richt­li­nie we­der den Be­griff "Ta­rif­ver­trag" de­fi­niert noch nä­her er­läu­tert, was "Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern auf na­tio­na­ler und re­gio­na­ler Ebe­ne" sind, mit der Fol­ge, dass die­se Be­grif­fe durch na­tio­na­le Rechts­vor­schrif­ten und Ge­pflo­gen­hei­ten nä­her zu be­stim­men sei­en (ABl. EU Nr. C 165/49). Schlie­ß­lich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf­merk­sam zu ma­chen. Dort hei­ßt es in der eng­li­schen Fas­sung am En­de "un­less he has first ob­tai­ned the worker’s agree­ment to per­form such work”, wäh­rend es nach der fran­zö­si­schen und deut­schen Text­fas­sung aus­reicht, dass sich der Ar­beit­neh­mer be­reit er­klärt hat, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten.

37 All die­se sprach­li­chen Un­eben­hei­ten las­sen sich norm­sys­te­ma­tisch und te­leo­lo­gisch zwar un­ter Rück­füh­rung dar­auf ver­ein­heit­li­chen, dass der Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on in den Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie über die Min­dest­ru­he­zei­ten und die Höchst­ar­beits­zei­ten "be­son­ders wich­ti­ge Re­geln des So­zi­al­rechts der Ge­mein­schaft" sieht. Die­se Re­geln müs­sen je­dem Ar­beit­neh­mer als ein zum Schutz sei­ner Si­cher­heit und sei­ner Ge­sund­heit be­stimm­ter Min­dest­an­spruch zu­gu­te­kom­men (vgl. z.B. Eu­GH, Ur­tei­le vom 7. Sep­tem­ber 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Ok­to­ber 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Des­halb be­grenzt der Ge­richts­hof die den Mit­glied­staa­ten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mög­li­che Ab­wei­chungs­mög­lich­keit u.a. von der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit für Fäl­le, in de­nen die Ar­beits­zeit we­gen der be­son­de­ren Merk­ma­le der aus­ge­üb­ten Tä­tig­keit nicht ge­mes­sen und oder nicht im Vor­aus fest­ge­legt wird oder von den Ar­beit­neh­mern selbst fest­ge­legt wer­den kann, auf das zum Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer "un­be­dingt Er­for­der­li­che" (Eu­GH, Ur­teil vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31).

38 Dar­aus aber den für den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch er­for­der­li­chen wei­te­ren Schluss zu zie­hen, ein Mit­glied­staat ver­sto­ße hin­rei­chend qua­li­fi­ziert und da­mit of­fen­kun­dig ge­gen ei­ne uni­ons­recht­li­che Norm, wenn er ei­ne "Opt-out"-Ent­schei­dung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, oh­ne zu­gleich ei­nen Be­zugs­zeit­raum im Sin­ne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­zu­le­gen, ist dem Se­nat man­gels des er­for­der­li­chen Ma­ßes an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der als ver­letzt gel­ten­den Vor­schrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht mög­lich.

39 bb) Eben­so ver­hält es sich mit der wei­te­ren Fra­ge der Frei­wil­lig­keit der nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs (Eu­GH, Ur­teil vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 u.a., Pfeif­fer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) not­wen­dig in­di­vi­du­el­len Be­reit­schafts­er­klä­rung ei­nes Ar­beit­neh­mers. Hier geht es um den schrift­li­chen An­trag des Klä­gers vom 10. Ok­to­ber 2007, Zu­viel­ar­beit im Sin­ne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leis­ten zu dür­fen. Wäh­rend die Frei­wil­lig­keit und In­di­vi­dua­li­tät der Be­reit­schafts­er­klä­rung des Klä­gers un­zwei­fel­haft sind, stellt sich die Fra­ge der Ver­ein­bar­keit mit Uni­ons­recht im Hin­blick auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit die­ser Er­klä­rung oder die­ses An­trags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009. Der Richt­li­ni­en­text ent­hält kei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung über das "ob" und das "wie" ei­nes die Be­reit­schafts­er­klä­rung be­tref­fen­den Wi­der­rufs­rechts des Ar­beit­neh­mers. Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu Mög­lich­keit und Mo­da­li­tä­ten ei­nes Wi­der­rufs ist nicht er­sicht­lich. Der EFTA-Ge­richts­hof hat im Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - (ju­ris) nur ent­schie­den, dass der ge­ne­rel­le Wi­der­rufsau­schluss ei­ner ein­mal wirk­sam ge­ge­be­nen Be­reit­schafts­er­klä­rung im Ein­zel­fall ei­ne Ver­let­zung der Richt­li­nie be­grün­den kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 vor­ge­se­he­ne Wi­der­rufs­mög­lich­keit mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten zum Ab­lauf des Ka­len­der­jah­res den An­for­de­run­gen an die je­der­zei­ti­ge Frei­wil­lig­keit der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit ge­nügt, kann hier un­ent­schie­den blei­ben. Da­für könn­te die Tat­sa­che spre­chen, dass der Richt­li­ni­en­text für die Fra­ge des Wi­der­rufs und der Wi­der­rufs­frist ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit kei­ne aus­drück­li­chen Vor­ga­ben macht. Da­ge­gen lie­ße sich in­des norm­sys­te­ma­tisch und am Zweck des Ar­beits­zeit­schut­zes ori­en­tiert für ei­nen mög­li­chen Gleich­lauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ma­xi­ma­len Be­zugs­zeit­raums von vier Mo­na­ten und der Frist für den Wi­der­ruf ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit ar­gu­men­tie­ren (so et­wa Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tat­sa­che, dass der bun­des­deut­sche Ge­setz­ge­ber in Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Wi­der­rufs­frist für nicht be­am­te­te Ar­beit­neh­mer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fas­sung vom 24. De­zem­ber 2003 (BGBl. I S. 3002) ge­ne­rell auf sechs Mo­na­te oh­ne Be­gren­zung auf das Jah­res­en­de be­stimmt hat (vgl. da­zu nä­her Wank, in: Mül­ler-Glö­ge/Preis/Schmidt, Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könn­te ge­gen ei­ne ma­xi­mal 15 Mo­na­te lau­fen­de Wi­der­rufs­frist - Wi­der­ruf am 1. Ok­to­ber, Frist­ab­lauf am 31. De­zem­ber des Fol­ge­jah­res - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­ge­wandt wer­den. Dies zeigt: Auch die Fra­ge, ob die Vor­ga­ben des streit­ge­gen­ständ­li­chen bran­den­bur­gi­schen Lan­des­rechts zur Ar­beits­zeit für Feu­er­wehr­be­am­te in der Zeit zwi­schen 2007 (In­kraft­tre­ten von § 4 AZV Feu 2007 im Au­gust 2007) und 2014 (In­kraft­tre­ten von § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2014 im Au­gust 2014) den An­for­de­run­gen der Frei­wil­lig­keit für die Dau­er der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­nü­gen, lässt sich auf­grund ei­ner Nor­m­aus­le­gung nach Wort­laut, Sys­te­ma­tik und Zweck nicht hin­rei­chend ein­deu­tig und klar be­ant­wor­ten.

41 cc) Die Text­ana­ly­se schlie­ßt es nach al­le­dem aus, hin­sicht­lich der Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fra­gen der Not­wen­dig­keit von Be­zugs­zeit­räu­men und den An­for­de­run­gen an die Frei­wil­lig­keit für den Wi­der­ruf von Ein­ver­ständ­nis­er­klä­run­gen zur Zu­viel­ar­beit hin­sicht­lich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 von ei­nem "hin­rei­chend qua­li­fi­zier­ten Ver­stoß" ge­gen das Uni­ons­recht im Sinn des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs aus­zu­ge­hen.

42 4. Un­ge­ach­tet der evi­dent un­zu­rei­chen­den Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Re­ge­lung der Ar­beits­zeit von kom­mu­na­len Feu­er­wehr­be­am­ten zu­stän­di­gen Lan­des­ge­setz­ge­ber ist die be­klag­te Stadt hier als Nor­m­an­wen­der auf­grund des An­wen­dungs­vor­rangs des Uni­ons­rechts ge­hal­ten ge­we­sen, die Vor­ga­ben der Richt­li­nie zu be­fol­gen und ent­ge­gen­ste­hen­des Lan­des­recht un­an­ge­wen­det zu las­sen. Die Be­klag­te hät­te er­ken­nen müs­sen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 klar und ein­deu­tig die Vor­ga­be ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ver­let­zen, weil es die­sen Rechts­ver­ord­nun­gen an ei­ner Vor­schrift fehlt, die ge­währ­leis­tet, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, Zu­viel­ar­beit zu leis­ten. Ein Trä­ger öf­fent­li­cher Ge­walt ist auch in sei­ner Ei­gen­schaft als öf­fent­li­cher Ar­beit­ge­ber zur An­wen­dung des Uni­ons­rechts ver­pflich­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Im­pact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Da­nach hat die Be­klag­te in ih­rer Ei­gen­schaft als Dienst­her­rin des Klä­gers durch Nicht­be­ach­tung des An­wen­dungs­vor­rangs der EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ge­gen das Uni­ons­recht ver­sto­ßen. Dass sie in­ner­staat­lich die Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des im Rah­men ih­rer Auf­ga­ben der mit­tel­ba­ren Staats­ver­wal­tung zu be­fol­gen hat­te, än­dert dar­an nichts.

43 5. Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit setzt - wie der na­tio­na­le dienst­recht­li­che Aus­gleichs­an­spruch - vor­aus, dass er vom Be­am­ten oder Sol­da­ten zu­vor zu­min­dest in Form ei­ner Rü­ge gel­tend ge­macht wor­den ist. Aus­zu­glei­chen ist die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit, die ab dem auf die erst­ma­li­ge schrift­li­che Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet wor­den ist (stRspr, BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Klä­ger erst im Ja­nu­ar 2012 den An­trag ge­stellt hat, ste­hen ihm An­sprü­che erst ab Fe­bru­ar 2012 zu.

44 a) Be­sol­dungs­an­sprü­che von Be­am­ten und Sol­da­ten er­ge­ben sich un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), ei­nes An­tra­ges oder ei­ner Rü­ge be­darf es da­her nicht. Ent­spre­chen­des gilt für Ver­sor­gungs­be­zü­ge (z.B. § 3 Abs. 1 Be­amtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechts­grund der Ali­men­tie­rung von Ru­he­stands­be­am­ten ist zwar der Ver­sor­gungs­fest­set­zungs­be­scheid, auch die­ser er­geht in­des von Amts we­gen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 Be­amtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und be­darf da­her we­der ei­nes An­trags noch ei­ner Hin­weis­pflicht (BVer­wG, Ur­teil vom 25. Ok­to­ber 2012 - 2 C 59.11 - BVer­w­GE 145, 14 Rn. 34).

45 An­sprü­che, de­ren Fest­set­zung und Zah­lung sich nicht un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz er­ge­ben, be­dür­fen da­ge­gen ei­ner vor­he­ri­gen Gel­tend­ma­chung (BVerfG, Be­schluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerf­GE 81, 363 <384 f.>; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - ju­ris Rn. 16). Denn hier ist ei­ne vor­gän­gi­ge be­hörd­li­che Ent­schei­dung über Grund und Hö­he der be­gehr­ten Zah­lung er­for­der­lich.

46 Für An­sprü­che we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit gilt dies in be­son­de­rer Wei­se. Die­se sind nicht pri­mär auf die Zah­lung ei­nes fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs ge­rich­tet, son­dern auf die Be­sei­ti­gung des rechts­wid­ri­gen Zu­stands. Durch den Hin­weis des Be­am­ten oder Sol­da­ten ist da­her zu­nächst ei­ne Prü­fung sei­nes Dienst­herrn ver­an­lasst, ob ei­ne Än­de­rung der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung er­for­der­lich ist und ob ei­ne rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit - et­wa durch An­pas­sung der ma­ß­geb­li­chen Dienst­plä­ne - ver­mie­den oder durch die Ge­wäh­rung von Frei­zeit­aus­gleich kom­pen­siert wer­den kann. Oh­ne ent­spre­chen­de Rü­ge muss der Dienst­herr nicht da­von aus­ge­hen, je­der Be­am­te wer­de die Über­schrei­tung der ak­tu­el­len Ar­beits­zeit­re­ge­lung be­an­stan­den. Auch hin­sicht­lich der mög­li­chen fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs­pflicht hat der Dienst­herr ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an, nicht nach­träg­lich mit un­vor­her­seh­ba­ren Zah­lungs­be­geh­ren kon­fron­tiert zu wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 21. Sep­tem­ber 2006 - 2 C 7.06 - Buch­holz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Be­am­te wird durch das Er­for­der­nis der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn auch nicht un­zu­mut­bar be­las­tet. Denn an die Rü­ge des Be­rech­tig­ten sind kei­ne zu ho­hen An­for­de­run­gen zu stel­len. Es reicht aus, wenn sich aus der Äu­ße­rung er­gibt, dass der Be­am­te oder Sol­dat die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt hält. We­der ist ein An­trag im rechts­tech­ni­schen Sin­ne er­for­der­lich noch muss Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich, be­an­tragt oder der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich kon­kret be­rech­net wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buch­holz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die An­wen­dung des Grund­sat­zes der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung auch auf den nicht nor­ma­tiv ge­re­gel­ten uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch ist mit Uni­ons­recht ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­teil vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Vor­aus­set­zung für die Ver­ein­bar­keit des ge­nann­ten Grund­sat­zes mit Uni­ons­recht ist, dass den An­for­de­run­gen des Äqui­va­lenz- und des Ef­fek­ti­vi­täts­grund­sat­zes Rech­nung ge­tra­gen ist (Eu­GH, Ur­tei­le vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C-20/13, Un­land - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den na­tio­na­len Ge­rich­ten ob­lie­gen­de Prü­fung er­gibt, dass die Vor­aus­set­zun­gen der bei­den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben in Be­zug auf das Ge­bot der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung er­füllt sind. Dem Ge­bot, dass die Mo­da­li­tä­ten zur Durch­set­zung des uni­ons­recht­li­chen An­spruchs nicht un­güns­ti­ger sein dür­fen als die­je­ni­gen, die gleich­ar­ti­ge Sach­ver­hal­te in­ner­staat­li­cher Art re­geln (Äqui­va­lenz­grund­satz), ist Rech­nung ge­tra­gen. Auch der - ne­ben dem uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch be­stehen­de, rich­ter­recht­lich ent­wi­ckel­te - Aus­gleichs­an­spruch aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ist nur ge­ge­ben, wenn der Be­rech­tig­te die­sen ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn gel­tend macht (BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz ver­langt, dass die Aus­übung der durch das Uni­ons­recht ver­lie­he­nen Rech­te nicht prak­tisch un­mög­lich ge­macht oder über­mä­ßig er­schwert wird. Die Fest­set­zung an­ge­mes­se­ner Aus­schluss­fris­ten für die Rechts­ver­fol­gung ist im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit, die zu­gleich den Be­rech­tig­ten und die Be­hör­de schützt, mit die­sen Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2011 - C-262/09, Meili­cke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C- 20/13, Un­land - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zu­dem sind, wie dar­ge­legt, die An­for­de­run­gen an die schrift­li­che Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­ring. Denn der Be­rech­tig­te muss ge­gen­über dem Dienst­herrn le­dig­lich schrift­lich zum Aus­druck brin­gen, er hal­te die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt.

50 6. Der pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­te­te An­spruch des Klä­gers wan­delt sich in­fol­ge Ab­laufs des mög­li­chen Aus­gleichs­zeit­raums in ei­nen An­spruch auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich, der we­der ver­fal­len noch aus an­de­ren Grün­den aus­ge­schlos­sen ist.

51 Der Haf­tungs­an­spruch we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­tet. Zweck der Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum, den Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer zu ge­währ­leis­ten, ist nicht durch ei­ne Geld­zah­lung, son­dern durch die Frei­stel­lung von der Pflicht zur Dienst­leis­tung zu er­rei­chen.

52 Schei­det aber die Ge­wäh­rung von Frei­zeit zum Aus­gleich der uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit aus vom Be­rech­tig­ten nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus, so ge­bie­tet es der uni­ons­recht­li­che Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz, dass die ent­stan­de­nen An­sprü­che nicht un­ter­ge­hen, son­dern sich in sol­che auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich um­wan­deln (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Da­nach sind hier fi­nan­zi­el­le Aus­gleichs­an­sprü­che des Klä­gers nicht aus­ge­schlos­sen, weil die über die Jah­re hin­weg an­ge­spann­te Per­so­nal­si­tua­ti­on bei der Be­rufs­feu­er­wehr der Be­klag­ten, in der der Klä­ger Dienst zu leis­ten hat­te, eben­so wie der zwi­schen­zeit­li­che Zeit­ab­lauf der Ge­wäh­rung von Frei­zeit zur Ab­gel­tung der ent­stan­de­nen An­sprü­che ent­ge­gen­stan­den.

53 7. Ob der Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig zu viel ge­ar­bei­tet hat, be­stimmt sich hier nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum im Sin­ne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Eben­so wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wen­det sich auch Art. 16 die­ser Richt­li­nie ("Die Mit­glied­staa­ten kön­nen ... vor­se­hen") an den Mit­glied­staat. Die­ser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG ab­wei­chen­den Fest­le­gung des Be­zugs­zeit­raums ("bis zu vier Mo­na­ten") be­rech­tigt, aber nicht ver­pflich­tet. Ob und in­wie­weit der Mit­glied­staat die­se Er­mäch­ti­gung zu der für den Ar­beit­neh­mer un­güns­ti­gen Aus­deh­nung des Be­zugs­zeit­raums auf bis zu vier Mo­na­ten aus­nutzt, ist Sa­che der je­weils zu­stän­di­gen ge­setz­ge­ben­den Or­ga­ne des Mit­glied­staa­tes, weil nur sie die zur Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie er­for­der­li­chen Rechts­no­men er­las­sen kön­nen. Die Aus­übung der Er­mäch­ti­gung ist je­den­falls nicht den das Recht an­wen­den­den na­tio­na­len Ge­rich­ten in dem Sin­ne über­ant­wor­tet, dass die­se den Be­zugs­zeit­raum nach dem As­pekt der "Sach­ge­rech­tig­keit" fest­le­gen kön­nen. Um die ihm ein­ge­räum­te Be­fug­nis in An­spruch zu neh­men, muss der Mit­glied­staat auch die Ent­schei­dung tref­fen, sich auf die­se Er­mäch­ti­gung zu be­ru­fen. Im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit muss die­se Ent­schei­dung des Mit­glied­staa­tes be­stimmt und klar sein (Eu­GH, Ur­teil vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVer­wG, Ur­teil vom 15. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeit­raum bis zum 1. Au­gust 2014 und da­mit in der hier zwi­schen den Be­tei­lig­ten strei­ti­gen Zeit zwi­schen 2009 und 2013 hat­te das Land den Be­zugs­zeit­raum für die vom Klä­ger frei­wil­lig er­brach­te uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 auf ein Jahr - an­statt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­sig er­öff­net - auf bis zu ma­xi­mal vier Mo­na­ten er­streckt.

56 Auch die sons­ti­gen Be­stim­mun­gen der RL 2003/88/EG, die zu ei­ner Ver­län­ge­rung des Be­zugs­zeit­raums füh­ren kön­nen - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Mo­na­te bei Fest­le­gun­gen in Ta­rif­ver­trä­gen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen So­zi­al­part­nern -, grei­fen nicht zu Guns­ten der Be­klag­ten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG set­zen je­weils vor­aus, dass der Mit­glied­staat Re­ge­lun­gen im Sin­ne von Art. 16 RL 2003/88/EG er­las­sen hat, die den An­for­de­run­gen an die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie in na­tio­na­les Recht im Sin­ne von Art. 288 Abs. 3 AEUV ge­nü­gen. Dar­an fehlt es aber eben­so wie an der Aus­nut­zung der ge­nann­ten Be­fug­nis­se ("sind ... zu­läs­sig" und "kann ab­ge­wi­chen wer­den") durch den Er­lass ei­ner für die Um­set­zung er­for­der­li­chen Rechts­norm des in­ner­staat­li­chen Norm­ge­bers.

57 8. Die Be­rech­nung der vom Klä­ger für die Zeit ab dem Fol­ge­mo­nat der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung - hier: Gel­tend­ma­chung im Ja­nu­ar 2012 - der im Ein­zel­nen er­brach­ten uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit ist kon­kret und nicht - wie vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt an­ge­nom­men - pau­schal zu er­mit­teln. Die kon­kre­te Er­mitt­lung der vom Klä­ger für den Zeit­raum vom 1. Fe­bru­ar 2012 bis zum 16. Ok­to­ber 2013 tat­säch­lich ge­leis­te­ten Zu­viel­ar­beit ist die wei­te­re Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens. Da­bei folgt schon aus dem Uni­ons­recht ge­mäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Zei­ten des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs so­wie die Krank­heits­zei­ten bei der Be­rech­nung des Durch­schnitts der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit un­be­rück­sich­tigt blei­ben oder neu­tral sind. Die­se Vor­ga­be des Uni­ons­rechts ver­langt, dass un­ge­ach­tet der Fra­ge der Um­set­zung in in­ner­staat­li­ches Recht durch ei­ne Rechts­norm die be­tref­fen­den Ta­ge bei der Be­rech­nung mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen sind.

58 Die Ar­beits­zeitricht­li­nie nimmt zwar le­dig­lich auf den uni­ons­recht­lich ge­währ­leis­te­ten Min­dest­ur­laub von vier Wo­chen Be­zug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der dar­über hin­aus­ge­hen­de, im na­tio­na­len Recht be­grün­de­te Mehr­ur­laub ist in­des mit der Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mit­glied­staa­ten un­be­rührt, für die Si­cher­heit und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten an­zu­wen­den oder zu er­las­sen. Dies um­fasst auch die Ein­räu­mung ei­nes über den uni­ons­recht­li­chen Min­dest­ur­laub hin­aus­ge­hen­den Ur­laubs­an­spruchs. Da der Klä­ger am Ur­laubs­tag von der Pflicht zur Dienst­leis­tung be­freit ist und auch der Mehr­ur­laub der Er­ho­lung des Klä­gers dient, kön­nen die­se Ta­ge nicht als Aus­gleich für ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum her­an­ge­zo­gen wer­den (vgl. eben­so schon BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Fei­er­ta­ge, die auf Wo­chen­ta­ge fal­len, sind mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit ein­zu­be­zie­hen und da­mit grund­sätz­lich zu neu­tra­li­sie­ren. So­weit der Klä­ger an die­sen Ta­gen nicht zur Dienst­leis­tung ver­pflich­tet war, kön­nen sol­che Ta­ge nicht zum Aus­gleich ei­ner et­wai­gen Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit her­an­ge­zo­gen wer­den. Dem­ge­gen­über sind Zei­ten, in de­nen dem Klä­ger auf Grund­la­ge des Dienst­zeit­aus­gleichser­las­ses ein zeit­li­cher Aus­gleich ge­währt wur­de, kei­ne Ar­beits­zeit im Sin­ne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Ar­beits­zeit zäh­len uni­ons­recht­lich sämt­li­che Zei­ten, die vom be­tref­fen­den Feu­er­wehr­be­am­ten im Rah­men von Ar­beits­be­reit­schaft und Be­reit­schafts­dienst in Form per­sön­li­cher An­we­sen­heit in der Dienst­stel­le ab­ge­leis­tet wor­den sind, un­ab­hän­gig da­von, wel­che Ar­beits­leis­tung er wäh­rend die­ses Diens­tes tat­säch­lich er­bracht hat (Eu­GH, Ur­teil vom 3. Ok­to­ber 2000 - C-303/98, Si­map - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Des­halb wird auch die ge­naue Be­stim­mung der Zahl der aus­zu­glei­chen­den Stun­den Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens sein. Nach dem uni­ons­recht­li­chen Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz muss da­nach vor­lie­gend je­de Stun­de, die der Klä­ger in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­rau­mes über 48 Stun­den hin­aus ge­ar­bei­tet hat, aus­ge­gli­chen wer­den, weil die Vor­aus­set­zun­gen für das von der Be­klag­ten gel­tend ge­mach­te "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie ge­zeigt - nicht vor­la­gen. Auch dies spricht nur für ei­nen Aus­gleich von tat­säch­lich und kon­kret er­brach­ter Zu­viel­ar­beit.

61 Der Geld­aus­gleich für die vom Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit ori­en­tiert sich an den je­weils gel­ten­den Stun­den­sät­zen der Ver­ord­nung über die Ge­wäh­rung von Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te in der Fas­sung der Be­kannt­ma­chung vom 3. De­zem­ber 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deut­lich, dass es um die kon­kret stun­den­be­zo­ge­ne Ab­rech­nung der Zu­viel­ar­beit geht und nicht um de­ren pau­scha­le Zu­grun­de­le­gung. Zwar un­ter­schei­den sich recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit und uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit tat­be­stand­lich. Recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit be­darf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der An­ord­nung oder Ge­neh­mi­gung, die nur ver­fügt oder er­teilt wer­den darf, wenn zwin­gen­de dienst­li­che Ver­hält­nis­se dies er­for­dern und sich die Mehr­ar­beit auf Aus­nah­me­fäl­le be­schränkt. Des Wei­te­ren darf an­ge­ord­ne­te oder ge­neh­mig­te Mehr­ar­beit die uni­ons­recht­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den im Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - au­ßer­halb der vom Uni­ons­recht vor­ge­se­he­nen Ver­fah­ren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht über­schrei­ten (BVer­wG, Ur­teil vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 14). Nur un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen liegt Mehr­ar­beit im dienst­recht­li­chen Sinn vor, die zeit­aus­gleichs- oder ver­gü­tungs­fä­hig ist. Da­ge­gen han­delt es sich bei rechts­wid­rig ge­leis­te­ter Zu­viel­ar­beit im öf­fent­li­chen Dienst­recht um die Dienst­zeit, die der Be­am­te über die uni­ons­recht­lich nach Ma­ß­ga­be der Ar­beits­zeitricht­li­nie und ih­rer Aus­nah­me­be­stim­mun­gen höchs­tens zu­läs­si­ge wö­chent­li­che Ar­beits­zeit hin­aus er­bringt. Sie ist ihm stets voll aus­zu­glei­chen, pri­mär durch Frei­zeit­aus­gleich, so­fern dies nicht mehr mög­lich ist, se­kun­där durch Geld­aus­gleich. Den­noch geht es in bei­den Fäl­len um den Aus­gleich für ei­ne über­ob­li­ga­ti­ons­mä­ßi­ge Her­an­zie­hung des Be­am­ten (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), so­dass für den Geld­aus­gleich auch in Fäl­len uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit in der Rechts­fol­ge die Stun­den­sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tungs­ver­ord­nung her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen.

62 Auf die Vor­schrif­ten über die Be­sol­dung kann hin­ge­gen nicht zu­rück­ge­grif­fen wer­den (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 39). Denn die Be­sol­dung ist kein Ent­gelt im Sin­ne ei­ner Ent­loh­nung für kon­kre­te Diens­te (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerf­GE 44, 249 <264>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>), son­dern die Ge­gen­leis­tung des Dienst­herrn da­für, dass sich der Be­am­te mit vol­lem per­sön­li­chen Ein­satz der Er­fül­lung sei­ner Dienst­pflich­ten wid­met (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerf­GE 21, 329 <345>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Ent­loh­nung von Ar­beits­stun­den, son­dern auf die Si­cher­stel­lung ei­ner amts­an­ge­mes­se­nen Le­bens­füh­rung ge­rich­tet.

63 9. Nach al­le­dem hat für den Se­nat kei­ne Ver­an­las­sung be­stan­den, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen, um ei­ne Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Uni­on nach Art. 267 AEUV ein­zu­ho­len. Dem Klä­ger steht für den Zeit­raum vom 1. Fe­bru­ar 2012 bis 16. Ok­to­ber 2013 stun­den­be­zo­ge­ner Geld­aus­gleich zu, für den die Be­klag­te nach Ma­ß­ga­be der Grund­sät­ze des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ein­zu­tre­ten hat, weil sie bei der vom Klä­ger kon­kret er­brach­ten Zu­viel­ar­beit den An­wen­dungs­vor­rang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 of­fen­kun­dig ver­letz­ten Nach­teils­ver­bots ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht be­ach­tet hat. Auf wei­te­re Fra­gen des Uni­ons­rechts hat es des­halb nicht mehr ent­schei­dungs­er­heb­lich an­kom­men kön­nen.

Ur­teil vom 20.07.2017 -
BVer­wG 2 C 41.16ECLI:DE:BVer­wG:2017:200717U2C41.16.0

Ur­teil

BVer­wG 2 C 41.16

  • VG Pots­dam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1267/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 28.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 20. Ju­li 2017
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung, Dr. Kennt­ner, Dol­lin­ger und Dr. Gün­ther
für Recht er­kannt:

  1. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen, so­weit mit ihr ein Geld­aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2009 bis 31. Ja­nu­ar 2012 gel­tend ge­macht wird. Die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 18. Ju­ni 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 16. Ok­to­ber 2013 wer­den auf­ge­ho­ben, so­weit sie dem ent­ge­gen­ste­hen.
  2. Im Üb­ri­gen (hin­sicht­lich des Zeit­raums vom 1. Fe­bru­ar 2012 bis 16. Ok­to­ber 2013) wird das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg auf­ge­ho­ben. In­so­weit wird die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.

Grün­de

I

1 Der Klä­ger, der im streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum bei der be­klag­ten Stadt als Feu­er­wehr­be­am­ter im 24-Stun­den-Schicht­dienst tä­tig war, be­gehrt fi­nan­zi­el­len Aus­gleich für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit.

2 Der von dem Klä­ger im Ok­to­ber 2007 be­an­trag­ten Er­hö­hung sei­ner durch­schnitt­li­chen wö­chent­li­chen Ar­beits­zeit auf bis zu 56 Stun­den ent­sprach die Be­klag­te durch Be­scheid vom 26. Ok­to­ber 2007. Den an sie im Ja­nu­ar 2012 ge­rich­te­ten An­trag des Klä­gers auf Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se auf Geld­aus­gleich für die von ihm seit dem Jahr 2003 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus ver­rich­te­ten Dienst­zei­ten, lehn­te die Be­klag­te ab. Das Vor­ver­fah­ren blieb er­folg­los.

3 Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­klag­te un­ter Ab­leh­nung des An­trags im Üb­ri­gen und teil­wei­ser Auf­he­bung der an­ge­foch­te­nen Be­schei­de ver­pflich­tet, dem Klä­ger für die im Zeit­raum ab Ja­nu­ar 2009 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus­ge­hend ge­leis­te­te Ar­beit Geld­aus­gleich nach dem je­weils gel­ten­den Stun­den­satz für die Mehr­ar­beits­ver­gü­tung zu ge­wäh­ren. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­ru­fung mit der Ma­ß­ga­be zu­rück­ge­wie­sen, dass es die Be­klag­te ver­ur­teilt hat, an den Klä­ger für den Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2009 bis zum 16. Ok­to­ber 2013 ei­nen Be­trag von 21 784,36 € nebst Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins ab Rechts­hän­gig­keit zu zah­len. Zur Be­grün­dung hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt im We­sent­li­chen aus­ge­führt, dem Klä­ger ste­he der zu­ge­spro­che­ne Geld­aus­gleich in­fol­ge des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs we­gen Ver­let­zung der Ar­beits­zeitricht­li­nie zu. Ei­ne frei­wil­li­ge Zu­viel­ar­beit bei Über­schrei­tung der uni­ons­recht­lich höchst­zu­läs­si­gen Be­zugs­zeit­räu­me sei auch auf­grund von Aus­nah­me­vor­schrif­ten nicht vor­ge­se­hen.

4 Hier­ge­gen wen­det sich die vom Se­nat zu­ge­las­se­ne Re­vi­si­on der Be­klag­ten, mit der sie be­an­tragt,
die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 18. Ju­ni 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 16. Ok­to­ber 2013 auf­zu­he­ben und die Kla­ge in vol­lem Um­fang ab­zu­wei­sen.

5 Der Klä­ger be­an­tragt,
die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen.

6 Der Ver­tre­ter des Bun­des­in­ter­es­ses beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt un­ter­stützt die Re­vi­si­on der Be­klag­ten.

II

7 Die Re­vi­si­on ist teil­wei­se be­grün­det. Das Be­ru­fungs­ur­teil ist auf­zu­he­ben. So­weit die Sa­che nicht vom Se­nat selbst ent­schie­den wer­den kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO), ist sie an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO). Die An­nah­men des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit set­ze kei­ne erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung durch den Be­trof­fe­nen vor­aus und ver­lan­ge nicht den Nach­weis der über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den hin­aus kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den, ver­let­zen re­vi­si­bles Recht. Des­halb ist die Kla­ge ab­zu­wei­sen, so­weit mit ihr fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2009 bis 31. Ja­nu­ar 2012 gel­tend ge­macht wird. Ob sich das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für den ver­blei­ben­den streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum vom 1. Fe­bru­ar 2012 bis zum 16. Ok­to­ber 2013 aus an­de­ren Grün­den im Er­geb­nis ganz oder teil­wei­se als rich­tig dar­stellt (§ 144 Abs. 4 Vw­GO), kann der Se­nat man­gels hier­für aus­rei­chen­der tat­säch­li­cher Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts nicht ent­schei­den.

8 In dem Zeit­raum ab 2009 lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die Be­klag­te, die das vom Land Bran­den­burg er­las­se­ne Recht le­dig­lich an­wen­det, dem Grun­de nach vor (1.). Uni­ons­recht kann in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land durch Rechts­ver­ord­nun­gen um­ge­setzt wer­den (2.). § 4 Abs. 3 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit der Be­am­ten des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in den Feu­er­weh­ren und den Leit­stel­len der Land­krei­se im Land Bran­den­burg vom 3. Au­gust 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit für die Be­am­ten des Po­li­zei­voll­zugs­diens­tes, des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes und des Jus­tiz­voll­zugs­diens­tes des Lan­des Bran­den­burg vom 16. Sep­tem­ber 2009 (Bb­gAZV­PFJ, GVBl. II S. 686) set­zen Art. 22 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um. Sie ver­let­zen of­fen­kun­dig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Ver­bot, wo­nach kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten (3.). Die An­wen­dung die­ses mit Uni­ons­recht un­ver­ein­ba­ren Lan­des­rechts ist der be­klag­ten Stadt als Dienst­her­rin der Feu­er­wehr­be­am­ten an­zu­las­ten. Durch die An­wen­dung des den Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts nicht ge­nü­gen­den in­ner­staat­li­chen Rechts ist der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch auch ge­gen­über der Kom­mu­ne als Dienst­her­rin be­grün­det (4.). Der Dienst­herr muss aber le­dig­lich die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit aus­glei­chen, die der Be­rech­tig­te ab dem auf die erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet hat. Dies ist im Fall des Klä­gers erst für die Zeit ab Fe­bru­ar 2012 der Fall (5.). Der noch nicht ver­fal­le­ne Aus­gleichs­an­spruch ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit aus­ge­rich­tet. Da die­se Form des Aus­gleichs aus vom Klä­ger nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus­schei­det, wan­delt sich der Aus­gleichs­an­spruch in ei­nen sol­chen auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich (6.). Ob und ggf. in­wie­weit der Klä­ger Zu­viel­ar­beit ge­leis­tet hat, be­stimmt sich man­gels ei­ner an­der­wei­ti­gen Re­ge­lung durch den na­tio­na­len Norm­ge­ber nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (7.). Für den Geld­aus­gleich sind die Sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te ma­ß­geb­lich. Der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich er­folgt da­nach nicht pau­schal nach der Dif­fe­renz zwi­schen der Höchst­ar­beits­zeit und der ge­neh­mig­ten Zu­viel­ar­beit. Er rich­tet sich viel­mehr nach den vom Be­am­ten kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den (8.). Die Ein­ho­lung ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on im Ver­fah­ren nach Art. 267 AEUV ist nicht ver­an­lasst (9.).

9 1. Die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die be­klag­te Stadt, die nicht für die Um­set­zung der Vor­ga­ben der Richt­li­nie durch den Er­lass von Rechts­nor­men zu­stän­dig ist, sind im Zeit­raum ab dem Jahr 2009 dem Grun­de nach ge­ge­ben. Denn die Be­klag­te hat die zur Um­set­zung von Art. 22 RL 2003/88/EG er­las­se­nen Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg an­ge­wen­det, ob­wohl für sie er­kenn­bar war, dass die­se Um­set­zung im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot un­zu­rei­chend ge­we­sen ist.

10 Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch setzt nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) vor­aus, dass die uni­ons­recht­li­che Norm, ge­gen die ver­sto­ßen wor­den ist, die Ver­lei­hung von Rech­ten an die Ge­schä­dig­ten be­zweckt (a), zwi­schen die­sem Ver­stoß und dem den Ge­schä­dig­ten ent­stan­de­nen Scha­den ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang be­steht (b) und der Ver­stoß ge­gen die­se Norm hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG tref­fen die Mit­glied­staa­ten die er­for­der­li­chen Maß­nah­men, da­mit nach Ma­ß­ga­be der Er­for­der­nis­se der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer die durch­schnitt­li­che Ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum 48 Stun­den ein­schlie­ß­lich der Über­stun­den nicht über­schrei­tet. Die­se Vor­schrift ver­leiht dem Ein­zel­nen Rech­te, die die­ser nach Ab­lauf der Frist zur Um­set­zung der wort­glei­chen Vor­gän­ger­be­stim­mung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Ar­beits­zeit­recht der Be­klag­ten un­mit­tel­bar vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend ma­chen kann (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ro­päi­schen Uni­on, der ge­mäß Art. 6 Abs. 1 EUV der glei­che Rang wie den Ver­trä­gen zu­er­kannt ist (stRspr, zu­letzt Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2016 - C-178/15, Sob­c­zys­zyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. No­vem­ber 2015 - C-219/14, Green­field - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Ar­beit­neh­mer kei­ne wei­ter­ge­hen­den Schutz­rech­te her­lei­ten (zum ein­heit­li­chen Ar­beit­neh­mer­be­griff von Richt­li­nie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: Eu­GH, Ur­teil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fe­noll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wo­nach je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer u.a. das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit hat, ge­währ­leis­tet auf­grund der Un­be­stimmt­heit sei­nes Wort­lauts kei­ne wei­ter­ge­hen­den In­di­vi­du­al­rech­te.

12 Ge­mäß der Aus­nah­me­vor­schrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mit­glied­staa­ten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zu­läs­si­ge Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum nor­miert wird, un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen nicht an­zu­wen­den. Ein sol­ches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur mög­lich, wenn die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­ge­hal­ten wer­den und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für ge­sorgt wird, dass kein Ar­beit­ge­ber von dem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn, der Ar­beit­neh­mer ist frei­wil­lig da­zu be­reit, und dass ihm im Wei­ge­rungs­fall kei­ne Nach­tei­le ent­ste­hen.

13 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur der­zei­ti­gen Ar­beits­schutz­richt­li­nie RL 2003/88/EG, eben­so wie zu der Vor­gän­ger­richt­li­nie RL 1993/104/EG, sind ab­wei­chen­de Be­stim­mun­gen als Aus­nah­men von der Ge­mein­schafts­re­ge­lung über die Ar­beits­zeit­ge­stal­tung - wie hier Art. 22 der Richt­li­nie - so aus­zu­le­gen, dass ihr An­wen­dungs­be­reich auf das zur Wah­rung der In­ter­es­sen, de­ren Schutz sie er­mög­li­chen, un­be­dingt Er­for­der­li­che be­grenzt wird (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 2003 - C-151/02, Jae­ger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31; eben­so Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vor­ga­ben in den Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar for­mell wirk­sam (sie­he un­ten 2.), aber in­halt­lich in­fol­ge Nicht­be­ach­tung des Nach­teils­ver­bots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um­ge­setzt (sie­he un­ten 3.). Dies ver­letzt den Klä­ger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Rech­ten. Die be­klag­te Stadt hat die­se im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot uni­ons­rechts­wid­ri­gen Vor­schrif­ten an­ge­wandt und da­mit ih­rer­seits den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch des Klä­gers aus­ge­löst (sie­he un­ten 4.).

15 b) Zwi­schen dem Ver­stoß ge­gen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Scha­den, der dem Klä­ger durch die uni­ons­rechts­wid­rig er­brach­te Zu­viel­ar­beit ent­stan­den ist, be­steht auch ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang. Un­er­heb­lich ist, dass die­se Zu­viel­ar­beit des Klä­gers und der da­mit ver­bun­de­ne Ver­lust an Frei­zeit und Er­ho­lungs­zeit nach na­tio­na­lem Recht kei­nen Scha­den im Sin­ne des zi­vil­recht­li­chen Scha­dens­er­satz­rechts dar­stel­len. Ma­ß­geb­lich ist in­so­weit al­lein auf das Uni­ons­recht ab­zu­stel­len, das hier­in ei­nen Scha­den sieht (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 so­wie Te­nor 1 und 4; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Dar­über hin­aus ist der Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht auch hin­rei­chend qua­li­fi­ziert, um den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch zu be­grün­den. Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ist das der Fall, wenn der Mit­glied­staat die Gren­zen, die sei­nem Er­mes­sen ge­setzt sind, of­fen­kun­dig und er­heb­lich über­schrit­ten hat, wo­bei zu den in­so­weit zu be­rück­sich­ti­gen­den Ge­sichts­punk­ten ins­be­son­de­re das Maß an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der ver­letz­ten Vor­schrift so­wie der Um­fang des Er­mes­sens­spiel­raums ge­hö­ren, den die ver­letz­te Vor­schrift den na­tio­na­len Be­hör­den be­lässt (Eu­GH, Ur­tei­le vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Bras­se­rie du pêcheur und Fac­tor­ta­me - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Ja­nu­ar 2007 - C-278/05, Ro­bins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 so­wie Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVer­wG, Ur­teil vom 30. Ok­to­ber 2014 - 2 C 3.13 - Buch­holz 245 Lan­des­BesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qua­li­fi­zier­ter Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht zu­las­ten des Klä­gers liegt im Hin­blick auf das von der Be­klag­ten zu be­ach­ten­de Nach­teils­ver­bot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (sie­he 3.a).

17 Für den Zeit­raum ab dem Jahr 2009 sind zu­gleich grund­sätz­lich die Vor­aus­set­zun­gen des dienst­recht­li­chen Aus­gleichs­an­spruchs aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ge­ge­ben (BVer­wG, Ur­tei­le vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buch­holz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26). Die bei­den An­sprü­che sind hin­sicht­lich der Ver­jäh­rung so­wie der Rechts­fol­gen gleich­ge­rich­tet (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. In­ner­staat­li­che Rechts­vor­schrif­ten, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - ei­ne Richt­li­nie der Eu­ro­päi­schen Uni­on in deut­sches Recht um­set­zen, sind am Maß­stab des Uni­ons­rechts zu mes­sen, so­weit die Richt­li­nie den Mit­glied­staa­ten kei­nen Um­set­zungs­spiel­raum lässt, son­dern zwin­gen­de Vor­ga­ben macht (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 22. Ok­to­ber 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerf­GE 73, 339 <387>, vom 7. Ju­ni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerf­GE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerf­GE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerf­GE 121, 1 <15>, vom 14. Ok­to­ber 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerf­GE 122, 1 <20> und vom 21. Sep­tem­ber 2016 - 2 BvL 1/15 - ju­ris Rn. 32). Den Mit­glied­staa­ten steht es un­ter den in Art. 22 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­si­gen Höchst­ar­beits­zeit für Ar­beit­neh­mer ab­zu­wei­chen. Da­für müs­sen sie Rechts­nor­men er­las­sen (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richt­li­nie ga­ran­tier­ten all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ge­währ­leis­ten und die dar­über hin­aus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Kri­te­ri­en ge­nü­gen. Für die Trans­for­ma­ti­on von Uni­ons­recht in in­ner­staat­li­ches Recht kom­men so­wohl for­mel­le Ge­set­ze als auch Rechts­ver­ord­nun­gen in Be­tracht (vgl. nur Ruf­fert, in: Cal­liess/Ruf­fert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schro­eder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 je­weils m.w.N.). Da­mit rich­tet sich die Uni­ons­rechts­kon­for­mi­tät der frag­li­chen Rechts­ver­ord­nun­gen in­so­weit al­lein da­nach, ob die­se nach in­ner­staat­li­chem Recht ei­ne hin­rei­chen­de Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge ha­ben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - eben­so wie sei­ne in­halts­glei­che Vor­gän­ger­norm in § 143 und § 134 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 8. Ok­to­ber 1999 (GVBl. I S. 446) - er­mäch­tigt die zu­stän­di­gen Mit­glie­der der Lan­des­re­gie­rung aus­drück­lich, die Ar­beits­zeit der Po­li­zei- und Jus­tiz­voll­zugs­be­am­ten so­wie die des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in ei­ner Rechts­ver­ord­nung zu re­geln. Da­mit ist so­wohl dem uni­ons­recht­li­chen Rechts­norm­vor­be­halt als auch dem in­ner­staat­li­chen Ge­set­zes­vor­be­halt Ge­nü­ge ge­tan.

19 3. § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und sei­ne Nach­fol­ger­vor­schrift, der wort­lauti­den­tisch bis zum 31. Ju­li 2014 gel­ten­de § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009, be­stim­men, dass auf An­trag des Be­am­ten über den Rah­men von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus Schicht­dienst bis zu 56 Stun­den un­ter Be­ach­tung der all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes als durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Ar­beits­zeit be­wil­ligt wer­den kann. Die Be­wil­li­gung kann aus dienst­li­chen Grün­den zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jahrs mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen wer­den. Der Be­am­te ist auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit schrift­lich hin­zu­wei­sen. Er kann sei­nen An­trag zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jah­res mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen.

20 a) So­wohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 set­zen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hin­rei­chend um. Da­nach hat ein Mit­glied­staat, der von die­ser Aus­nah­me­vor­schrift Ge­brauch ma­chen möch­te, mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für zu sor­gen, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, ei­ner über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hin­aus­ge­hen­den Ar­beit nach­zu­ge­hen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" da­mit un­ter den Vor­be­halt, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, aus den in der Ar­beits­zeitricht­li­nie fest­ge­leg­ten Ar­beits­zeit­höchst­gren­zen "aus­zu­tre­ten" oder "hin­aus­zu­op­tie­ren" (Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­ho­fes der Eu­ro­päi­schen Uni­on er­for­dert die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie nicht ei­ne förm­li­che und wört­li­che Über­nah­me ih­rer Be­stim­mun­gen in ei­ne aus­drück­li­che, be­son­de­re Rechts­vor­schrift. Ihr kann viel­mehr durch ei­nen all­ge­mei­nen recht­li­chen Kon­text Ge­nü­ge ge­tan wer­den, wenn die­ser tat­säch­lich die voll­stän­di­ge An­wen­dung der Richt­li­nie hin­rei­chend klar und be­stimmt ge­währ­leis­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on ist je­doch er­for­der­lich, dass die Rechts­la­ge hin­rei­chend be­stimmt, klar und trans­pa­rent ist und die Be­güns­tig­ten in die La­ge ver­setzt, von al­len ih­ren Rech­ten Kennt­nis zu er­lan­gen und die­se ggf. vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend zu ma­chen (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vor­ga­be, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nor­mier­te Nach­teils­ver­bot in in­ner­staat­li­ches Recht um­zu­set­zen, wer­den we­der § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ge­recht. In bei­den Vor­schrif­ten fehlt ein Hin­weis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Nach­teils­ver­bot. Da­durch wird des­sen prak­ti­sche Wirk­sam­keit ge­schwächt, weil der Ar­beit­neh­mer nicht hin­rei­chend klar er­ken­nen kann, dass er sich, nach der Er­klä­rung sei­ner­seits an der Höchst­ar­beits­zeit ge­mäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­hal­ten zu wol­len, et­wa ge­gen nach­tei­li­ge Dienst­plan­ge­stal­tun­gen mit Er­folg zur Wehr set­zen kann (Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nach­teils­ver­bot, das mit Blick auf den Schutz­cha­rak­ter der Ar­beits­zeitricht­li­nie we­sent­li­che Be­deu­tung hat, kommt auch nicht in sons­ti­gen im Be­reich des Lan­des Bran­den­burg gel­ten­den ver­öf­fent­lich­ten Rechts­vor­schrif­ten, wie ins­be­son­de­re den Be­am­ten­ge­set­zen, in die der in­so­weit be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer et­wa Ein­sicht neh­men könn­te, mit hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit, Klar­heit und Trans­pa­renz zum Aus­druck. Das gilt ins­be­son­de­re für die - le­dig­lich als Ge­ne­ral­klau­sel for­mu­lier­te - be­am­ten­recht­li­che Für­sor­ge­pflicht ge­mäß § 45 Be­amtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zu­dem wä­re, selbst wenn man un­ter­stellt, dass sol­che Rechts­vor­schrif­ten vor­han­den sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den bran­den­bur­gi­schen Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen hin­zu­wei­sen. Dar­an fehlt es eben­falls. An­de­ren­falls wä­re der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer, der ty­pi­scher­wei­se ge­ra­de über kei­ne ver­tief­ten ju­ris­ti­schen Kennt­nis­se ver­fügt, nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge, die er­for­der­li­che in­halt­li­che Ver­knüp­fung zwi­schen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den na­tio­na­len Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeit­ver­ord­nung und dem an an­de­rer Stel­le nor­mier­ten Nach­teils­ver­bot her­zu­stel­len. So wä­re et­wa der be­güns­tig­te (be­am­te­te) Ar­beit­neh­mer nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge zu er­ken­nen, dass sei­ne - aus dienst­li­chen Grün­den mög­li­che - Um­set­zung oder auch nur ei­ne ihm nach­tei­li­ge Dienst­plan­än­de­rung dem Nach­teils­ver­bot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG un­ter­fällt, wenn sie des­halb er­folgt, weil er nicht be­reit ist, über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit­gren­ze von 48 Stun­den hin­aus zu ar­bei­ten (sie­he so auch Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on, Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Des­halb grei­fen die Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen so­wohl des Bun­des und meh­re­rer an­de­rer Bun­des­län­der, die von der Öff­nungs­klau­sel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Ge­brauch ge­macht ha­ben, das Nach­teils­ver­bot ge­ra­de aus­drück­lich auf (vgl. et­wa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzV­BY vom 5. Ja­nu­ar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZ­VO vom 30. De­zem­ber 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZ­VO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZ­VOFeu NW vom 1. Sep­tem­ber 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 Säch­s­AZ­VO vom 28. Ja­nu­ar 2008, GVBl. S. 198). Her­vor­zu­he­ben ist, dass auch das Recht des Lan­des Bran­den­burg nun­mehr - mit Wir­kung ab dem 1. Au­gust 2014 - das Nach­teils­ver­bot in § 21 Abs. 4 Satz 2 Bb­gAZV­PFJ vom 10. Ju­li 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) aus­drück­lich nennt. Dar­an fehlt es - für den hier streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009.

26 b) Steht da­mit die un­voll­stän­di­ge Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­deu­tig und klar fest, kommt es auf die wei­te­re Fra­ge, ob die­se Be­stim­mun­gen der bei­den ge­nann­ten Rechts­ver­ord­nun­gen dar­über hin­aus auch den An­for­de­run­gen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG of­fen­kun­dig nicht ge­recht wer­den, vor­lie­gend nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich an. Der Se­nat hält die­se Fra­ge für of­fen.

27 aa) Maß­st­abs­bil­den­de Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur Fra­ge der Not­wen­dig­keit ei­nes Be­zugs­zeit­raums und zur Aus­le­gung des Be­griffs "im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vor­gän­ger­richt­li­nie gibt es für den Fall des "Opt-out" bis­lang nicht. Das gilt auch für das Ur­teil des Ge­richts­hofs vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Die­ses Ur­teil be­zieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vor­gän­ger­richt­li­nie 1993/104/EG, der al­ler­dings im We­sent­li­chen mit Art. 22 RL 2003/88/EG ver­gleich­bar ist. In die­sem Ur­teil führt der Ge­richts­hof aber nur aus, dass die In­an­spruch­nah­me der Mög­lich­keit, die Grund­satz­norm des Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, vor­aus­setzt, dass die Mit­glied­staa­ten die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hal­ten und be­stimm­te - in der Richt­li­nie ge­nann­te - ku­mu­la­ti­ve Vor­aus­set­zun­gen er­fül­len. Für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums folgt dar­aus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum" die Re­de ist.

28 Die in­ner­staat­li­che Recht­spre­chung zu die­ser Fra­ge ist un­ein­heit­lich (be­ja­hend: OVG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­tei­le vom 18. Ju­ni 2015 - OVG 6 B 19.15 - ju­ris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - ju­ris Rn. 25; ver­nei­nend: VG Mün­chen, Ur­teil vom 18. Ok­to­ber 2016 - M 5 K 14.5855 - ju­ris Rn. 32; VG Aa­chen, Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2016 - 1 K 2244/14 - ju­ris Rn. 32).

29 Ei­ner­seits gibt es Ar­gu­men­te, die da­für spre­chen, ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur un­ter Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums zu­zu­las­sen. Der Wort­laut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könn­te in deut­scher Sprach­fas­sung dar­auf hin­deu­ten, dass es den Mit­glied­staa­ten ob­liegt, ei­nen (bis zu vier­mo­na­ti­gen) Be­zugs­zeit­raum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu re­geln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG be­stimmt, dass es ei­nem Mit­glied­staat frei­ge­stellt ist, Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, wenn er die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hält und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für sorgt, dass kein Ar­beit­ge­ber von ei­nem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn der Ar­beit­neh­mer hat sich hier­zu be­reit er­klärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Wei­te­ren vor, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass "der Ar­beit­ge­ber die zu­stän­di­gen Be­hör­den [...] dar­über un­ter­rich­tet, wel­che Ar­beit­neh­mer sich da­zu be­reit er­klärt ha­ben, im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten".

30 Auch aus der Norm­sys­te­ma­tik las­sen sich Grün­de für die Not­wen­dig­keit, ei­nen Be­zugs­zeit­raum nach Ma­ß­ga­be von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Fal­le des "Opt-out" zu re­geln, her­lei­ten. Sys­te­ma­tisch spricht der Zu­sam­men­hang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Er­for­der­nis ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Zu den un­ab­hän­gig vom Ein­ver­ständ­nis des Ar­beit­neh­mers zu re­geln­den Vor­ga­ben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­hört, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass ein Ar­beit­neh­mer die Mög­lich­keit hat, nur durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den zu ar­bei­ten. Da­für wä­re die Re­ge­lung je­den­falls ei­nes Be­zugs­zeit­raums hilf­reich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­währ­leis­ten, dass die Mit­glied­staa­ten ei­ne Gren­ze für die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit re­geln, um so zum Ar­beits- und Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer bei­zu­tra­gen (EFTA-Ge­richts­hof, Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein sol­cher Schutz wür­de oh­ne die Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums für den Durch­schnitt der Wo­chen­ar­beits­zeit er­schwert. Der durch die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit be­zweck­te Schutz ist um­so in­ten­si­ver, je kür­zer der für den Durch­schnitt ma­ß­geb­li­che Be­zugs­zeit­raum ist. Be­son­ders in­ten­siv ist er, wenn der Be­zugs­zeit­raum nur ei­ne Wo­che be­trägt, weil es dann un­mög­lich ist, ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit ei­ner Wo­che durch ge­rin­ge­re Ar­beits­zei­ten an­de­rer Wo­chen "weg­zu­rech­nen". Ein ma­xi­ma­ler Schutz in die­sem Sin­ne wä­re mit­hin da­durch zu er­rei­chen, dass bei Feh­len ei­ner Re­ge­lung des Be­zugs­zeit­raums der kon­kre­te Sie­ben­ta­ges­zeit­raum ma­ß­geb­lich ist. Die­se Rechts­fol­ge tritt bei Feh­len ei­ner Be­zugs­zeit­raum­re­ge­lung ein, so­lan­ge Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG An­wen­dung fin­det (BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zu­las­sung ei­ner oh­ne Be­zugs­zeit­raum mög­li­chen und da­mit un­li­mi­tier­ten Höchst­ar­beits­zeit könn­te zu­dem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh wi­der­spre­chen, der be­stimmt, dass je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit, auf täg­li­che und wö­chent­li­che Ru­he­zei­ten so­wie auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hat (vgl. Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Fer­ner ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass auch ein recht­mä­ßi­ges "Opt-out" ge­mäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Er­for­der­nis der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­freit, aber nicht von den täg­li­chen und wö­chent­li­chen Min­dest­ru­he­zei­ten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ru­he­pau­sen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Be­schrän­kun­gen der Nacht­ar­beit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dis­pen­siert. Des­halb ist die Fest­stel­lung der Kom­mis­si­on in ih­ren ak­tu­el­len An­wen­dungs­hin­wei­sen zu Aus­le­gungs­fra­gen der Ar­beits­zeitricht­li­nie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zu­tref­fend, dass, be­rück­sich­tigt man nur den Zeit­raum der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit, die in der Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­nen Min­dest­zeit­räu­me der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit von den ins­ge­samt 168 Stun­den (24 Stun­den x 7 Ta­ge) ei­ner Wo­che be­reits durch­schnitt­lich 90 Ru­he­stun­den be­deu­ten (6 Ta­ge x 11 Stun­den täg­li­che Ru­he­zeit + 24 Stun­den wö­chent­li­che Ru­he­zeit). Dem­zu­fol­ge dürf­te un­ter Be­rück­sich­ti­gung von Ru­he­zei­ten, Ru­he­pau­sen und der mög­li­chen stren­ge­ren Be­schrän­kun­gen im Fall von Nacht­ar­beit die Ar­beits­zeit auch im Fal­le ei­ner recht­mä­ßi­gen Aus­nah­me­re­ge­lung nach Art. 22 RL 2003/88/EG ei­nen Durch­schnitt von 78 Stun­den pro Wo­che nicht über­schrei­ten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 An­de­rer­seits wirft die kon­kre­te Be­stim­mung ei­nes Be­zugs­zeit­raums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ei­ne Viel­zahl von bis­lang un­ge­klär­ten uni­ons­recht­li­chen Fra­gen auf. So ist zu­nächst un­klar, ob es zur abs­trakt-ge­ne­rel­len Re­ge­lung der Mög­lich­keit ei­ner "Opt-out"-Ver­ein­ba­rung ei­nes be­son­de­ren Be­zugs­zeit­raums be­darf. Der Hin­weis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum könn­te näm­lich auch dar­auf hin­deu­ten, dass da­mit der längs­te vom Mit­glied­staat fest­zu­le­gen­de Be­zugs­zeit­raum ge­meint ist. Da­für könn­te auch nach der deut­schen Sprach­fas­sung des Richt­li­ni­en­tex­tes spre­chen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Zeit­raum" die Re­de ist und nicht von dem "nach Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) fest­ge­setz­ten Be­zugs­zeit­raum".

34 Des Wei­te­ren stel­len sich norm­sys­te­ma­ti­sche Fra­gen nach dem Ver­hält­nis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ver­weist wört­lich be­trach­tet al­lein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Zeit­raum, so­dass frag­lich ist, ob er auch die Fest­set­zun­gen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richt­li­nie er­fasst, in de­nen - je­weils un­ter be­son­de­ren Vor­aus­set­zun­gen - an­de­re Be­zugs­zeit­räu­me be­nannt wer­den. Da­bei ist ins­be­son­de­re zu be­rück­sich­tig­ten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Ver­hält­nis zu Art. 16 RL 2003/88/EG un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen län­ge­re Be­zugs­zeit­räu­me von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Mo­na­ten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) er­öff­nen.

35 Die For­mu­lie­rung der ver­schie­de­nen Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie ist je nach Sprach­fas­sung und auch in­ner­halb ein­zel­ner Sprach­fas­sun­gen nach den Aus­füh­run­gen der Schluss­an­trä­ge der Ge­ne­ral­an­wäl­tin Ko­kott im Ver­fah­ren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) un­ein­heit­lich. Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on müs­sen aber die Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts im Licht der Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on ein­heit­lich aus­ge­legt und an­ge­wandt wer­den. Wei­chen die ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen ei­nes Rechts­tex­tes der Uni­on von­ein­an­der ab, muss die frag­li­che Vor­schrift an­hand der all­ge­mei­nen Sys­te­ma­tik und des Zwecks der Re­ge­lung aus­ge­legt wer­den, zu der sie ge­hört (Eu­GH, Ur­tei­le vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ER­GO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Os­so - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Not­wen­dig­keit ei­ner ein­heit­li­chen An­wen­dung und da­mit ei­ner ein­heit­li­chen Aus­le­gung der Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts schlie­ßt es da­nach aus, ei­ne Vor­schrift in ei­ner ih­rer Fas­sun­gen iso­liert zu be­trach­ten, son­dern ge­bie­tet es, sie an­hand des wirk­li­chen Wil­lens ih­res Norm­ge­bers und des von ihm ver­folg­ten Zwecks na­ment­lich im Licht ih­rer Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on aus­zu­le­gen. Ei­ne ab­wei­chen­de Sprach­fas­sung kann des­halb nicht al­lein ge­gen­über al­len an­de­ren Sprach­fas­sun­gen den Aus­schlag ge­ben (EuG-Rechts­mit­tel­kam­mer, Ur­teil vom 8. No­vem­ber 2012 - T-268/11 P - ju­ris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Un­ein­heit­lich­keit in den ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hin­zu­wei­sen. Die Fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG wei­sen in eng­li­scher, fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung je­weils klei­ne Be­son­der­hei­ten auf, die bei der Aus­le­gung der Norm zu be­rück­sich­ti­gen sein könn­ten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lau­tet in eng­li­scher Fas­sung: "for the ap­pli­ca­ti­on of Ar­ti­cle 6 (ma­xi­mum weekly working time), a re­fe­rence pe­ri­od not ex­cee­ding four months", al­so um ei­nen Be­zugs­zeit­raum, der vier Mo­na­te nicht über­schrei­ten darf, wäh­rend es in fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung im Gleich­klang um ei­nen Be­zugs­zeit­raum von bis zu vier Mo­na­ten ("une pe­ri­ode de re­fe­rence ne de­pas­sant pas quat­re mois") geht. Wei­ter hei­ßt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in eng­li­scher Fas­sung "du­ra­ti­on of the working time", wäh­rend sich die fran­zö­si­sche und deut­sche Fas­sung des Norm­tex­tes je­weils mit den Wor­ten "la du­ree du temps de tra­vail" oder mit dem Wort "Ar­beits­zeit" be­gnügt. Die eng­li­sche Fas­sung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG dar­über hin­aus nur von Ta­rif­ver­trä­gen (collec­ti­ve agree­ments) und Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen bei­den Sei­ten der In­dus­trie (the two si­des of in­dus­try) wäh­rend im fran­zö­si­schen und deut­schen Text der Richt­li­nie an die­ser Stel­le von "con­ven­ti­ons collec­ti­ves"/"Ta­rif­ver­trä­gen" und "ac­cords con­clus ent­re par­ten­aires so­ci­aux"/"So­zi­al­part­nern" ge­spro­chen wird. In die­sem Zu­sam­men­hang ist auch zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Kom­mis­si­on in ih­rer ak­tu­el­len Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) aus­drück­lich dar­auf hin­weist, dass die Richt­li­nie we­der den Be­griff "Ta­rif­ver­trag" de­fi­niert noch nä­her er­läu­tert, was "Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern auf na­tio­na­ler und re­gio­na­ler Ebe­ne" sind, mit der Fol­ge, dass die­se Be­grif­fe durch na­tio­na­le Rechts­vor­schrif­ten und Ge­pflo­gen­hei­ten nä­her zu be­stim­men sei­en (ABl. EU Nr. C 165/49). Schlie­ß­lich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf­merk­sam zu ma­chen. Dort hei­ßt es in der eng­li­schen Fas­sung am En­de "un­less he has first ob­tai­ned the worker’s agree­ment to per­form such work”, wäh­rend es nach der fran­zö­si­schen und deut­schen Text­fas­sung aus­reicht, dass sich der Ar­beit­neh­mer be­reit er­klärt hat, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten.

37 All die­se sprach­li­chen Un­eben­hei­ten las­sen sich norm­sys­te­ma­tisch und te­leo­lo­gisch zwar un­ter Rück­füh­rung dar­auf ver­ein­heit­li­chen, dass der Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on in den Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie über die Min­dest­ru­he­zei­ten und die Höchst­ar­beits­zei­ten "be­son­ders wich­ti­ge Re­geln des So­zi­al­rechts der Ge­mein­schaft" sieht. Die­se Re­geln müs­sen je­dem Ar­beit­neh­mer als ein zum Schutz sei­ner Si­cher­heit und sei­ner Ge­sund­heit be­stimm­ter Min­dest­an­spruch zu­gu­te­kom­men (vgl. z.B. Eu­GH, Ur­tei­le vom 7. Sep­tem­ber 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Ok­to­ber 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Des­halb be­grenzt der Ge­richts­hof die den Mit­glied­staa­ten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mög­li­che Ab­wei­chungs­mög­lich­keit u.a. von der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit für Fäl­le, in de­nen die Ar­beits­zeit we­gen der be­son­de­ren Merk­ma­le der aus­ge­üb­ten Tä­tig­keit nicht ge­mes­sen und oder nicht im Vor­aus fest­ge­legt wird oder von den Ar­beit­neh­mern selbst fest­ge­legt wer­den kann, auf das zum Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer "un­be­dingt Er­for­der­li­che" (Eu­GH, Ur­teil vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31).

38 Dar­aus aber den für den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch er­for­der­li­chen wei­te­ren Schluss zu zie­hen, ein Mit­glied­staat ver­sto­ße hin­rei­chend qua­li­fi­ziert und da­mit of­fen­kun­dig ge­gen ei­ne uni­ons­recht­li­che Norm, wenn er ei­ne "Opt-out"-Ent­schei­dung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, oh­ne zu­gleich ei­nen Be­zugs­zeit­raum im Sin­ne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­zu­le­gen, ist dem Se­nat man­gels des er­for­der­li­chen Ma­ßes an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der als ver­letzt gel­ten­den Vor­schrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht mög­lich.

39 bb) Eben­so ver­hält es sich mit der wei­te­ren Fra­ge der Frei­wil­lig­keit der nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs (Eu­GH, Ur­teil vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 u.a., Pfeif­fer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) not­wen­dig in­di­vi­du­el­len Be­reit­schafts­er­klä­rung ei­nes Ar­beit­neh­mers. Hier geht es um den schrift­li­chen An­trag des Klä­gers vom 10. Ok­to­ber 2007, Zu­viel­ar­beit im Sin­ne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leis­ten zu dür­fen. Wäh­rend die Frei­wil­lig­keit und In­di­vi­dua­li­tät der Be­reit­schafts­er­klä­rung des Klä­gers un­zwei­fel­haft sind, stellt sich die Fra­ge der Ver­ein­bar­keit mit Uni­ons­recht im Hin­blick auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit die­ser Er­klä­rung oder die­ses An­trags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009. Der Richt­li­ni­en­text ent­hält kei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung über das "ob" und das "wie" ei­nes die Be­reit­schafts­er­klä­rung be­tref­fen­den Wi­der­rufs­rechts des Ar­beit­neh­mers. Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu Mög­lich­keit und Mo­da­li­tä­ten ei­nes Wi­der­rufs ist nicht er­sicht­lich. Der EFTA-Ge­richts­hof hat im Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - (ju­ris) nur ent­schie­den, dass der ge­ne­rel­le Wi­der­rufsau­schluss ei­ner ein­mal wirk­sam ge­ge­be­nen Be­reit­schafts­er­klä­rung im Ein­zel­fall ei­ne Ver­let­zung der Richt­li­nie be­grün­den kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 vor­ge­se­he­ne Wi­der­rufs­mög­lich­keit mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten zum Ab­lauf des Ka­len­der­jah­res den An­for­de­run­gen an die je­der­zei­ti­ge Frei­wil­lig­keit der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit ge­nügt, kann hier un­ent­schie­den blei­ben. Da­für könn­te die Tat­sa­che spre­chen, dass der Richt­li­ni­en­text für die Fra­ge des Wi­der­rufs und der Wi­der­rufs­frist ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit kei­ne aus­drück­li­chen Vor­ga­ben macht. Da­ge­gen lie­ße sich in­des norm­sys­te­ma­tisch und am Zweck des Ar­beits­zeit­schut­zes ori­en­tiert für ei­nen mög­li­chen Gleich­lauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ma­xi­ma­len Be­zugs­zeit­raums von vier Mo­na­ten und der Frist für den Wi­der­ruf ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit ar­gu­men­tie­ren (so et­wa Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tat­sa­che, dass der bun­des­deut­sche Ge­setz­ge­ber in Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Wi­der­rufs­frist für nicht be­am­te­te Ar­beit­neh­mer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fas­sung vom 24. De­zem­ber 2003 (BGBl. I S. 3002) ge­ne­rell auf sechs Mo­na­te oh­ne Be­gren­zung auf das Jah­res­en­de be­stimmt hat (vgl. da­zu nä­her Wank, in: Mül­ler-Glö­ge/Preis/Schmidt, Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könn­te ge­gen ei­ne ma­xi­mal 15 Mo­na­te lau­fen­de Wi­der­rufs­frist - Wi­der­ruf am 1. Ok­to­ber, Frist­ab­lauf am 31. De­zem­ber des Fol­ge­jah­res - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­ge­wandt wer­den. Dies zeigt: Auch die Fra­ge, ob die Vor­ga­ben des streit­ge­gen­ständ­li­chen bran­den­bur­gi­schen Lan­des­rechts zur Ar­beits­zeit für Feu­er­wehr­be­am­te in der Zeit zwi­schen 2007 (In­kraft­tre­ten von § 4 AZV Feu 2007 im Au­gust 2007) und 2014 (In­kraft­tre­ten von § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2014 im Au­gust 2014) den An­for­de­run­gen der Frei­wil­lig­keit für die Dau­er der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­nü­gen, lässt sich auf­grund ei­ner Nor­m­aus­le­gung nach Wort­laut, Sys­te­ma­tik und Zweck nicht hin­rei­chend ein­deu­tig und klar be­ant­wor­ten.

41 cc) Die Text­ana­ly­se schlie­ßt es nach al­le­dem aus, hin­sicht­lich der Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fra­gen der Not­wen­dig­keit von Be­zugs­zeit­räu­men und den An­for­de­run­gen an die Frei­wil­lig­keit für den Wi­der­ruf von Ein­ver­ständ­nis­er­klä­run­gen zur Zu­viel­ar­beit hin­sicht­lich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 von ei­nem "hin­rei­chend qua­li­fi­zier­ten Ver­stoß" ge­gen das Uni­ons­recht im Sinn des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs aus­zu­ge­hen.

42 4. Un­ge­ach­tet der evi­dent un­zu­rei­chen­den Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Re­ge­lung der Ar­beits­zeit von kom­mu­na­len Feu­er­wehr­be­am­ten zu­stän­di­gen Lan­des­ge­setz­ge­ber ist die be­klag­te Stadt hier als Nor­m­an­wen­der auf­grund des An­wen­dungs­vor­rangs des Uni­ons­rechts ge­hal­ten ge­we­sen, die Vor­ga­ben der Richt­li­nie zu be­fol­gen und ent­ge­gen­ste­hen­des Lan­des­recht un­an­ge­wen­det zu las­sen. Die Be­klag­te hät­te er­ken­nen müs­sen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 klar und ein­deu­tig die Vor­ga­be ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ver­let­zen, weil es die­sen Rechts­ver­ord­nun­gen an ei­ner Vor­schrift fehlt, die ge­währ­leis­tet, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, Zu­viel­ar­beit zu leis­ten. Ein Trä­ger öf­fent­li­cher Ge­walt ist auch in sei­ner Ei­gen­schaft als öf­fent­li­cher Ar­beit­ge­ber zur An­wen­dung des Uni­ons­rechts ver­pflich­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Im­pact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Da­nach hat die Be­klag­te in ih­rer Ei­gen­schaft als Dienst­her­rin des Klä­gers durch Nicht­be­ach­tung des An­wen­dungs­vor­rangs der EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ge­gen das Uni­ons­recht ver­sto­ßen. Dass sie in­ner­staat­lich die Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des im Rah­men ih­rer Auf­ga­ben der mit­tel­ba­ren Staats­ver­wal­tung zu be­fol­gen hat­te, än­dert dar­an nichts.

43 5. Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit setzt - wie der na­tio­na­le dienst­recht­li­che Aus­gleichs­an­spruch - vor­aus, dass er vom Be­am­ten oder Sol­da­ten zu­vor zu­min­dest in Form ei­ner Rü­ge gel­tend ge­macht wor­den ist. Aus­zu­glei­chen ist die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit, die ab dem auf die erst­ma­li­ge schrift­li­che Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet wor­den ist (stRspr, BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Klä­ger erst im Ja­nu­ar 2012 den An­trag ge­stellt hat, ste­hen ihm An­sprü­che erst ab Fe­bru­ar 2012 zu.

44 a) Be­sol­dungs­an­sprü­che von Be­am­ten und Sol­da­ten er­ge­ben sich un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), ei­nes An­tra­ges oder ei­ner Rü­ge be­darf es da­her nicht. Ent­spre­chen­des gilt für Ver­sor­gungs­be­zü­ge (z.B. § 3 Abs. 1 Be­amtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechts­grund der Ali­men­tie­rung von Ru­he­stands­be­am­ten ist zwar der Ver­sor­gungs­fest­set­zungs­be­scheid, auch die­ser er­geht in­des von Amts we­gen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 Be­amtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und be­darf da­her we­der ei­nes An­trags noch ei­ner Hin­weis­pflicht (BVer­wG, Ur­teil vom 25. Ok­to­ber 2012 - 2 C 59.11 - BVer­w­GE 145, 14 Rn. 34).

45 An­sprü­che, de­ren Fest­set­zung und Zah­lung sich nicht un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz er­ge­ben, be­dür­fen da­ge­gen ei­ner vor­he­ri­gen Gel­tend­ma­chung (BVerfG, Be­schluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerf­GE 81, 363 <384 f.>; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - ju­ris Rn. 16). Denn hier ist ei­ne vor­gän­gi­ge be­hörd­li­che Ent­schei­dung über Grund und Hö­he der be­gehr­ten Zah­lung er­for­der­lich.

46 Für An­sprü­che we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit gilt dies in be­son­de­rer Wei­se. Die­se sind nicht pri­mär auf die Zah­lung ei­nes fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs ge­rich­tet, son­dern auf die Be­sei­ti­gung des rechts­wid­ri­gen Zu­stands. Durch den Hin­weis des Be­am­ten oder Sol­da­ten ist da­her zu­nächst ei­ne Prü­fung sei­nes Dienst­herrn ver­an­lasst, ob ei­ne Än­de­rung der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung er­for­der­lich ist und ob ei­ne rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit - et­wa durch An­pas­sung der ma­ß­geb­li­chen Dienst­plä­ne - ver­mie­den oder durch die Ge­wäh­rung von Frei­zeit­aus­gleich kom­pen­siert wer­den kann. Oh­ne ent­spre­chen­de Rü­ge muss der Dienst­herr nicht da­von aus­ge­hen, je­der Be­am­te wer­de die Über­schrei­tung der ak­tu­el­len Ar­beits­zeit­re­ge­lung be­an­stan­den. Auch hin­sicht­lich der mög­li­chen fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs­pflicht hat der Dienst­herr ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an, nicht nach­träg­lich mit un­vor­her­seh­ba­ren Zah­lungs­be­geh­ren kon­fron­tiert zu wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 21. Sep­tem­ber 2006 - 2 C 7.06 - Buch­holz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Be­am­te wird durch das Er­for­der­nis der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn auch nicht un­zu­mut­bar be­las­tet. Denn an die Rü­ge des Be­rech­tig­ten sind kei­ne zu ho­hen An­for­de­run­gen zu stel­len. Es reicht aus, wenn sich aus der Äu­ße­rung er­gibt, dass der Be­am­te oder Sol­dat die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt hält. We­der ist ein An­trag im rechts­tech­ni­schen Sin­ne er­for­der­lich noch muss Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich, be­an­tragt oder der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich kon­kret be­rech­net wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buch­holz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die An­wen­dung des Grund­sat­zes der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung auch auf den nicht nor­ma­tiv ge­re­gel­ten uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch ist mit Uni­ons­recht ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­teil vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Vor­aus­set­zung für die Ver­ein­bar­keit des ge­nann­ten Grund­sat­zes mit Uni­ons­recht ist, dass den An­for­de­run­gen des Äqui­va­lenz- und des Ef­fek­ti­vi­täts­grund­sat­zes Rech­nung ge­tra­gen ist (Eu­GH, Ur­tei­le vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C-20/13, Un­land - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den na­tio­na­len Ge­rich­ten ob­lie­gen­de Prü­fung er­gibt, dass die Vor­aus­set­zun­gen der bei­den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben in Be­zug auf das Ge­bot der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung er­füllt sind. Dem Ge­bot, dass die Mo­da­li­tä­ten zur Durch­set­zung des uni­ons­recht­li­chen An­spruchs nicht un­güns­ti­ger sein dür­fen als die­je­ni­gen, die gleich­ar­ti­ge Sach­ver­hal­te in­ner­staat­li­cher Art re­geln (Äqui­va­lenz­grund­satz), ist Rech­nung ge­tra­gen. Auch der - ne­ben dem uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch be­stehen­de, rich­ter­recht­lich ent­wi­ckel­te - Aus­gleichs­an­spruch aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ist nur ge­ge­ben, wenn der Be­rech­tig­te die­sen ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn gel­tend macht (BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz ver­langt, dass die Aus­übung der durch das Uni­ons­recht ver­lie­he­nen Rech­te nicht prak­tisch un­mög­lich ge­macht oder über­mä­ßig er­schwert wird. Die Fest­set­zung an­ge­mes­se­ner Aus­schluss­fris­ten für die Rechts­ver­fol­gung ist im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit, die zu­gleich den Be­rech­tig­ten und die Be­hör­de schützt, mit die­sen Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2011 - C-262/09, Meili­cke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C- 20/13, Un­land - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zu­dem sind, wie dar­ge­legt, die An­for­de­run­gen an die schrift­li­che Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­ring. Denn der Be­rech­tig­te muss ge­gen­über dem Dienst­herrn le­dig­lich schrift­lich zum Aus­druck brin­gen, er hal­te die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt.

50 6. Der pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­te­te An­spruch des Klä­gers wan­delt sich in­fol­ge Ab­laufs des mög­li­chen Aus­gleichs­zeit­raums in ei­nen An­spruch auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich, der we­der ver­fal­len noch aus an­de­ren Grün­den aus­ge­schlos­sen ist.

51 Der Haf­tungs­an­spruch we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­tet. Zweck der Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum, den Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer zu ge­währ­leis­ten, ist nicht durch ei­ne Geld­zah­lung, son­dern durch die Frei­stel­lung von der Pflicht zur Dienst­leis­tung zu er­rei­chen.

52 Schei­det aber die Ge­wäh­rung von Frei­zeit zum Aus­gleich der uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit aus vom Be­rech­tig­ten nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus, so ge­bie­tet es der uni­ons­recht­li­che Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz, dass die ent­stan­de­nen An­sprü­che nicht un­ter­ge­hen, son­dern sich in sol­che auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich um­wan­deln (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Da­nach sind hier fi­nan­zi­el­le Aus­gleichs­an­sprü­che des Klä­gers nicht aus­ge­schlos­sen, weil die über die Jah­re hin­weg an­ge­spann­te Per­so­nal­si­tua­ti­on bei der Be­rufs­feu­er­wehr der Be­klag­ten, in der der Klä­ger Dienst zu leis­ten hat­te, eben­so wie der zwi­schen­zeit­li­che Zeit­ab­lauf der Ge­wäh­rung von Frei­zeit zur Ab­gel­tung der ent­stan­de­nen An­sprü­che ent­ge­gen­stan­den.

53 7. Ob der Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig zu viel ge­ar­bei­tet hat, be­stimmt sich hier nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum im Sin­ne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Eben­so wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wen­det sich auch Art. 16 die­ser Richt­li­nie ("Die Mit­glied­staa­ten kön­nen ... vor­se­hen") an den Mit­glied­staat. Die­ser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG ab­wei­chen­den Fest­le­gung des Be­zugs­zeit­raums ("bis zu vier Mo­na­ten") be­rech­tigt, aber nicht ver­pflich­tet. Ob und in­wie­weit der Mit­glied­staat die­se Er­mäch­ti­gung zu der für den Ar­beit­neh­mer un­güns­ti­gen Aus­deh­nung des Be­zugs­zeit­raums auf bis zu vier Mo­na­ten aus­nutzt, ist Sa­che der je­weils zu­stän­di­gen ge­setz­ge­ben­den Or­ga­ne des Mit­glied­staa­tes, weil nur sie die zur Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie er­for­der­li­chen Rechts­no­men er­las­sen kön­nen. Die Aus­übung der Er­mäch­ti­gung ist je­den­falls nicht den das Recht an­wen­den­den na­tio­na­len Ge­rich­ten in dem Sin­ne über­ant­wor­tet, dass die­se den Be­zugs­zeit­raum nach dem As­pekt der "Sach­ge­rech­tig­keit" fest­le­gen kön­nen. Um die ihm ein­ge­räum­te Be­fug­nis in An­spruch zu neh­men, muss der Mit­glied­staat auch die Ent­schei­dung tref­fen, sich auf die­se Er­mäch­ti­gung zu be­ru­fen. Im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit muss die­se Ent­schei­dung des Mit­glied­staa­tes be­stimmt und klar sein (Eu­GH, Ur­teil vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVer­wG, Ur­teil vom 15. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeit­raum bis zum 1. Au­gust 2014 und da­mit in der hier zwi­schen den Be­tei­lig­ten noch strei­ti­gen Zeit zwi­schen 2009 und 2013 hat­te das Land den Be­zugs­zeit­raum für die vom Klä­ger frei­wil­lig er­brach­te uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 auf ein Jahr - an­statt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­sig er­öff­net - auf bis zu ma­xi­mal vier Mo­na­ten er­streckt.

56 Auch die sons­ti­gen Be­stim­mun­gen der RL 2003/88/EG, die zu ei­ner Ver­län­ge­rung des Be­zugs­zeit­raums füh­ren kön­nen - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Mo­na­te bei Fest­le­gun­gen in Ta­rif­ver­trä­gen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen So­zi­al­part­nern -, grei­fen nicht zu Guns­ten der Be­klag­ten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG set­zen je­weils vor­aus, dass der Mit­glied­staat Re­ge­lun­gen im Sin­ne von Art. 16 RL 2003/88/EG er­las­sen hat, die den An­for­de­run­gen an die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie in na­tio­na­les Recht im Sin­ne von Art. 288 Abs. 3 AEUV ge­nü­gen. Dar­an fehlt es aber eben­so wie an der Aus­nut­zung der ge­nann­ten Be­fug­nis­se ("sind ... zu­läs­sig" und "kann ab­ge­wi­chen wer­den") durch den Er­lass ei­ner für die Um­set­zung er­for­der­li­chen Rechts­norm des in­ner­staat­li­chen Norm­ge­bers.

57 8. Die Be­rech­nung der vom Klä­ger für die Zeit ab dem Fol­ge­mo­nat der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung - hier: Gel­tend­ma­chung im Ja­nu­ar 2012 - der im Ein­zel­nen er­brach­ten uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit ist kon­kret und nicht - wie vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt an­ge­nom­men - pau­schal zu er­mit­teln. Die kon­kre­te Er­mitt­lung der vom Klä­ger für den Zeit­raum vom 1. Fe­bru­ar 2012 bis zum 16. Ok­to­ber 2013 tat­säch­lich ge­leis­te­ten Zu­viel­ar­beit ist die wei­te­re Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens. Da­bei folgt schon aus dem Uni­ons­recht ge­mäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Zei­ten des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs so­wie die Krank­heits­zei­ten bei der Be­rech­nung des Durch­schnitts der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit un­be­rück­sich­tigt blei­ben oder neu­tral sind. Die­se Vor­ga­be des Uni­ons­rechts ver­langt, dass un­ge­ach­tet der Fra­ge der Um­set­zung in in­ner­staat­li­ches Recht durch ei­ne Rechts­norm die be­tref­fen­den Ta­ge bei der Be­rech­nung mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen sind.

58 Die Ar­beits­zeitricht­li­nie nimmt zwar le­dig­lich auf den uni­ons­recht­lich ge­währ­leis­te­ten Min­dest­ur­laub von vier Wo­chen Be­zug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der dar­über hin­aus­ge­hen­de, im na­tio­na­len Recht be­grün­de­te Mehr­ur­laub ist in­des mit der Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mit­glied­staa­ten un­be­rührt, für die Si­cher­heit und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten an­zu­wen­den oder zu er­las­sen. Dies um­fasst auch die Ein­räu­mung ei­nes über den uni­ons­recht­li­chen Min­dest­ur­laub hin­aus­ge­hen­den Ur­laubs­an­spruchs. Da der Klä­ger am Ur­laubs­tag von der Pflicht zur Dienst­leis­tung be­freit ist und auch der Mehr­ur­laub der Er­ho­lung des Klä­gers dient, kön­nen die­se Ta­ge nicht als Aus­gleich für ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum her­an­ge­zo­gen wer­den (vgl. eben­so schon BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Fei­er­ta­ge, die auf Wo­chen­ta­ge fal­len, sind mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit ein­zu­be­zie­hen und da­mit grund­sätz­lich zu neu­tra­li­sie­ren. So­weit der Klä­ger an die­sen Ta­gen nicht zur Dienst­leis­tung ver­pflich­tet war, kön­nen sol­che Ta­ge nicht zum Aus­gleich ei­ner et­wai­gen Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit her­an­ge­zo­gen wer­den. Dem­ge­gen­über sind Zei­ten, in de­nen dem Klä­ger auf Grund­la­ge des Dienst­zeit­aus­gleichser­las­ses ein zeit­li­cher Aus­gleich ge­währt wur­de, kei­ne Ar­beits­zeit im Sin­ne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Ar­beits­zeit zäh­len uni­ons­recht­lich sämt­li­che Zei­ten, die vom be­tref­fen­den Feu­er­wehr­be­am­ten im Rah­men von Ar­beits­be­reit­schaft und Be­reit­schafts­dienst in Form per­sön­li­cher An­we­sen­heit in der Dienst­stel­le ab­ge­leis­tet wor­den sind, un­ab­hän­gig da­von, wel­che Ar­beits­leis­tung er wäh­rend die­ses Diens­tes tat­säch­lich er­bracht hat (Eu­GH, Ur­teil vom 3. Ok­to­ber 2000 - C-303/98, Si­map - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Des­halb wird auch die ge­naue Be­stim­mung der Zahl der aus­zu­glei­chen­den Stun­den Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens sein. Nach dem uni­ons­recht­li­chen Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz muss da­nach vor­lie­gend je­de Stun­de, die der Klä­ger in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­rau­mes über 48 Stun­den hin­aus ge­ar­bei­tet hat, aus­ge­gli­chen wer­den, weil die Vor­aus­set­zun­gen für das von der Be­klag­ten gel­tend ge­mach­te "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie ge­zeigt - nicht vor­la­gen. Auch dies spricht nur für ei­nen Aus­gleich von tat­säch­lich und kon­kret er­brach­ter Zu­viel­ar­beit.

61 Der Geld­aus­gleich für die vom Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit ori­en­tiert sich an den je­weils gel­ten­den Stun­den­sät­zen der Ver­ord­nung über die Ge­wäh­rung von Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te in der Fas­sung der Be­kannt­ma­chung vom 3. De­zem­ber 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deut­lich, dass es um die kon­kret stun­den­be­zo­ge­ne Ab­rech­nung der Zu­viel­ar­beit geht und nicht um de­ren pau­scha­le Zu­grun­de­le­gung. Zwar un­ter­schei­den sich recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit und uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit tat­be­stand­lich. Recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit be­darf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der An­ord­nung oder Ge­neh­mi­gung, die nur ver­fügt oder er­teilt wer­den darf, wenn zwin­gen­de dienst­li­che Ver­hält­nis­se dies er­for­dern und sich die Mehr­ar­beit auf Aus­nah­me­fäl­le be­schränkt. Des Wei­te­ren darf an­ge­ord­ne­te oder ge­neh­mig­te Mehr­ar­beit die uni­ons­recht­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den im Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - au­ßer­halb der vom Uni­ons­recht vor­ge­se­he­nen Ver­fah­ren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht über­schrei­ten (BVer­wG, Ur­teil vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 14). Nur un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen liegt Mehr­ar­beit im dienst­recht­li­chen Sinn vor, die zeit­aus­gleichs- oder ver­gü­tungs­fä­hig ist. Da­ge­gen han­delt es sich bei rechts­wid­rig ge­leis­te­ter Zu­viel­ar­beit im öf­fent­li­chen Dienst­recht um die Dienst­zeit, die der Be­am­te über die uni­ons­recht­lich nach Ma­ß­ga­be der Ar­beits­zeitricht­li­nie und ih­rer Aus­nah­me­be­stim­mun­gen höchs­tens zu­läs­si­ge wö­chent­li­che Ar­beits­zeit hin­aus er­bringt. Sie ist ihm stets voll aus­zu­glei­chen, pri­mär durch Frei­zeit­aus­gleich, so­fern dies nicht mehr mög­lich ist, se­kun­där durch Geld­aus­gleich. Den­noch geht es in bei­den Fäl­len um den Aus­gleich für ei­ne über­ob­li­ga­ti­ons­mä­ßi­ge Her­an­zie­hung des Be­am­ten (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), so­dass für den Geld­aus­gleich auch in Fäl­len uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit in der Rechts­fol­ge die Stun­den­sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tungs­ver­ord­nung her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen.

62 Auf die Vor­schrif­ten über die Be­sol­dung kann hin­ge­gen nicht zu­rück­ge­grif­fen wer­den (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 39). Denn die Be­sol­dung ist kein Ent­gelt im Sin­ne ei­ner Ent­loh­nung für kon­kre­te Diens­te (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerf­GE 44, 249 <264>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>), son­dern die Ge­gen­leis­tung des Dienst­herrn da­für, dass sich der Be­am­te mit vol­lem per­sön­li­chen Ein­satz der Er­fül­lung sei­ner Dienst­pflich­ten wid­met (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerf­GE 21, 329 <345>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Ent­loh­nung von Ar­beits­stun­den, son­dern auf die Si­cher­stel­lung ei­ner amts­an­ge­mes­se­nen Le­bens­füh­rung ge­rich­tet.

63 9. Nach al­le­dem hat für den Se­nat kei­ne Ver­an­las­sung be­stan­den, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen, um ei­ne Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Uni­on nach Art. 267 AEUV ein­zu­ho­len. Dem Klä­ger steht für den Zeit­raum vom 1. Fe­bru­ar 2012 bis zum 16. Ok­to­ber 2013 stun­den­be­zo­ge­ner Geld­aus­gleich zu, für den die Be­klag­te nach Ma­ß­ga­be der Grund­sät­ze des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ein­zu­tre­ten hat, weil sie bei der vom Klä­ger kon­kret er­brach­ten Zu­viel­ar­beit den An­wen­dungs­vor­rang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 of­fen­kun­dig ver­letz­ten Nach­teils­ver­bots ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht be­ach­tet hat. Auf wei­te­re Fra­gen des Uni­ons­rechts hat es des­halb nicht mehr ent­schei­dungs­er­heb­lich an­kom­men kön­nen.

Ur­teil vom 20.07.2017 -
BVer­wG 2 C 42.16ECLI:DE:BVer­wG:2017:200717U2C42.16.0

Ur­teil

BVer­wG 2 C 42.16

  • VG Pots­dam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1357/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 24.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 20. Ju­li 2017
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung, Dr. Kennt­ner, Dol­lin­ger und Dr. Gün­ther
für Recht er­kannt:

  1. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen, so­weit mit ihr ein Geld­aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2008 bis 31. De­zem­ber 2010 gel­tend ge­macht wird. Die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 1. Ju­li 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 11. Sep­tem­ber 2013 wer­den auf­ge­ho­ben, so­weit sie dem ent­ge­gen­ste­hen.
  2. Im Üb­ri­gen (hin­sicht­lich des Zeit­raums vom 1. Ja­nu­ar 2011 bis 31. De­zem­ber 2012) wird das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg auf­ge­ho­ben. In­so­weit wird die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.

Grün­de

I

1 Der Klä­ger, der im streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum bei der be­klag­ten Stadt als Feu­er­wehr­be­am­ter im 24-Stun­den-Schicht­dienst tä­tig war, be­gehrt fi­nan­zi­el­len Aus­gleich für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit.

2 Der von dem Klä­ger im Sep­tem­ber 2007 be­an­trag­ten Er­hö­hung sei­ner durch­schnitt­li­chen wö­chent­li­chen Ar­beits­zeit auf bis zu 56 Stun­den ent­sprach die Be­klag­te durch Be­schei­de vom 25. Sep­tem­ber 2007 und 18. De­zem­ber 2007. Den an sie im De­zem­ber 2010 ge­rich­te­ten An­trag des Klä­gers auf Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se auf Geld­aus­gleich für die von ihm seit dem Jahr 2004 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus ver­rich­te­ten Dienst­zei­ten, lehn­te die Be­klag­te ab. Das Vor­ver­fah­ren blieb er­folg­los.

3 Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­klag­te un­ter Ab­leh­nung des An­trags im Üb­ri­gen ver­pflich­tet, dem Klä­ger für die im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2008 bis zum 31. De­zem­ber 2012 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus­ge­hend ge­leis­te­te und noch nicht als Mehr­ar­beit ver­gü­te­te Ar­beit Geld­aus­gleich nach dem je­weils gel­ten­den Stun­den­satz für die Mehr­ar­beits­ver­gü­tung zu ge­wäh­ren. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­ru­fung mit der Ma­ß­ga­be zu­rück­ge­wie­sen, dass es die Be­klag­te ver­ur­teilt hat, an den Klä­ger für den ge­nann­ten Zeit­raum 22 998,60 € nebst Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins ab Rechts­hän­gig­keit zu zah­len. Zur Be­grün­dung hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt im We­sent­li­chen aus­ge­führt, dem Klä­ger ste­he der zu­ge­spro­che­ne Geld­aus­gleich in­fol­ge des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs we­gen Ver­let­zung der Ar­beits­zeitricht­li­nie zu. Ei­ne frei­wil­li­ge Zu­viel­ar­beit bei Über­schrei­tung der uni­ons­recht­lich höchst­zu­läs­si­gen Be­zugs­zeit­räu­me sei auch auf­grund von Aus­nah­me­vor­schrif­ten nicht vor­ge­se­hen.

4 Hier­ge­gen wen­det sich die vom Se­nat zu­ge­las­se­ne Re­vi­si­on der Be­klag­ten, mit der sie be­an­tragt,
die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 1. Ju­li 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 11. Sep­tem­ber 2013 auf­zu­he­ben und die Kla­ge in vol­lem Um­fang ab­zu­wei­sen.

5 Der Klä­ger be­an­tragt,
die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen.

6 Der Ver­tre­ter des Bun­des­in­ter­es­ses beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt un­ter­stützt die Re­vi­si­on der Be­klag­ten.

II

7 Die Re­vi­si­on ist teil­wei­se be­grün­det. Das Be­ru­fungs­ur­teil ist auf­zu­he­ben. So­weit die Sa­che nicht vom Se­nat selbst ent­schie­den wer­den kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO), ist sie an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO). Die An­nah­men des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit set­ze kei­ne erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung durch den Be­trof­fe­nen vor­aus und ver­lan­ge nicht den Nach­weis der über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den hin­aus kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den, ver­let­zen re­vi­si­bles Recht. Des­halb ist die Kla­ge ab­zu­wei­sen, so­weit mit ihr fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2008 bis 31. De­zem­ber 2010 gel­tend ge­macht wird. Ob sich das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für den ver­blei­ben­den streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2011 bis zum 31. De­zem­ber 2012 aus an­de­ren Grün­den im Er­geb­nis ganz oder teil­wei­se als rich­tig dar­stellt (§ 144 Abs. 4 Vw­GO), kann der Se­nat man­gels hier­für aus­rei­chen­der tat­säch­li­cher Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts nicht ent­schei­den.

8 In dem Zeit­raum ab 2008 lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die Be­klag­te, die das vom Land Bran­den­burg er­las­se­ne Recht le­dig­lich an­wen­det, dem Grun­de nach vor (1.). Uni­ons­recht kann in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land durch Rechts­ver­ord­nun­gen um­ge­setzt wer­den (2.). § 4 Abs. 3 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit der Be­am­ten des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in den Feu­er­weh­ren und den Leit­stel­len der Land­krei­se im Land Bran­den­burg vom 3. Au­gust 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit für die Be­am­ten des Po­li­zei­voll­zugs­diens­tes, des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes und des Jus­tiz­voll­zugs­diens­tes des Lan­des Bran­den­burg vom 16. Sep­tem­ber 2009 (Bb­gAZV­PFJ, GVBl. II S. 686) set­zen Art. 22 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um. Sie ver­let­zen of­fen­kun­dig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Ver­bot, wo­nach kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten (3.). Die An­wen­dung die­ses mit Uni­ons­recht un­ver­ein­ba­ren Lan­des­rechts ist der be­klag­ten Stadt als Dienst­her­rin der Feu­er­wehr­be­am­ten an­zu­las­ten. Durch die An­wen­dung des den Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts nicht ge­nü­gen­den in­ner­staat­li­chen Rechts ist der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch auch ge­gen­über der Kom­mu­ne als Dienst­her­rin be­grün­det (4.). Der Dienst­herr muss aber le­dig­lich die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit aus­glei­chen, die der Be­rech­tig­te ab dem auf die erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet hat. Dies ist im Fall des Klä­gers erst für die Zeit ab Ja­nu­ar 2011 der Fall (5.). Der noch nicht ver­fal­le­ne Aus­gleichs­an­spruch ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit aus­ge­rich­tet. Da die­se Form des Aus­gleichs aus vom Klä­ger nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus­schei­det, wan­delt sich der Aus­gleichs­an­spruch in ei­nen sol­chen auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich (6.). Ob und ggf. in­wie­weit der Klä­ger Zu­viel­ar­beit ge­leis­tet hat, be­stimmt sich man­gels ei­ner an­der­wei­ti­gen Re­ge­lung durch den na­tio­na­len Norm­ge­ber nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (7.). Für den Geld­aus­gleich sind die Sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te ma­ß­geb­lich. Der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich er­folgt da­nach nicht pau­schal nach der Dif­fe­renz zwi­schen der Höchst­ar­beits­zeit und der ge­neh­mig­ten Zu­viel­ar­beit. Er rich­tet sich viel­mehr nach den vom Be­am­ten kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den (8.). Die Ein­ho­lung ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on im Ver­fah­ren nach Art. 267 AEUV ist nicht ver­an­lasst (9.).

9 1. Die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die be­klag­te Stadt, die nicht für die Um­set­zung der Vor­ga­ben der Richt­li­nie durch den Er­lass von Rechts­nor­men zu­stän­dig ist, sind im Zeit­raum ab dem Jahr 2009 dem Grun­de nach ge­ge­ben. Denn die Be­klag­te hat die zur Um­set­zung von Art. 22 RL 2003/88/EG er­las­se­nen Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg an­ge­wen­det, ob­wohl für sie er­kenn­bar war, dass die­se Um­set­zung im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot un­zu­rei­chend ge­we­sen ist.

10 Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch setzt nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) vor­aus, dass die uni­ons­recht­li­che Norm, ge­gen die ver­sto­ßen wor­den ist, die Ver­lei­hung von Rech­ten an die Ge­schä­dig­ten be­zweckt (a), zwi­schen die­sem Ver­stoß und dem den Ge­schä­dig­ten ent­stan­de­nen Scha­den ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang be­steht (b) und der Ver­stoß ge­gen die­se Norm hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG tref­fen die Mit­glied­staa­ten die er­for­der­li­chen Maß­nah­men, da­mit nach Ma­ß­ga­be der Er­for­der­nis­se der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer die durch­schnitt­li­che Ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum 48 Stun­den ein­schlie­ß­lich der Über­stun­den nicht über­schrei­tet. Die­se Vor­schrift ver­leiht dem Ein­zel­nen Rech­te, die die­ser nach Ab­lauf der Frist zur Um­set­zung der wort­glei­chen Vor­gän­ger­be­stim­mung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Ar­beits­zeit­recht der Be­klag­ten un­mit­tel­bar vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend ma­chen kann (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ro­päi­schen Uni­on, der ge­mäß Art. 6 Abs. 1 EUV der glei­che Rang wie den Ver­trä­gen zu­er­kannt ist (stRspr, zu­letzt Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2016 - C-178/15, Sob­c­zys­zyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. No­vem­ber 2015 - C-219/14, Green­field - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Ar­beit­neh­mer kei­ne wei­ter­ge­hen­den Schutz­rech­te her­lei­ten (zum ein­heit­li­chen Ar­beit­neh­mer­be­griff von Richt­li­nie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: Eu­GH, Ur­teil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fe­noll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wo­nach je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer u.a. das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit hat, ge­währ­leis­tet auf­grund der Un­be­stimmt­heit sei­nes Wort­lauts kei­ne wei­ter­ge­hen­den In­di­vi­du­al­rech­te.

12 Ge­mäß der Aus­nah­me­vor­schrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mit­glied­staa­ten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zu­läs­si­ge Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum nor­miert wird, un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen nicht an­zu­wen­den. Ein sol­ches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur mög­lich, wenn die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­ge­hal­ten wer­den und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für ge­sorgt wird, dass kein Ar­beit­ge­ber von dem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn, der Ar­beit­neh­mer ist frei­wil­lig da­zu be­reit, und dass ihm im Wei­ge­rungs­fall kei­ne Nach­tei­le ent­ste­hen.

13 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur der­zei­ti­gen Ar­beits­schutz­richt­li­nie RL 2003/88/EG, eben­so wie zu der Vor­gän­ger­richt­li­nie RL 1993/104/EG, sind ab­wei­chen­de Be­stim­mun­gen als Aus­nah­men von der Ge­mein­schafts­re­ge­lung über die Ar­beits­zeit­ge­stal­tung - wie hier Art. 22 der Richt­li­nie - so aus­zu­le­gen, dass ihr An­wen­dungs­be­reich auf das zur Wah­rung der In­ter­es­sen, de­ren Schutz sie er­mög­li­chen, un­be­dingt Er­for­der­li­che be­grenzt wird (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 2003 - C-151/02, Jae­ger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31; eben­so Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vor­ga­ben in den Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar for­mell wirk­sam (sie­he un­ten 2.), aber in­halt­lich in­fol­ge Nicht­be­ach­tung des Nach­teils­ver­bots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um­ge­setzt (sie­he un­ten 3.). Dies ver­letzt den Klä­ger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Rech­ten. Die be­klag­te Stadt hat die­se im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot uni­ons­rechts­wid­ri­gen Vor­schrif­ten an­ge­wandt und da­mit ih­rer­seits den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch des Klä­gers aus­ge­löst (sie­he un­ten 4.).

15 b) Zwi­schen dem Ver­stoß ge­gen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Scha­den, der dem Klä­ger durch die uni­ons­rechts­wid­rig er­brach­te Zu­viel­ar­beit ent­stan­den ist, be­steht auch ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang. Un­er­heb­lich ist, dass die­se Zu­viel­ar­beit des Klä­gers und der da­mit ver­bun­de­ne Ver­lust an Frei­zeit und Er­ho­lungs­zeit nach na­tio­na­lem Recht kei­nen Scha­den im Sin­ne des zi­vil­recht­li­chen Scha­dens­er­satz­rechts dar­stel­len. Ma­ß­geb­lich ist in­so­weit al­lein auf das Uni­ons­recht ab­zu­stel­len, das hier­in ei­nen Scha­den sieht (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 so­wie Te­nor 1 und 4; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Dar­über hin­aus ist der Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht auch hin­rei­chend qua­li­fi­ziert, um den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch zu be­grün­den. Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ist das der Fall, wenn der Mit­glied­staat die Gren­zen, die sei­nem Er­mes­sen ge­setzt sind, of­fen­kun­dig und er­heb­lich über­schrit­ten hat, wo­bei zu den in­so­weit zu be­rück­sich­ti­gen­den Ge­sichts­punk­ten ins­be­son­de­re das Maß an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der ver­letz­ten Vor­schrift so­wie der Um­fang des Er­mes­sens­spiel­raums ge­hö­ren, den die ver­letz­te Vor­schrift den na­tio­na­len Be­hör­den be­lässt (Eu­GH, Ur­tei­le vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Bras­se­rie du pêcheur und Fac­tor­ta­me - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Ja­nu­ar 2007 - C-278/05, Ro­bins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 so­wie Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVer­wG, Ur­teil vom 30. Ok­to­ber 2014 - 2 C 3.13 - Buch­holz 245 Lan­des­BesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qua­li­fi­zier­ter Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht zu­las­ten des Klä­gers liegt im Hin­blick auf das von der Be­klag­ten zu be­ach­ten­de Nach­teils­ver­bot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (sie­he 3.a).

17 Für den Zeit­raum ab dem Jahr 2009 sind zu­gleich grund­sätz­lich die Vor­aus­set­zun­gen des dienst­recht­li­chen Aus­gleichs­an­spruchs aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ge­ge­ben (BVer­wG, Ur­tei­le vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buch­holz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26). Die bei­den An­sprü­che sind hin­sicht­lich der Ver­jäh­rung so­wie der Rechts­fol­gen gleich­ge­rich­tet (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. In­ner­staat­li­che Rechts­vor­schrif­ten, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - ei­ne Richt­li­nie der Eu­ro­päi­schen Uni­on in deut­sches Recht um­set­zen, sind am Maß­stab des Uni­ons­rechts zu mes­sen, so­weit die Richt­li­nie den Mit­glied­staa­ten kei­nen Um­set­zungs­spiel­raum lässt, son­dern zwin­gen­de Vor­ga­ben macht (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 22. Ok­to­ber 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerf­GE 73, 339 <387>, vom 7. Ju­ni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerf­GE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerf­GE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerf­GE 121, 1 <15>, vom 14. Ok­to­ber 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerf­GE 122, 1 <20> und vom 21. Sep­tem­ber 2016 - 2 BvL 1/15 - ju­ris Rn. 32). Den Mit­glied­staa­ten steht es un­ter den in Art. 22 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­si­gen Höchst­ar­beits­zeit für Ar­beit­neh­mer ab­zu­wei­chen. Da­für müs­sen sie Rechts­nor­men er­las­sen (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richt­li­nie ga­ran­tier­ten all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ge­währ­leis­ten und die dar­über hin­aus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Kri­te­ri­en ge­nü­gen. Für die Trans­for­ma­ti­on von Uni­ons­recht in in­ner­staat­li­ches Recht kom­men so­wohl for­mel­le Ge­set­ze als auch Rechts­ver­ord­nun­gen in Be­tracht (vgl. nur Ruf­fert, in: Cal­liess/Ruf­fert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schro­eder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 je­weils m.w.N.). Da­mit rich­tet sich die Uni­ons­rechts­kon­for­mi­tät der frag­li­chen Rechts­ver­ord­nun­gen in­so­weit al­lein da­nach, ob die­se nach in­ner­staat­li­chem Recht ei­ne hin­rei­chen­de Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge ha­ben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - eben­so wie sei­ne in­halts­glei­che Vor­gän­ger­norm in § 143 und § 134 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 8. Ok­to­ber 1999 (GVBl. I S. 446) - er­mäch­tigt die zu­stän­di­gen Mit­glie­der der Lan­des­re­gie­rung aus­drück­lich, die Ar­beits­zeit der Po­li­zei- und Jus­tiz­voll­zugs­be­am­ten so­wie die des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in ei­ner Rechts­ver­ord­nung zu re­geln. Da­mit ist so­wohl dem uni­ons­recht­li­chen Rechts­norm­vor­be­halt als auch dem in­ner­staat­li­chen Ge­set­zes­vor­be­halt Ge­nü­ge ge­tan.

19 3.  § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und sei­ne Nach­fol­ger­vor­schrift, der wort­lauti­den­tisch bis zum 31. Ju­li 2014 gel­ten­de § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009, be­stim­men, dass auf An­trag des Be­am­ten über den Rah­men von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus Schicht­dienst bis zu 56 Stun­den un­ter Be­ach­tung der all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes als durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Ar­beits­zeit be­wil­ligt wer­den kann. Die Be­wil­li­gung kann aus dienst­li­chen Grün­den zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jahrs mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen wer­den. Der Be­am­te ist auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit schrift­lich hin­zu­wei­sen. Er kann sei­nen An­trag zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jah­res mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen.

20 a) So­wohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 set­zen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hin­rei­chend um. Da­nach hat ein Mit­glied­staat, der von die­ser Aus­nah­me­vor­schrift Ge­brauch ma­chen möch­te, mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für zu sor­gen, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, ei­ner über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hin­aus­ge­hen­den Ar­beit nach­zu­ge­hen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" da­mit un­ter den Vor­be­halt, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, aus den in der Ar­beits­zeitricht­li­nie fest­ge­leg­ten Ar­beits­zeit­höchst­gren­zen "aus­zu­tre­ten" oder "hin­aus­zu­op­tie­ren" (Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­ho­fes der Eu­ro­päi­schen Uni­on er­for­dert die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie nicht ei­ne förm­li­che und wört­li­che Über­nah­me ih­rer Be­stim­mun­gen in ei­ne aus­drück­li­che, be­son­de­re Rechts­vor­schrift. Ihr kann viel­mehr durch ei­nen all­ge­mei­nen recht­li­chen Kon­text Ge­nü­ge ge­tan wer­den, wenn die­ser tat­säch­lich die voll­stän­di­ge An­wen­dung der Richt­li­nie hin­rei­chend klar und be­stimmt ge­währ­leis­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on ist je­doch er­for­der­lich, dass die Rechts­la­ge hin­rei­chend be­stimmt, klar und trans­pa­rent ist und die Be­güns­tig­ten in die La­ge ver­setzt, von al­len ih­ren Rech­ten Kennt­nis zu er­lan­gen und die­se ggf. vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend zu ma­chen (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vor­ga­be, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nor­mier­te Nach­teils­ver­bot in in­ner­staat­li­ches Recht um­zu­set­zen, wer­den we­der § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ge­recht. In bei­den Vor­schrif­ten fehlt ein Hin­weis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Nach­teils­ver­bot. Da­durch wird des­sen prak­ti­sche Wirk­sam­keit ge­schwächt, weil der Ar­beit­neh­mer nicht hin­rei­chend klar er­ken­nen kann, dass er sich, nach der Er­klä­rung sei­ner­seits an der Höchst­ar­beits­zeit ge­mäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­hal­ten zu wol­len, et­wa ge­gen nach­tei­li­ge Dienst­plan­ge­stal­tun­gen mit Er­folg zur Wehr set­zen kann (Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nach­teils­ver­bot, das mit Blick auf den Schutz­cha­rak­ter der Ar­beits­zeitricht­li­nie we­sent­li­che Be­deu­tung hat, kommt auch nicht in sons­ti­gen im Be­reich des Lan­des Bran­den­burg gel­ten­den ver­öf­fent­lich­ten Rechts­vor­schrif­ten, wie ins­be­son­de­re den Be­am­ten­ge­set­zen, in die der in­so­weit be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer et­wa Ein­sicht neh­men könn­te, mit hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit, Klar­heit und Trans­pa­renz zum Aus­druck. Das gilt ins­be­son­de­re für die - le­dig­lich als Ge­ne­ral­klau­sel for­mu­lier­te - be­am­ten­recht­li­che Für­sor­ge­pflicht ge­mäß § 45 Be­amtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zu­dem wä­re, selbst wenn man un­ter­stellt, dass sol­che Rechts­vor­schrif­ten vor­han­den sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den bran­den­bur­gi­schen Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen hin­zu­wei­sen. Dar­an fehlt es eben­falls. An­de­ren­falls wä­re der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer, der ty­pi­scher­wei­se ge­ra­de über kei­ne ver­tief­ten ju­ris­ti­schen Kennt­nis­se ver­fügt, nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge, die er­for­der­li­che in­halt­li­che Ver­knüp­fung zwi­schen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den na­tio­na­len Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeit­ver­ord­nung und dem an an­de­rer Stel­le nor­mier­ten Nach­teils­ver­bot her­zu­stel­len. So wä­re et­wa der be­güns­tig­te (be­am­te­te) Ar­beit­neh­mer nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge zu er­ken­nen, dass sei­ne - aus dienst­li­chen Grün­den mög­li­che - Um­set­zung oder auch nur ei­ne ihm nach­tei­li­ge Dienst­plan­än­de­rung dem Nach­teils­ver­bot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG un­ter­fällt, wenn sie des­halb er­folgt, weil er nicht be­reit ist, über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit­gren­ze von 48 Stun­den hin­aus zu ar­bei­ten (sie­he so auch Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on, Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Des­halb grei­fen die Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen so­wohl des Bun­des und meh­re­rer an­de­rer Bun­des­län­der, die von der Öff­nungs­klau­sel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Ge­brauch ge­macht ha­ben, das Nach­teils­ver­bot ge­ra­de aus­drück­lich auf (vgl. et­wa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzV­BY vom 5. Ja­nu­ar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZ­VO vom 30. De­zem­ber 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZ­VO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZ­VOFeu NW vom 1. Sep­tem­ber 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 Säch­s­AZ­VO vom 28. Ja­nu­ar 2008, GVBl. S. 198). Her­vor­zu­he­ben ist, dass auch das Recht des Lan­des Bran­den­burg nun­mehr - mit Wir­kung ab dem 1. Au­gust 2014 - das Nach­teils­ver­bot in § 21 Abs. 4 Satz 2 Bb­gAZV­PFJ vom 10. Ju­li 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) aus­drück­lich nennt. Dar­an fehlt es - für den hier streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009.

26 b) Steht da­mit die un­voll­stän­di­ge Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­deu­tig und klar fest, kommt es auf die wei­te­re Fra­ge, ob die­se Be­stim­mun­gen der bei­den ge­nann­ten Rechts­ver­ord­nun­gen dar­über hin­aus auch den An­for­de­run­gen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG of­fen­kun­dig nicht ge­recht wer­den, vor­lie­gend nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich an. Der Se­nat hält die­se Fra­ge für of­fen.

27 aa) Maß­st­abs­bil­den­de Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur Fra­ge der Not­wen­dig­keit ei­nes Be­zugs­zeit­raums und zur Aus­le­gung des Be­griffs "im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vor­gän­ger­richt­li­nie gibt es für den Fall des "Opt-out" bis­lang nicht. Das gilt auch für das Ur­teil des Ge­richts­hofs vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Die­ses Ur­teil be­zieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vor­gän­ger­richt­li­nie 1993/104/EG, der al­ler­dings im We­sent­li­chen mit Art. 22 RL 2003/88/EG ver­gleich­bar ist. In die­sem Ur­teil führt der Ge­richts­hof aber nur aus, dass die In­an­spruch­nah­me der Mög­lich­keit, die Grund­satz­norm des Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, vor­aus­setzt, dass die Mit­glied­staa­ten die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hal­ten und be­stimm­te - in der Richt­li­nie ge­nann­te - ku­mu­la­ti­ve Vor­aus­set­zun­gen er­fül­len. Für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums folgt dar­aus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum" die Re­de ist.

28 Die in­ner­staat­li­che Recht­spre­chung zu die­ser Fra­ge ist un­ein­heit­lich (be­ja­hend: OVG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­tei­le vom 18. Ju­ni 2015 - OVG 6 B 19.15 - ju­ris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - ju­ris Rn. 25; ver­nei­nend: VG Mün­chen, Ur­teil vom 18. Ok­to­ber 2016 - M 5 K 14.5855 - ju­ris Rn. 32; VG Aa­chen, Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2016 - 1 K 2244/14 - ju­ris Rn. 32).

29 Ei­ner­seits gibt es Ar­gu­men­te, die da­für spre­chen, ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur un­ter Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums zu­zu­las­sen. Der Wort­laut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könn­te in deut­scher Sprach­fas­sung dar­auf hin­deu­ten, dass es den Mit­glied­staa­ten ob­liegt, ei­nen (bis zu vier­mo­na­ti­gen) Be­zugs­zeit­raum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu re­geln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG be­stimmt, dass es ei­nem Mit­glied­staat frei­ge­stellt ist, Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, wenn er die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hält und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für sorgt, dass kein Ar­beit­ge­ber von ei­nem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn der Ar­beit­neh­mer hat sich hier­zu be­reit er­klärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Wei­te­ren vor, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass "der Ar­beit­ge­ber die zu­stän­di­gen Be­hör­den [...] dar­über un­ter­rich­tet, wel­che Ar­beit­neh­mer sich da­zu be­reit er­klärt ha­ben, im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten".

30 Auch aus der Norm­sys­te­ma­tik las­sen sich Grün­de für die Not­wen­dig­keit, ei­nen Be­zugs­zeit­raum nach Ma­ß­ga­be von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Fal­le des "Opt-out" zu re­geln, her­lei­ten. Sys­te­ma­tisch spricht der Zu­sam­men­hang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Er­for­der­nis ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Zu den un­ab­hän­gig vom Ein­ver­ständ­nis des Ar­beit­neh­mers zu re­geln­den Vor­ga­ben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­hört, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass ein Ar­beit­neh­mer die Mög­lich­keit hat, nur durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den zu ar­bei­ten. Da­für wä­re die Re­ge­lung je­den­falls ei­nes Be­zugs­zeit­raums hilf­reich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­währ­leis­ten, dass die Mit­glied­staa­ten ei­ne Gren­ze für die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit re­geln, um so zum Ar­beits- und Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer bei­zu­tra­gen (EFTA-Ge­richts­hof, Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein sol­cher Schutz wür­de oh­ne die Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums für den Durch­schnitt der Wo­chen­ar­beits­zeit er­schwert. Der durch die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit be­zweck­te Schutz ist um­so in­ten­si­ver, je kür­zer der für den Durch­schnitt ma­ß­geb­li­che Be­zugs­zeit­raum ist. Be­son­ders in­ten­siv ist er, wenn der Be­zugs­zeit­raum nur ei­ne Wo­che be­trägt, weil es dann un­mög­lich ist, ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit ei­ner Wo­che durch ge­rin­ge­re Ar­beits­zei­ten an­de­rer Wo­chen "weg­zu­rech­nen". Ein ma­xi­ma­ler Schutz in die­sem Sin­ne wä­re mit­hin da­durch zu er­rei­chen, dass bei Feh­len ei­ner Re­ge­lung des Be­zugs­zeit­raums der kon­kre­te Sie­ben­ta­ges­zeit­raum ma­ß­geb­lich ist. Die­se Rechts­fol­ge tritt bei Feh­len ei­ner Be­zugs­zeit­raum­re­ge­lung ein, so­lan­ge Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG An­wen­dung fin­det (BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zu­las­sung ei­ner oh­ne Be­zugs­zeit­raum mög­li­chen und da­mit un­li­mi­tier­ten Höchst­ar­beits­zeit könn­te zu­dem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh wi­der­spre­chen, der be­stimmt, dass je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit, auf täg­li­che und wö­chent­li­che Ru­he­zei­ten so­wie auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hat (vgl. Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Fer­ner ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass auch ein recht­mä­ßi­ges "Opt-out" ge­mäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Er­for­der­nis der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­freit, aber nicht von den täg­li­chen und wö­chent­li­chen Min­dest­ru­he­zei­ten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ru­he­pau­sen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Be­schrän­kun­gen der Nacht­ar­beit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dis­pen­siert. Des­halb ist die Fest­stel­lung der Kom­mis­si­on in ih­ren ak­tu­el­len An­wen­dungs­hin­wei­sen zu Aus­le­gungs­fra­gen der Ar­beits­zeitricht­li­nie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zu­tref­fend, dass, be­rück­sich­tigt man nur den Zeit­raum der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit, die in der Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­nen Min­dest­zeit­räu­me der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit von den ins­ge­samt 168 Stun­den (24 Stun­den x 7 Ta­ge) ei­ner Wo­che be­reits durch­schnitt­lich 90 Ru­he­stun­den be­deu­ten (6 Ta­ge x 11 Stun­den täg­li­che Ru­he­zeit + 24 Stun­den wö­chent­li­che Ru­he­zeit). Dem­zu­fol­ge dürf­te un­ter Be­rück­sich­ti­gung von Ru­he­zei­ten, Ru­he­pau­sen und der mög­li­chen stren­ge­ren Be­schrän­kun­gen im Fall von Nacht­ar­beit die Ar­beits­zeit auch im Fal­le ei­ner recht­mä­ßi­gen Aus­nah­me­re­ge­lung nach Art. 22 RL 2003/88/EG ei­nen Durch­schnitt von 78 Stun­den pro Wo­che nicht über­schrei­ten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 An­de­rer­seits wirft die kon­kre­te Be­stim­mung ei­nes Be­zugs­zeit­raums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ei­ne Viel­zahl von bis­lang un­ge­klär­ten uni­ons­recht­li­chen Fra­gen auf. So ist zu­nächst un­klar, ob es zur abs­trakt-ge­ne­rel­len Re­ge­lung der Mög­lich­keit ei­ner "Opt-out"-Ver­ein­ba­rung ei­nes be­son­de­ren Be­zugs­zeit­raums be­darf. Der Hin­weis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum könn­te näm­lich auch dar­auf hin­deu­ten, dass da­mit der längs­te vom Mit­glied­staat fest­zu­le­gen­de Be­zugs­zeit­raum ge­meint ist. Da­für könn­te auch nach der deut­schen Sprach­fas­sung des Richt­li­ni­en­tex­tes spre­chen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Zeit­raum" die Re­de ist und nicht von dem "nach Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) fest­ge­setz­ten Be­zugs­zeit­raum".

34 Des Wei­te­ren stel­len sich norm­sys­te­ma­ti­sche Fra­gen nach dem Ver­hält­nis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ver­weist wört­lich be­trach­tet al­lein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Zeit­raum, so­dass frag­lich ist, ob er auch die Fest­set­zun­gen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richt­li­nie er­fasst, in de­nen - je­weils un­ter be­son­de­ren Vor­aus­set­zun­gen - an­de­re Be­zugs­zeit­räu­me be­nannt wer­den. Da­bei ist ins­be­son­de­re zu be­rück­sich­tig­ten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Ver­hält­nis zu Art. 16 RL 2003/88/EG un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen län­ge­re Be­zugs­zeit­räu­me von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Mo­na­ten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) er­öff­nen.

35 Die For­mu­lie­rung der ver­schie­de­nen Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie ist je nach Sprach­fas­sung und auch in­ner­halb ein­zel­ner Sprach­fas­sun­gen nach den Aus­füh­run­gen der Schluss­an­trä­ge der Ge­ne­ral­an­wäl­tin Ko­kott im Ver­fah­ren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) un­ein­heit­lich. Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on müs­sen aber die Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts im Licht der Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on ein­heit­lich aus­ge­legt und an­ge­wandt wer­den. Wei­chen die ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen ei­nes Rechts­tex­tes der Uni­on von­ein­an­der ab, muss die frag­li­che Vor­schrift an­hand der all­ge­mei­nen Sys­te­ma­tik und des Zwecks der Re­ge­lung aus­ge­legt wer­den, zu der sie ge­hört (Eu­GH, Ur­tei­le vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ER­GO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Os­so - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Not­wen­dig­keit ei­ner ein­heit­li­chen An­wen­dung und da­mit ei­ner ein­heit­li­chen Aus­le­gung der Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts schlie­ßt es da­nach aus, ei­ne Vor­schrift in ei­ner ih­rer Fas­sun­gen iso­liert zu be­trach­ten, son­dern ge­bie­tet es, sie an­hand des wirk­li­chen Wil­lens ih­res Norm­ge­bers und des von ihm ver­folg­ten Zwecks na­ment­lich im Licht ih­rer Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on aus­zu­le­gen. Ei­ne ab­wei­chen­de Sprach­fas­sung kann des­halb nicht al­lein ge­gen­über al­len an­de­ren Sprach­fas­sun­gen den Aus­schlag ge­ben (EuG-Rechts­mit­tel­kam­mer, Ur­teil vom 8. No­vem­ber 2012 - T-268/11 P - ju­ris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Un­ein­heit­lich­keit in den ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hin­zu­wei­sen. Die Fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG wei­sen in eng­li­scher, fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung je­weils klei­ne Be­son­der­hei­ten auf, die bei der Aus­le­gung der Norm zu be­rück­sich­ti­gen sein könn­ten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lau­tet in eng­li­scher Fas­sung: "for the ap­pli­ca­ti­on of Ar­ti­cle 6 (ma­xi­mum weekly working time), a re­fe­rence pe­ri­od not ex­cee­ding four months", al­so um ei­nen Be­zugs­zeit­raum, der vier Mo­na­te nicht über­schrei­ten darf, wäh­rend es in fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung im Gleich­klang um ei­nen Be­zugs­zeit­raum von bis zu vier Mo­na­ten ("une pe­ri­ode de re­fe­rence ne de­pas­sant pas quat­re mois") geht. Wei­ter hei­ßt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in eng­li­scher Fas­sung "du­ra­ti­on of the working time", wäh­rend sich die fran­zö­si­sche und deut­sche Fas­sung des Norm­tex­tes je­weils mit den Wor­ten "la du­ree du temps de tra­vail" oder mit dem Wort "Ar­beits­zeit" be­gnügt. Die eng­li­sche Fas­sung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG dar­über hin­aus nur von Ta­rif­ver­trä­gen (collec­ti­ve agree­ments) und Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen bei­den Sei­ten der In­dus­trie (the two si­des of in­dus­try) wäh­rend im fran­zö­si­schen und deut­schen Text der Richt­li­nie an die­ser Stel­le von "con­ven­ti­ons collec­ti­ves"/"Ta­rif­ver­trä­gen" und "ac­cords con­clus ent­re par­ten­aires so­ci­aux"/"So­zi­al­part­nern" ge­spro­chen wird. In die­sem Zu­sam­men­hang ist auch zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Kom­mis­si­on in ih­rer ak­tu­el­len Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) aus­drück­lich dar­auf hin­weist, dass die Richt­li­nie we­der den Be­griff "Ta­rif­ver­trag" de­fi­niert noch nä­her er­läu­tert, was "Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern auf na­tio­na­ler und re­gio­na­ler Ebe­ne" sind, mit der Fol­ge, dass die­se Be­grif­fe durch na­tio­na­le Rechts­vor­schrif­ten und Ge­pflo­gen­hei­ten nä­her zu be­stim­men sei­en (ABl. EU Nr. C 165/49). Schlie­ß­lich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf­merk­sam zu ma­chen. Dort hei­ßt es in der eng­li­schen Fas­sung am En­de "un­less he has first ob­tai­ned the worker’s agree­ment to per­form such work”, wäh­rend es nach der fran­zö­si­schen und deut­schen Text­fas­sung aus­reicht, dass sich der Ar­beit­neh­mer be­reit er­klärt hat, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten.

37 All die­se sprach­li­chen Un­eben­hei­ten las­sen sich norm­sys­te­ma­tisch und te­leo­lo­gisch zwar un­ter Rück­füh­rung dar­auf ver­ein­heit­li­chen, dass der Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on in den Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie über die Min­dest­ru­he­zei­ten und die Höchst­ar­beits­zei­ten "be­son­ders wich­ti­ge Re­geln des So­zi­al­rechts der Ge­mein­schaft" sieht. Die­se Re­geln müs­sen je­dem Ar­beit­neh­mer als ein zum Schutz sei­ner Si­cher­heit und sei­ner Ge­sund­heit be­stimm­ter Min­dest­an­spruch zu­gu­te­kom­men (vgl. z.B. Eu­GH, Ur­tei­le vom 7. Sep­tem­ber 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Ok­to­ber 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Des­halb be­grenzt der Ge­richts­hof die den Mit­glied­staa­ten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mög­li­che Ab­wei­chungs­mög­lich­keit u.a. von der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit für Fäl­le, in de­nen die Ar­beits­zeit we­gen der be­son­de­ren Merk­ma­le der aus­ge­üb­ten Tä­tig­keit nicht ge­mes­sen und oder nicht im Vor­aus fest­ge­legt wird oder von den Ar­beit­neh­mern selbst fest­ge­legt wer­den kann, auf das zum Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer "un­be­dingt Er­for­der­li­che" (Eu­GH, Ur­teil vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31).

38 Dar­aus aber den für den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch er­for­der­li­chen wei­te­ren Schluss zu zie­hen, ein Mit­glied­staat ver­sto­ße hin­rei­chend qua­li­fi­ziert und da­mit of­fen­kun­dig ge­gen ei­ne uni­ons­recht­li­che Norm, wenn er ei­ne "Opt-out"-Ent­schei­dung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, oh­ne zu­gleich ei­nen Be­zugs­zeit­raum im Sin­ne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­zu­le­gen, ist dem Se­nat man­gels des er­for­der­li­chen Ma­ßes an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der als ver­letzt gel­ten­den Vor­schrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht mög­lich.

39 bb) Eben­so ver­hält es sich mit der wei­te­ren Fra­ge der Frei­wil­lig­keit der nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs (Eu­GH, Ur­teil vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 u.a., Pfeif­fer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) not­wen­dig in­di­vi­du­el­len Be­reit­schafts­er­klä­rung ei­nes Ar­beit­neh­mers. Hier geht es um den schrift­li­chen An­trag des Klä­gers vom Sep­tem­ber 2007, Zu­viel­ar­beit im Sin­ne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leis­ten zu dür­fen. Wäh­rend die Frei­wil­lig­keit und In­di­vi­dua­li­tät der Be­reit­schafts­er­klä­rung des Klä­gers un­zwei­fel­haft sind, stellt sich die Fra­ge der Ver­ein­bar­keit mit Uni­ons­recht im Hin­blick auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit die­ser Er­klä­rung oder die­ses An­trags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009. Der Richt­li­ni­en­text ent­hält kei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung über das "ob" und das "wie" ei­nes die Be­reit­schafts­er­klä­rung be­tref­fen­den Wi­der­rufs­rechts des Ar­beit­neh­mers. Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu Mög­lich­keit und Mo­da­li­tä­ten ei­nes Wi­der­rufs ist nicht er­sicht­lich. Der EFTA-Ge­richts­hof hat im Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - (ju­ris) nur ent­schie­den, dass der ge­ne­rel­le Wi­der­rufsau­schluss ei­ner ein­mal wirk­sam ge­ge­be­nen Be­reit­schafts­er­klä­rung im Ein­zel­fall ei­ne Ver­let­zung der Richt­li­nie be­grün­den kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 vor­ge­se­he­ne Wi­der­rufs­mög­lich­keit mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten zum Ab­lauf des Ka­len­der­jah­res den An­for­de­run­gen an die je­der­zei­ti­ge Frei­wil­lig­keit der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit ge­nügt, kann hier un­ent­schie­den blei­ben. Da­für könn­te die Tat­sa­che spre­chen, dass der Richt­li­ni­en­text für die Fra­ge des Wi­der­rufs und der Wi­der­rufs­frist ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit kei­ne aus­drück­li­chen Vor­ga­ben macht. Da­ge­gen lie­ße sich in­des norm­sys­te­ma­tisch und am Zweck des Ar­beits­zeit­schut­zes ori­en­tiert für ei­nen mög­li­chen Gleich­lauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ma­xi­ma­len Be­zugs­zeit­raums von vier Mo­na­ten und der Frist für den Wi­der­ruf ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit ar­gu­men­tie­ren (so et­wa Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tat­sa­che, dass der bun­des­deut­sche Ge­setz­ge­ber in Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Wi­der­rufs­frist für nicht be­am­te­te Ar­beit­neh­mer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fas­sung vom 24. De­zem­ber 2003 (BGBl. I S. 3002) ge­ne­rell auf sechs Mo­na­te oh­ne Be­gren­zung auf das Jah­res­en­de be­stimmt hat (vgl. da­zu nä­her Wank, in: Mül­ler-Glö­ge/Preis/Schmidt, Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könn­te ge­gen ei­ne ma­xi­mal 15 Mo­na­te lau­fen­de Wi­der­rufs­frist - Wi­der­ruf am 1. Ok­to­ber, Frist­ab­lauf am 31. De­zem­ber des Fol­ge­jah­res - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­ge­wandt wer­den. Dies zeigt: Auch die Fra­ge, ob die Vor­ga­ben des streit­ge­gen­ständ­li­chen bran­den­bur­gi­schen Lan­des­rechts zur Ar­beits­zeit für Feu­er­wehr­be­am­te in der Zeit zwi­schen 2007 (In­kraft­tre­ten von § 4 AZV Feu 2007 im Au­gust 2007) und 2014 (In­kraft­tre­ten von § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2014 im Au­gust 2014) den An­for­de­run­gen der Frei­wil­lig­keit für die Dau­er der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­nü­gen, lässt sich auf­grund ei­ner Nor­m­aus­le­gung nach Wort­laut, Sys­te­ma­tik und Zweck nicht hin­rei­chend ein­deu­tig und klar be­ant­wor­ten.

41 cc) Die Text­ana­ly­se schlie­ßt es nach al­le­dem aus, hin­sicht­lich der Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fra­gen der Not­wen­dig­keit von Be­zugs­zeit­räu­men und den An­for­de­run­gen an die Frei­wil­lig­keit für den Wi­der­ruf von Ein­ver­ständ­nis­er­klä­run­gen zur Zu­viel­ar­beit hin­sicht­lich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 von ei­nem "hin­rei­chend qua­li­fi­zier­ten Ver­stoß" ge­gen das Uni­ons­recht im Sinn des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs aus­zu­ge­hen.

42 4. Un­ge­ach­tet der evi­dent un­zu­rei­chen­den Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Re­ge­lung der Ar­beits­zeit von kom­mu­na­len Feu­er­wehr­be­am­ten zu­stän­di­gen Lan­des­ge­setz­ge­ber ist die be­klag­te Stadt hier als Nor­m­an­wen­der auf­grund des An­wen­dungs­vor­rangs des Uni­ons­rechts ge­hal­ten ge­we­sen, die Vor­ga­ben der Richt­li­nie zu be­fol­gen und ent­ge­gen­ste­hen­des Lan­des­recht un­an­ge­wen­det zu las­sen. Die Be­klag­te hät­te er­ken­nen müs­sen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 klar und ein­deu­tig die Vor­ga­be ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ver­let­zen, weil es die­sen Rechts­ver­ord­nun­gen an ei­ner Vor­schrift fehlt, die ge­währ­leis­tet, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, Zu­viel­ar­beit zu leis­ten. Ein Trä­ger öf­fent­li­cher Ge­walt ist auch in sei­ner Ei­gen­schaft als öf­fent­li­cher Ar­beit­ge­ber zur An­wen­dung des Uni­ons­rechts ver­pflich­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Im­pact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Da­nach hat die Be­klag­te in ih­rer Ei­gen­schaft als Dienst­her­rin des Klä­gers durch Nicht­be­ach­tung des An­wen­dungs­vor­rangs der EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ge­gen das Uni­ons­recht ver­sto­ßen. Dass sie in­ner­staat­lich die Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des im Rah­men ih­rer Auf­ga­ben der mit­tel­ba­ren Staats­ver­wal­tung zu be­fol­gen hat­te, än­dert dar­an nichts.

43 5. Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit setzt - wie der na­tio­na­le dienst­recht­li­che Aus­gleichs­an­spruch - vor­aus, dass er vom Be­am­ten oder Sol­da­ten zu­vor zu­min­dest in Form ei­ner Rü­ge gel­tend ge­macht wor­den ist. Aus­zu­glei­chen ist die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit, die ab dem auf die erst­ma­li­ge schrift­li­che Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet wor­den ist (stRspr, BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Klä­ger erst im De­zem­ber 2010 den An­trag ge­stellt hat, ste­hen ihm An­sprü­che erst ab Ja­nu­ar 2011 zu.

44 a) Be­sol­dungs­an­sprü­che von Be­am­ten und Sol­da­ten er­ge­ben sich un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), ei­nes An­tra­ges oder ei­ner Rü­ge be­darf es da­her nicht. Ent­spre­chen­des gilt für Ver­sor­gungs­be­zü­ge (z.B. § 3 Abs. 1 Be­amtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechts­grund der Ali­men­tie­rung von Ru­he­stands­be­am­ten ist zwar der Ver­sor­gungs­fest­set­zungs­be­scheid, auch die­ser er­geht in­des von Amts we­gen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 Be­amtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und be­darf da­her we­der ei­nes An­trags noch ei­ner Hin­weis­pflicht (BVer­wG, Ur­teil vom 25. Ok­to­ber 2012 - 2 C 59.11 - BVer­w­GE 145, 14 Rn. 34).

45 An­sprü­che, de­ren Fest­set­zung und Zah­lung sich nicht un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz er­ge­ben, be­dür­fen da­ge­gen ei­ner vor­he­ri­gen Gel­tend­ma­chung (BVerfG, Be­schluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerf­GE 81, 363 <384 f.>; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - ju­ris Rn. 16). Denn hier ist ei­ne vor­gän­gi­ge be­hörd­li­che Ent­schei­dung über Grund und Hö­he der be­gehr­ten Zah­lung er­for­der­lich.

46 Für An­sprü­che we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit gilt dies in be­son­de­rer Wei­se. Die­se sind nicht pri­mär auf die Zah­lung ei­nes fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs ge­rich­tet, son­dern auf die Be­sei­ti­gung des rechts­wid­ri­gen Zu­stands. Durch den Hin­weis des Be­am­ten oder Sol­da­ten ist da­her zu­nächst ei­ne Prü­fung sei­nes Dienst­herrn ver­an­lasst, ob ei­ne Än­de­rung der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung er­for­der­lich ist und ob ei­ne rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit - et­wa durch An­pas­sung der ma­ß­geb­li­chen Dienst­plä­ne - ver­mie­den oder durch die Ge­wäh­rung von Frei­zeit­aus­gleich kom­pen­siert wer­den kann. Oh­ne ent­spre­chen­de Rü­ge muss der Dienst­herr nicht da­von aus­ge­hen, je­der Be­am­te wer­de die Über­schrei­tung der ak­tu­el­len Ar­beits­zeit­re­ge­lung be­an­stan­den. Auch hin­sicht­lich der mög­li­chen fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs­pflicht hat der Dienst­herr ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an, nicht nach­träg­lich mit un­vor­her­seh­ba­ren Zah­lungs­be­geh­ren kon­fron­tiert zu wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 21. Sep­tem­ber 2006 - 2 C 7.06 - Buch­holz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Be­am­te wird durch das Er­for­der­nis der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn auch nicht un­zu­mut­bar be­las­tet. Denn an die Rü­ge des Be­rech­tig­ten sind kei­ne zu ho­hen An­for­de­run­gen zu stel­len. Es reicht aus, wenn sich aus der Äu­ße­rung er­gibt, dass der Be­am­te oder Sol­dat die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt hält. We­der ist ein An­trag im rechts­tech­ni­schen Sin­ne er­for­der­lich noch muss Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich, be­an­tragt oder der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich kon­kret be­rech­net wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buch­holz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die An­wen­dung des Grund­sat­zes der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung auch auf den nicht nor­ma­tiv ge­re­gel­ten uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch ist mit Uni­ons­recht ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­teil vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Vor­aus­set­zung für die Ver­ein­bar­keit des ge­nann­ten Grund­sat­zes mit Uni­ons­recht ist, dass den An­for­de­run­gen des Äqui­va­lenz- und des Ef­fek­ti­vi­täts­grund­sat­zes Rech­nung ge­tra­gen ist (Eu­GH, Ur­tei­le vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C-20/13, Un­land - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den na­tio­na­len Ge­rich­ten ob­lie­gen­de Prü­fung er­gibt, dass die Vor­aus­set­zun­gen der bei­den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben in Be­zug auf das Ge­bot der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung er­füllt sind. Dem Ge­bot, dass die Mo­da­li­tä­ten zur Durch­set­zung des uni­ons­recht­li­chen An­spruchs nicht un­güns­ti­ger sein dür­fen als die­je­ni­gen, die gleich­ar­ti­ge Sach­ver­hal­te in­ner­staat­li­cher Art re­geln (Äqui­va­lenz­grund­satz), ist Rech­nung ge­tra­gen. Auch der - ne­ben dem uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch be­stehen­de, rich­ter­recht­lich ent­wi­ckel­te - Aus­gleichs­an­spruch aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ist nur ge­ge­ben, wenn der Be­rech­tig­te die­sen ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn gel­tend macht (BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz ver­langt, dass die Aus­übung der durch das Uni­ons­recht ver­lie­he­nen Rech­te nicht prak­tisch un­mög­lich ge­macht oder über­mä­ßig er­schwert wird. Die Fest­set­zung an­ge­mes­se­ner Aus­schluss­fris­ten für die Rechts­ver­fol­gung ist im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit, die zu­gleich den Be­rech­tig­ten und die Be­hör­de schützt, mit die­sen Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2011 - C-262/09, Meili­cke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C- 20/13, Un­land - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zu­dem sind, wie dar­ge­legt, die An­for­de­run­gen an die schrift­li­che Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­ring. Denn der Be­rech­tig­te muss ge­gen­über dem Dienst­herrn le­dig­lich schrift­lich zum Aus­druck brin­gen, er hal­te die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt.

50 6. Der pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­te­te An­spruch des Klä­gers wan­delt sich in­fol­ge Ab­laufs des mög­li­chen Aus­gleichs­zeit­raums in ei­nen An­spruch auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich, der we­der ver­fal­len noch aus an­de­ren Grün­den aus­ge­schlos­sen ist.

51 Der Haf­tungs­an­spruch we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­tet. Zweck der Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum, den Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer zu ge­währ­leis­ten, ist nicht durch ei­ne Geld­zah­lung, son­dern durch die Frei­stel­lung von der Pflicht zur Dienst­leis­tung zu er­rei­chen.

52 Schei­det aber die Ge­wäh­rung von Frei­zeit zum Aus­gleich der uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit aus vom Be­rech­tig­ten nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus, so ge­bie­tet es der uni­ons­recht­li­che Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz, dass die ent­stan­de­nen An­sprü­che nicht un­ter­ge­hen, son­dern sich in sol­che auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich um­wan­deln (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Da­nach sind hier fi­nan­zi­el­le Aus­gleichs­an­sprü­che des Klä­gers nicht aus­ge­schlos­sen, weil die über die Jah­re hin­weg an­ge­spann­te Per­so­nal­si­tua­ti­on bei der Be­rufs­feu­er­wehr der Be­klag­ten, in der der Klä­ger Dienst zu leis­ten hat­te, eben­so wie der zwi­schen­zeit­li­che Zeit­ab­lauf der Ge­wäh­rung von Frei­zeit zur Ab­gel­tung der ent­stan­de­nen An­sprü­che ent­ge­gen­stan­den.

53 7. Ob der Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig zu viel ge­ar­bei­tet hat, be­stimmt sich hier nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum im Sin­ne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Eben­so wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wen­det sich auch Art. 16 die­ser Richt­li­nie ("Die Mit­glied­staa­ten kön­nen ... vor­se­hen") an den Mit­glied­staat. Die­ser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG ab­wei­chen­den Fest­le­gung des Be­zugs­zeit­raums ("bis zu vier Mo­na­ten") be­rech­tigt, aber nicht ver­pflich­tet. Ob und in­wie­weit der Mit­glied­staat die­se Er­mäch­ti­gung zu der für den Ar­beit­neh­mer un­güns­ti­gen Aus­deh­nung des Be­zugs­zeit­raums auf bis zu vier Mo­na­ten aus­nutzt, ist Sa­che der je­weils zu­stän­di­gen ge­setz­ge­ben­den Or­ga­ne des Mit­glied­staa­tes, weil nur sie die zur Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie er­for­der­li­chen Rechts­no­men er­las­sen kön­nen. Die Aus­übung der Er­mäch­ti­gung ist je­den­falls nicht den das Recht an­wen­den­den na­tio­na­len Ge­rich­ten in dem Sin­ne über­ant­wor­tet, dass die­se den Be­zugs­zeit­raum nach dem As­pekt der "Sach­ge­rech­tig­keit" fest­le­gen kön­nen. Um die ihm ein­ge­räum­te Be­fug­nis in An­spruch zu neh­men, muss der Mit­glied­staat auch die Ent­schei­dung tref­fen, sich auf die­se Er­mäch­ti­gung zu be­ru­fen. Im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit muss die­se Ent­schei­dung des Mit­glied­staa­tes be­stimmt und klar sein (Eu­GH, Ur­teil vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVer­wG, Ur­teil vom 15. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeit­raum bis zum 1. Au­gust 2014 und da­mit in der hier zwi­schen den Be­tei­lig­ten strei­ti­gen Zeit zwi­schen 2008 und 2012 hat­te das Land den Be­zugs­zeit­raum für die vom Klä­ger frei­wil­lig er­brach­te uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 auf ein Jahr - an­statt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­sig er­öff­net - auf bis zu ma­xi­mal vier Mo­na­ten er­streckt.

56 Auch die sons­ti­gen Be­stim­mun­gen der RL 2003/88/EG, die zu ei­ner Ver­län­ge­rung des Be­zugs­zeit­raums füh­ren kön­nen - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Mo­na­te bei Fest­le­gun­gen in Ta­rif­ver­trä­gen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen So­zi­al­part­nern -, grei­fen nicht zu Guns­ten der Be­klag­ten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG set­zen je­weils vor­aus, dass der Mit­glied­staat Re­ge­lun­gen im Sin­ne von Art. 16 RL 2003/88/EG er­las­sen hat, die den An­for­de­run­gen an die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie in na­tio­na­les Recht im Sin­ne von Art. 288 Abs. 3 AEUV ge­nü­gen. Dar­an fehlt es aber eben­so wie an der Aus­nut­zung der ge­nann­ten Be­fug­nis­se ("sind ... zu­läs­sig" und "kann ab­ge­wi­chen wer­den") durch den Er­lass ei­ner für die Um­set­zung er­for­der­li­chen Rechts­norm des in­ner­staat­li­chen Norm­ge­bers.

57 8. Die Be­rech­nung der vom Klä­ger für die Zeit ab dem Fol­ge­mo­nat der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung - hier: Gel­tend­ma­chung im De­zem­ber 2010 - der im Ein­zel­nen er­brach­ten uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit ist kon­kret und nicht - wie vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt an­ge­nom­men - pau­schal zu er­mit­teln. Die kon­kre­te Er­mitt­lung der vom Klä­ger für den Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2011 bis zum 31. De­zem­ber 2012 tat­säch­lich ge­leis­te­ten Zu­viel­ar­beit ist die wei­te­re Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens. Da­bei folgt schon aus dem Uni­ons­recht ge­mäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Zei­ten des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs so­wie die Krank­heits­zei­ten bei der Be­rech­nung des Durch­schnitts der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit un­be­rück­sich­tigt blei­ben oder neu­tral sind. Die­se Vor­ga­be des Uni­ons­rechts ver­langt, dass un­ge­ach­tet der Fra­ge der Um­set­zung in in­ner­staat­li­ches Recht durch ei­ne Rechts­norm die be­tref­fen­den Ta­ge bei der Be­rech­nung mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen sind.

58 Die Ar­beits­zeitricht­li­nie nimmt zwar le­dig­lich auf den uni­ons­recht­lich ge­währ­leis­te­ten Min­dest­ur­laub von vier Wo­chen Be­zug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der dar­über hin­aus­ge­hen­de, im na­tio­na­len Recht be­grün­de­te Mehr­ur­laub ist in­des mit der Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mit­glied­staa­ten un­be­rührt, für die Si­cher­heit und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten an­zu­wen­den oder zu er­las­sen. Dies um­fasst auch die Ein­räu­mung ei­nes über den uni­ons­recht­li­chen Min­dest­ur­laub hin­aus­ge­hen­den Ur­laubs­an­spruchs. Da der Klä­ger am Ur­laubs­tag von der Pflicht zur Dienst­leis­tung be­freit ist und auch der Mehr­ur­laub der Er­ho­lung des Klä­gers dient, kön­nen die­se Ta­ge nicht als Aus­gleich für ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum her­an­ge­zo­gen wer­den (vgl. eben­so schon BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Fei­er­ta­ge, die auf Wo­chen­ta­ge fal­len, sind mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit ein­zu­be­zie­hen und da­mit grund­sätz­lich zu neu­tra­li­sie­ren. So­weit der Klä­ger an die­sen Ta­gen nicht zur Dienst­leis­tung ver­pflich­tet war, kön­nen sol­che Ta­ge nicht zum Aus­gleich ei­ner et­wai­gen Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit her­an­ge­zo­gen wer­den. Dem­ge­gen­über sind Zei­ten, in de­nen dem Klä­ger auf Grund­la­ge des Dienst­zeit­aus­gleichser­las­ses ein zeit­li­cher Aus­gleich ge­währt wur­de, kei­ne Ar­beits­zeit im Sin­ne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Ar­beits­zeit zäh­len uni­ons­recht­lich sämt­li­che Zei­ten, die vom be­tref­fen­den Feu­er­wehr­be­am­ten im Rah­men von Ar­beits­be­reit­schaft und Be­reit­schafts­dienst in Form per­sön­li­cher An­we­sen­heit in der Dienst­stel­le ab­ge­leis­tet wor­den sind, un­ab­hän­gig da­von, wel­che Ar­beits­leis­tung er wäh­rend die­ses Diens­tes tat­säch­lich er­bracht hat (Eu­GH, Ur­teil vom 3. Ok­to­ber 2000 - C-303/98, Si­map - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Des­halb wird auch die ge­naue Be­stim­mung der Zahl der aus­zu­glei­chen­den Stun­den Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens sein. Nach dem uni­ons­recht­li­chen Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz muss da­nach vor­lie­gend je­de Stun­de, die der Klä­ger in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­rau­mes über 48 Stun­den hin­aus ge­ar­bei­tet hat, aus­ge­gli­chen wer­den, weil die Vor­aus­set­zun­gen für das von der Be­klag­ten gel­tend ge­mach­te "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie ge­zeigt - nicht vor­la­gen. Auch dies spricht nur für ei­nen Aus­gleich von tat­säch­lich und kon­kret er­brach­ter Zu­viel­ar­beit.

61 Der Geld­aus­gleich für die vom Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit ori­en­tiert sich an den je­weils gel­ten­den Stun­den­sät­zen der Ver­ord­nung über die Ge­wäh­rung von Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te in der Fas­sung der Be­kannt­ma­chung vom 3. De­zem­ber 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deut­lich, dass es um die kon­kret stun­den­be­zo­ge­ne Ab­rech­nung der Zu­viel­ar­beit geht und nicht um de­ren pau­scha­le Zu­grun­de­le­gung. Zwar un­ter­schei­den sich recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit und uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit tat­be­stand­lich. Recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit be­darf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der An­ord­nung oder Ge­neh­mi­gung, die nur ver­fügt oder er­teilt wer­den darf, wenn zwin­gen­de dienst­li­che Ver­hält­nis­se dies er­for­dern und sich die Mehr­ar­beit auf Aus­nah­me­fäl­le be­schränkt. Des Wei­te­ren darf an­ge­ord­ne­te oder ge­neh­mig­te Mehr­ar­beit die uni­ons­recht­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den im Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - au­ßer­halb der vom Uni­ons­recht vor­ge­se­he­nen Ver­fah­ren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht über­schrei­ten (BVer­wG, Ur­teil vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 14). Nur un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen liegt Mehr­ar­beit im dienst­recht­li­chen Sinn vor, die zeit­aus­gleichs- oder ver­gü­tungs­fä­hig ist. Da­ge­gen han­delt es sich bei rechts­wid­rig ge­leis­te­ter Zu­viel­ar­beit im öf­fent­li­chen Dienst­recht um die Dienst­zeit, die der Be­am­te über die uni­ons­recht­lich nach Ma­ß­ga­be der Ar­beits­zeitricht­li­nie und ih­rer Aus­nah­me­be­stim­mun­gen höchs­tens zu­läs­si­ge wö­chent­li­che Ar­beits­zeit hin­aus er­bringt. Sie ist ihm stets voll aus­zu­glei­chen, pri­mär durch Frei­zeit­aus­gleich, so­fern dies nicht mehr mög­lich ist, se­kun­där durch Geld­aus­gleich. Den­noch geht es in bei­den Fäl­len um den Aus­gleich für ei­ne über­ob­li­ga­ti­ons­mä­ßi­ge Her­an­zie­hung des Be­am­ten (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), so­dass für den Geld­aus­gleich auch in Fäl­len uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit in der Rechts­fol­ge die Stun­den­sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tungs­ver­ord­nung her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen.

62 Auf die Vor­schrif­ten über die Be­sol­dung kann hin­ge­gen nicht zu­rück­ge­grif­fen wer­den (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 39). Denn die Be­sol­dung ist kein Ent­gelt im Sin­ne ei­ner Ent­loh­nung für kon­kre­te Diens­te (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerf­GE 44, 249 <264>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>), son­dern die Ge­gen­leis­tung des Dienst­herrn da­für, dass sich der Be­am­te mit vol­lem per­sön­li­chen Ein­satz der Er­fül­lung sei­ner Dienst­pflich­ten wid­met (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerf­GE 21, 329 <345>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Ent­loh­nung von Ar­beits­stun­den, son­dern auf die Si­cher­stel­lung ei­ner amts­an­ge­mes­se­nen Le­bens­füh­rung ge­rich­tet.

63 9. Nach al­le­dem hat für den Se­nat kei­ne Ver­an­las­sung be­stan­den, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen, um ei­ne Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Uni­on nach Art. 267 AEUV ein­zu­ho­len. Dem Klä­ger steht für den Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2011 bis zum 31. De­zem­ber 2012 stun­den­be­zo­ge­ner Geld­aus­gleich zu, für den die Be­klag­te nach Ma­ß­ga­be der Grund­sät­ze des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ein­zu­tre­ten hat, weil sie bei der vom Klä­ger kon­kret er­brach­ten Zu­viel­ar­beit den An­wen­dungs­vor­rang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 of­fen­kun­dig ver­letz­ten Nach­teils­ver­bots ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht be­ach­tet hat. Auf wei­te­re Fra­gen des Uni­ons­rechts hat es des­halb nicht mehr ent­schei­dungs­er­heb­lich an­kom­men kön­nen.

Ur­teil vom 20.07.2017 -
BVer­wG 2 C 43.16ECLI:DE:BVer­wG:2017:200717U2C43.16.0

Ur­teil

BVer­wG 2 C 43.16

  • VG Pots­dam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1286/11
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 25.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 20. Ju­li 2017
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung, Dr. Kennt­ner, Dol­lin­ger und Dr. Gün­ther
für Recht er­kannt:

  1. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen, so­weit mit ihr ein Geld­aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2008 bis 31. De­zem­ber 2010 gel­tend ge­macht wird. Die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 1. Ju­li 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 11. Sep­tem­ber 2013 wer­den auf­ge­ho­ben, so­weit sie dem ent­ge­gen­ste­hen.
  2. Im Üb­ri­gen (hin­sicht­lich des Zeit­raums vom 1. Ja­nu­ar 2011 bis 31. De­zem­ber 2012) wird das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg auf­ge­ho­ben. In­so­weit wird die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.

Grün­de

I

1 Der Klä­ger, der im streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum bei der be­klag­ten Stadt als Feu­er­wehr­be­am­ter im 24-Stun­den-Schicht­dienst tä­tig war, be­gehrt fi­nan­zi­el­len Aus­gleich für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit.

2 Der von dem Klä­ger im Sep­tem­ber 2007 be­an­trag­ten Er­hö­hung sei­ner durch­schnitt­li­chen wö­chent­li­chen Ar­beits­zeit auf bis zu 56 Stun­den ent­sprach die Be­klag­te durch Be­schei­de vom 25. Sep­tem­ber 2007 und 18. De­zem­ber 2007. Den an sie im De­zem­ber 2010 ge­rich­te­ten An­trag des Klä­gers auf Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se auf Geld­aus­gleich für die von ihm seit dem Jahr 2003 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus ver­rich­te­ten Dienst­zei­ten, lehn­te die Be­klag­te ab. Das Vor­ver­fah­ren blieb er­folg­los.

3 Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­klag­te un­ter Ab­leh­nung des An­trags im Üb­ri­gen und teil­wei­ser Auf­he­bung der an­ge­foch­te­nen Be­schei­de ver­pflich­tet, dem Klä­ger für die im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2008 bis zum 31. De­zem­ber 2012 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus­ge­hend ge­leis­te­te und noch nicht als Mehr­ar­beit ver­gü­te­te Ar­beit Geld­aus­gleich nach dem je­weils gel­ten­den Stun­den­satz für die Mehr­ar­beits­ver­gü­tung zu ge­wäh­ren. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­ru­fung mit der Ma­ß­ga­be zu­rück­ge­wie­sen, dass es die Be­klag­te ver­ur­teilt hat, an den Klä­ger für den ge­nann­ten Zeit­raum 16 774,43 € nebst Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins ab Rechts­hän­gig­keit zu zah­len. Zur Be­grün­dung hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt im We­sent­li­chen aus­ge­führt, dem Klä­ger ste­he der zu­ge­spro­che­ne Geld­aus­gleich in­fol­ge des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs we­gen Ver­let­zung der Ar­beits­zeitricht­li­nie zu. Ei­ne frei­wil­li­ge Zu­viel­ar­beit bei Über­schrei­tung der uni­ons­recht­lich höchst­zu­läs­si­gen Be­zugs­zeit­räu­me sei auch auf­grund von Aus­nah­me­vor­schrif­ten nicht vor­ge­se­hen.

4 Hier­ge­gen wen­det sich die vom Se­nat zu­ge­las­se­ne Re­vi­si­on der Be­klag­ten, mit der sie be­an­tragt,
die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 1. Ju­li 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 11. Sep­tem­ber 2013 auf­zu­he­ben und die Kla­ge in vol­lem Um­fang ab­zu­wei­sen.

5 Der Klä­ger be­an­tragt,
die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen.

6 Der Ver­tre­ter des Bun­des­in­ter­es­ses beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt un­ter­stützt die Re­vi­si­on der Be­klag­ten.

II

7 Die Re­vi­si­on ist teil­wei­se be­grün­det. Das Be­ru­fungs­ur­teil ist auf­zu­he­ben. So­weit die Sa­che nicht vom Se­nat selbst ent­schie­den wer­den kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO), ist sie an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO). Die An­nah­men des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit set­ze kei­ne erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung durch den Be­trof­fe­nen vor­aus und ver­lan­ge nicht den Nach­weis der über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den hin­aus kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den, ver­let­zen re­vi­si­bles Recht. Des­halb ist die Kla­ge ab­zu­wei­sen, so­weit mit ihr fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2008 bis 31. De­zem­ber 2010 gel­tend ge­macht wird. Ob sich das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für den ver­blei­ben­den streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2011 bis zum 31. De­zem­ber 2012 aus an­de­ren Grün­den im Er­geb­nis ganz oder teil­wei­se als rich­tig dar­stellt (§ 144 Abs. 4 Vw­GO), kann der Se­nat man­gels hier­für aus­rei­chen­der tat­säch­li­cher Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts nicht ent­schei­den.

8 In dem Zeit­raum ab 2008 lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die Be­klag­te, die das vom Land Bran­den­burg er­las­se­ne Recht le­dig­lich an­wen­det, dem Grun­de nach vor (1.). Uni­ons­recht kann in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land durch Rechts­ver­ord­nun­gen um­ge­setzt wer­den (2.). § 4 Abs. 3 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit der Be­am­ten des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in den Feu­er­weh­ren und den Leit­stel­len der Land­krei­se im Land Bran­den­burg vom 3. Au­gust 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit für die Be­am­ten des Po­li­zei­voll­zugs­diens­tes, des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes und des Jus­tiz­voll­zugs­diens­tes des Lan­des Bran­den­burg vom 16. Sep­tem­ber 2009 (Bb­gAZV­PFJ, GVBl. II S. 686) set­zen Art. 22 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um. Sie ver­let­zen of­fen­kun­dig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Ver­bot, wo­nach kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten (3.). Die An­wen­dung die­ses mit Uni­ons­recht un­ver­ein­ba­ren Lan­des­rechts ist der be­klag­ten Stadt als Dienst­her­rin der Feu­er­wehr­be­am­ten an­zu­las­ten. Durch die An­wen­dung des den Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts nicht ge­nü­gen­den in­ner­staat­li­chen Rechts ist der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch auch ge­gen­über der Kom­mu­ne als Dienst­her­rin be­grün­det (4.). Der Dienst­herr muss aber le­dig­lich die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit aus­glei­chen, die der Be­rech­tig­te ab dem auf die erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet hat. Dies ist im Fall des Klä­gers erst für die Zeit ab Ja­nu­ar 2011 der Fall (5.). Der noch nicht ver­fal­le­ne Aus­gleichs­an­spruch ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit aus­ge­rich­tet. Da die­se Form des Aus­gleichs aus vom Klä­ger nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus­schei­det, wan­delt sich der Aus­gleichs­an­spruch in ei­nen sol­chen auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich (6.). Ob und ggf. in­wie­weit der Klä­ger Zu­viel­ar­beit ge­leis­tet hat, be­stimmt sich man­gels ei­ner an­der­wei­ti­gen Re­ge­lung durch den na­tio­na­len Norm­ge­ber nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (7.). Für den Geld­aus­gleich sind die Sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te ma­ß­geb­lich. Der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich er­folgt da­nach nicht pau­schal nach der Dif­fe­renz zwi­schen der Höchst­ar­beits­zeit und der ge­neh­mig­ten Zu­viel­ar­beit. Er rich­tet sich viel­mehr nach den vom Be­am­ten kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den (8.). Die Ein­ho­lung ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on im Ver­fah­ren nach Art. 267 AEUV ist nicht ver­an­lasst (9.).

9 1. Die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die be­klag­te Stadt, die nicht für die Um­set­zung der Vor­ga­ben der Richt­li­nie durch den Er­lass von Rechts­nor­men zu­stän­dig ist, sind im Zeit­raum ab dem Jahr 2009 dem Grun­de nach ge­ge­ben. Denn die Be­klag­te hat die zur Um­set­zung von Art. 22 RL 2003/88/EG er­las­se­nen Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg an­ge­wen­det, ob­wohl für sie er­kenn­bar war, dass die­se Um­set­zung im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot un­zu­rei­chend ge­we­sen ist.

10 Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch setzt nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) vor­aus, dass die uni­ons­recht­li­che Norm, ge­gen die ver­sto­ßen wor­den ist, die Ver­lei­hung von Rech­ten an die Ge­schä­dig­ten be­zweckt (a), zwi­schen die­sem Ver­stoß und dem den Ge­schä­dig­ten ent­stan­de­nen Scha­den ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang be­steht (b) und der Ver­stoß ge­gen die­se Norm hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG tref­fen die Mit­glied­staa­ten die er­for­der­li­chen Maß­nah­men, da­mit nach Ma­ß­ga­be der Er­for­der­nis­se der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer die durch­schnitt­li­che Ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum 48 Stun­den ein­schlie­ß­lich der Über­stun­den nicht über­schrei­tet. Die­se Vor­schrift ver­leiht dem Ein­zel­nen Rech­te, die die­ser nach Ab­lauf der Frist zur Um­set­zung der wort­glei­chen Vor­gän­ger­be­stim­mung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Ar­beits­zeit­recht der Be­klag­ten un­mit­tel­bar vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend ma­chen kann (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ro­päi­schen Uni­on, der ge­mäß Art. 6 Abs. 1 EUV der glei­che Rang wie den Ver­trä­gen zu­er­kannt ist (stRspr, zu­letzt Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2016 - C-178/15, Sob­c­zys­zyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. No­vem­ber 2015 - C-219/14, Green­field - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Ar­beit­neh­mer kei­ne wei­ter­ge­hen­den Schutz­rech­te her­lei­ten (zum ein­heit­li­chen Ar­beit­neh­mer­be­griff von Richt­li­nie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: Eu­GH, Ur­teil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fe­noll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wo­nach je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer u.a. das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit hat, ge­währ­leis­tet auf­grund der Un­be­stimmt­heit sei­nes Wort­lauts kei­ne wei­ter­ge­hen­den In­di­vi­du­al­rech­te.

12 Ge­mäß der Aus­nah­me­vor­schrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mit­glied­staa­ten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zu­läs­si­ge Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum nor­miert wird, un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen nicht an­zu­wen­den. Ein sol­ches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur mög­lich, wenn die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­ge­hal­ten wer­den und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für ge­sorgt wird, dass kein Ar­beit­ge­ber von dem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn, der Ar­beit­neh­mer ist frei­wil­lig da­zu be­reit, und dass ihm im Wei­ge­rungs­fall kei­ne Nach­tei­le ent­ste­hen.

13 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur der­zei­ti­gen Ar­beits­schutz­richt­li­nie RL 2003/88/EG, eben­so wie zu der Vor­gän­ger­richt­li­nie RL 1993/104/EG, sind ab­wei­chen­de Be­stim­mun­gen als Aus­nah­men von der Ge­mein­schafts­re­ge­lung über die Ar­beits­zeit­ge­stal­tung - wie hier Art. 22 der Richt­li­nie - so aus­zu­le­gen, dass ihr An­wen­dungs­be­reich auf das zur Wah­rung der In­ter­es­sen, de­ren Schutz sie er­mög­li­chen, un­be­dingt Er­for­der­li­che be­grenzt wird (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 2003 - C-151/02, Jae­ger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31; eben­so Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vor­ga­ben in den Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar for­mell wirk­sam (sie­he un­ten 2.), aber in­halt­lich in­fol­ge Nicht­be­ach­tung des Nach­teils­ver­bots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um­ge­setzt (sie­he un­ten 3.). Dies ver­letzt den Klä­ger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Rech­ten. Die be­klag­te Stadt hat die­se im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot uni­ons­rechts­wid­ri­gen Vor­schrif­ten an­ge­wandt und da­mit ih­rer­seits den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch des Klä­gers aus­ge­löst (sie­he un­ten 4.).

15 b) Zwi­schen dem Ver­stoß ge­gen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Scha­den, der dem Klä­ger durch die uni­ons­rechts­wid­rig er­brach­te Zu­viel­ar­beit ent­stan­den ist, be­steht auch ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang. Un­er­heb­lich ist, dass die­se Zu­viel­ar­beit des Klä­gers und der da­mit ver­bun­de­ne Ver­lust an Frei­zeit und Er­ho­lungs­zeit nach na­tio­na­lem Recht kei­nen Scha­den im Sin­ne des zi­vil­recht­li­chen Scha­dens­er­satz­rechts dar­stel­len. Ma­ß­geb­lich ist in­so­weit al­lein auf das Uni­ons­recht ab­zu­stel­len, das hier­in ei­nen Scha­den sieht (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 so­wie Te­nor 1 und 4; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Dar­über hin­aus ist der Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht auch hin­rei­chend qua­li­fi­ziert, um den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch zu be­grün­den. Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ist das der Fall, wenn der Mit­glied­staat die Gren­zen, die sei­nem Er­mes­sen ge­setzt sind, of­fen­kun­dig und er­heb­lich über­schrit­ten hat, wo­bei zu den in­so­weit zu be­rück­sich­ti­gen­den Ge­sichts­punk­ten ins­be­son­de­re das Maß an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der ver­letz­ten Vor­schrift so­wie der Um­fang des Er­mes­sens­spiel­raums ge­hö­ren, den die ver­letz­te Vor­schrift den na­tio­na­len Be­hör­den be­lässt (Eu­GH, Ur­tei­le vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Bras­se­rie du pêcheur und Fac­tor­ta­me - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Ja­nu­ar 2007 - C-278/05, Ro­bins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 so­wie Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVer­wG, Ur­teil vom 30. Ok­to­ber 2014 - 2 C 3.13 - Buch­holz 245 Lan­des­BesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qua­li­fi­zier­ter Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht zu­las­ten des Klä­gers liegt im Hin­blick auf das von der Be­klag­ten zu be­ach­ten­de Nach­teils­ver­bot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (sie­he 3.a).

17 Für den Zeit­raum ab dem Jahr 2009 sind zu­gleich grund­sätz­lich die Vor­aus­set­zun­gen des dienst­recht­li­chen Aus­gleichs­an­spruchs aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ge­ge­ben (BVer­wG, Ur­tei­le vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buch­holz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26). Die bei­den An­sprü­che sind hin­sicht­lich der Ver­jäh­rung so­wie der Rechts­fol­gen gleich­ge­rich­tet (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. In­ner­staat­li­che Rechts­vor­schrif­ten, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - ei­ne Richt­li­nie der Eu­ro­päi­schen Uni­on in deut­sches Recht um­set­zen, sind am Maß­stab des Uni­ons­rechts zu mes­sen, so­weit die Richt­li­nie den Mit­glied­staa­ten kei­nen Um­set­zungs­spiel­raum lässt, son­dern zwin­gen­de Vor­ga­ben macht (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 22. Ok­to­ber 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerf­GE 73, 339 <387>, vom 7. Ju­ni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerf­GE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerf­GE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerf­GE 121, 1 <15>, vom 14. Ok­to­ber 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerf­GE 122, 1 <20> und vom 21. Sep­tem­ber 2016 - 2 BvL 1/15 - ju­ris Rn. 32). Den Mit­glied­staa­ten steht es un­ter den in Art. 22 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­si­gen Höchst­ar­beits­zeit für Ar­beit­neh­mer ab­zu­wei­chen. Da­für müs­sen sie Rechts­nor­men er­las­sen (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richt­li­nie ga­ran­tier­ten all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ge­währ­leis­ten und die dar­über hin­aus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Kri­te­ri­en ge­nü­gen. Für die Trans­for­ma­ti­on von Uni­ons­recht in in­ner­staat­li­ches Recht kom­men so­wohl for­mel­le Ge­set­ze als auch Rechts­ver­ord­nun­gen in Be­tracht (vgl. nur Ruf­fert, in: Cal­liess/Ruf­fert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schro­eder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 je­weils m.w.N.). Da­mit rich­tet sich die Uni­ons­rechts­kon­for­mi­tät der frag­li­chen Rechts­ver­ord­nun­gen in­so­weit al­lein da­nach, ob die­se nach in­ner­staat­li­chem Recht ei­ne hin­rei­chen­de Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge ha­ben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - eben­so wie sei­ne in­halts­glei­che Vor­gän­ger­norm in § 143 und § 134 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 8. Ok­to­ber 1999 (GVBl. I S. 446) - er­mäch­tigt die zu­stän­di­gen Mit­glie­der der Lan­des­re­gie­rung aus­drück­lich, die Ar­beits­zeit der Po­li­zei- und Jus­tiz­voll­zugs­be­am­ten so­wie die des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in ei­ner Rechts­ver­ord­nung zu re­geln. Da­mit ist so­wohl dem uni­ons­recht­li­chen Rechts­norm­vor­be­halt als auch dem in­ner­staat­li­chen Ge­set­zes­vor­be­halt Ge­nü­ge ge­tan.

19 3.  § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und sei­ne Nach­fol­ger­vor­schrift, der wort­lauti­den­tisch bis zum 31. Ju­li 2014 gel­ten­de § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009, be­stim­men, dass auf An­trag des Be­am­ten über den Rah­men von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus Schicht­dienst bis zu 56 Stun­den un­ter Be­ach­tung der all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes als durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Ar­beits­zeit be­wil­ligt wer­den kann. Die Be­wil­li­gung kann aus dienst­li­chen Grün­den zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jahrs mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen wer­den. Der Be­am­te ist auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit schrift­lich hin­zu­wei­sen. Er kann sei­nen An­trag zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jah­res mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen.

20 a) So­wohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 set­zen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hin­rei­chend um. Da­nach hat ein Mit­glied­staat, der von die­ser Aus­nah­me­vor­schrift Ge­brauch ma­chen möch­te, mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für zu sor­gen, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, ei­ner über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hin­aus­ge­hen­den Ar­beit nach­zu­ge­hen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" da­mit un­ter den Vor­be­halt, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, aus den in der Ar­beits­zeitricht­li­nie fest­ge­leg­ten Ar­beits­zeit­höchst­gren­zen "aus­zu­tre­ten" oder "hin­aus­zu­op­tie­ren" (Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­ho­fes der Eu­ro­päi­schen Uni­on er­for­dert die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie nicht ei­ne förm­li­che und wört­li­che Über­nah­me ih­rer Be­stim­mun­gen in ei­ne aus­drück­li­che, be­son­de­re Rechts­vor­schrift. Ihr kann viel­mehr durch ei­nen all­ge­mei­nen recht­li­chen Kon­text Ge­nü­ge ge­tan wer­den, wenn die­ser tat­säch­lich die voll­stän­di­ge An­wen­dung der Richt­li­nie hin­rei­chend klar und be­stimmt ge­währ­leis­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on ist je­doch er­for­der­lich, dass die Rechts­la­ge hin­rei­chend be­stimmt, klar und trans­pa­rent ist und die Be­güns­tig­ten in die La­ge ver­setzt, von al­len ih­ren Rech­ten Kennt­nis zu er­lan­gen und die­se ggf. vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend zu ma­chen (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vor­ga­be, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nor­mier­te Nach­teils­ver­bot in in­ner­staat­li­ches Recht um­zu­set­zen, wer­den we­der § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ge­recht. In bei­den Vor­schrif­ten fehlt ein Hin­weis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Nach­teils­ver­bot. Da­durch wird des­sen prak­ti­sche Wirk­sam­keit ge­schwächt, weil der Ar­beit­neh­mer nicht hin­rei­chend klar er­ken­nen kann, dass er sich, nach der Er­klä­rung sei­ner­seits an der Höchst­ar­beits­zeit ge­mäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­hal­ten zu wol­len, et­wa ge­gen nach­tei­li­ge Dienst­plan­ge­stal­tun­gen mit Er­folg zur Wehr set­zen kann (Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nach­teils­ver­bot, das mit Blick auf den Schutz­cha­rak­ter der Ar­beits­zeitricht­li­nie we­sent­li­che Be­deu­tung hat, kommt auch nicht in sons­ti­gen im Be­reich des Lan­des Bran­den­burg gel­ten­den ver­öf­fent­lich­ten Rechts­vor­schrif­ten, wie ins­be­son­de­re den Be­am­ten­ge­set­zen, in die der in­so­weit be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer et­wa Ein­sicht neh­men könn­te, mit hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit, Klar­heit und Trans­pa­renz zum Aus­druck. Das gilt ins­be­son­de­re für die - le­dig­lich als Ge­ne­ral­klau­sel for­mu­lier­te - be­am­ten­recht­li­che Für­sor­ge­pflicht ge­mäß § 45 Be­amtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zu­dem wä­re, selbst wenn man un­ter­stellt, dass sol­che Rechts­vor­schrif­ten vor­han­den sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den bran­den­bur­gi­schen Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen hin­zu­wei­sen. Dar­an fehlt es eben­falls. An­de­ren­falls wä­re der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer, der ty­pi­scher­wei­se ge­ra­de über kei­ne ver­tief­ten ju­ris­ti­schen Kennt­nis­se ver­fügt, nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge, die er­for­der­li­che in­halt­li­che Ver­knüp­fung zwi­schen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den na­tio­na­len Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeit­ver­ord­nung und dem an an­de­rer Stel­le nor­mier­ten Nach­teils­ver­bot her­zu­stel­len. So wä­re et­wa der be­güns­tig­te (be­am­te­te) Ar­beit­neh­mer nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge zu er­ken­nen, dass sei­ne - aus dienst­li­chen Grün­den mög­li­che - Um­set­zung oder auch nur ei­ne ihm nach­tei­li­ge Dienst­plan­än­de­rung dem Nach­teils­ver­bot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG un­ter­fällt, wenn sie des­halb er­folgt, weil er nicht be­reit ist, über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit­gren­ze von 48 Stun­den hin­aus zu ar­bei­ten (sie­he so auch Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on, Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Des­halb grei­fen die Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen so­wohl des Bun­des und meh­re­rer an­de­rer Bun­des­län­der, die von der Öff­nungs­klau­sel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Ge­brauch ge­macht ha­ben, das Nach­teils­ver­bot ge­ra­de aus­drück­lich auf (vgl. et­wa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzV­BY vom 5. Ja­nu­ar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZ­VO vom 30. De­zem­ber 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZ­VO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZ­VOFeu NW vom 1. Sep­tem­ber 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 Säch­s­AZ­VO vom 28. Ja­nu­ar 2008, GVBl. S. 198). Her­vor­zu­he­ben ist, dass auch das Recht des Lan­des Bran­den­burg nun­mehr - mit Wir­kung ab dem 1. Au­gust 2014 - das Nach­teils­ver­bot in § 21 Abs. 4 Satz 2 Bb­gAZV­PFJ vom 10. Ju­li 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) aus­drück­lich nennt. Dar­an fehlt es - für den hier streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009.

26 b) Steht da­mit die un­voll­stän­di­ge Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­deu­tig und klar fest, kommt es auf die wei­te­re Fra­ge, ob die­se Be­stim­mun­gen der bei­den ge­nann­ten Rechts­ver­ord­nun­gen dar­über hin­aus auch den An­for­de­run­gen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG of­fen­kun­dig nicht ge­recht wer­den, vor­lie­gend nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich an. Der Se­nat hält die­se Fra­ge für of­fen.

27 aa) Maß­st­abs­bil­den­de Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur Fra­ge der Not­wen­dig­keit ei­nes Be­zugs­zeit­raums und zur Aus­le­gung des Be­griffs "im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vor­gän­ger­richt­li­nie gibt es für den Fall des "Opt-out" bis­lang nicht. Das gilt auch für das Ur­teil des Ge­richts­hofs vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Die­ses Ur­teil be­zieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vor­gän­ger­richt­li­nie 1993/104/EG, der al­ler­dings im We­sent­li­chen mit Art. 22 RL 2003/88/EG ver­gleich­bar ist. In die­sem Ur­teil führt der Ge­richts­hof aber nur aus, dass die In­an­spruch­nah­me der Mög­lich­keit, die Grund­satz­norm des Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, vor­aus­setzt, dass die Mit­glied­staa­ten die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hal­ten und be­stimm­te - in der Richt­li­nie ge­nann­te - ku­mu­la­ti­ve Vor­aus­set­zun­gen er­fül­len. Für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums folgt dar­aus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum" die Re­de ist.

28 Die in­ner­staat­li­che Recht­spre­chung zu die­ser Fra­ge ist un­ein­heit­lich (be­ja­hend: OVG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­tei­le vom 18. Ju­ni 2015 - OVG 6 B 19.15 - ju­ris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - ju­ris Rn. 25; ver­nei­nend: VG Mün­chen, Ur­teil vom 18. Ok­to­ber 2016 - M 5 K 14.5855 - ju­ris Rn. 32; VG Aa­chen, Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2016 - 1 K 2244/14 - ju­ris Rn. 32).

29 Ei­ner­seits gibt es Ar­gu­men­te, die da­für spre­chen, ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur un­ter Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums zu­zu­las­sen. Der Wort­laut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könn­te in deut­scher Sprach­fas­sung dar­auf hin­deu­ten, dass es den Mit­glied­staa­ten ob­liegt, ei­nen (bis zu vier­mo­na­ti­gen) Be­zugs­zeit­raum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu re­geln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG be­stimmt, dass es ei­nem Mit­glied­staat frei­ge­stellt ist, Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, wenn er die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hält und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für sorgt, dass kein Ar­beit­ge­ber von ei­nem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn der Ar­beit­neh­mer hat sich hier­zu be­reit er­klärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Wei­te­ren vor, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass "der Ar­beit­ge­ber die zu­stän­di­gen Be­hör­den [...] dar­über un­ter­rich­tet, wel­che Ar­beit­neh­mer sich da­zu be­reit er­klärt ha­ben, im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten".

30 Auch aus der Norm­sys­te­ma­tik las­sen sich Grün­de für die Not­wen­dig­keit, ei­nen Be­zugs­zeit­raum nach Ma­ß­ga­be von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Fal­le des "Opt-out" zu re­geln, her­lei­ten. Sys­te­ma­tisch spricht der Zu­sam­men­hang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Er­for­der­nis ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Zu den un­ab­hän­gig vom Ein­ver­ständ­nis des Ar­beit­neh­mers zu re­geln­den Vor­ga­ben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­hört, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass ein Ar­beit­neh­mer die Mög­lich­keit hat, nur durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den zu ar­bei­ten. Da­für wä­re die Re­ge­lung je­den­falls ei­nes Be­zugs­zeit­raums hilf­reich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­währ­leis­ten, dass die Mit­glied­staa­ten ei­ne Gren­ze für die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit re­geln, um so zum Ar­beits- und Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer bei­zu­tra­gen (EFTA-Ge­richts­hof, Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein sol­cher Schutz wür­de oh­ne die Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums für den Durch­schnitt der Wo­chen­ar­beits­zeit er­schwert. Der durch die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit be­zweck­te Schutz ist um­so in­ten­si­ver, je kür­zer der für den Durch­schnitt ma­ß­geb­li­che Be­zugs­zeit­raum ist. Be­son­ders in­ten­siv ist er, wenn der Be­zugs­zeit­raum nur ei­ne Wo­che be­trägt, weil es dann un­mög­lich ist, ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit ei­ner Wo­che durch ge­rin­ge­re Ar­beits­zei­ten an­de­rer Wo­chen "weg­zu­rech­nen". Ein ma­xi­ma­ler Schutz in die­sem Sin­ne wä­re mit­hin da­durch zu er­rei­chen, dass bei Feh­len ei­ner Re­ge­lung des Be­zugs­zeit­raums der kon­kre­te Sie­ben­ta­ges­zeit­raum ma­ß­geb­lich ist. Die­se Rechts­fol­ge tritt bei Feh­len ei­ner Be­zugs­zeit­raum­re­ge­lung ein, so­lan­ge Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG An­wen­dung fin­det (BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zu­las­sung ei­ner oh­ne Be­zugs­zeit­raum mög­li­chen und da­mit un­li­mi­tier­ten Höchst­ar­beits­zeit könn­te zu­dem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh wi­der­spre­chen, der be­stimmt, dass je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit, auf täg­li­che und wö­chent­li­che Ru­he­zei­ten so­wie auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hat (vgl. Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Fer­ner ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass auch ein recht­mä­ßi­ges "Opt-out" ge­mäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Er­for­der­nis der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­freit, aber nicht von den täg­li­chen und wö­chent­li­chen Min­dest­ru­he­zei­ten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ru­he­pau­sen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Be­schrän­kun­gen der Nacht­ar­beit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dis­pen­siert. Des­halb ist die Fest­stel­lung der Kom­mis­si­on in ih­ren ak­tu­el­len An­wen­dungs­hin­wei­sen zu Aus­le­gungs­fra­gen der Ar­beits­zeitricht­li­nie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zu­tref­fend, dass, be­rück­sich­tigt man nur den Zeit­raum der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit, die in der Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­nen Min­dest­zeit­räu­me der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit von den ins­ge­samt 168 Stun­den (24 Stun­den x 7 Ta­ge) ei­ner Wo­che be­reits durch­schnitt­lich 90 Ru­he­stun­den be­deu­ten (6 Ta­ge x 11 Stun­den täg­li­che Ru­he­zeit + 24 Stun­den wö­chent­li­che Ru­he­zeit). Dem­zu­fol­ge dürf­te un­ter Be­rück­sich­ti­gung von Ru­he­zei­ten, Ru­he­pau­sen und der mög­li­chen stren­ge­ren Be­schrän­kun­gen im Fall von Nacht­ar­beit die Ar­beits­zeit auch im Fal­le ei­ner recht­mä­ßi­gen Aus­nah­me­re­ge­lung nach Art. 22 RL 2003/88/EG ei­nen Durch­schnitt von 78 Stun­den pro Wo­che nicht über­schrei­ten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 An­de­rer­seits wirft die kon­kre­te Be­stim­mung ei­nes Be­zugs­zeit­raums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ei­ne Viel­zahl von bis­lang un­ge­klär­ten uni­ons­recht­li­chen Fra­gen auf. So ist zu­nächst un­klar, ob es zur abs­trakt-ge­ne­rel­len Re­ge­lung der Mög­lich­keit ei­ner "Opt-out"-Ver­ein­ba­rung ei­nes be­son­de­ren Be­zugs­zeit­raums be­darf. Der Hin­weis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum könn­te näm­lich auch dar­auf hin­deu­ten, dass da­mit der längs­te vom Mit­glied­staat fest­zu­le­gen­de Be­zugs­zeit­raum ge­meint ist. Da­für könn­te auch nach der deut­schen Sprach­fas­sung des Richt­li­ni­en­tex­tes spre­chen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Zeit­raum" die Re­de ist und nicht von dem "nach Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) fest­ge­setz­ten Be­zugs­zeit­raum".

34 Des Wei­te­ren stel­len sich norm­sys­te­ma­ti­sche Fra­gen nach dem Ver­hält­nis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ver­weist wört­lich be­trach­tet al­lein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Zeit­raum, so­dass frag­lich ist, ob er auch die Fest­set­zun­gen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richt­li­nie er­fasst, in de­nen - je­weils un­ter be­son­de­ren Vor­aus­set­zun­gen - an­de­re Be­zugs­zeit­räu­me be­nannt wer­den. Da­bei ist ins­be­son­de­re zu be­rück­sich­tig­ten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Ver­hält­nis zu Art. 16 RL 2003/88/EG un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen län­ge­re Be­zugs­zeit­räu­me von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Mo­na­ten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) er­öff­nen.

35 Die For­mu­lie­rung der ver­schie­de­nen Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie ist je nach Sprach­fas­sung und auch in­ner­halb ein­zel­ner Sprach­fas­sun­gen nach den Aus­füh­run­gen der Schluss­an­trä­ge der Ge­ne­ral­an­wäl­tin Ko­kott im Ver­fah­ren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) un­ein­heit­lich. Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on müs­sen aber die Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts im Licht der Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on ein­heit­lich aus­ge­legt und an­ge­wandt wer­den. Wei­chen die ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen ei­nes Rechts­tex­tes der Uni­on von­ein­an­der ab, muss die frag­li­che Vor­schrift an­hand der all­ge­mei­nen Sys­te­ma­tik und des Zwecks der Re­ge­lung aus­ge­legt wer­den, zu der sie ge­hört (Eu­GH, Ur­tei­le vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ER­GO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Os­so - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Not­wen­dig­keit ei­ner ein­heit­li­chen An­wen­dung und da­mit ei­ner ein­heit­li­chen Aus­le­gung der Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts schlie­ßt es da­nach aus, ei­ne Vor­schrift in ei­ner ih­rer Fas­sun­gen iso­liert zu be­trach­ten, son­dern ge­bie­tet es, sie an­hand des wirk­li­chen Wil­lens ih­res Norm­ge­bers und des von ihm ver­folg­ten Zwecks na­ment­lich im Licht ih­rer Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on aus­zu­le­gen. Ei­ne ab­wei­chen­de Sprach­fas­sung kann des­halb nicht al­lein ge­gen­über al­len an­de­ren Sprach­fas­sun­gen den Aus­schlag ge­ben (EuG-Rechts­mit­tel­kam­mer, Ur­teil vom 8. No­vem­ber 2012 - T-268/11 P - ju­ris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Un­ein­heit­lich­keit in den ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hin­zu­wei­sen. Die Fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG wei­sen in eng­li­scher, fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung je­weils klei­ne Be­son­der­hei­ten auf, die bei der Aus­le­gung der Norm zu be­rück­sich­ti­gen sein könn­ten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lau­tet in eng­li­scher Fas­sung: "for the ap­pli­ca­ti­on of Ar­ti­cle 6 (ma­xi­mum weekly working time), a re­fe­rence pe­ri­od not ex­cee­ding four months", al­so um ei­nen Be­zugs­zeit­raum, der vier Mo­na­te nicht über­schrei­ten darf, wäh­rend es in fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung im Gleich­klang um ei­nen Be­zugs­zeit­raum von bis zu vier Mo­na­ten ("une pe­ri­ode de re­fe­rence ne de­pas­sant pas quat­re mois") geht. Wei­ter hei­ßt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in eng­li­scher Fas­sung "du­ra­ti­on of the working time", wäh­rend sich die fran­zö­si­sche und deut­sche Fas­sung des Norm­tex­tes je­weils mit den Wor­ten "la du­ree du temps de tra­vail" oder mit dem Wort "Ar­beits­zeit" be­gnügt. Die eng­li­sche Fas­sung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG dar­über hin­aus nur von Ta­rif­ver­trä­gen (collec­ti­ve agree­ments) und Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen bei­den Sei­ten der In­dus­trie (the two si­des of in­dus­try) wäh­rend im fran­zö­si­schen und deut­schen Text der Richt­li­nie an die­ser Stel­le von "con­ven­ti­ons collec­ti­ves"/"Ta­rif­ver­trä­gen" und "ac­cords con­clus ent­re par­ten­aires so­ci­aux"/"So­zi­al­part­nern" ge­spro­chen wird. In die­sem Zu­sam­men­hang ist auch zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Kom­mis­si­on in ih­rer ak­tu­el­len Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) aus­drück­lich dar­auf hin­weist, dass die Richt­li­nie we­der den Be­griff "Ta­rif­ver­trag" de­fi­niert noch nä­her er­läu­tert, was "Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern auf na­tio­na­ler und re­gio­na­ler Ebe­ne" sind, mit der Fol­ge, dass die­se Be­grif­fe durch na­tio­na­le Rechts­vor­schrif­ten und Ge­pflo­gen­hei­ten nä­her zu be­stim­men sei­en (ABl. EU Nr. C 165/49). Schlie­ß­lich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf­merk­sam zu ma­chen. Dort hei­ßt es in der eng­li­schen Fas­sung am En­de "un­less he has first ob­tai­ned the worker’s agree­ment to per­form such work”, wäh­rend es nach der fran­zö­si­schen und deut­schen Text­fas­sung aus­reicht, dass sich der Ar­beit­neh­mer be­reit er­klärt hat, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten.

37 All die­se sprach­li­chen Un­eben­hei­ten las­sen sich norm­sys­te­ma­tisch und te­leo­lo­gisch zwar un­ter Rück­füh­rung dar­auf ver­ein­heit­li­chen, dass der Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on in den Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie über die Min­dest­ru­he­zei­ten und die Höchst­ar­beits­zei­ten "be­son­ders wich­ti­ge Re­geln des So­zi­al­rechts der Ge­mein­schaft" sieht. Die­se Re­geln müs­sen je­dem Ar­beit­neh­mer als ein zum Schutz sei­ner Si­cher­heit und sei­ner Ge­sund­heit be­stimm­ter Min­dest­an­spruch zu­gu­te­kom­men (vgl. z.B. Eu­GH, Ur­tei­le vom 7. Sep­tem­ber 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Ok­to­ber 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Des­halb be­grenzt der Ge­richts­hof die den Mit­glied­staa­ten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mög­li­che Ab­wei­chungs­mög­lich­keit u.a. von der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit für Fäl­le, in de­nen die Ar­beits­zeit we­gen der be­son­de­ren Merk­ma­le der aus­ge­üb­ten Tä­tig­keit nicht ge­mes­sen und oder nicht im Vor­aus fest­ge­legt wird oder von den Ar­beit­neh­mern selbst fest­ge­legt wer­den kann, auf das zum Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer "un­be­dingt Er­for­der­li­che" (Eu­GH, Ur­teil vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31).

38 Dar­aus aber den für den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch er­for­der­li­chen wei­te­ren Schluss zu zie­hen, ein Mit­glied­staat ver­sto­ße hin­rei­chend qua­li­fi­ziert und da­mit of­fen­kun­dig ge­gen ei­ne uni­ons­recht­li­che Norm, wenn er ei­ne "Opt-out"-Ent­schei­dung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, oh­ne zu­gleich ei­nen Be­zugs­zeit­raum im Sin­ne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­zu­le­gen, ist dem Se­nat man­gels des er­for­der­li­chen Ma­ßes an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der als ver­letzt gel­ten­den Vor­schrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht mög­lich.

39 bb) Eben­so ver­hält es sich mit der wei­te­ren Fra­ge der Frei­wil­lig­keit der nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs (Eu­GH, Ur­teil vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 u.a., Pfeif­fer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) not­wen­dig in­di­vi­du­el­len Be­reit­schafts­er­klä­rung ei­nes Ar­beit­neh­mers. Hier geht es um den schrift­li­chen An­trag des Klä­gers vom Sep­tem­ber 2007, Zu­viel­ar­beit im Sin­ne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leis­ten zu dür­fen. Wäh­rend die Frei­wil­lig­keit und In­di­vi­dua­li­tät der Be­reit­schafts­er­klä­rung des Klä­gers un­zwei­fel­haft sind, stellt sich die Fra­ge der Ver­ein­bar­keit mit Uni­ons­recht im Hin­blick auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit die­ser Er­klä­rung oder die­ses An­trags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009. Der Richt­li­ni­en­text ent­hält kei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung über das "ob" und das "wie" ei­nes die Be­reit­schafts­er­klä­rung be­tref­fen­den Wi­der­rufs­rechts des Ar­beit­neh­mers. Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu Mög­lich­keit und Mo­da­li­tä­ten ei­nes Wi­der­rufs ist nicht er­sicht­lich. Der EFTA-Ge­richts­hof hat im Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - (ju­ris) nur ent­schie­den, dass der ge­ne­rel­le Wi­der­rufsau­schluss ei­ner ein­mal wirk­sam ge­ge­be­nen Be­reit­schafts­er­klä­rung im Ein­zel­fall ei­ne Ver­let­zung der Richt­li­nie be­grün­den kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 vor­ge­se­he­ne Wi­der­rufs­mög­lich­keit mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten zum Ab­lauf des Ka­len­der­jah­res den An­for­de­run­gen an die je­der­zei­ti­ge Frei­wil­lig­keit der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit ge­nügt, kann hier un­ent­schie­den blei­ben. Da­für könn­te die Tat­sa­che spre­chen, dass der Richt­li­ni­en­text für die Fra­ge des Wi­der­rufs und der Wi­der­rufs­frist ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit kei­ne aus­drück­li­chen Vor­ga­ben macht. Da­ge­gen lie­ße sich in­des norm­sys­te­ma­tisch und am Zweck des Ar­beits­zeit­schut­zes ori­en­tiert für ei­nen mög­li­chen Gleich­lauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ma­xi­ma­len Be­zugs­zeit­raums von vier Mo­na­ten und der Frist für den Wi­der­ruf ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit ar­gu­men­tie­ren (so et­wa Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tat­sa­che, dass der bun­des­deut­sche Ge­setz­ge­ber in Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Wi­der­rufs­frist für nicht be­am­te­te Ar­beit­neh­mer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fas­sung vom 24. De­zem­ber 2003 (BGBl. I S. 3002) ge­ne­rell auf sechs Mo­na­te oh­ne Be­gren­zung auf das Jah­res­en­de be­stimmt hat (vgl. da­zu nä­her Wank, in: Mül­ler-Glö­ge/Preis/Schmidt, Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könn­te ge­gen ei­ne ma­xi­mal 15 Mo­na­te lau­fen­de Wi­der­rufs­frist - Wi­der­ruf am 1. Ok­to­ber, Frist­ab­lauf am 31. De­zem­ber des Fol­ge­jah­res - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­ge­wandt wer­den. Dies zeigt: Auch die Fra­ge, ob die Vor­ga­ben des streit­ge­gen­ständ­li­chen bran­den­bur­gi­schen Lan­des­rechts zur Ar­beits­zeit für Feu­er­wehr­be­am­te in der Zeit zwi­schen 2007 (In­kraft­tre­ten von § 4 AZV Feu 2007 im Au­gust 2007) und 2014 (In­kraft­tre­ten von § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2014 im Au­gust 2014) den An­for­de­run­gen der Frei­wil­lig­keit für die Dau­er der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­nü­gen, lässt sich auf­grund ei­ner Nor­m­aus­le­gung nach Wort­laut, Sys­te­ma­tik und Zweck nicht hin­rei­chend ein­deu­tig und klar be­ant­wor­ten.

41 cc) Die Text­ana­ly­se schlie­ßt es nach al­le­dem aus, hin­sicht­lich der Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fra­gen der Not­wen­dig­keit von Be­zugs­zeit­räu­men und den An­for­de­run­gen an die Frei­wil­lig­keit für den Wi­der­ruf von Ein­ver­ständ­nis­er­klä­run­gen zur Zu­viel­ar­beit hin­sicht­lich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 von ei­nem "hin­rei­chend qua­li­fi­zier­ten Ver­stoß" ge­gen das Uni­ons­recht im Sinn des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs aus­zu­ge­hen.

42 4. Un­ge­ach­tet der evi­dent un­zu­rei­chen­den Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Re­ge­lung der Ar­beits­zeit von kom­mu­na­len Feu­er­wehr­be­am­ten zu­stän­di­gen Lan­des­ge­setz­ge­ber ist die be­klag­te Stadt hier als Nor­m­an­wen­der auf­grund des An­wen­dungs­vor­rangs des Uni­ons­rechts ge­hal­ten ge­we­sen, die Vor­ga­ben der Richt­li­nie zu be­fol­gen und ent­ge­gen­ste­hen­des Lan­des­recht un­an­ge­wen­det zu las­sen. Die Be­klag­te hät­te er­ken­nen müs­sen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 klar und ein­deu­tig die Vor­ga­be ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ver­let­zen, weil es die­sen Rechts­ver­ord­nun­gen an ei­ner Vor­schrift fehlt, die ge­währ­leis­tet, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, Zu­viel­ar­beit zu leis­ten. Ein Trä­ger öf­fent­li­cher Ge­walt ist auch in sei­ner Ei­gen­schaft als öf­fent­li­cher Ar­beit­ge­ber zur An­wen­dung des Uni­ons­rechts ver­pflich­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Im­pact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Da­nach hat die Be­klag­te in ih­rer Ei­gen­schaft als Dienst­her­rin des Klä­gers durch Nicht­be­ach­tung des An­wen­dungs­vor­rangs der EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ge­gen das Uni­ons­recht ver­sto­ßen. Dass sie in­ner­staat­lich die Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des im Rah­men ih­rer Auf­ga­ben der mit­tel­ba­ren Staats­ver­wal­tung zu be­fol­gen hat­te, än­dert dar­an nichts.

43 5. Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit setzt - wie der na­tio­na­le dienst­recht­li­che Aus­gleichs­an­spruch - vor­aus, dass er vom Be­am­ten oder Sol­da­ten zu­vor zu­min­dest in Form ei­ner Rü­ge gel­tend ge­macht wor­den ist. Aus­zu­glei­chen ist die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit, die ab dem auf die erst­ma­li­ge schrift­li­che Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet wor­den ist (stRspr, BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Klä­ger erst im De­zem­ber 2010 den An­trag ge­stellt hat, ste­hen ihm An­sprü­che erst ab Ja­nu­ar 2011 zu.

44 a) Be­sol­dungs­an­sprü­che von Be­am­ten und Sol­da­ten er­ge­ben sich un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), ei­nes An­tra­ges oder ei­ner Rü­ge be­darf es da­her nicht. Ent­spre­chen­des gilt für Ver­sor­gungs­be­zü­ge (z.B. § 3 Abs. 1 Be­amtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechts­grund der Ali­men­tie­rung von Ru­he­stands­be­am­ten ist zwar der Ver­sor­gungs­fest­set­zungs­be­scheid, auch die­ser er­geht in­des von Amts we­gen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 Be­amtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und be­darf da­her we­der ei­nes An­trags noch ei­ner Hin­weis­pflicht (BVer­wG, Ur­teil vom 25. Ok­to­ber 2012 - 2 C 59.11 - BVer­w­GE 145, 14 Rn. 34).

45 An­sprü­che, de­ren Fest­set­zung und Zah­lung sich nicht un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz er­ge­ben, be­dür­fen da­ge­gen ei­ner vor­he­ri­gen Gel­tend­ma­chung (BVerfG, Be­schluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerf­GE 81, 363 <384 f.>; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - ju­ris Rn. 16). Denn hier ist ei­ne vor­gän­gi­ge be­hörd­li­che Ent­schei­dung über Grund und Hö­he der be­gehr­ten Zah­lung er­for­der­lich.

46 Für An­sprü­che we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit gilt dies in be­son­de­rer Wei­se. Die­se sind nicht pri­mär auf die Zah­lung ei­nes fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs ge­rich­tet, son­dern auf die Be­sei­ti­gung des rechts­wid­ri­gen Zu­stands. Durch den Hin­weis des Be­am­ten oder Sol­da­ten ist da­her zu­nächst ei­ne Prü­fung sei­nes Dienst­herrn ver­an­lasst, ob ei­ne Än­de­rung der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung er­for­der­lich ist und ob ei­ne rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit - et­wa durch An­pas­sung der ma­ß­geb­li­chen Dienst­plä­ne - ver­mie­den oder durch die Ge­wäh­rung von Frei­zeit­aus­gleich kom­pen­siert wer­den kann. Oh­ne ent­spre­chen­de Rü­ge muss der Dienst­herr nicht da­von aus­ge­hen, je­der Be­am­te wer­de die Über­schrei­tung der ak­tu­el­len Ar­beits­zeit­re­ge­lung be­an­stan­den. Auch hin­sicht­lich der mög­li­chen fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs­pflicht hat der Dienst­herr ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an, nicht nach­träg­lich mit un­vor­her­seh­ba­ren Zah­lungs­be­geh­ren kon­fron­tiert zu wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 21. Sep­tem­ber 2006 - 2 C 7.06 - Buch­holz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Be­am­te wird durch das Er­for­der­nis der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn auch nicht un­zu­mut­bar be­las­tet. Denn an die Rü­ge des Be­rech­tig­ten sind kei­ne zu ho­hen An­for­de­run­gen zu stel­len. Es reicht aus, wenn sich aus der Äu­ße­rung er­gibt, dass der Be­am­te oder Sol­dat die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt hält. We­der ist ein An­trag im rechts­tech­ni­schen Sin­ne er­for­der­lich noch muss Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich, be­an­tragt oder der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich kon­kret be­rech­net wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buch­holz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die An­wen­dung des Grund­sat­zes der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung auch auf den nicht nor­ma­tiv ge­re­gel­ten uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch ist mit Uni­ons­recht ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­teil vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Vor­aus­set­zung für die Ver­ein­bar­keit des ge­nann­ten Grund­sat­zes mit Uni­ons­recht ist, dass den An­for­de­run­gen des Äqui­va­lenz- und des Ef­fek­ti­vi­täts­grund­sat­zes Rech­nung ge­tra­gen ist (Eu­GH, Ur­tei­le vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C-20/13, Un­land - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den na­tio­na­len Ge­rich­ten ob­lie­gen­de Prü­fung er­gibt, dass die Vor­aus­set­zun­gen der bei­den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben in Be­zug auf das Ge­bot der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung er­füllt sind. Dem Ge­bot, dass die Mo­da­li­tä­ten zur Durch­set­zung des uni­ons­recht­li­chen An­spruchs nicht un­güns­ti­ger sein dür­fen als die­je­ni­gen, die gleich­ar­ti­ge Sach­ver­hal­te in­ner­staat­li­cher Art re­geln (Äqui­va­lenz­grund­satz), ist Rech­nung ge­tra­gen. Auch der - ne­ben dem uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch be­stehen­de, rich­ter­recht­lich ent­wi­ckel­te - Aus­gleichs­an­spruch aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ist nur ge­ge­ben, wenn der Be­rech­tig­te die­sen ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn gel­tend macht (BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz ver­langt, dass die Aus­übung der durch das Uni­ons­recht ver­lie­he­nen Rech­te nicht prak­tisch un­mög­lich ge­macht oder über­mä­ßig er­schwert wird. Die Fest­set­zung an­ge­mes­se­ner Aus­schluss­fris­ten für die Rechts­ver­fol­gung ist im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit, die zu­gleich den Be­rech­tig­ten und die Be­hör­de schützt, mit die­sen Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2011 - C-262/09, Meili­cke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C- 20/13, Un­land - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zu­dem sind, wie dar­ge­legt, die An­for­de­run­gen an die schrift­li­che Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­ring. Denn der Be­rech­tig­te muss ge­gen­über dem Dienst­herrn le­dig­lich schrift­lich zum Aus­druck brin­gen, er hal­te die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt.

50 6. Der pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­te­te An­spruch des Klä­gers wan­delt sich in­fol­ge Ab­laufs des mög­li­chen Aus­gleichs­zeit­raums in ei­nen An­spruch auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich, der we­der ver­fal­len noch aus an­de­ren Grün­den aus­ge­schlos­sen ist.

51 Der Haf­tungs­an­spruch we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­tet. Zweck der Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum, den Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer zu ge­währ­leis­ten, ist nicht durch ei­ne Geld­zah­lung, son­dern durch die Frei­stel­lung von der Pflicht zur Dienst­leis­tung zu er­rei­chen.

52 Schei­det aber die Ge­wäh­rung von Frei­zeit zum Aus­gleich der uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit aus vom Be­rech­tig­ten nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus, so ge­bie­tet es der uni­ons­recht­li­che Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz, dass die ent­stan­de­nen An­sprü­che nicht un­ter­ge­hen, son­dern sich in sol­che auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich um­wan­deln (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Da­nach sind hier fi­nan­zi­el­le Aus­gleichs­an­sprü­che des Klä­gers nicht aus­ge­schlos­sen, weil die über die Jah­re hin­weg an­ge­spann­te Per­so­nal­si­tua­ti­on bei der Be­rufs­feu­er­wehr der Be­klag­ten, in der der Klä­ger Dienst zu leis­ten hat­te, eben­so wie der zwi­schen­zeit­li­che Zeit­ab­lauf der Ge­wäh­rung von Frei­zeit zur Ab­gel­tung der ent­stan­de­nen An­sprü­che ent­ge­gen­stan­den.

53 7. Ob der Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig zu viel ge­ar­bei­tet hat, be­stimmt sich hier nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum im Sin­ne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Eben­so wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wen­det sich auch Art. 16 die­ser Richt­li­nie ("Die Mit­glied­staa­ten kön­nen ... vor­se­hen") an den Mit­glied­staat. Die­ser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG ab­wei­chen­den Fest­le­gung des Be­zugs­zeit­raums ("bis zu vier Mo­na­ten") be­rech­tigt, aber nicht ver­pflich­tet. Ob und in­wie­weit der Mit­glied­staat die­se Er­mäch­ti­gung zu der für den Ar­beit­neh­mer un­güns­ti­gen Aus­deh­nung des Be­zugs­zeit­raums auf bis zu vier Mo­na­ten aus­nutzt, ist Sa­che der je­weils zu­stän­di­gen ge­setz­ge­ben­den Or­ga­ne des Mit­glied­staa­tes, weil nur sie die zur Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie er­for­der­li­chen Rechts­no­men er­las­sen kön­nen. Die Aus­übung der Er­mäch­ti­gung ist je­den­falls nicht den das Recht an­wen­den­den na­tio­na­len Ge­rich­ten in dem Sin­ne über­ant­wor­tet, dass die­se den Be­zugs­zeit­raum nach dem As­pekt der "Sach­ge­rech­tig­keit" fest­le­gen kön­nen. Um die ihm ein­ge­räum­te Be­fug­nis in An­spruch zu neh­men, muss der Mit­glied­staat auch die Ent­schei­dung tref­fen, sich auf die­se Er­mäch­ti­gung zu be­ru­fen. Im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit muss die­se Ent­schei­dung des Mit­glied­staa­tes be­stimmt und klar sein (Eu­GH, Ur­teil vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVer­wG, Ur­teil vom 15. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeit­raum bis zum 1. Au­gust 2014 und da­mit in der hier zwi­schen den Be­tei­lig­ten strei­ti­gen Zeit zwi­schen 2008 und 2012 hat­te das Land den Be­zugs­zeit­raum für die vom Klä­ger frei­wil­lig er­brach­te uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 auf ein Jahr - an­statt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­sig er­öff­net - auf bis zu ma­xi­mal vier Mo­na­ten er­streckt.

56 Auch die sons­ti­gen Be­stim­mun­gen der RL 2003/88/EG, die zu ei­ner Ver­län­ge­rung des Be­zugs­zeit­raums füh­ren kön­nen - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Mo­na­te bei Fest­le­gun­gen in Ta­rif­ver­trä­gen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen So­zi­al­part­nern -, grei­fen nicht zu Guns­ten der Be­klag­ten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG set­zen je­weils vor­aus, dass der Mit­glied­staat Re­ge­lun­gen im Sin­ne von Art. 16 RL 2003/88/EG er­las­sen hat, die den An­for­de­run­gen an die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie in na­tio­na­les Recht im Sin­ne von Art. 288 Abs. 3 AEUV ge­nü­gen. Dar­an fehlt es aber eben­so wie an der Aus­nut­zung der ge­nann­ten Be­fug­nis­se ("sind ... zu­läs­sig" und "kann ab­ge­wi­chen wer­den") durch den Er­lass ei­ner für die Um­set­zung er­for­der­li­chen Rechts­norm des in­ner­staat­li­chen Norm­ge­bers.

57 8. Die Be­rech­nung der vom Klä­ger für die Zeit ab dem Fol­ge­mo­nat der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung - hier: Gel­tend­ma­chung im De­zem­ber 2010 - der im Ein­zel­nen er­brach­ten uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit ist kon­kret und nicht - wie vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt an­ge­nom­men - pau­schal zu er­mit­teln. Die kon­kre­te Er­mitt­lung der vom Klä­ger für den Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2011 bis zum 31. De­zem­ber 2012 tat­säch­lich ge­leis­te­ten Zu­viel­ar­beit ist die wei­te­re Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens. Da­bei folgt schon aus dem Uni­ons­recht ge­mäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Zei­ten des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs so­wie die Krank­heits­zei­ten bei der Be­rech­nung des Durch­schnitts der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit un­be­rück­sich­tigt blei­ben oder neu­tral sind. Die­se Vor­ga­be des Uni­ons­rechts ver­langt, dass un­ge­ach­tet der Fra­ge der Um­set­zung in in­ner­staat­li­ches Recht durch ei­ne Rechts­norm die be­tref­fen­den Ta­ge bei der Be­rech­nung mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen sind.

58 Die Ar­beits­zeitricht­li­nie nimmt zwar le­dig­lich auf den uni­ons­recht­lich ge­währ­leis­te­ten Min­dest­ur­laub von vier Wo­chen Be­zug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der dar­über hin­aus­ge­hen­de, im na­tio­na­len Recht be­grün­de­te Mehr­ur­laub ist in­des mit der Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mit­glied­staa­ten un­be­rührt, für die Si­cher­heit und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten an­zu­wen­den oder zu er­las­sen. Dies um­fasst auch die Ein­räu­mung ei­nes über den uni­ons­recht­li­chen Min­dest­ur­laub hin­aus­ge­hen­den Ur­laubs­an­spruchs. Da der Klä­ger am Ur­laubs­tag von der Pflicht zur Dienst­leis­tung be­freit ist und auch der Mehr­ur­laub der Er­ho­lung des Klä­gers dient, kön­nen die­se Ta­ge nicht als Aus­gleich für ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum her­an­ge­zo­gen wer­den (vgl. eben­so schon BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Fei­er­ta­ge, die auf Wo­chen­ta­ge fal­len, sind mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit ein­zu­be­zie­hen und da­mit grund­sätz­lich zu neu­tra­li­sie­ren. So­weit der Klä­ger an die­sen Ta­gen nicht zur Dienst­leis­tung ver­pflich­tet war, kön­nen sol­che Ta­ge nicht zum Aus­gleich ei­ner et­wai­gen Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit her­an­ge­zo­gen wer­den. Dem­ge­gen­über sind Zei­ten, in de­nen dem Klä­ger auf Grund­la­ge des Dienst­zeit­aus­gleichser­las­ses ein zeit­li­cher Aus­gleich ge­währt wur­de, kei­ne Ar­beits­zeit im Sin­ne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Ar­beits­zeit zäh­len uni­ons­recht­lich sämt­li­che Zei­ten, die vom be­tref­fen­den Feu­er­wehr­be­am­ten im Rah­men von Ar­beits­be­reit­schaft und Be­reit­schafts­dienst in Form per­sön­li­cher An­we­sen­heit in der Dienst­stel­le ab­ge­leis­tet wor­den sind, un­ab­hän­gig da­von, wel­che Ar­beits­leis­tung er wäh­rend die­ses Diens­tes tat­säch­lich er­bracht hat (Eu­GH, Ur­teil vom 3. Ok­to­ber 2000 - C-303/98, Si­map - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Des­halb wird auch die ge­naue Be­stim­mung der Zahl der aus­zu­glei­chen­den Stun­den Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens sein. Nach dem uni­ons­recht­li­chen Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz muss da­nach vor­lie­gend je­de Stun­de, die der Klä­ger in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­rau­mes über 48 Stun­den hin­aus ge­ar­bei­tet hat, aus­ge­gli­chen wer­den, weil die Vor­aus­set­zun­gen für das von der Be­klag­ten gel­tend ge­mach­te "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie ge­zeigt - nicht vor­la­gen. Auch dies spricht nur für ei­nen Aus­gleich von tat­säch­lich und kon­kret er­brach­ter Zu­viel­ar­beit.

61 Der Geld­aus­gleich für die vom Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit ori­en­tiert sich an den je­weils gel­ten­den Stun­den­sät­zen der Ver­ord­nung über die Ge­wäh­rung von Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te in der Fas­sung der Be­kannt­ma­chung vom 3. De­zem­ber 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deut­lich, dass es um die kon­kret stun­den­be­zo­ge­ne Ab­rech­nung der Zu­viel­ar­beit geht und nicht um de­ren pau­scha­le Zu­grun­de­le­gung. Zwar un­ter­schei­den sich recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit und uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit tat­be­stand­lich. Recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit be­darf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der An­ord­nung oder Ge­neh­mi­gung, die nur ver­fügt oder er­teilt wer­den darf, wenn zwin­gen­de dienst­li­che Ver­hält­nis­se dies er­for­dern und sich die Mehr­ar­beit auf Aus­nah­me­fäl­le be­schränkt. Des Wei­te­ren darf an­ge­ord­ne­te oder ge­neh­mig­te Mehr­ar­beit die uni­ons­recht­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den im Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - au­ßer­halb der vom Uni­ons­recht vor­ge­se­he­nen Ver­fah­ren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht über­schrei­ten (BVer­wG, Ur­teil vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 14). Nur un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen liegt Mehr­ar­beit im dienst­recht­li­chen Sinn vor, die zeit­aus­gleichs- oder ver­gü­tungs­fä­hig ist. Da­ge­gen han­delt es sich bei rechts­wid­rig ge­leis­te­ter Zu­viel­ar­beit im öf­fent­li­chen Dienst­recht um die Dienst­zeit, die der Be­am­te über die uni­ons­recht­lich nach Ma­ß­ga­be der Ar­beits­zeitricht­li­nie und ih­rer Aus­nah­me­be­stim­mun­gen höchs­tens zu­läs­si­ge wö­chent­li­che Ar­beits­zeit hin­aus er­bringt. Sie ist ihm stets voll aus­zu­glei­chen, pri­mär durch Frei­zeit­aus­gleich, so­fern dies nicht mehr mög­lich ist, se­kun­där durch Geld­aus­gleich. Den­noch geht es in bei­den Fäl­len um den Aus­gleich für ei­ne über­ob­li­ga­ti­ons­mä­ßi­ge Her­an­zie­hung des Be­am­ten (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), so­dass für den Geld­aus­gleich auch in Fäl­len uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit in der Rechts­fol­ge die Stun­den­sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tungs­ver­ord­nung her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen.

62 Auf die Vor­schrif­ten über die Be­sol­dung kann hin­ge­gen nicht zu­rück­ge­grif­fen wer­den (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 39). Denn die Be­sol­dung ist kein Ent­gelt im Sin­ne ei­ner Ent­loh­nung für kon­kre­te Diens­te (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerf­GE 44, 249 <264>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>), son­dern die Ge­gen­leis­tung des Dienst­herrn da­für, dass sich der Be­am­te mit vol­lem per­sön­li­chen Ein­satz der Er­fül­lung sei­ner Dienst­pflich­ten wid­met (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerf­GE 21, 329 <345>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Ent­loh­nung von Ar­beits­stun­den, son­dern auf die Si­cher­stel­lung ei­ner amts­an­ge­mes­se­nen Le­bens­füh­rung ge­rich­tet.

63 9. Nach al­le­dem hat für den Se­nat kei­ne Ver­an­las­sung be­stan­den, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen, um ei­ne Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Uni­on nach Art. 267 AEUV ein­zu­ho­len. Dem Klä­ger steht für den Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2011 bis zum 31. De­zem­ber 2012 stun­den­be­zo­ge­ner Geld­aus­gleich zu, für den die Be­klag­te nach Ma­ß­ga­be der Grund­sät­ze des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ein­zu­tre­ten hat, weil sie bei der vom Klä­ger kon­kret er­brach­ten Zu­viel­ar­beit den An­wen­dungs­vor­rang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 of­fen­kun­dig ver­letz­ten Nach­teils­ver­bots ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht be­ach­tet hat. Auf wei­te­re Fra­gen des Uni­ons­rechts hat es des­halb nicht mehr ent­schei­dungs­er­heb­lich an­kom­men kön­nen.

Ur­teil vom 20.07.2017 -
BVer­wG 2 C 44.16ECLI:DE:BVer­wG:2017:200717U2C44.16.0

Ur­teil

BVer­wG 2 C 44.16

  • VG Pots­dam - 16.10.2013 - AZ: VG 2 K 1399/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 27.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 20. Ju­li 2017
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung, Dr. Kennt­ner, Dol­lin­ger und Dr. Gün­ther
für Recht er­kannt:

  1. Die Kla­ge wird ab­ge­wie­sen, so­weit mit ihr ein Geld­aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2009 bis 29. Fe­bru­ar 2012 gel­tend ge­macht wird. Die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 18. Ju­ni 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 16. Ok­to­ber 2013 wer­den auf­ge­ho­ben, so­weit sie dem ent­ge­gen­ste­hen.
  2. Im Üb­ri­gen (hin­sicht­lich des Zeit­raums vom 1. März 2012 bis 31. De­zem­ber 2012) wird das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg auf­ge­ho­ben. In­so­weit wird die Sa­che zur an­der­wei­ti­gen Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen.
  3. Die Ent­schei­dung über die Kos­ten des Ver­fah­rens bleibt der Schluss­ent­schei­dung vor­be­hal­ten.

Grün­de

I

1 Der Klä­ger, der im streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum bei der be­klag­ten Stadt als Feu­er­wehr­be­am­ter im 24-Stun­den-Schicht­dienst tä­tig war, be­gehrt fi­nan­zi­el­len Aus­gleich für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit.

2 Der von dem Klä­ger im Ok­to­ber 2007 be­an­trag­ten Er­hö­hung sei­ner durch­schnitt­li­chen wö­chent­li­chen Ar­beits­zeit auf bis zu 56 Stun­den ent­sprach die Be­klag­te durch Be­scheid vom 26. Ok­to­ber 2007. Den an sie im Fe­bru­ar 2012 ge­rich­te­ten An­trag des Klä­gers auf Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se auf Geld­aus­gleich für die von ihm seit dem Jahr 2003 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus ver­rich­te­ten Dienst­zei­ten, lehn­te die Be­klag­te ab. Das Vor­ver­fah­ren blieb er­folg­los.

3 Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­klag­te un­ter teil­wei­ser Auf­he­bung der an­ge­foch­te­nen Be­schei­de ver­pflich­tet, dem Klä­ger für die im Zeit­raum ab Ja­nu­ar 2009 über 48 Stun­den pro Wo­che hin­aus­ge­hend ge­leis­te­te Ar­beit Geld­aus­gleich nach dem je­weils gel­ten­den Stun­den­satz für die Mehr­ar­beits­ver­gü­tung zu ge­wäh­ren. Das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt hat die Be­ru­fung mit der Ma­ß­ga­be zu­rück­ge­wie­sen, dass es die Be­klag­te ver­ur­teilt hat, an den Klä­ger für den Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2009 bis zum 31. De­zem­ber 2012 ei­nen Be­trag von 17 494,65 € nebst Zin­sen in Hö­he von fünf Pro­zent­punk­ten über dem Ba­sis­zins ab Rechts­hän­gig­keit zu zah­len. Zur Be­grün­dung hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt im We­sent­li­chen aus­ge­führt, dem Klä­ger ste­he der zu­ge­spro­che­ne Geld­aus­gleich in­fol­ge des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs we­gen Ver­let­zung der Ar­beits­zeitricht­li­nie zu. Ei­ne frei­wil­li­ge Zu­viel­ar­beit bei Über­schrei­tung der uni­ons­recht­lich höchst­zu­läs­si­gen Be­zugs­zeit­räu­me sei auch auf­grund von Aus­nah­me­vor­schrif­ten nicht vor­ge­se­hen.

4 Hier­ge­gen wen­det sich die vom Se­nat zu­ge­las­se­ne Re­vi­si­on der Be­klag­ten, mit der sie be­an­tragt,
die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 18. Ju­ni 2015 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Pots­dam vom 16. Ok­to­ber 2013 auf­zu­he­ben und die Kla­ge in vol­lem Um­fang ab­zu­wei­sen.

5 Der Klä­ger be­an­tragt,
die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen.

6 Der Ver­tre­ter des Bun­des­in­ter­es­ses beim Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt un­ter­stützt die Re­vi­si­on der Be­klag­ten.

II

7 Die Re­vi­si­on ist teil­wei­se be­grün­det. Das Be­ru­fungs­ur­teil ist auf­zu­he­ben. So­weit die Sa­che nicht vom Se­nat selbst ent­schie­den wer­den kann (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO), ist sie an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­zu­ver­wei­sen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Vw­GO). Die An­nah­men des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit set­ze kei­ne erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung durch den Be­trof­fe­nen vor­aus und ver­lan­ge nicht den Nach­weis der über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den hin­aus kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den, ver­let­zen re­vi­si­bles Recht. Des­halb ist die Kla­ge ab­zu­wei­sen, so­weit mit ihr fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich für nicht an­der­wei­tig ab­ge­gol­te­ne uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ja­nu­ar 2009 bis 29. Fe­bru­ar 2012 gel­tend ge­macht wird. Ob sich das Ur­teil des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts für den ver­blei­ben­den streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum vom 1. März 2012 bis zum 31. De­zem­ber 2012 aus an­de­ren Grün­den im Er­geb­nis ganz oder teil­wei­se als rich­tig dar­stellt (§ 144 Abs. 4 Vw­GO), kann der Se­nat man­gels hier­für aus­rei­chen­der tat­säch­li­cher Fest­stel­lun­gen des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts nicht ent­schei­den.

8 In dem Zeit­raum ab 2009 lie­gen die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die Be­klag­te, die das vom Land Bran­den­burg er­las­se­ne Recht le­dig­lich an­wen­det, dem Grun­de nach vor (1.). Uni­ons­recht kann in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land durch Rechts­ver­ord­nun­gen um­ge­setzt wer­den (2.). § 4 Abs. 3 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit der Be­am­ten des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in den Feu­er­weh­ren und den Leit­stel­len der Land­krei­se im Land Bran­den­burg vom 3. Au­gust 2007 (AZV Feu, GVBl. II S. 274) und § 21 Abs. 4 der Ver­ord­nung über die Ar­beits­zeit für die Be­am­ten des Po­li­zei­voll­zugs­diens­tes, des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes und des Jus­tiz­voll­zugs­diens­tes des Lan­des Bran­den­burg vom 16. Sep­tem­ber 2009 (Bb­gAZV­PFJ, GVBl. II S. 686) set­zen Art. 22 der Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes vom 4. No­vem­ber 2003 über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung (RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um. Sie ver­let­zen of­fen­kun­dig das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Ver­bot, wo­nach kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten (3.). Die An­wen­dung die­ses mit Uni­ons­recht un­ver­ein­ba­ren Lan­des­rechts ist der be­klag­ten Stadt als Dienst­her­rin der Feu­er­wehr­be­am­ten an­zu­las­ten. Durch die An­wen­dung des den Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts nicht ge­nü­gen­den in­ner­staat­li­chen Rechts ist der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch auch ge­gen­über der Kom­mu­ne als Dienst­her­rin be­grün­det (4.). Der Dienst­herr muss aber le­dig­lich die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit aus­glei­chen, die der Be­rech­tig­te ab dem auf die erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet hat. Dies ist im Fall des Klä­gers erst für die Zeit ab März 2012 der Fall (5.). Der noch nicht ver­fal­le­ne Aus­gleichs­an­spruch ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit aus­ge­rich­tet. Da die­se Form des Aus­gleichs aus vom Klä­ger nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus­schei­det, wan­delt sich der Aus­gleichs­an­spruch in ei­nen sol­chen auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich (6.). Ob und ggf. in­wie­weit der Klä­ger Zu­viel­ar­beit ge­leis­tet hat, be­stimmt sich man­gels ei­ner an­der­wei­ti­gen Re­ge­lung durch den na­tio­na­len Norm­ge­ber nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (7.). Für den Geld­aus­gleich sind die Sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te ma­ß­geb­lich. Der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich er­folgt da­nach nicht pau­schal nach der Dif­fe­renz zwi­schen der Höchst­ar­beits­zeit und der ge­neh­mig­ten Zu­viel­ar­beit. Er rich­tet sich viel­mehr nach den vom Be­am­ten kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den (8.). Die Ein­ho­lung ei­ner Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on im Ver­fah­ren nach Art. 267 AEUV ist nicht ver­an­lasst (9.).

9 1. Die Vor­aus­set­zun­gen des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ge­gen die be­klag­te Stadt, die nicht für die Um­set­zung der Vor­ga­ben der Richt­li­nie durch den Er­lass von Rechts­nor­men zu­stän­dig ist, sind im Zeit­raum ab dem Jahr 2009 dem Grun­de nach ge­ge­ben. Denn die Be­klag­te hat die zur Um­set­zung von Art. 22 RL 2003/88/EG er­las­se­nen Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg an­ge­wen­det, ob­wohl für sie er­kenn­bar war, dass die­se Um­set­zung im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot un­zu­rei­chend ge­we­sen ist.

10 Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch setzt nach der stän­di­gen Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 47 f. m.w.N.) vor­aus, dass die uni­ons­recht­li­che Norm, ge­gen die ver­sto­ßen wor­den ist, die Ver­lei­hung von Rech­ten an die Ge­schä­dig­ten be­zweckt (a), zwi­schen die­sem Ver­stoß und dem den Ge­schä­dig­ten ent­stan­de­nen Scha­den ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang be­steht (b) und der Ver­stoß ge­gen die­se Norm hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ist (c).

11 a) Nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG tref­fen die Mit­glied­staa­ten die er­for­der­li­chen Maß­nah­men, da­mit nach Ma­ß­ga­be der Er­for­der­nis­se der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer die durch­schnitt­li­che Ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum 48 Stun­den ein­schlie­ß­lich der Über­stun­den nicht über­schrei­tet. Die­se Vor­schrift ver­leiht dem Ein­zel­nen Rech­te, die die­ser nach Ab­lauf der Frist zur Um­set­zung der wort­glei­chen Vor­gän­ger­be­stim­mung des Art. 6 Nr. 2 der RL 1993/104/EG in das Ar­beits­zeit­recht der Be­klag­ten un­mit­tel­bar vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend ma­chen kann (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 56 ff.). Auch aus der Char­ta der Grund­rech­te der Eu­ro­päi­schen Uni­on, der ge­mäß Art. 6 Abs. 1 EUV der glei­che Rang wie den Ver­trä­gen zu­er­kannt ist (stRspr, zu­letzt Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2016 - C-178/15, Sob­c­zys­zyn - NZA 2016, 877 Rn. 20 und vom 11. No­vem­ber 2015 - C-219/14, Green­field - NZA 2015, 1501 Rn. 27), kann ein Ar­beit­neh­mer kei­ne wei­ter­ge­hen­den Schutz­rech­te her­lei­ten (zum ein­heit­li­chen Ar­beit­neh­mer­be­griff von Richt­li­nie und Art. 31 Abs. 2 GrCh: Eu­GH, Ur­teil vom 26. März 2015 - C-316/13, Fe­noll - NZA 2015, 1444 Rn. 23 ff.). Denn Art. 31 Abs. 2 GrCh, wo­nach je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer u.a. das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit hat, ge­währ­leis­tet auf­grund der Un­be­stimmt­heit sei­nes Wort­lauts kei­ne wei­ter­ge­hen­den In­di­vi­du­al­rech­te.

12 Ge­mäß der Aus­nah­me­vor­schrift des Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG steht es den Mit­glied­staa­ten frei, Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG, in dem die zu­läs­si­ge Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum nor­miert wird, un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen nicht an­zu­wen­den. Ein sol­ches "Opt-out" ist nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG nur mög­lich, wenn die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­ge­hal­ten wer­den und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für ge­sorgt wird, dass kein Ar­beit­ge­ber von dem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn, der Ar­beit­neh­mer ist frei­wil­lig da­zu be­reit, und dass ihm im Wei­ge­rungs­fall kei­ne Nach­tei­le ent­ste­hen.

13 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur der­zei­ti­gen Ar­beits­schutz­richt­li­nie RL 2003/88/EG, eben­so wie zu der Vor­gän­ger­richt­li­nie RL 1993/104/EG, sind ab­wei­chen­de Be­stim­mun­gen als Aus­nah­men von der Ge­mein­schafts­re­ge­lung über die Ar­beits­zeit­ge­stal­tung - wie hier Art. 22 der Richt­li­nie - so aus­zu­le­gen, dass ihr An­wen­dungs­be­reich auf das zur Wah­rung der In­ter­es­sen, de­ren Schutz sie er­mög­li­chen, un­be­dingt Er­for­der­li­che be­grenzt wird (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 2003 - C-151/02, Jae­ger - Slg. 2003, I-8389 Rn. 89, vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 58 und vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31; eben­so Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 14).

14 Durch die Vor­ga­ben in den Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des Bran­den­burg - hier: § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - wird Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG zwar for­mell wirk­sam (sie­he un­ten 2.), aber in­halt­lich in­fol­ge Nicht­be­ach­tung des Nach­teils­ver­bots (Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG) nur un­voll­stän­dig und da­mit feh­ler­haft um­ge­setzt (sie­he un­ten 3.). Dies ver­letzt den Klä­ger in den ihm aus Art. 6 und Art. 22 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Rech­ten. Die be­klag­te Stadt hat die­se im Hin­blick auf das Nach­teils­ver­bot uni­ons­rechts­wid­ri­gen Vor­schrif­ten an­ge­wandt und da­mit ih­rer­seits den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch des Klä­gers aus­ge­löst (sie­he un­ten 4.).

15 b) Zwi­schen dem Ver­stoß ge­gen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG und dem Scha­den, der dem Klä­ger durch die uni­ons­rechts­wid­rig er­brach­te Zu­viel­ar­beit ent­stan­den ist, be­steht auch ein un­mit­tel­ba­rer Kau­sal­zu­sam­men­hang. Un­er­heb­lich ist, dass die­se Zu­viel­ar­beit des Klä­gers und der da­mit ver­bun­de­ne Ver­lust an Frei­zeit und Er­ho­lungs­zeit nach na­tio­na­lem Recht kei­nen Scha­den im Sin­ne des zi­vil­recht­li­chen Scha­dens­er­satz­rechts dar­stel­len. Ma­ß­geb­lich ist in­so­weit al­lein auf das Uni­ons­recht ab­zu­stel­len, das hier­in ei­nen Scha­den sieht (Eu­GH, Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 59, 61 und 63 so­wie Te­nor 1 und 4; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 24 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 20).

16 c) Dar­über hin­aus ist der Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht auch hin­rei­chend qua­li­fi­ziert, um den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch zu be­grün­den. Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs ist das der Fall, wenn der Mit­glied­staat die Gren­zen, die sei­nem Er­mes­sen ge­setzt sind, of­fen­kun­dig und er­heb­lich über­schrit­ten hat, wo­bei zu den in­so­weit zu be­rück­sich­ti­gen­den Ge­sichts­punk­ten ins­be­son­de­re das Maß an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der ver­letz­ten Vor­schrift so­wie der Um­fang des Er­mes­sens­spiel­raums ge­hö­ren, den die ver­letz­te Vor­schrift den na­tio­na­len Be­hör­den be­lässt (Eu­GH, Ur­tei­le vom 5. März 1996 - C-46/93 und C-48/93, Bras­se­rie du pêcheur und Fac­tor­ta­me - Slg. 1996, I-1029 Rn. 55 f., vom 25. Ja­nu­ar 2007 - C-278/05, Ro­bins u. a. - Slg. 2007, I-1053 Rn. 70 so­wie Ur­teil vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51; BVer­wG, Ur­teil vom 30. Ok­to­ber 2014 - 2 C 3.13 - Buch­holz 245 Lan­des­BesR Nr. 8 Rn. 29). Ein qua­li­fi­zier­ter Ver­stoß ge­gen das Uni­ons­recht zu­las­ten des Klä­gers liegt im Hin­blick auf das von der Be­klag­ten zu be­ach­ten­de Nach­teils­ver­bot aus Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG vor (sie­he 3.a).

17 Für den Zeit­raum ab dem Jahr 2009 sind zu­gleich grund­sätz­lich die Vor­aus­set­zun­gen des dienst­recht­li­chen Aus­gleichs­an­spruchs aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ge­ge­ben (BVer­wG, Ur­tei­le vom 28. Mai 2003 - 2 C 28.02 - Buch­holz 232 § 72 BBG Nr. 38 S. 6 f., vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 8 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26). Die bei­den An­sprü­che sind hin­sicht­lich der Ver­jäh­rung so­wie der Rechts­fol­gen gleich­ge­rich­tet (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 14, 26 und 30).

18 2. In­ner­staat­li­che Rechts­vor­schrif­ten, die - wie hier § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 - ei­ne Richt­li­nie der Eu­ro­päi­schen Uni­on in deut­sches Recht um­set­zen, sind am Maß­stab des Uni­ons­rechts zu mes­sen, so­weit die Richt­li­nie den Mit­glied­staa­ten kei­nen Um­set­zungs­spiel­raum lässt, son­dern zwin­gen­de Vor­ga­ben macht (vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 22. Ok­to­ber 1986 - 2 BvR 197/83 - BVerf­GE 73, 339 <387>, vom 7. Ju­ni 2000 - 2 BvL 1/97 - BVerf­GE 102, 147 <162 ff.>, vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerf­GE 118, 79 <95>, vom 11. März 2008 - 1 BvR 256/08 - BVerf­GE 121, 1 <15>, vom 14. Ok­to­ber 2008 - 1 BvF 4/05 - BVerf­GE 122, 1 <20> und vom 21. Sep­tem­ber 2016 - 2 BvL 1/15 - ju­ris Rn. 32). Den Mit­glied­staa­ten steht es un­ter den in Art. 22 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Vor­aus­set­zun­gen frei, von der nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­si­gen Höchst­ar­beits­zeit für Ar­beit­neh­mer ab­zu­wei­chen. Da­für müs­sen sie Rechts­nor­men er­las­sen (Eu­GH, Ur­teil vom 14. Ok­to­ber 2010 - C-243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 35 f.; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 23 m.w.N.), die die durch die Richt­li­nie ga­ran­tier­ten all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ge­währ­leis­ten und die dar­über hin­aus den in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG ge­nann­ten Kri­te­ri­en ge­nü­gen. Für die Trans­for­ma­ti­on von Uni­ons­recht in in­ner­staat­li­ches Recht kom­men so­wohl for­mel­le Ge­set­ze als auch Rechts­ver­ord­nun­gen in Be­tracht (vgl. nur Ruf­fert, in: Cal­liess/Ruf­fert, EUV/AEUV, 5. Aufl. 2016, Art. 288 AEUV Rn. 32 und Schro­eder, in: Streinz, EUV/AEUV, 2. Aufl. 2012, Art. 288 AEUV Rn. 94 je­weils m.w.N.). Da­mit rich­tet sich die Uni­ons­rechts­kon­for­mi­tät der frag­li­chen Rechts­ver­ord­nun­gen in­so­weit al­lein da­nach, ob die­se nach in­ner­staat­li­chem Recht ei­ne hin­rei­chen­de Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge ha­ben. § 76 Abs. 1 Satz 2 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) - eben­so wie sei­ne in­halts­glei­che Vor­gän­ger­norm in § 143 und § 134 Lan­des­be­am­ten­ge­setz Bran­den­burg vom 8. Ok­to­ber 1999 (GVBl. I S. 446) - er­mäch­tigt die zu­stän­di­gen Mit­glie­der der Lan­des­re­gie­rung aus­drück­lich, die Ar­beits­zeit der Po­li­zei- und Jus­tiz­voll­zugs­be­am­ten so­wie die des feu­er­wehr­tech­ni­schen Diens­tes in ei­ner Rechts­ver­ord­nung zu re­geln. Da­mit ist so­wohl dem uni­ons­recht­li­chen Rechts­norm­vor­be­halt als auch dem in­ner­staat­li­chen Ge­set­zes­vor­be­halt Ge­nü­ge ge­tan.

19 3.  § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und sei­ne Nach­fol­ger­vor­schrift, der wort­lauti­den­tisch bis zum 31. Ju­li 2014 gel­ten­de § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009, be­stim­men, dass auf An­trag des Be­am­ten über den Rah­men von 48 Wo­chen­stun­den hin­aus Schicht­dienst bis zu 56 Stun­den un­ter Be­ach­tung der all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes als durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Ar­beits­zeit be­wil­ligt wer­den kann. Die Be­wil­li­gung kann aus dienst­li­chen Grün­den zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jahrs mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen wer­den. Der Be­am­te ist auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit schrift­lich hin­zu­wei­sen. Er kann sei­nen An­trag zum Ab­lauf ei­nes Ka­len­der­jah­res mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten wi­der­ru­fen.

20 a) So­wohl § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 als auch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 set­zen Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht hin­rei­chend um. Da­nach hat ein Mit­glied­staat, der von die­ser Aus­nah­me­vor­schrift Ge­brauch ma­chen möch­te, mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für zu sor­gen, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, ei­ner über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) hin­aus­ge­hen­den Ar­beit nach­zu­ge­hen. Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG stellt ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" da­mit un­ter den Vor­be­halt, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen dür­fen, dass er nicht be­reit ist, aus den in der Ar­beits­zeitricht­li­nie fest­ge­leg­ten Ar­beits­zeit­höchst­gren­zen "aus­zu­tre­ten" oder "hin­aus­zu­op­tie­ren" (Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 9).

21 Nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­ho­fes der Eu­ro­päi­schen Uni­on er­for­dert die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie nicht ei­ne förm­li­che und wört­li­che Über­nah­me ih­rer Be­stim­mun­gen in ei­ne aus­drück­li­che, be­son­de­re Rechts­vor­schrift. Ihr kann viel­mehr durch ei­nen all­ge­mei­nen recht­li­chen Kon­text Ge­nü­ge ge­tan wer­den, wenn die­ser tat­säch­lich die voll­stän­di­ge An­wen­dung der Richt­li­nie hin­rei­chend klar und be­stimmt ge­währ­leis­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 31 und vom 20. Mai 1992 - C-190/90 - Slg. 1992, I-3265 Rn. 17). Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on ist je­doch er­for­der­lich, dass die Rechts­la­ge hin­rei­chend be­stimmt, klar und trans­pa­rent ist und die Be­güns­tig­ten in die La­ge ver­setzt, von al­len ih­ren Rech­ten Kennt­nis zu er­lan­gen und die­se ggf. vor den na­tio­na­len Ge­rich­ten gel­tend zu ma­chen (Eu­GH, Ur­tei­le vom 9. Sep­tem­ber 1999 - C-217/97 - Slg. 1999, I-05087 Rn. 32 und vom 23. Mai 1985 - C-29/84 - Slg. 1985, 1661 Rn. 23).

22 Der Vor­ga­be, das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nor­mier­te Nach­teils­ver­bot in in­ner­staat­li­ches Recht um­zu­set­zen, wer­den we­der § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 noch § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ge­recht. In bei­den Vor­schrif­ten fehlt ein Hin­weis auf das in Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­re­gel­te Nach­teils­ver­bot. Da­durch wird des­sen prak­ti­sche Wirk­sam­keit ge­schwächt, weil der Ar­beit­neh­mer nicht hin­rei­chend klar er­ken­nen kann, dass er sich, nach der Er­klä­rung sei­ner­seits an der Höchst­ar­beits­zeit ge­mäß Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­hal­ten zu wol­len, et­wa ge­gen nach­tei­li­ge Dienst­plan­ge­stal­tun­gen mit Er­folg zur Wehr set­zen kann (Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 11).

23 Das Nach­teils­ver­bot, das mit Blick auf den Schutz­cha­rak­ter der Ar­beits­zeitricht­li­nie we­sent­li­che Be­deu­tung hat, kommt auch nicht in sons­ti­gen im Be­reich des Lan­des Bran­den­burg gel­ten­den ver­öf­fent­lich­ten Rechts­vor­schrif­ten, wie ins­be­son­de­re den Be­am­ten­ge­set­zen, in die der in­so­weit be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer et­wa Ein­sicht neh­men könn­te, mit hin­rei­chen­der Be­stimmt­heit, Klar­heit und Trans­pa­renz zum Aus­druck. Das gilt ins­be­son­de­re für die - le­dig­lich als Ge­ne­ral­klau­sel for­mu­lier­te - be­am­ten­recht­li­che Für­sor­ge­pflicht ge­mäß § 45 Be­amtStG bzw. § 45 LBG Bbg 1999.

24 Zu­dem wä­re, selbst wenn man un­ter­stellt, dass sol­che Rechts­vor­schrif­ten vor­han­den sind, auf die den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den bran­den­bur­gi­schen Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen hin­zu­wei­sen. Dar­an fehlt es eben­falls. An­de­ren­falls wä­re der durch Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­güns­tig­te Ar­beit­neh­mer, der ty­pi­scher­wei­se ge­ra­de über kei­ne ver­tief­ten ju­ris­ti­schen Kennt­nis­se ver­fügt, nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge, die er­for­der­li­che in­halt­li­che Ver­knüp­fung zwi­schen den Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG um­set­zen­den na­tio­na­len Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeit­ver­ord­nung und dem an an­de­rer Stel­le nor­mier­ten Nach­teils­ver­bot her­zu­stel­len. So wä­re et­wa der be­güns­tig­te (be­am­te­te) Ar­beit­neh­mer nicht mit der ge­bo­te­nen Ge­währ in der La­ge zu er­ken­nen, dass sei­ne - aus dienst­li­chen Grün­den mög­li­che - Um­set­zung oder auch nur ei­ne ihm nach­tei­li­ge Dienst­plan­än­de­rung dem Nach­teils­ver­bot des Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG un­ter­fällt, wenn sie des­halb er­folgt, weil er nicht be­reit ist, über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit­gren­ze von 48 Stun­den hin­aus zu ar­bei­ten (sie­he so auch Eu­ro­päi­sche Kom­mis­si­on, Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017, ABl. Nr. C 165/54).

25 Des­halb grei­fen die Ar­beits­zeit­ver­ord­nun­gen so­wohl des Bun­des und meh­re­rer an­de­rer Bun­des­län­der, die von der Öff­nungs­klau­sel in Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG Ge­brauch ge­macht ha­ben, das Nach­teils­ver­bot ge­ra­de aus­drück­lich auf (vgl. et­wa § 13 Abs. 2 Satz 2 AZV Bund vom 29. März 2017, BGBl. I S. 626; § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AzV­BY vom 5. Ja­nu­ar 2011, GVBl. S. 12; § 1 Abs. 4 Satz 4 HAZ­VO vom 30. De­zem­ber 2009, GVBl. S. 758; § 9 Abs. 2 Satz 3 Nds. ArbZ­VO vom 6. April 2009, GVBl. S. 140; § 5 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b) AZ­VOFeu NW vom 1. Sep­tem­ber 2006, GV. NRW S. 442; § 11 Abs. 1 Nr. 2 Säch­s­AZ­VO vom 28. Ja­nu­ar 2008, GVBl. S. 198). Her­vor­zu­he­ben ist, dass auch das Recht des Lan­des Bran­den­burg nun­mehr - mit Wir­kung ab dem 1. Au­gust 2014 - das Nach­teils­ver­bot in § 21 Abs. 4 Satz 2 Bb­gAZV­PFJ vom 10. Ju­li 2014 (GVBl. II Nr. 45 S. 1) aus­drück­lich nennt. Dar­an fehlt es - für den hier streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum - aber noch in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009.

26 b) Steht da­mit die un­voll­stän­di­ge Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Nr. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­deu­tig und klar fest, kommt es auf die wei­te­re Fra­ge, ob die­se Be­stim­mun­gen der bei­den ge­nann­ten Rechts­ver­ord­nun­gen dar­über hin­aus auch den An­for­de­run­gen von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG of­fen­kun­dig nicht ge­recht wer­den, vor­lie­gend nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich an. Der Se­nat hält die­se Fra­ge für of­fen.

27 aa) Maß­st­abs­bil­den­de Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on zur Fra­ge der Not­wen­dig­keit ei­nes Be­zugs­zeit­raums und zur Aus­le­gung des Be­griffs "im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums" i.S.v. von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG oder der Vor­gän­ger­richt­li­nie gibt es für den Fall des "Opt-out" bis­lang nicht. Das gilt auch für das Ur­teil des Ge­richts­hofs vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 - (Rn. 98) für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Die­ses Ur­teil be­zieht sich auf Art. 18 Abs. 1 Buchst. b) der Vor­gän­ger­richt­li­nie 1993/104/EG, der al­ler­dings im We­sent­li­chen mit Art. 22 RL 2003/88/EG ver­gleich­bar ist. In die­sem Ur­teil führt der Ge­richts­hof aber nur aus, dass die In­an­spruch­nah­me der Mög­lich­keit, die Grund­satz­norm des Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, vor­aus­setzt, dass die Mit­glied­staa­ten die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hal­ten und be­stimm­te - in der Richt­li­nie ge­nann­te - ku­mu­la­ti­ve Vor­aus­set­zun­gen er­fül­len. Für die Fra­ge der Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums folgt dar­aus nichts, weil in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum" die Re­de ist.

28 Die in­ner­staat­li­che Recht­spre­chung zu die­ser Fra­ge ist un­ein­heit­lich (be­ja­hend: OVG Ber­lin-Bran­den­burg, Ur­tei­le vom 18. Ju­ni 2015 - OVG 6 B 19.15 - ju­ris Rn. 17 und - OVG 6 B 31.15 - ju­ris Rn. 25; ver­nei­nend: VG Mün­chen, Ur­teil vom 18. Ok­to­ber 2016 - M 5 K 14.5855 - ju­ris Rn. 32; VG Aa­chen, Ur­teil vom 28. Ja­nu­ar 2016 - 1 K 2244/14 - ju­ris Rn. 32).

29 Ei­ner­seits gibt es Ar­gu­men­te, die da­für spre­chen, ein mit­glied­staat­li­ches "Opt-out" nach Art. 22 RL 2003/88/EG nur un­ter Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums zu­zu­las­sen. Der Wort­laut von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG könn­te in deut­scher Sprach­fas­sung dar­auf hin­deu­ten, dass es den Mit­glied­staa­ten ob­liegt, ei­nen (bis zu vier­mo­na­ti­gen) Be­zugs­zeit­raum nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu re­geln. Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG be­stimmt, dass es ei­nem Mit­glied­staat frei­ge­stellt ist, Art. 6 der Richt­li­nie nicht an­zu­wen­den, wenn er die all­ge­mei­nen Grund­sät­ze der Si­cher­heit und des Ge­sund­heits­schut­zes der Ar­beit­neh­mer ein­hält und mit den er­for­der­li­chen Maß­nah­men da­für sorgt, dass kein Ar­beit­ge­ber von ei­nem Ar­beit­neh­mer ver­langt, im Durch­schnitt des in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten, es sei denn der Ar­beit­neh­mer hat sich hier­zu be­reit er­klärt. Art. 22 Abs. 1 Satz 1 Buchst. e) RL 2003/88/EG sieht des Wei­te­ren vor, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass "der Ar­beit­ge­ber die zu­stän­di­gen Be­hör­den [...] dar­über un­ter­rich­tet, wel­che Ar­beit­neh­mer sich da­zu be­reit er­klärt ha­ben, im Durch­schnitt des in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raums mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten".

30 Auch aus der Norm­sys­te­ma­tik las­sen sich Grün­de für die Not­wen­dig­keit, ei­nen Be­zugs­zeit­raum nach Ma­ß­ga­be von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG im Fal­le des "Opt-out" zu re­geln, her­lei­ten. Sys­te­ma­tisch spricht der Zu­sam­men­hang von Art. 6 und Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG für das Er­for­der­nis ei­nes Be­zugs­zeit­raums. Zu den un­ab­hän­gig vom Ein­ver­ständ­nis des Ar­beit­neh­mers zu re­geln­den Vor­ga­ben von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­hört, dass der Mit­glied­staat da­für sorgt, dass ein Ar­beit­neh­mer die Mög­lich­keit hat, nur durch­schnitt­lich 48 Wo­chen­stun­den zu ar­bei­ten. Da­für wä­re die Re­ge­lung je­den­falls ei­nes Be­zugs­zeit­raums hilf­reich.

31 Vom Zweck her soll Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­währ­leis­ten, dass die Mit­glied­staa­ten ei­ne Gren­ze für die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit re­geln, um so zum Ar­beits- und Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer bei­zu­tra­gen (EFTA-Ge­richts­hof, Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - ABl. EU 2017, Nr. C 2, 3 Rn. 36). Ein sol­cher Schutz wür­de oh­ne die Fest­le­gung ei­nes Be­zugs­zeit­raums für den Durch­schnitt der Wo­chen­ar­beits­zeit er­schwert. Der durch die durch­schnitt­li­che wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit be­zweck­te Schutz ist um­so in­ten­si­ver, je kür­zer der für den Durch­schnitt ma­ß­geb­li­che Be­zugs­zeit­raum ist. Be­son­ders in­ten­siv ist er, wenn der Be­zugs­zeit­raum nur ei­ne Wo­che be­trägt, weil es dann un­mög­lich ist, ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit ei­ner Wo­che durch ge­rin­ge­re Ar­beits­zei­ten an­de­rer Wo­chen "weg­zu­rech­nen". Ein ma­xi­ma­ler Schutz in die­sem Sin­ne wä­re mit­hin da­durch zu er­rei­chen, dass bei Feh­len ei­ner Re­ge­lung des Be­zugs­zeit­raums der kon­kre­te Sie­ben­ta­ges­zeit­raum ma­ß­geb­lich ist. Die­se Rechts­fol­ge tritt bei Feh­len ei­ner Be­zugs­zeit­raum­re­ge­lung ein, so­lan­ge Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG An­wen­dung fin­det (BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 LS 2 und Rn. 57). Die Zu­las­sung ei­ner oh­ne Be­zugs­zeit­raum mög­li­chen und da­mit un­li­mi­tier­ten Höchst­ar­beits­zeit könn­te zu­dem auch Art. 31 Abs. 2 GrCh wi­der­spre­chen, der be­stimmt, dass je­de Ar­beit­neh­me­rin und je­der Ar­beit­neh­mer das Recht auf ei­ne Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit, auf täg­li­che und wö­chent­li­che Ru­he­zei­ten so­wie auf be­zahl­ten Jah­res­ur­laub hat (vgl. Stär­ker, Kom­men­tar zur EU-Ar­beits­zeit-Richt­li­nie, 2006, Art. 22 Rn. 8).

32 Fer­ner ist zu be­rück­sich­ti­gen, dass auch ein recht­mä­ßi­ges "Opt-out" ge­mäß Art. 22 RL 2003/88/EG nur vom Er­for­der­nis der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit nach Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG be­freit, aber nicht von den täg­li­chen und wö­chent­li­chen Min­dest­ru­he­zei­ten (Art. 3 und Art. 5 RL 2003/88/EG), Ru­he­pau­sen (Art. 4 RL 2003/88/EG) oder Be­schrän­kun­gen der Nacht­ar­beit (Art. 8 RL 2003/88/EG) dis­pen­siert. Des­halb ist die Fest­stel­lung der Kom­mis­si­on in ih­ren ak­tu­el­len An­wen­dungs­hin­wei­sen zu Aus­le­gungs­fra­gen der Ar­beits­zeitricht­li­nie vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/1) zu­tref­fend, dass, be­rück­sich­tigt man nur den Zeit­raum der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit, die in der Richt­li­nie vor­ge­schrie­be­nen Min­dest­zeit­räu­me der täg­li­chen und wö­chent­li­chen Ru­he­zeit von den ins­ge­samt 168 Stun­den (24 Stun­den x 7 Ta­ge) ei­ner Wo­che be­reits durch­schnitt­lich 90 Ru­he­stun­den be­deu­ten (6 Ta­ge x 11 Stun­den täg­li­che Ru­he­zeit + 24 Stun­den wö­chent­li­che Ru­he­zeit). Dem­zu­fol­ge dürf­te un­ter Be­rück­sich­ti­gung von Ru­he­zei­ten, Ru­he­pau­sen und der mög­li­chen stren­ge­ren Be­schrän­kun­gen im Fall von Nacht­ar­beit die Ar­beits­zeit auch im Fal­le ei­ner recht­mä­ßi­gen Aus­nah­me­re­ge­lung nach Art. 22 RL 2003/88/EG ei­nen Durch­schnitt von 78 Stun­den pro Wo­che nicht über­schrei­ten (ABl. EU Nr. C 165/55).

33 An­de­rer­seits wirft die kon­kre­te Be­stim­mung ei­nes Be­zugs­zeit­raums nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ei­ne Viel­zahl von bis­lang un­ge­klär­ten uni­ons­recht­li­chen Fra­gen auf. So ist zu­nächst un­klar, ob es zur abs­trakt-ge­ne­rel­len Re­ge­lung der Mög­lich­keit ei­ner "Opt-out"-Ver­ein­ba­rung ei­nes be­son­de­ren Be­zugs­zeit­raums be­darf. Der Hin­weis in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf den in Art. 16 Buchst. b) ge­nann­ten Be­zugs­zeit­raum könn­te näm­lich auch dar­auf hin­deu­ten, dass da­mit der längs­te vom Mit­glied­staat fest­zu­le­gen­de Be­zugs­zeit­raum ge­meint ist. Da­für könn­te auch nach der deut­schen Sprach­fas­sung des Richt­li­ni­en­tex­tes spre­chen, dass in Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG nur von dem "in Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) ge­nann­ten Zeit­raum" die Re­de ist und nicht von dem "nach Ar­ti­kel 16 Buch­sta­be b) fest­ge­setz­ten Be­zugs­zeit­raum".

34 Des Wei­te­ren stel­len sich norm­sys­te­ma­ti­sche Fra­gen nach dem Ver­hält­nis von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG. Denn Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ver­weist wört­lich be­trach­tet al­lein auf den in Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ge­nann­ten Zeit­raum, so­dass frag­lich ist, ob er auch die Fest­set­zun­gen i.S.v. Art. 17 bis Art. 19 der Richt­li­nie er­fasst, in de­nen - je­weils un­ter be­son­de­ren Vor­aus­set­zun­gen - an­de­re Be­zugs­zeit­räu­me be­nannt wer­den. Da­bei ist ins­be­son­de­re zu be­rück­sich­tig­ten, dass Art. 17 bis Art. 19 RL 2003/88/EG im Ver­hält­nis zu Art. 16 RL 2003/88/EG un­ter be­stimm­ten Vor­aus­set­zun­gen län­ge­re Be­zugs­zeit­räu­me von sechs (Art. 19 Abs. 1 RL 2003/88/EG) und zwölf Mo­na­ten (Art. 19 Abs. 2 RL 2003/88/EG) er­öff­nen.

35 Die For­mu­lie­rung der ver­schie­de­nen Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie ist je nach Sprach­fas­sung und auch in­ner­halb ein­zel­ner Sprach­fas­sun­gen nach den Aus­füh­run­gen der Schluss­an­trä­ge der Ge­ne­ral­an­wäl­tin Ko­kott im Ver­fah­ren - C-484/04 - vom 9. März 2006 (Slg. I-7473 <7487> Rn. 62) un­ein­heit­lich. Nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs der Eu­ro­päi­schen Uni­on müs­sen aber die Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts im Licht der Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on ein­heit­lich aus­ge­legt und an­ge­wandt wer­den. Wei­chen die ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen ei­nes Rechts­tex­tes der Uni­on von­ein­an­der ab, muss die frag­li­che Vor­schrift an­hand der all­ge­mei­nen Sys­te­ma­tik und des Zwecks der Re­ge­lung aus­ge­legt wer­den, zu der sie ge­hört (Eu­GH, Ur­tei­le vom 17. Mai 2017 - C-48/16, ER­GO - BB 2017, 1420 Rn. 37 und vom 1. März 2016 - C-443/14, C-444/14, Alo und Os­so - NJW 2016, 1077 Rn. 27). Die Not­wen­dig­keit ei­ner ein­heit­li­chen An­wen­dung und da­mit ei­ner ein­heit­li­chen Aus­le­gung der Be­stim­mun­gen des Uni­ons­rechts schlie­ßt es da­nach aus, ei­ne Vor­schrift in ei­ner ih­rer Fas­sun­gen iso­liert zu be­trach­ten, son­dern ge­bie­tet es, sie an­hand des wirk­li­chen Wil­lens ih­res Norm­ge­bers und des von ihm ver­folg­ten Zwecks na­ment­lich im Licht ih­rer Fas­sun­gen in al­len Spra­chen der Uni­on aus­zu­le­gen. Ei­ne ab­wei­chen­de Sprach­fas­sung kann des­halb nicht al­lein ge­gen­über al­len an­de­ren Sprach­fas­sun­gen den Aus­schlag ge­ben (EuG-Rechts­mit­tel­kam­mer, Ur­teil vom 8. No­vem­ber 2012 - T-268/11 P - ju­ris Rn. 58 zu RL 2003/88/EG).

36 Hier ist auf die Un­ein­heit­lich­keit in den ver­schie­de­nen Sprach­fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1, Art. 19 Satz 2 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG hin­zu­wei­sen. Die Fas­sun­gen von Art. 16 Buchst. b), Art. 17 Abs. 1 und Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) und e) RL 2003/88/EG wei­sen in eng­li­scher, fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung je­weils klei­ne Be­son­der­hei­ten auf, die bei der Aus­le­gung der Norm zu be­rück­sich­ti­gen sein könn­ten. Art. 16 Buchst. a) RL 2003/88/EG lau­tet in eng­li­scher Fas­sung: "for the ap­pli­ca­ti­on of Ar­ti­cle 6 (ma­xi­mum weekly working time), a re­fe­rence pe­ri­od not ex­cee­ding four months", al­so um ei­nen Be­zugs­zeit­raum, der vier Mo­na­te nicht über­schrei­ten darf, wäh­rend es in fran­zö­si­scher und deut­scher Fas­sung im Gleich­klang um ei­nen Be­zugs­zeit­raum von bis zu vier Mo­na­ten ("une pe­ri­ode de re­fe­rence ne de­pas­sant pas quat­re mois") geht. Wei­ter hei­ßt es in Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG in eng­li­scher Fas­sung "du­ra­ti­on of the working time", wäh­rend sich die fran­zö­si­sche und deut­sche Fas­sung des Norm­tex­tes je­weils mit den Wor­ten "la du­ree du temps de tra­vail" oder mit dem Wort "Ar­beits­zeit" be­gnügt. Die eng­li­sche Fas­sung spricht in Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG dar­über hin­aus nur von Ta­rif­ver­trä­gen (collec­ti­ve agree­ments) und Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen bei­den Sei­ten der In­dus­trie (the two si­des of in­dus­try) wäh­rend im fran­zö­si­schen und deut­schen Text der Richt­li­nie an die­ser Stel­le von "con­ven­ti­ons collec­ti­ves"/"Ta­rif­ver­trä­gen" und "ac­cords con­clus ent­re par­ten­aires so­ci­aux"/"So­zi­al­part­nern" ge­spro­chen wird. In die­sem Zu­sam­men­hang ist auch zu be­rück­sich­ti­gen, dass die Kom­mis­si­on in ih­rer ak­tu­el­len Mit­tei­lung zu Aus­le­gungs­fra­gen in Be­zug auf die Richt­li­nie 2003/88/EG des Eu­ro­päi­schen Par­la­ments und des Ra­tes über be­stimm­te As­pek­te der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung vom 24. Mai 2017 (ABl. EU Nr. C 165/01) aus­drück­lich dar­auf hin­weist, dass die Richt­li­nie we­der den Be­griff "Ta­rif­ver­trag" de­fi­niert noch nä­her er­läu­tert, was "Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen den So­zi­al­part­nern auf na­tio­na­ler und re­gio­na­ler Ebe­ne" sind, mit der Fol­ge, dass die­se Be­grif­fe durch na­tio­na­le Rechts­vor­schrif­ten und Ge­pflo­gen­hei­ten nä­her zu be­stim­men sei­en (ABl. EU Nr. C 165/49). Schlie­ß­lich ist auf Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG auf­merk­sam zu ma­chen. Dort hei­ßt es in der eng­li­schen Fas­sung am En­de "un­less he has first ob­tai­ned the worker’s agree­ment to per­form such work”, wäh­rend es nach der fran­zö­si­schen und deut­schen Text­fas­sung aus­reicht, dass sich der Ar­beit­neh­mer be­reit er­klärt hat, mehr als 48 Stun­den in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­raums zu ar­bei­ten.

37 All die­se sprach­li­chen Un­eben­hei­ten las­sen sich norm­sys­te­ma­tisch und te­leo­lo­gisch zwar un­ter Rück­füh­rung dar­auf ver­ein­heit­li­chen, dass der Ge­richts­hof der Eu­ro­päi­schen Uni­on in den Vor­schrif­ten der Ar­beits­zeitricht­li­nie über die Min­dest­ru­he­zei­ten und die Höchst­ar­beits­zei­ten "be­son­ders wich­ti­ge Re­geln des So­zi­al­rechts der Ge­mein­schaft" sieht. Die­se Re­geln müs­sen je­dem Ar­beit­neh­mer als ein zum Schutz sei­ner Si­cher­heit und sei­ner Ge­sund­heit be­stimm­ter Min­dest­an­spruch zu­gu­te­kom­men (vgl. z.B. Eu­GH, Ur­tei­le vom 7. Sep­tem­ber 2006 - C-484/04 - Slg. 2006, I-7471 Rn. 38 und vom 14. Ok­to­ber 2010 - C 243/09, Fuß - Slg. 2010, I-9849 Rn. 47). Des­halb be­grenzt der Ge­richts­hof die den Mit­glied­staa­ten nach Art. 17 Abs. 1 RL 2003/88/EG mög­li­che Ab­wei­chungs­mög­lich­keit u.a. von der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit für Fäl­le, in de­nen die Ar­beits­zeit we­gen der be­son­de­ren Merk­ma­le der aus­ge­üb­ten Tä­tig­keit nicht ge­mes­sen und oder nicht im Vor­aus fest­ge­legt wird oder von den Ar­beit­neh­mern selbst fest­ge­legt wer­den kann, auf das zum Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer "un­be­dingt Er­for­der­li­che" (Eu­GH, Ur­teil vom 26. Ju­li 2017 - C-175/16, Häl­vä - ju­ris Rn. 31).

38 Dar­aus aber den für den uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch er­for­der­li­chen wei­te­ren Schluss zu zie­hen, ein Mit­glied­staat ver­sto­ße hin­rei­chend qua­li­fi­ziert und da­mit of­fen­kun­dig ge­gen ei­ne uni­ons­recht­li­che Norm, wenn er ei­ne "Opt-out"-Ent­schei­dung nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG trifft, oh­ne zu­gleich ei­nen Be­zugs­zeit­raum im Sin­ne von Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG fest­zu­le­gen, ist dem Se­nat man­gels des er­for­der­li­chen Ma­ßes an Klar­heit und Ge­nau­ig­keit der als ver­letzt gel­ten­den Vor­schrift - hier Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG - nicht mög­lich.

39 bb) Eben­so ver­hält es sich mit der wei­te­ren Fra­ge der Frei­wil­lig­keit der nach der Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs (Eu­GH, Ur­teil vom 5. Ok­to­ber 2004 - C-397/01 u.a., Pfeif­fer -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 80 f., 85) not­wen­dig in­di­vi­du­el­len Be­reit­schafts­er­klä­rung ei­nes Ar­beit­neh­mers. Hier geht es um den schrift­li­chen An­trag des Klä­gers vom 25. Ok­to­ber 2007, Zu­viel­ar­beit im Sin­ne von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG leis­ten zu dür­fen. Wäh­rend die Frei­wil­lig­keit und In­di­vi­dua­li­tät der Be­reit­schafts­er­klä­rung des Klä­gers un­zwei­fel­haft sind, stellt sich die Fra­ge der Ver­ein­bar­keit mit Uni­ons­recht im Hin­blick auf die Wi­der­rufs­mög­lich­keit die­ser Er­klä­rung oder die­ses An­trags nach § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009. Der Richt­li­ni­en­text ent­hält kei­ne aus­drück­li­che Re­ge­lung über das "ob" und das "wie" ei­nes die Be­reit­schafts­er­klä­rung be­tref­fen­den Wi­der­rufs­rechts des Ar­beit­neh­mers. Recht­spre­chung des Ge­richts­hofs zu Mög­lich­keit und Mo­da­li­tä­ten ei­nes Wi­der­rufs ist nicht er­sicht­lich. Der EFTA-Ge­richts­hof hat im Ur­teil vom 16. De­zem­ber 2015 - E-5/15 - (ju­ris) nur ent­schie­den, dass der ge­ne­rel­le Wi­der­rufsau­schluss ei­ner ein­mal wirk­sam ge­ge­be­nen Be­reit­schafts­er­klä­rung im Ein­zel­fall ei­ne Ver­let­zung der Richt­li­nie be­grün­den kann.

40 Ob die in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 vor­ge­se­he­ne Wi­der­rufs­mög­lich­keit mit ei­ner Frist von drei Mo­na­ten zum Ab­lauf des Ka­len­der­jah­res den An­for­de­run­gen an die je­der­zei­ti­ge Frei­wil­lig­keit der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit ge­nügt, kann hier un­ent­schie­den blei­ben. Da­für könn­te die Tat­sa­che spre­chen, dass der Richt­li­ni­en­text für die Fra­ge des Wi­der­rufs und der Wi­der­rufs­frist ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit kei­ne aus­drück­li­chen Vor­ga­ben macht. Da­ge­gen lie­ße sich in­des norm­sys­te­ma­tisch und am Zweck des Ar­beits­zeit­schut­zes ori­en­tiert für ei­nen mög­li­chen Gleich­lauf des nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG ma­xi­ma­len Be­zugs­zeit­raums von vier Mo­na­ten und der Frist für den Wi­der­ruf ei­ner Be­reit­schafts­er­klä­rung zur Zu­viel­ar­beit ar­gu­men­tie­ren (so et­wa Gall­ner, in: Fran­zen/Gall­ner/Oet­ker, Kom­men­tar zum eu­ro­päi­schen Ar­beits­recht, 2016, Art. 22 RL 2003/88/EG Rn. 10). Auch die Tat­sa­che, dass der bun­des­deut­sche Ge­setz­ge­ber in Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG die Wi­der­rufs­frist für nicht be­am­te­te Ar­beit­neh­mer in § 7 Abs. 7 Satz 2 ArbZG in der Fas­sung vom 24. De­zem­ber 2003 (BGBl. I S. 3002) ge­ne­rell auf sechs Mo­na­te oh­ne Be­gren­zung auf das Jah­res­en­de be­stimmt hat (vgl. da­zu nä­her Wank, in: Mül­ler-Glö­ge/Preis/Schmidt, Er­fur­ter Kom­men­tar zum Ar­beits­recht, 15. Aufl. 2015, § 7 ArbZG Rn. 26), könn­te ge­gen ei­ne ma­xi­mal 15 Mo­na­te lau­fen­de Wi­der­rufs­frist - Wi­der­ruf am 1. Ok­to­ber, Frist­ab­lauf am 31. De­zem­ber des Fol­ge­jah­res - in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 ein­ge­wandt wer­den. Dies zeigt: Auch die Fra­ge, ob die Vor­ga­ben des streit­ge­gen­ständ­li­chen bran­den­bur­gi­schen Lan­des­rechts zur Ar­beits­zeit für Feu­er­wehr­be­am­te in der Zeit zwi­schen 2007 (In­kraft­tre­ten von § 4 AZV Feu 2007 im Au­gust 2007) und 2014 (In­kraft­tre­ten von § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2014 im Au­gust 2014) den An­for­de­run­gen der Frei­wil­lig­keit für die Dau­er der Be­reit­schaft zur Zu­viel­ar­beit nach Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG ge­nü­gen, lässt sich auf­grund ei­ner Nor­m­aus­le­gung nach Wort­laut, Sys­te­ma­tik und Zweck nicht hin­rei­chend ein­deu­tig und klar be­ant­wor­ten.

41 cc) Die Text­ana­ly­se schlie­ßt es nach al­le­dem aus, hin­sicht­lich der Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG zu den Fra­gen der Not­wen­dig­keit von Be­zugs­zeit­räu­men und den An­for­de­run­gen an die Frei­wil­lig­keit für den Wi­der­ruf von Ein­ver­ständ­nis­er­klä­run­gen zur Zu­viel­ar­beit hin­sicht­lich § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 von ei­nem "hin­rei­chend qua­li­fi­zier­ten Ver­stoß" ge­gen das Uni­ons­recht im Sinn des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs aus­zu­ge­hen.

42 4. Un­ge­ach­tet der evi­dent un­zu­rei­chen­den Um­set­zung von Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG durch den für die Re­ge­lung der Ar­beits­zeit von kom­mu­na­len Feu­er­wehr­be­am­ten zu­stän­di­gen Lan­des­ge­setz­ge­ber ist die be­klag­te Stadt hier als Nor­m­an­wen­der auf­grund des An­wen­dungs­vor­rangs des Uni­ons­rechts ge­hal­ten ge­we­sen, die Vor­ga­ben der Richt­li­nie zu be­fol­gen und ent­ge­gen­ste­hen­des Lan­des­recht un­an­ge­wen­det zu las­sen. Die Be­klag­te hät­te er­ken­nen müs­sen, dass § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 klar und ein­deu­tig die Vor­ga­be ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG ver­let­zen, weil es die­sen Rechts­ver­ord­nun­gen an ei­ner Vor­schrift fehlt, die ge­währ­leis­tet, dass kei­nem Ar­beit­neh­mer Nach­tei­le dar­aus ent­ste­hen, dass er nicht be­reit ist, Zu­viel­ar­beit zu leis­ten. Ein Trä­ger öf­fent­li­cher Ge­walt ist auch in sei­ner Ei­gen­schaft als öf­fent­li­cher Ar­beit­ge­ber zur An­wen­dung des Uni­ons­rechts ver­pflich­tet (Eu­GH, Ur­tei­le vom 25. No­vem­ber 2010 - C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 39 und 85 und vom 15. April 2008 - C-268/06, Im­pact - Slg. 2008, I-02483 Rn. 85; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 18). Da­nach hat die Be­klag­te in ih­rer Ei­gen­schaft als Dienst­her­rin des Klä­gers durch Nicht­be­ach­tung des An­wen­dungs­vor­rangs der EU-Ar­beits­zeitricht­li­nie hin­rei­chend qua­li­fi­ziert ge­gen das Uni­ons­recht ver­sto­ßen. Dass sie in­ner­staat­lich die Rechts­ver­ord­nun­gen des Lan­des im Rah­men ih­rer Auf­ga­ben der mit­tel­ba­ren Staats­ver­wal­tung zu be­fol­gen hat­te, än­dert dar­an nichts.

43 5. Der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit setzt - wie der na­tio­na­le dienst­recht­li­che Aus­gleichs­an­spruch - vor­aus, dass er vom Be­am­ten oder Sol­da­ten zu­vor zu­min­dest in Form ei­ner Rü­ge gel­tend ge­macht wor­den ist. Aus­zu­glei­chen ist die rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit, die ab dem auf die erst­ma­li­ge schrift­li­che Gel­tend­ma­chung fol­gen­den Mo­nat ge­leis­tet wor­den ist (stRspr, BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19, vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 25). Da der Klä­ger erst im Fe­bru­ar 2012 den An­trag ge­stellt hat, ste­hen ihm An­sprü­che erst ab März 2012 zu.

44 a) Be­sol­dungs­an­sprü­che von Be­am­ten und Sol­da­ten er­ge­ben sich un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz (z.B. § 2 Abs. 1 BBesG), ei­nes An­tra­ges oder ei­ner Rü­ge be­darf es da­her nicht. Ent­spre­chen­des gilt für Ver­sor­gungs­be­zü­ge (z.B. § 3 Abs. 1 Be­amtVG, § 1a Abs. 1 SVG): Rechts­grund der Ali­men­tie­rung von Ru­he­stands­be­am­ten ist zwar der Ver­sor­gungs­fest­set­zungs­be­scheid, auch die­ser er­geht in­des von Amts we­gen (z.B. § 49 Abs. 1 Satz 1 Be­amtVG, § 46 Abs. 1 Satz 1 SVG) und be­darf da­her we­der ei­nes An­trags noch ei­ner Hin­weis­pflicht (BVer­wG, Ur­teil vom 25. Ok­to­ber 2012 - 2 C 59.11 - BVer­w­GE 145, 14 Rn. 34).

45 An­sprü­che, de­ren Fest­set­zung und Zah­lung sich nicht un­mit­tel­bar aus dem Ge­setz er­ge­ben, be­dür­fen da­ge­gen ei­ner vor­he­ri­gen Gel­tend­ma­chung (BVerfG, Be­schluss vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 - BVerf­GE 81, 363 <384 f.>; BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27 und vom 4. Mai 2017 - 2 C 60.16 - ju­ris Rn. 16). Denn hier ist ei­ne vor­gän­gi­ge be­hörd­li­che Ent­schei­dung über Grund und Hö­he der be­gehr­ten Zah­lung er­for­der­lich.

46 Für An­sprü­che we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit gilt dies in be­son­de­rer Wei­se. Die­se sind nicht pri­mär auf die Zah­lung ei­nes fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs ge­rich­tet, son­dern auf die Be­sei­ti­gung des rechts­wid­ri­gen Zu­stands. Durch den Hin­weis des Be­am­ten oder Sol­da­ten ist da­her zu­nächst ei­ne Prü­fung sei­nes Dienst­herrn ver­an­lasst, ob ei­ne Än­de­rung der Ar­beits­zeit­ge­stal­tung er­for­der­lich ist und ob ei­ne rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit - et­wa durch An­pas­sung der ma­ß­geb­li­chen Dienst­plä­ne - ver­mie­den oder durch die Ge­wäh­rung von Frei­zeit­aus­gleich kom­pen­siert wer­den kann. Oh­ne ent­spre­chen­de Rü­ge muss der Dienst­herr nicht da­von aus­ge­hen, je­der Be­am­te wer­de die Über­schrei­tung der ak­tu­el­len Ar­beits­zeit­re­ge­lung be­an­stan­den. Auch hin­sicht­lich der mög­li­chen fi­nan­zi­el­len Aus­gleichs­pflicht hat der Dienst­herr ein be­rech­tig­tes In­ter­es­se dar­an, nicht nach­träg­lich mit un­vor­her­seh­ba­ren Zah­lungs­be­geh­ren kon­fron­tiert zu wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 21. Sep­tem­ber 2006 - 2 C 7.06 - Buch­holz 240 § 40 BBesG Nr. 39 Rn. 15 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 28).

47 Der Be­am­te wird durch das Er­for­der­nis der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn auch nicht un­zu­mut­bar be­las­tet. Denn an die Rü­ge des Be­rech­tig­ten sind kei­ne zu ho­hen An­for­de­run­gen zu stel­len. Es reicht aus, wenn sich aus der Äu­ße­rung er­gibt, dass der Be­am­te oder Sol­dat die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt hält. We­der ist ein An­trag im rechts­tech­ni­schen Sin­ne er­for­der­lich noch muss Frei­zeit­aus­gleich, hilfs­wei­se fi­nan­zi­el­ler Aus­gleich, be­an­tragt oder der fi­nan­zi­el­le Aus­gleich kon­kret be­rech­net wer­den (BVer­wG, Ur­tei­le vom 27. Mai 2010 - 2 C 33.09 - Buch­holz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 15 und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 27).

48 b) Die An­wen­dung des Grund­sat­zes der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung auch auf den nicht nor­ma­tiv ge­re­gel­ten uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch ist mit Uni­ons­recht ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­teil vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff.; BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 20 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 30). Vor­aus­set­zung für die Ver­ein­bar­keit des ge­nann­ten Grund­sat­zes mit Uni­ons­recht ist, dass den An­for­de­run­gen des Äqui­va­lenz- und des Ef­fek­ti­vi­täts­grund­sat­zes Rech­nung ge­tra­gen ist (Eu­GH, Ur­tei­le vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 bis 115 und vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C-20/13, Un­land - ZBR 2015, 414 Rn. 72).

49 Die den na­tio­na­len Ge­rich­ten ob­lie­gen­de Prü­fung er­gibt, dass die Vor­aus­set­zun­gen der bei­den uni­ons­recht­li­chen Vor­ga­ben in Be­zug auf das Ge­bot der schrift­li­chen Gel­tend­ma­chung er­füllt sind. Dem Ge­bot, dass die Mo­da­li­tä­ten zur Durch­set­zung des uni­ons­recht­li­chen An­spruchs nicht un­güns­ti­ger sein dür­fen als die­je­ni­gen, die gleich­ar­ti­ge Sach­ver­hal­te in­ner­staat­li­cher Art re­geln (Äqui­va­lenz­grund­satz), ist Rech­nung ge­tra­gen. Auch der - ne­ben dem uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruch be­stehen­de, rich­ter­recht­lich ent­wi­ckel­te - Aus­gleichs­an­spruch aus dem Grund­satz von Treu und Glau­ben ist nur ge­ge­ben, wenn der Be­rech­tig­te die­sen ge­gen­über sei­nem Dienst­herrn gel­tend macht (BVer­wG, Ur­tei­le vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 19 f. und vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 ff.). Der Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz ver­langt, dass die Aus­übung der durch das Uni­ons­recht ver­lie­he­nen Rech­te nicht prak­tisch un­mög­lich ge­macht oder über­mä­ßig er­schwert wird. Die Fest­set­zung an­ge­mes­se­ner Aus­schluss­fris­ten für die Rechts­ver­fol­gung ist im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit, die zu­gleich den Be­rech­tig­ten und die Be­hör­de schützt, mit die­sen Vor­ga­ben des Uni­ons­rechts ver­ein­bar (Eu­GH, Ur­tei­le vom 30. Ju­ni 2011 - C-262/09, Meili­cke - Slg. 2011, I-5669 Rn. 56 m.w.N., vom 19. Ju­ni 2014 - C-501/12 u.a., Specht - NVwZ 2014, 1294 Rn. 110 ff., vom 9. Sep­tem­ber 2015 - C- 20/13, Un­land - NVwZ 2016, 131 Rn. 72; BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 31). Zu­dem sind, wie dar­ge­legt, die An­for­de­run­gen an die schrift­li­che Gel­tend­ma­chung des An­spruchs ge­ring. Denn der Be­rech­tig­te muss ge­gen­über dem Dienst­herrn le­dig­lich schrift­lich zum Aus­druck brin­gen, er hal­te die wö­chent­li­che Ar­beits­zeit für zu hoch fest­ge­setzt.

50 6. Der pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­te­te An­spruch des Klä­gers wan­delt sich in­fol­ge Ab­laufs des mög­li­chen Aus­gleichs­zeit­raums in ei­nen An­spruch auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich, der we­der ver­fal­len noch aus an­de­ren Grün­den aus­ge­schlos­sen ist.

51 Der Haf­tungs­an­spruch we­gen uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit ist pri­mär auf Aus­gleich in Frei­zeit ge­rich­tet. Zweck der Be­gren­zung der Höchst­ar­beits­zeit pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum, den Schutz der Si­cher­heit und Ge­sund­heit der Ar­beit­neh­mer zu ge­währ­leis­ten, ist nicht durch ei­ne Geld­zah­lung, son­dern durch die Frei­stel­lung von der Pflicht zur Dienst­leis­tung zu er­rei­chen.

52 Schei­det aber die Ge­wäh­rung von Frei­zeit zum Aus­gleich der uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit aus vom Be­rech­tig­ten nicht zu ver­tre­ten­den Grün­den aus, so ge­bie­tet es der uni­ons­recht­li­che Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz, dass die ent­stan­de­nen An­sprü­che nicht un­ter­ge­hen, son­dern sich in sol­che auf fi­nan­zi­el­len Aus­gleich um­wan­deln (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 34 ff. und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 36). Da­nach sind hier fi­nan­zi­el­le Aus­gleichs­an­sprü­che des Klä­gers nicht aus­ge­schlos­sen, weil die über die Jah­re hin­weg an­ge­spann­te Per­so­nal­si­tua­ti­on bei der Be­rufs­feu­er­wehr der Be­klag­ten, in der der Klä­ger Dienst zu leis­ten hat­te, eben­so wie der zwi­schen­zeit­li­che Zeit­ab­lauf der Ge­wäh­rung von Frei­zeit zur Ab­gel­tung der ent­stan­de­nen An­sprü­che ent­ge­gen­stan­den.

53 7. Ob der Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig zu viel ge­ar­bei­tet hat, be­stimmt sich hier nach dem je­wei­li­gen Sie­ben­ta­ges­zeit­raum im Sin­ne von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG.

54 Eben­so wie Art. 22 Abs. 1 Buchst. a) RL 2003/88/EG wen­det sich auch Art. 16 die­ser Richt­li­nie ("Die Mit­glied­staa­ten kön­nen ... vor­se­hen") an den Mit­glied­staat. Die­ser ist zu der von Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG ab­wei­chen­den Fest­le­gung des Be­zugs­zeit­raums ("bis zu vier Mo­na­ten") be­rech­tigt, aber nicht ver­pflich­tet. Ob und in­wie­weit der Mit­glied­staat die­se Er­mäch­ti­gung zu der für den Ar­beit­neh­mer un­güns­ti­gen Aus­deh­nung des Be­zugs­zeit­raums auf bis zu vier Mo­na­ten aus­nutzt, ist Sa­che der je­weils zu­stän­di­gen ge­setz­ge­ben­den Or­ga­ne des Mit­glied­staa­tes, weil nur sie die zur Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie er­for­der­li­chen Rechts­no­men er­las­sen kön­nen. Die Aus­übung der Er­mäch­ti­gung ist je­den­falls nicht den das Recht an­wen­den­den na­tio­na­len Ge­rich­ten in dem Sin­ne über­ant­wor­tet, dass die­se den Be­zugs­zeit­raum nach dem As­pekt der "Sach­ge­rech­tig­keit" fest­le­gen kön­nen. Um die ihm ein­ge­räum­te Be­fug­nis in An­spruch zu neh­men, muss der Mit­glied­staat auch die Ent­schei­dung tref­fen, sich auf die­se Er­mäch­ti­gung zu be­ru­fen. Im In­ter­es­se der Rechts­si­cher­heit muss die­se Ent­schei­dung des Mit­glied­staa­tes be­stimmt und klar sein (Eu­GH, Ur­teil vom 21. Ok­to­ber 2010 - C-227/09, Ac­car­do - Slg. 2010, I-10273 Rn. 50 f. m.w.N. und Rn. 55; BVer­wG, Ur­teil vom 15. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 59).

55 Im Zeit­raum bis zum 1. Au­gust 2014 und da­mit in der hier zwi­schen den Be­tei­lig­ten strei­ti­gen Zeit zwi­schen 2009 und 2012 hat­te das Land den Be­zugs­zeit­raum für die vom Klä­ger frei­wil­lig er­brach­te uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit in § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 auf ein Jahr - an­statt wie nach Art. 16 Buchst. b) RL 2003/88/EG zu­läs­sig er­öff­net - auf bis zu ma­xi­mal vier Mo­na­ten er­streckt.

56 Auch die sons­ti­gen Be­stim­mun­gen der RL 2003/88/EG, die zu ei­ner Ver­län­ge­rung des Be­zugs­zeit­raums füh­ren kön­nen - nach Art. 19 Satz 2 RL 2003/88/EG bis zu zwölf Mo­na­te bei Fest­le­gun­gen in Ta­rif­ver­trä­gen oder Ver­ein­ba­run­gen zwi­schen So­zi­al­part­nern -, grei­fen nicht zu Guns­ten der Be­klag­ten ein. Art. 17 Abs. 3 Buchst. c) und Art. 18 RL 2003/88/EG set­zen je­weils vor­aus, dass der Mit­glied­staat Re­ge­lun­gen im Sin­ne von Art. 16 RL 2003/88/EG er­las­sen hat, die den An­for­de­run­gen an die Um­set­zung ei­ner Richt­li­nie in na­tio­na­les Recht im Sin­ne von Art. 288 Abs. 3 AEUV ge­nü­gen. Dar­an fehlt es aber eben­so wie an der Aus­nut­zung der ge­nann­ten Be­fug­nis­se ("sind ... zu­läs­sig" und "kann ab­ge­wi­chen wer­den") durch den Er­lass ei­ner für die Um­set­zung er­for­der­li­chen Rechts­norm des in­ner­staat­li­chen Norm­ge­bers.

57 8. Die Be­rech­nung der vom Klä­ger für die Zeit ab dem Fol­ge­mo­nat der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung - hier: Gel­tend­ma­chung im Fe­bru­ar 2012 - der im Ein­zel­nen er­brach­ten uni­ons­rechts­wid­ri­gen Zu­viel­ar­beit ist kon­kret und nicht - wie vom Ober­ver­wal­tungs­ge­richt an­ge­nom­men - pau­schal zu er­mit­teln. Die kon­kre­te Er­mitt­lung der vom Klä­ger für den Zeit­raum von März 2012 bis De­zem­ber 2012 tat­säch­lich ge­leis­te­ten Zu­viel­ar­beit ist die wei­te­re Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens. Da­bei folgt schon aus dem Uni­ons­recht ge­mäß Art. 16 Buchst. b) Satz 2 RL 2003/88/EG, dass die nach Art. 7 RL 2003/88/EG ge­währ­ten Zei­ten des be­zahl­ten Jah­res­ur­laubs so­wie die Krank­heits­zei­ten bei der Be­rech­nung des Durch­schnitts der wö­chent­li­chen Höchst­ar­beits­zeit un­be­rück­sich­tigt blei­ben oder neu­tral sind. Die­se Vor­ga­be des Uni­ons­rechts ver­langt, dass un­ge­ach­tet der Fra­ge der Um­set­zung in in­ner­staat­li­ches Recht durch ei­ne Rechts­norm die be­tref­fen­den Ta­ge bei der Be­rech­nung mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen sind.

58 Die Ar­beits­zeitricht­li­nie nimmt zwar le­dig­lich auf den uni­ons­recht­lich ge­währ­leis­te­ten Min­dest­ur­laub von vier Wo­chen Be­zug (Art. 7 RL 2003/88/EG). Auch der dar­über hin­aus­ge­hen­de, im na­tio­na­len Recht be­grün­de­te Mehr­ur­laub ist in­des mit der Soll-Ar­beits­zeit an­zu­set­zen. Denn Art. 15 RL 2003/88/EG lässt das Recht der Mit­glied­staa­ten un­be­rührt, für die Si­cher­heit und den Ge­sund­heits­schutz der Ar­beit­neh­mer güns­ti­ge­re Rechts- und Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten an­zu­wen­den oder zu er­las­sen. Dies um­fasst auch die Ein­räu­mung ei­nes über den uni­ons­recht­li­chen Min­dest­ur­laub hin­aus­ge­hen­den Ur­laubs­an­spruchs. Da der Klä­ger am Ur­laubs­tag von der Pflicht zur Dienst­leis­tung be­freit ist und auch der Mehr­ur­laub der Er­ho­lung des Klä­gers dient, kön­nen die­se Ta­ge nicht als Aus­gleich für ei­ne Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den pro Sie­ben­ta­ges­zeit­raum her­an­ge­zo­gen wer­den (vgl. eben­so schon BVer­wG, Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 66).

59 Auch Fei­er­ta­ge, die auf Wo­chen­ta­ge fal­len, sind mit der je­wei­li­gen Soll-Ar­beits­zeit ein­zu­be­zie­hen und da­mit grund­sätz­lich zu neu­tra­li­sie­ren. So­weit der Klä­ger an die­sen Ta­gen nicht zur Dienst­leis­tung ver­pflich­tet war, kön­nen sol­che Ta­ge nicht zum Aus­gleich ei­ner et­wai­gen Über­schrei­tung der Höchst­ar­beits­zeit her­an­ge­zo­gen wer­den. Dem­ge­gen­über sind Zei­ten, in de­nen dem Klä­ger auf Grund­la­ge des Dienst­zeit­aus­gleichser­las­ses ein zeit­li­cher Aus­gleich ge­währt wur­de, kei­ne Ar­beits­zeit im Sin­ne von Art. 2 Nr. 1 RL 2003/88/EG.

60 Zur Ar­beits­zeit zäh­len uni­ons­recht­lich sämt­li­che Zei­ten, die vom be­tref­fen­den Feu­er­wehr­be­am­ten im Rah­men von Ar­beits­be­reit­schaft und Be­reit­schafts­dienst in Form per­sön­li­cher An­we­sen­heit in der Dienst­stel­le ab­ge­leis­tet wor­den sind, un­ab­hän­gig da­von, wel­che Ar­beits­leis­tung er wäh­rend die­ses Diens­tes tat­säch­lich er­bracht hat (Eu­GH, Ur­teil vom 3. Ok­to­ber 2000 - C-303/98, Si­map - Slg. 2000, I-7997 Rn. 52). Des­halb wird auch die ge­naue Be­stim­mung der Zahl der aus­zu­glei­chen­den Stun­den Auf­ga­be des er­neut durch­zu­füh­ren­den Be­ru­fungs­ver­fah­rens sein. Nach dem uni­ons­recht­li­chen Ef­fek­ti­vi­täts­grund­satz muss da­nach vor­lie­gend je­de Stun­de, die der Klä­ger in­ner­halb ei­nes Sie­ben­ta­ges­zeit­rau­mes über 48 Stun­den hin­aus ge­ar­bei­tet hat, aus­ge­gli­chen wer­den, weil die Vor­aus­set­zun­gen für das von der Be­klag­ten gel­tend ge­mach­te "Opt-out" nach Art. 22 Abs. 1 RL 2003/88/EG - wie ge­zeigt - nicht vor­la­gen. Auch dies spricht nur für ei­nen Aus­gleich von tat­säch­lich und kon­kret er­brach­ter Zu­viel­ar­beit.

61 Der Geld­aus­gleich für die vom Klä­ger uni­ons­rechts­wid­rig ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit ori­en­tiert sich an den je­weils gel­ten­den Stun­den­sät­zen der Ver­ord­nung über die Ge­wäh­rung von Mehr­ar­beits­ver­gü­tung für Be­am­te in der Fas­sung der Be­kannt­ma­chung vom 3. De­zem­ber 1998 (- MVergV -, BGBl. I S. 3494). Auch dies macht deut­lich, dass es um die kon­kret stun­den­be­zo­ge­ne Ab­rech­nung der Zu­viel­ar­beit geht und nicht um de­ren pau­scha­le Zu­grun­de­le­gung. Zwar un­ter­schei­den sich recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit und uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit tat­be­stand­lich. Recht­mä­ßi­ge Mehr­ar­beit be­darf nach § 76 Abs. 2 LBG BB vom 3. April 2009 (GVBl. I S. 26) der An­ord­nung oder Ge­neh­mi­gung, die nur ver­fügt oder er­teilt wer­den darf, wenn zwin­gen­de dienst­li­che Ver­hält­nis­se dies er­for­dern und sich die Mehr­ar­beit auf Aus­nah­me­fäl­le be­schränkt. Des Wei­te­ren darf an­ge­ord­ne­te oder ge­neh­mig­te Mehr­ar­beit die uni­ons­recht­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Wo­chen­stun­den im Sie­ben­ta­ges­zeit­raum (Art. 6 Buchst. b) RL 2003/88/EG) - au­ßer­halb der vom Uni­ons­recht vor­ge­se­he­nen Ver­fah­ren nach Art. 16 bis Art. 19 RL 2003/88/EG und Art. 22 RL 2003/88/EG - nicht über­schrei­ten (BVer­wG, Ur­teil vom 29. Sep­tem­ber 2011 - 2 C 32.10 - BVer­w­GE 140, 351 Rn. 14). Nur un­ter die­sen Vor­aus­set­zun­gen liegt Mehr­ar­beit im dienst­recht­li­chen Sinn vor, die zeit­aus­gleichs- oder ver­gü­tungs­fä­hig ist. Da­ge­gen han­delt es sich bei rechts­wid­rig ge­leis­te­ter Zu­viel­ar­beit im öf­fent­li­chen Dienst­recht um die Dienst­zeit, die der Be­am­te über die uni­ons­recht­lich nach Ma­ß­ga­be der Ar­beits­zeitricht­li­nie und ih­rer Aus­nah­me­be­stim­mun­gen höchs­tens zu­läs­si­ge wö­chent­li­che Ar­beits­zeit hin­aus er­bringt. Sie ist ihm stets voll aus­zu­glei­chen, pri­mär durch Frei­zeit­aus­gleich, so­fern dies nicht mehr mög­lich ist, se­kun­där durch Geld­aus­gleich. Den­noch geht es in bei­den Fäl­len um den Aus­gleich für ei­ne über­ob­li­ga­ti­ons­mä­ßi­ge Her­an­zie­hung des Be­am­ten (BVer­wG, Ur­tei­le vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 35 und vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 67), so­dass für den Geld­aus­gleich auch in Fäl­len uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit in der Rechts­fol­ge die Stun­den­sät­ze der Mehr­ar­beits­ver­gü­tungs­ver­ord­nung her­an­ge­zo­gen wer­den kön­nen.

62 Auf die Vor­schrif­ten über die Be­sol­dung kann hin­ge­gen nicht zu­rück­ge­grif­fen wer­den (BVer­wG, Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - BVer­w­GE 143, 381 Rn. 39). Denn die Be­sol­dung ist kein Ent­gelt im Sin­ne ei­ner Ent­loh­nung für kon­kre­te Diens­te (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 30. März 1977 - 2 BvR 1039/75 u.a. - BVerf­GE 44, 249 <264>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>), son­dern die Ge­gen­leis­tung des Dienst­herrn da­für, dass sich der Be­am­te mit vol­lem per­sön­li­chen Ein­satz der Er­fül­lung sei­ner Dienst­pflich­ten wid­met (stRspr, vgl. BVerfG, Be­schlüs­se vom 11. April 1967 - 2 BvL 3/62 - BVerf­GE 21, 329 <345>, vom 15. Ok­to­ber 1985 - 2 BvL 4/83 - BVerf­GE 71, 39 <63> und vom 20. März 2007 - 2 BvL 11/04 - BVerf­GE 117, 372 <380>). Sie ist nicht auf die Ent­loh­nung von Ar­beits­stun­den, son­dern auf die Si­cher­stel­lung ei­ner amts­an­ge­mes­se­nen Le­bens­füh­rung ge­rich­tet.

63 9. Nach al­le­dem hat für den Se­nat kei­ne Ver­an­las­sung be­stan­den, das Ver­fah­ren aus­zu­set­zen, um ei­ne Vor­ab­ent­schei­dung des Ge­richts­hofs der Uni­on nach Art. 267 AEUV ein­zu­ho­len. Dem Klä­ger steht für den Zeit­raum von März 2012 bis De­zem­ber 2012 stun­den­be­zo­ge­ner Geld­aus­gleich zu, für den die Be­klag­te nach Ma­ß­ga­be der Grund­sät­ze des uni­ons­recht­li­chen Haf­tungs­an­spruchs ein­zu­tre­ten hat, weil sie bei der vom Klä­ger kon­kret er­brach­ten Zu­viel­ar­beit den An­wen­dungs­vor­rang des durch § 4 Abs. 3 AZV Feu 2007 und § 21 Abs. 4 Bb­gAZV­PFJ 2009 of­fen­kun­dig ver­letz­ten Nach­teils­ver­bots ge­mäß Art. 22 Abs. 1 Buchst. b) RL 2003/88/EG nicht be­ach­tet hat. Auf wei­te­re Fra­gen des Uni­ons­rechts hat es des­halb nicht mehr ent­schei­dungs­er­heb­lich an­kom­men kön­nen.

Be­schluss vom 13.02.2018 -
BVer­wG 2 C 61.17ECLI:DE:BVer­wG:2018:130218B2C61.17.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 2 C 61.17

  • VG Pots­dam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1372/11
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 20.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 13. Fe­bru­ar 2018
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung und Dol­lin­ger
be­schlos­sen:

  1. Die An­hö­rungs­rü­ge des Klä­gers ge­gen das Ur­teil des Se­nats vom 20. Ju­li 2017 wird zu­rück­ge­wie­sen.
  2. Der Klä­ger trägt die Kos­ten des Ver­fah­rens der An­hö­rungs­rü­ge.

Grün­de

1 Die frist­ge­recht er­ho­be­ne An­hö­rungs­rü­ge hat kei­nen Er­folg.

2 Mit dem Re­vi­si­ons­ur­teil vom 20. Ju­li 2017 - BVer­wG 2 C 33.16 - hat der Se­nat das an­ge­foch­te­ne Be­ru­fungs­ur­teil auf­ge­ho­ben und die Sa­che, so­weit sie nicht vom Se­nat selbst ent­schie­den wer­den konn­te (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO), an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen. Die An­nah­men des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit set­ze kei­ne erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung durch den Be­trof­fe­nen vor­aus und ver­lan­ge nicht den Nach­weis der über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den hin­aus kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den, ver­let­zen re­vi­si­bles Recht.

3 Mit der An­hö­rungs­rü­ge ge­mäß § 152a Vw­GO macht der Klä­ger gel­tend, das Re­vi­si­ons­ur­teil ver­let­ze sei­nen An­spruch auf Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs. So­weit sich der Klä­ger ge­gen die in­halt­li­che Rich­tig­keit der Ent­schei­dung des Se­nats wen­det, hat er ei­ne sol­che Ge­hörs­ver­let­zung be­reits nicht dar­ge­legt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 und Abs. 4 Satz 1 Vw­GO). Im Üb­ri­gen ist die Rü­ge der Ver­let­zung des recht­li­chen Ge­hörs un­be­grün­det.

4 Die Ver­fah­rens­ga­ran­tie des recht­li­chen Ge­hörs ge­mäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 Vw­GO, de­ren Ver­let­zung nach § 152a Vw­GO ge­rügt wer­den kann, ga­ran­tiert den Be­tei­lig­ten in ei­nem ge­richt­li­chen Ver­fah­ren un­ter an­de­rem die Ge­le­gen­heit, sich zu dem ei­ner ge­richt­li­chen Ent­schei­dung zu­grun­de­lie­gen­den Sach­ver­halt vor Er­lass der Ent­schei­dung zu äu­ßern (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 18. Sep­tem­ber 1952 - 1 BvR 612/52 - BVerf­GE 1, 418 <429>; stRspr). Ei­ne dem ver­fas­sungs­recht­li­chen An­spruch ge­nü­gen­de Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs setzt vor­aus, dass der Ver­fah­rens­be­tei­lig­te bei An­wen­dung der von ihm zu ver­lan­gen­den Sorg­falt zu er­ken­nen ver­mag, auf wel­chen Tat­sa­chen­vor­trag es für die Ent­schei­dung an­kom­men kann. Art. 103 Abs. 1 GG ver­langt zwar grund­sätz­lich nicht, dass das Ge­richt vor der Ent­schei­dung auf sei­ne Rechts­auf­fas­sung hin­weist; ihm ist auch kei­ne all­ge­mei­ne Fra­ge- und Auf­klä­rungs­pflicht des Rich­ters zu ent­neh­men (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 25. Ja­nu­ar 1984 - 1 BvR 272/81 - BVerf­GE 66, 116 <147>). Es kommt je­doch im Er­geb­nis der Ver­hin­de­rung ei­nes Vor­trags gleich, wenn das Ge­richt oh­ne vor­he­ri­gen Hin­weis An­for­de­run­gen an den Sach­vor­trag stellt, mit de­nen auch ein ge­wis­sen­haf­ter und kun­di­ger Pro­zess­be­tei­lig­ter nach dem bis­he­ri­gen Pro­zess­ver­lauf nicht zu rech­nen brauch­te (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerf­GE 84, 188 <190>).

5 Die An­hö­rungs­rü­ge be­schränkt sich im We­sent­li­chen dar­auf zu be­an­stan­den, dass der Se­nat sich die im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von dem Klä­ger vor­ge­tra­ge­ne Rechts­auf­fas­sung nicht zu Ei­gen ge­macht hat. Spe­zi­fi­sche Be­an­stan­dun­gen, die ei­ne Ver­let­zung recht­li­chen Ge­hörs im ge­schil­der­ten Sin­ne stüt­zen könn­ten, wer­den ent­we­der nicht hin­rei­chend dar­ge­legt oder er­ge­ben sich dar­aus nicht.

6 Der Ein­wand des Klä­gers geht fehl, der Se­nat ha­be das recht­li­che Ge­hör ver­letzt, weil er die Be­tei­lig­ten ins­be­son­de­re nicht schrift­lich recht­zei­tig dar­auf hin­ge­wie­sen ha­be, dass uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit nur im Hin­blick auf die­je­ni­ge Zu­viel­ar­beit zu zah­len sei, die ab Be­ginn des auf die Gel­tend­ma­chung des Ent­schä­di­gungs­an­spruchs fol­gen­den Mo­nats ge­leis­tet wor­den sei. Der vom Se­nats­vor­sit­zen­den in der münd­li­chen Ver­hand­lung da­zu ge­ge­be­ne Hin­weis hat auf­grund der ge­fes­tig­ten Recht­spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts nach den oben dar­ge­leg­ten Maß­stä­ben zur Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs kei­ner Ver­tie­fung be­durft. Denn der Se­nat hat be­reits lan­ge vor Zu­las­sung der Re­vi­si­on im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren - BVer­wG 2 C 33.16 - (Be­schluss vom 27. Sep­tem­ber 2015) durch Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - (BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 f. <eben­falls betr. Zu­viel­ar­beit>) ent­schie­den, dass Aus­gleichs­an­sprü­che für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit auf die ab dem Fol­ge­mo­nat der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung ge­leis­te­ten Zu­viel­ar­beit be­grenzt sind; er hat die­se Recht­spre­chung in der Fol­ge­zeit fort­ent­wi­ckelt (vgl. BVer­wG, Ur­tei­le vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 26 f. <betr. Zu­viel­ar­beit>, vom 17. No­vem­ber 2016 - 2 C 23.15 - BVer­w­GE 156, 262 Rn. 29 <betr. den Aus­gleich für Zei­ten des Be­reit­schafts­diens­tes> und vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 - NVwZ 2017, 1627 Rn. 39 <betr. Aus­gleichs­an­sprü­che we­gen al­ters­dis­kri­mi­nie­ren­der Be­sol­dung>). Auf­grund des­sen muss­te je­der Ver­fah­rens­be­tei­lig­te in sei­ne recht­li­chen Über­le­gun­gen ein­be­zie­hen, dass der streit­ge­gen­ständ­li­che An­spruch (teil­wei­se) an die­sem Er­for­der­nis schei­tern könn­te.

7 Die­se stän­di­ge Se­nats­recht­spre­chung hat den Be­tei­lig­ten des Ver­fah­rens auch be­kannt ge­we­sen sein müs­sen. Die recht­zei­ti­ge Kennt­nis die­ser Recht­spre­chung beim Be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers ist nach Ak­ten­la­ge nach­weis­bar. Denn be­reits das Ver­wal­tungs­ge­richt (Ur­teil vom 11. Sep­tem­ber 2013 - VG 2 K 1372/11 - Um­druck Bl. 7, 14) und das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt (Ur­teil vom 1. Ju­li 2015 - OVG 6 B 20.15 - Um­druck Bl. 5, 11, 12) ha­ben das hier ein­schlä­gi­ge Se­nats­ur­teil des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - (BVer­w­GE 143, 381) im vor­in­stanz­li­chen Ver­fah­ren zi­tiert. In der Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung - Schrift­satz vom 20. Fe­bru­ar 2017 (Bl. 2, 4) - hat der Be­voll­mäch­tig­te des Klä­gers dies eben­falls ge­tan. Da­mit ist be­legt, dass er lan­ge vor der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 20. Ju­li 2017 po­si­ti­ve Kennt­nis von der Se­nats­recht­spre­chung zum Aus­gleich uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit erst ab dem Zeit­punkt der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung durch den Be­am­ten ge­habt hat. Die ge­rüg­te Ge­hörs­ver­let­zung ist da­mit von vorn­her­ein aus­ge­schlos­sen.

8 Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 154 Abs. 2 Vw­GO.

Be­schluss vom 13.02.2018 -
BVer­wG 2 C 62.17ECLI:DE:BVer­wG:2018:130218B2C62.17.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 2 C 62.17

  • VG Pots­dam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1956/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 22.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 13. Fe­bru­ar 2018
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung und Dol­lin­ger
be­schlos­sen:

  1. Die An­hö­rungs­rü­ge des Klä­gers ge­gen das Ur­teil des Se­nats vom 20. Ju­li 2017 wird zu­rück­ge­wie­sen.
  2. Der Klä­ger trägt die Kos­ten des Ver­fah­rens der An­hö­rungs­rü­ge.

Grün­de

1 Die frist­ge­recht er­ho­be­ne An­hö­rungs­rü­ge hat kei­nen Er­folg.

2 Mit dem Re­vi­si­ons­ur­teil vom 20. Ju­li 2017 - BVer­wG 2 C 35.16 - hat der Se­nat das an­ge­foch­te­ne Be­ru­fungs­ur­teil auf­ge­ho­ben und die Sa­che, so­weit sie nicht vom Se­nat selbst ent­schie­den wer­den konn­te (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO), an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen. Die An­nah­men des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit set­ze kei­ne erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung durch den Be­trof­fe­nen vor­aus und ver­lan­ge nicht den Nach­weis der über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den hin­aus kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den, ver­let­zen re­vi­si­bles Recht.

3 Mit der An­hö­rungs­rü­ge ge­mäß § 152a Vw­GO macht der Klä­ger gel­tend, das Re­vi­si­ons­ur­teil ver­let­ze sei­nen An­spruch auf Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs. So­weit sich der Klä­ger ge­gen die in­halt­li­che Rich­tig­keit der Ent­schei­dung des Se­nats wen­det, hat er ei­ne sol­che Ge­hörs­ver­let­zung be­reits nicht dar­ge­legt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 und Abs. 4 Satz 1 Vw­GO). Im Üb­ri­gen ist die Rü­ge der Ver­let­zung des recht­li­chen Ge­hörs un­be­grün­det.

4 Die Ver­fah­rens­ga­ran­tie des recht­li­chen Ge­hörs ge­mäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 Vw­GO, de­ren Ver­let­zung nach § 152a Vw­GO ge­rügt wer­den kann, ga­ran­tiert den Be­tei­lig­ten in ei­nem ge­richt­li­chen Ver­fah­ren un­ter an­de­rem die Ge­le­gen­heit, sich zu dem ei­ner ge­richt­li­chen Ent­schei­dung zu­grun­de­lie­gen­den Sach­ver­halt vor Er­lass der Ent­schei­dung zu äu­ßern (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 18. Sep­tem­ber 1952 - 1 BvR 612/52 - BVerf­GE 1, 418 <429>; stRspr). Ei­ne dem ver­fas­sungs­recht­li­chen An­spruch ge­nü­gen­de Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs setzt vor­aus, dass der Ver­fah­rens­be­tei­lig­te bei An­wen­dung der von ihm zu ver­lan­gen­den Sorg­falt zu er­ken­nen ver­mag, auf wel­chen Tat­sa­chen­vor­trag es für die Ent­schei­dung an­kom­men kann. Art. 103 Abs. 1 GG ver­langt zwar grund­sätz­lich nicht, dass das Ge­richt vor der Ent­schei­dung auf sei­ne Rechts­auf­fas­sung hin­weist; ihm ist auch kei­ne all­ge­mei­ne Fra­ge- und Auf­klä­rungs­pflicht des Rich­ters zu ent­neh­men (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 25. Ja­nu­ar 1984 - 1 BvR 272/81 - BVerf­GE 66, 116 <147>). Es kommt je­doch im Er­geb­nis der Ver­hin­de­rung ei­nes Vor­trags gleich, wenn das Ge­richt oh­ne vor­he­ri­gen Hin­weis An­for­de­run­gen an den Sach­vor­trag stellt, mit de­nen auch ein ge­wis­sen­haf­ter und kun­di­ger Pro­zess­be­tei­lig­ter nach dem bis­he­ri­gen Pro­zess­ver­lauf nicht zu rech­nen brauch­te (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerf­GE 84, 188 <190>).

5 Die An­hö­rungs­rü­ge be­schränkt sich im We­sent­li­chen dar­auf zu be­an­stan­den, dass der Se­nat sich die im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von dem Klä­ger vor­ge­tra­ge­ne Rechts­auf­fas­sung nicht zu Ei­gen ge­macht hat. Spe­zi­fi­sche Be­an­stan­dun­gen, die ei­ne Ver­let­zung recht­li­chen Ge­hörs im ge­schil­der­ten Sin­ne stüt­zen könn­ten, wer­den ent­we­der nicht hin­rei­chend dar­ge­legt oder er­ge­ben sich dar­aus nicht.

6 Der Ein­wand des Klä­gers geht fehl, der Se­nat ha­be das recht­li­che Ge­hör ver­letzt, weil er die Be­tei­lig­ten ins­be­son­de­re nicht schrift­lich recht­zei­tig dar­auf hin­ge­wie­sen ha­be, dass uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit nur im Hin­blick auf die­je­ni­ge Zu­viel­ar­beit zu zah­len sei, die ab Be­ginn des auf die Gel­tend­ma­chung des Ent­schä­di­gungs­an­spruchs fol­gen­den Mo­nats ge­leis­tet wor­den sei. Der vom Se­nats­vor­sit­zen­den in der münd­li­chen Ver­hand­lung da­zu ge­ge­be­ne Hin­weis hat auf­grund der ge­fes­tig­ten Recht­spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts nach den oben dar­ge­leg­ten Maß­stä­ben zur Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs kei­ner Ver­tie­fung be­durft. Denn der Se­nat hat be­reits lan­ge vor Zu­las­sung der Re­vi­si­on im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren - BVer­wG 2 C 35.16 - (Be­schluss vom 27. Sep­tem­ber 2015) - durch Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - (BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 f. <eben­falls betr. Zu­viel­ar­beit>) ent­schie­den, dass Aus­gleichs­an­sprü­che für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit auf die ab dem Fol­ge­mo­nat der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung ge­leis­te­ten Zu­viel­ar­beit be­grenzt sind; er hat die­se Recht­spre­chung in der Fol­ge­zeit fort­ent­wi­ckelt (vgl. BVer­wG, Ur­tei­le vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 26 f. <betr. Zu­viel­ar­beit>, vom 17. No­vem­ber 2016 - 2 C 23.15 - BVer­w­GE 156, 262 Rn. 29 <betr. den Aus­gleich für Zei­ten des Be­reit­schafts­diens­tes> und vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 - NVwZ 2017, 1627 Rn. 39 <betr. Aus­gleichs­an­sprü­che we­gen al­ters­dis­kri­mi­nie­ren­der Be­sol­dung>). Auf­grund des­sen muss­te je­der Ver­fah­rens­be­tei­lig­te in sei­ne recht­li­chen Über­le­gun­gen ein­be­zie­hen, dass der streit­ge­gen­ständ­li­che An­spruch (teil­wei­se) an die­sem Er­for­der­nis schei­tern könn­te.

7 Die­se stän­di­ge Se­nats­recht­spre­chung hat den Be­tei­lig­ten des Ver­fah­rens auch be­kannt ge­we­sen sein müs­sen. Die recht­zei­ti­ge Kennt­nis die­ser Recht­spre­chung beim Be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers ist nach Ak­ten­la­ge nach­weis­bar. Denn be­reits das Ver­wal­tungs­ge­richt (Ur­teil vom 11. Sep­tem­ber 2013 - VG 2 K 1956/12 - Um­druck Bl. 7, 14) und das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt (Ur­teil vom 1. Ju­li 2015 - OVG 6 B 22.15 - Um­druck Bl. 5, 11) ha­ben das hier ein­schlä­gi­ge Se­nats­ur­teil des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - (BVer­w­GE 143, 381) im vor­in­stanz­li­chen Ver­fah­ren zi­tiert. In der Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung - Schrift­satz vom 20. Fe­bru­ar 2017 (Bl. 2, 4) - hat der Be­voll­mäch­tig­te des Klä­gers dies eben­falls ge­tan. Da­mit ist be­legt, dass er lan­ge vor der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 20. Ju­li 2017 po­si­ti­ve Kennt­nis von der Se­nats­recht­spre­chung zum Aus­gleich uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit erst ab dem Zeit­punkt der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung durch den Be­am­ten ge­habt hat. Die ge­rüg­te Ge­hörs­ver­let­zung ist da­mit von vorn­her­ein aus­ge­schlos­sen.

8 Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 154 Abs. 2 Vw­GO.

Be­schluss vom 13.02.2018 -
BVer­wG 2 C 63.17ECLI:DE:BVer­wG:2018:130218B2C63.17.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 2 C 63.17

  • VG Pots­dam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1357/12
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 24.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 13. Fe­bru­ar 2018
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung und Dol­lin­ger
be­schlos­sen:

  1. Der An­trag des Klä­gers auf Ge­wäh­rung von Pro­zess­kos­ten­hil­fe und Bei­ord­nung von Rechts­an­walt B. wird ab­ge­lehnt.
  2. Die An­hö­rungs­rü­ge des Klä­gers ge­gen das Ur­teil des Se­nats vom 20. Ju­li 2017 wird zu­rück­ge­wie­sen.
  3. Der Klä­ger trägt die Kos­ten des Ver­fah­rens der An­hö­rungs­rü­ge.

Grün­de

1 1. Der An­trag auf Ge­wäh­rung von Pro­zess­kos­ten­hil­fe und Bei­ord­nung von Rechts­an­walt B. wird ab­ge­lehnt, weil die be­ab­sich­tig­te Rechts­ver­fol­gung aus den nach­fol­gen­den Grün­den (zu 2.) kei­ne hin­rei­chen­de Aus­sicht auf Er­folg bie­tet (§ 166 Abs. 1 Vw­GO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO).

2 2. Die frist­ge­recht er­ho­be­ne An­hö­rungs­rü­ge hat kei­nen Er­folg.

3 Mit dem Re­vi­si­ons­ur­teil vom 20. Ju­li 2017 - BVer­wG 2 C 42.16 - hat der Se­nat das an­ge­foch­te­ne Be­ru­fungs­ur­teil auf­ge­ho­ben und die Sa­che, so­weit sie nicht vom Se­nat selbst ent­schie­den wer­den konn­te (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO), an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen. Die An­nah­men des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit set­ze kei­ne erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung durch den Be­trof­fe­nen vor­aus und ver­lan­ge nicht den Nach­weis der über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den hin­aus kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den, ver­let­zen re­vi­si­bles Recht.

4 Mit der An­hö­rungs­rü­ge ge­mäß § 152a Vw­GO macht der Klä­ger gel­tend, das Re­vi­si­ons­ur­teil ver­let­ze sei­nen An­spruch auf Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs. So­weit sich der Klä­ger ge­gen die in­halt­li­che Rich­tig­keit der Ent­schei­dung des Se­nats wen­det, hat er ei­ne sol­che Ge­hörs­ver­let­zung be­reits nicht dar­ge­legt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 und Abs. 4 Satz 1 Vw­GO). Im Üb­ri­gen ist die Rü­ge der Ver­let­zung des recht­li­chen Ge­hörs un­be­grün­det.

5 Die Ver­fah­rens­ga­ran­tie des recht­li­chen Ge­hörs ge­mäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 Vw­GO, de­ren Ver­let­zung nach § 152a Vw­GO ge­rügt wer­den kann, ga­ran­tiert den Be­tei­lig­ten in ei­nem ge­richt­li­chen Ver­fah­ren un­ter an­de­rem die Ge­le­gen­heit, sich zu dem ei­ner ge­richt­li­chen Ent­schei­dung zu­grun­de­lie­gen­den Sach­ver­halt vor Er­lass der Ent­schei­dung zu äu­ßern (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 18. Sep­tem­ber 1952 - 1 BvR 612/52 - BVerf­GE 1, 418 <429>; stRspr). Ei­ne dem ver­fas­sungs­recht­li­chen An­spruch ge­nü­gen­de Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs setzt vor­aus, dass der Ver­fah­rens­be­tei­lig­te bei An­wen­dung der von ihm zu ver­lan­gen­den Sorg­falt zu er­ken­nen ver­mag, auf wel­chen Tat­sa­chen­vor­trag es für die Ent­schei­dung an­kom­men kann. Art. 103 Abs. 1 GG ver­langt zwar grund­sätz­lich nicht, dass das Ge­richt vor der Ent­schei­dung auf sei­ne Rechts­auf­fas­sung hin­weist; ihm ist auch kei­ne all­ge­mei­ne Fra­ge- und Auf­klä­rungs­pflicht des Rich­ters zu ent­neh­men (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 25. Ja­nu­ar 1984 - 1 BvR 272/81 - BVerf­GE 66, 116 <147>). Es kommt je­doch im Er­geb­nis der Ver­hin­de­rung ei­nes Vor­trags gleich, wenn das Ge­richt oh­ne vor­he­ri­gen Hin­weis An­for­de­run­gen an den Sach­vor­trag stellt, mit de­nen auch ein ge­wis­sen­haf­ter und kun­di­ger Pro­zess­be­tei­lig­ter nach dem bis­he­ri­gen Pro­zess­ver­lauf nicht zu rech­nen brauch­te (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerf­GE 84, 188 <190>).

6 Die An­hö­rungs­rü­ge be­schränkt sich im We­sent­li­chen dar­auf zu be­an­stan­den, dass der Se­nat sich die im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von dem Klä­ger vor­ge­tra­ge­ne Rechts­auf­fas­sung nicht zu Ei­gen ge­macht hat. Spe­zi­fi­sche Be­an­stan­dun­gen, die ei­ne Ver­let­zung recht­li­chen Ge­hörs im ge­schil­der­ten Sin­ne stüt­zen könn­ten, wer­den ent­we­der nicht hin­rei­chend dar­ge­legt oder er­ge­ben sich dar­aus nicht.

7 Der Ein­wand des Klä­gers geht fehl, der Se­nat ha­be das recht­li­che Ge­hör ver­letzt, weil er die Be­tei­lig­ten ins­be­son­de­re nicht schrift­lich recht­zei­tig dar­auf hin­ge­wie­sen ha­be, dass uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit nur im Hin­blick auf die­je­ni­ge Zu­viel­ar­beit zu zah­len sei, die ab Be­ginn des auf die Gel­tend­ma­chung des Ent­schä­di­gungs­an­spruchs fol­gen­den Mo­nats ge­leis­tet wor­den sei. Der vom Se­nats­vor­sit­zen­den in der münd­li­chen Ver­hand­lung da­zu ge­ge­be­ne Hin­weis hat auf­grund der ge­fes­tig­ten Recht­spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts nach den oben dar­ge­leg­ten Maß­stä­ben zur Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs kei­ner Ver­tie­fung be­durft. Denn der Se­nat hat be­reits lan­ge vor Zu­las­sung der Re­vi­si­on im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren - BVer­wG 2 C 42.16 (Be­schluss vom 27. Sep­tem­ber 2015) - durch Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - (BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 f. <eben­falls betr. Zu­viel­ar­beit>) ent­schie­den, dass Aus­gleichs­an­sprü­che für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit auf die ab dem Fol­ge­mo­nat der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung ge­leis­te­ten Zu­viel­ar­beit be­grenzt sind; er hat die­se Recht­spre­chung in der Fol­ge­zeit fort­ent­wi­ckelt (vgl. BVer­wG, Ur­tei­le vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 26 f. <betr. Zu­viel­ar­beit>, vom 17. No­vem­ber 2016 - 2 C 23.15 - BVer­w­GE 156, 262 Rn. 29 <betr. den Aus­gleich für Zei­ten des Be­reit­schafts­diens­tes> und vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 - NVwZ 2017, 1627 Rn. 39 <betr. Aus­gleichs­an­sprü­che we­gen al­ters­dis­kri­mi­nie­ren­der Be­sol­dung>). Auf­grund des­sen muss­te je­der Ver­fah­rens­be­tei­lig­te in sei­ne recht­li­chen Über­le­gun­gen ein­be­zie­hen, dass der streit­ge­gen­ständ­li­che An­spruch (teil­wei­se) an die­sem Er­for­der­nis schei­tern könn­te.

8 Die­se stän­di­ge Se­nats­recht­spre­chung hat den Be­tei­lig­ten des Ver­fah­rens auch be­kannt ge­we­sen sein müs­sen. Die recht­zei­ti­ge Kennt­nis die­ser Recht­spre­chung beim Be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers ist nach Ak­ten­la­ge nach­weis­bar. Denn be­reits das Ver­wal­tungs­ge­richt (Ur­teil vom 11. Sep­tem­ber 2013 - VG 2 K 1357/12 - Um­druck Bl. 7, 14) und das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt (Ur­teil vom 1. Ju­li 2015 - OVG 6 B 24.15 - Um­druck Bl. 5, 11) ha­ben das hier ein­schlä­gi­ge Se­nats­ur­teil des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - (BVer­w­GE 143, 381) im vor­in­stanz­li­chen Ver­fah­ren zi­tiert. In der Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung - Schrift­satz vom 20. Fe­bru­ar 2017 (Bl. 2, 4) - hat der Be­voll­mäch­tig­te des Klä­gers dies eben­falls ge­tan. Da­mit ist be­legt, dass er lan­ge vor der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 20. Ju­li 2017 po­si­ti­ve Kennt­nis von der Se­nats­recht­spre­chung zum Aus­gleich uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit erst ab dem Zeit­punkt der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung durch den Be­am­ten ge­habt hat. Die ge­rüg­te Ge­hörs­ver­let­zung ist da­mit von vorn­her­ein aus­ge­schlos­sen.

9 Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 154 Abs. 2 Vw­GO.

Be­schluss vom 13.02.2018 -
BVer­wG 2 C 64.17ECLI:DE:BVer­wG:2018:130218B2C64.17.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 2 C 64.17

  • VG Pots­dam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 1286/11
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 25.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 13. Fe­bru­ar 2018
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung und Dol­lin­ger
be­schlos­sen:

  1. Die An­hö­rungs­rü­ge des Klä­gers ge­gen das Ur­teil des Se­nats vom 20. Ju­li 2017 wird zu­rück­ge­wie­sen.
  2. Der Klä­ger trägt die Kos­ten des Ver­fah­rens der An­hö­rungs­rü­ge.

Grün­de

1 Die frist­ge­recht er­ho­be­ne An­hö­rungs­rü­ge hat kei­nen Er­folg.

2 Mit dem Re­vi­si­ons­ur­teil vom 20. Ju­li 2017 - BVer­wG 2 C 43.16 - hat der Se­nat das an­ge­foch­te­ne Be­ru­fungs­ur­teil auf­ge­ho­ben und die Sa­che, so­weit sie nicht vom Se­nat selbst ent­schie­den wer­den konn­te (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO), an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen. Die An­nah­men des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit set­ze kei­ne erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung durch den Be­trof­fe­nen vor­aus und ver­lan­ge nicht den Nach­weis der über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den hin­aus kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den, ver­let­zen re­vi­si­bles Recht.

3 Mit der An­hö­rungs­rü­ge ge­mäß § 152a Vw­GO macht der Klä­ger gel­tend, das Re­vi­si­ons­ur­teil ver­let­ze sei­nen An­spruch auf Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs. So­weit sich der Klä­ger ge­gen die in­halt­li­che Rich­tig­keit der Ent­schei­dung des Se­nats wen­det, hat er ei­ne sol­che Ge­hörs­ver­let­zung be­reits nicht dar­ge­legt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 und Abs. 4 Satz 1 Vw­GO). Im Üb­ri­gen ist die Rü­ge der Ver­let­zung des recht­li­chen Ge­hörs un­be­grün­det.

4 Die Ver­fah­rens­ga­ran­tie des recht­li­chen Ge­hörs ge­mäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 Vw­GO, de­ren Ver­let­zung nach § 152a Vw­GO ge­rügt wer­den kann, ga­ran­tiert den Be­tei­lig­ten in ei­nem ge­richt­li­chen Ver­fah­ren un­ter an­de­rem die Ge­le­gen­heit, sich zu dem ei­ner ge­richt­li­chen Ent­schei­dung zu­grun­de­lie­gen­den Sach­ver­halt vor Er­lass der Ent­schei­dung zu äu­ßern (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 18. Sep­tem­ber 1952 - 1 BvR 612/52 - BVerf­GE 1, 418 <429>; stRspr). Ei­ne dem ver­fas­sungs­recht­li­chen An­spruch ge­nü­gen­de Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs setzt vor­aus, dass der Ver­fah­rens­be­tei­lig­te bei An­wen­dung der von ihm zu ver­lan­gen­den Sorg­falt zu er­ken­nen ver­mag, auf wel­chen Tat­sa­chen­vor­trag es für die Ent­schei­dung an­kom­men kann. Art. 103 Abs. 1 GG ver­langt zwar grund­sätz­lich nicht, dass das Ge­richt vor der Ent­schei­dung auf sei­ne Rechts­auf­fas­sung hin­weist; ihm ist auch kei­ne all­ge­mei­ne Fra­ge- und Auf­klä­rungs­pflicht des Rich­ters zu ent­neh­men (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 25. Ja­nu­ar 1984 - 1 BvR 272/81 - BVerf­GE 66, 116 <147>). Es kommt je­doch im Er­geb­nis der Ver­hin­de­rung ei­nes Vor­trags gleich, wenn das Ge­richt oh­ne vor­he­ri­gen Hin­weis An­for­de­run­gen an den Sach­vor­trag stellt, mit de­nen auch ein ge­wis­sen­haf­ter und kun­di­ger Pro­zess­be­tei­lig­ter nach dem bis­he­ri­gen Pro­zess­ver­lauf nicht zu rech­nen brauch­te (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerf­GE 84, 188 <190>).

5 Die An­hö­rungs­rü­ge be­schränkt sich im We­sent­li­chen dar­auf zu be­an­stan­den, dass der Se­nat sich die im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von dem Klä­ger vor­ge­tra­ge­ne Rechts­auf­fas­sung nicht zu Ei­gen ge­macht hat. Spe­zi­fi­sche Be­an­stan­dun­gen, die ei­ne Ver­let­zung recht­li­chen Ge­hörs im ge­schil­der­ten Sin­ne stüt­zen könn­ten, wer­den ent­we­der nicht hin­rei­chend dar­ge­legt oder er­ge­ben sich dar­aus nicht.

6 Der Ein­wand des Klä­gers geht fehl, der Se­nat ha­be das recht­li­che Ge­hör ver­letzt, weil er die Be­tei­lig­ten ins­be­son­de­re nicht schrift­lich recht­zei­tig dar­auf hin­ge­wie­sen ha­be, dass uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit nur im Hin­blick auf die­je­ni­ge Zu­viel­ar­beit zu zah­len sei, die ab Be­ginn des auf die Gel­tend­ma­chung des Ent­schä­di­gungs­an­spruchs fol­gen­den Mo­nats ge­leis­tet wor­den sei. Der vom Se­nats­vor­sit­zen­den in der münd­li­chen Ver­hand­lung da­zu ge­ge­be­ne Hin­weis hat auf­grund der ge­fes­tig­ten Recht­spre­chung des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts nach den oben dar­ge­leg­ten Maß­stä­ben zur Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs kei­ner Ver­tie­fung be­durft. Denn der Se­nat hat be­reits lan­ge vor Zu­las­sung der Re­vi­si­on im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren - BVer­wG 2 C 43.16 (Be­schluss vom 27. Sep­tem­ber 2015) - durch Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - (BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 f. <eben­falls betr. Zu­viel­ar­beit>) ent­schie­den, dass Aus­gleichs­an­sprü­che für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit auf die ab dem Fol­ge­mo­nat der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung ge­leis­te­ten Zu­viel­ar­beit be­grenzt sind; er hat die­se Recht­spre­chung in der Fol­ge­zeit fort­ent­wi­ckelt (vgl. BVer­wG, Ur­tei­le vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 26 f. <betr. Zu­viel­ar­beit>, vom 17. No­vem­ber 2016 - 2 C 23.15 - BVer­w­GE 156, 262 Rn. 29 <betr. den Aus­gleich für Zei­ten des Be­reit­schafts­diens­tes> und vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 - NVwZ 2017, 1627 Rn. 39 <betr. Aus­gleichs­an­sprü­che we­gen al­ters­dis­kri­mi­nie­ren­der Be­sol­dung>). Auf­grund des­sen muss­te je­der Ver­fah­rens­be­tei­lig­te in sei­ne recht­li­chen Über­le­gun­gen ein­be­zie­hen, dass der streit­ge­gen­ständ­li­che An­spruch (teil­wei­se) an die­sem Er­for­der­nis schei­tern könn­te.

7 Die­se stän­di­ge Se­nats­recht­spre­chung hat den Be­tei­lig­ten des Ver­fah­rens auch be­kannt ge­we­sen sein müs­sen. Die recht­zei­ti­ge Kennt­nis die­ser Recht­spre­chung beim Be­voll­mäch­tig­ten des Klä­gers ist nach Ak­ten­la­ge nach­weis­bar. Denn be­reits das Ver­wal­tungs­ge­richt (Ur­teil vom 11. Sep­tem­ber 2013 - VG 2 K 1286/11 - Um­druck Bl. 7, 14) und das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt (Ur­teil vom 1. Ju­li 2015 - OVG 6 B 25.15 - Um­druck Bl. 5, 11, 12) ha­ben das hier ein­schlä­gi­ge Se­nats­ur­teil des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - (BVer­w­GE 143, 381) im vor­in­stanz­li­chen Ver­fah­ren zi­tiert. In der Re­vi­si­ons­er­wi­de­rung - Schrift­satz vom 20. Fe­bru­ar 2017 (Bl. 2, 4) - hat der Be­voll­mäch­tig­te des Klä­gers dies eben­falls ge­tan. Da­mit ist be­legt, dass er lan­ge vor der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 20. Ju­li 2017 po­si­ti­ve Kennt­nis von der Se­nats­recht­spre­chung zum Aus­gleich uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit erst ab dem Zeit­punkt der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung durch den Be­am­ten ge­habt hat. Die ge­rüg­te Ge­hörs­ver­let­zung ist da­mit von vorn­her­ein aus­ge­schlos­sen.

8 Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 154 Abs. 2 Vw­GO.

Be­schluss vom 01.03.2018 -
BVer­wG 2 C 59.17ECLI:DE:BVer­wG:2018:010318B2C59.17.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 2 C 59.17

  • VG Pots­dam - 11.09.2013 - AZ: VG 2 K 2814/13
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 01.07.2015 - AZ: OVG 6 B 23.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 1. März 2018
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung und Dol­lin­ger
be­schlos­sen:

  1. Die An­hö­rungs­rü­ge des Klä­gers ge­gen das Ur­teil des Se­nats vom 20. Ju­li 2017 wird zu­rück­ge­wie­sen.
  2. Der Klä­ger trägt die Kos­ten des Ver­fah­rens der An­hö­rungs­rü­ge.

Grün­de

1 Die frist­ge­recht er­ho­be­ne An­hö­rungs­rü­ge ist un­be­grün­det.

2 Mit dem Re­vi­si­ons­ur­teil vom 20. Ju­li 2017 - BVer­wG 2 C 34.16 - hat der Se­nat das an­ge­foch­te­ne Be­ru­fungs­ur­teil auf­ge­ho­ben und die Sa­che, so­weit sie nicht vom Se­nat selbst ent­schie­den wer­den konn­te (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO), an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen. Die An­nah­men des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit set­ze kei­ne erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung durch den Be­trof­fe­nen vor­aus und ver­lan­ge nicht den Nach­weis der über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den hin­aus kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den, ver­let­zen re­vi­si­bles Recht.

3 Mit der An­hö­rungs­rü­ge ge­mäß § 152a Vw­GO macht der Klä­ger gel­tend, das Re­vi­si­ons­ur­teil ver­let­ze sei­nen An­spruch auf Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs. So­weit sich der Klä­ger ge­gen die in­halt­li­che Rich­tig­keit der Ent­schei­dung des Se­nats wen­det, hat er ei­ne sol­che Ge­hörs­ver­let­zung be­reits nicht dar­ge­legt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 und Abs. 4 Satz 1 Vw­GO). Im Üb­ri­gen ist die Rü­ge der Ver­let­zung des recht­li­chen Ge­hörs un­be­grün­det.

4 Die An­hö­rungs­rü­ge be­schränkt sich im We­sent­li­chen dar­auf zu be­an­stan­den, dass der Se­nat sich die im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von dem Klä­ger vor­ge­tra­ge­ne Rechts­auf­fas­sung nicht zu Ei­gen ge­macht hat. Spe­zi­fi­sche Be­an­stan­dun­gen, die ei­ne Ver­let­zung recht­li­chen Ge­hörs im ge­schil­der­ten Sin­ne stüt­zen könn­ten, wer­den ent­we­der nicht hin­rei­chend dar­ge­legt oder er­ge­ben sich dar­aus nicht.

5 Der Ein­wand des Klä­gers geht fehl, der Se­nat ha­be das recht­li­che Ge­hör ver­letzt, weil er als erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung des Ent­schä­di­gungs­an­spruchs für Zu­viel­ar­beit den klä­ge­ri­schen Leis­tungs­wi­der­spruch vom De­zem­ber 2010 zu­grun­de legt. Zwar ha­be der Klä­ger den An­spruch ge­gen­über der Be­klag­ten auch am 25. Ok­to­ber 2010 (ge­meint ist nach der bei­ge­füg­ten An­la­ge 4: "25. De­zem­ber 2010") gel­tend ge­macht, erst­ma­lig sei dies nach dem In­halt der Be­hör­den­ak­te aber be­reits 2007 im Ver­wal­tungs­ver­fah­ren ge­gen­über der Be­klag­ten ge­sche­hen. Die­ser Vor­trag hat vor­lie­gend in­des re­vi­si­ons­recht­lich von vorn­her­ein nicht ent­schei­dungs­er­heb­lich wer­den kön­nen. Denn für ei­ne frü­he­re Gel­tend­ma­chung des Aus­gleichs für Zu­viel­ar­beit - d.h. für ei­ne Gel­tend­ma­chung vor De­zem­ber 2010 - fin­den sich im Be­ru­fungs­ur­teil kei­ne An­halts­punk­te. Nach dem Sach­ver­halt, den das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt fest­ge­stellt hat, hat der Klä­ger dort viel­mehr al­lein ei­nen Geld­aus­gleich für ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit be­gehrt, den er "mit so be­zeich­ne­tem Leis­tungs­wi­der­spruch vom 25. De­zem­ber 2010 be­an­trag­te" (so der Tat­be­stand des Be­ru­fungs­ur­teils, Um­druck Bl. 2). An die­se tat­säch­li­che Fest­stel­lung des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts ist der Se­nat nach § 137 Abs. 2 Vw­GO ge­bun­den, weil der Klä­ger da­ge­gen im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren kei­ne durch­grei­fen­de Ver­fah­rens­rü­ge er­ho­ben hat (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 25. Ja­nu­ar 2016 - 2 B 83.15 - Buch­holz 316 § 60 VwVfG Nr. 11 Rn. 15 so­wie Ur­teil vom 19. März 2015 - 2 C 37.13 - Buch­holz 232.0 § 44 BBG 2009 Nr. 7 Rn. 14).

6 Auf­ga­be des Re­vi­si­ons­ge­richts ist es al­lein, die An­wen­dung der ein­schlä­gi­gen re­vi­si­blen Rechts­nor­men auf den von der Vor­in­stanz fest­ge­stell­ten Le­bens­sach­ver­halt zu über­prü­fen. Zu die­sem Le­bens­sach­ver­halt und da­mit zu den re­vi­si­ons­recht­lich bin­den­den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen ge­hört der Zeit­punkt der erst­ma­li­gen An­trag­stel­lung oder Gel­tend­ma­chung.

7 So­weit der Klä­ger in der Be­grün­dung der An­hö­rungs­rü­ge zu­sätz­lich dar­auf ver­weist, dass der we­sent­li­che Kern des Rechts­streits in der Tat­sa­che lie­ge, dass erst zwei Mo­na­te nach dem Be­ru­fungs­ur­teil des vor­lie­gen­den Ver­fah­rens - un­ter Auf­ga­be der "bis da­to gel­ten­den Recht­spre­chung" - mit dem Ur­teil des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - (Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 26 f.) die Recht­spre­chung zur not­wen­di­gen vor­he­ri­gen Gel­tend­ma­chung des Aus­gleichs uni­ons­rechts­wid­ri­ger Zu­viel­ar­beit durch den Be­am­ten ent­wi­ckelt wor­den sei, trifft dies nicht zu: Der Se­nat hat be­reits lan­ge vor dem vom Klä­ger in Be­zug ge­nom­me­nen Ur­teil vom 17. Sep­tem­ber 2015, näm­lich durch Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - (BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 f. <eben­falls betr. Zu­viel­ar­beit>), ent­schie­den, dass Aus­gleichs­an­sprü­che für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit auf die ab dem Fol­ge­mo­nat der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung ge­leis­te­ten Zu­viel­ar­beit be­grenzt sind; er hat die­se Recht­spre­chung in der Fol­ge­zeit ste­tig fort­ent­wi­ckelt (vgl. BVer­wG, Ur­tei­le vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 26 f. <betr. Zu­viel­ar­beit>, vom 17. No­vem­ber 2016 - 2 C 23.15 - BVer­w­GE 156, 262 Rn. 29 <betr. den Aus­gleich für Zei­ten des Be­reit­schafts­diens­tes> und vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 - NVwZ 2017, 1627 Rn. 39 <betr. Aus­gleichs­an­sprü­che we­gen al­ters­dis­kri­mi­nie­ren­der Be­sol­dung>). Auf­grund des­sen muss­te je­der Ver­fah­rens­be­tei­lig­te zu je­dem Zeit­punkt des vor­lie­gen­den Re­vi­si­ons­ver­fah­rens in sei­ne recht­li­chen Über­le­gun­gen ein­be­zie­hen, dass der streit­ge­gen­ständ­li­che An­spruch (teil­wei­se) an die­sem Er­for­der­nis schei­tern könn­te, das auch Ge­gen­stand des Rechts­ge­sprächs in der münd­li­chen Ver­hand­lung vom 20. Ju­li 2017 vor dem Se­nat war. Da­her ist die gel­tend ge­mach­te Ge­hörs­ver­let­zung von vorn­her­ein aus­ge­schlos­sen.

8 Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 154 Abs. 2 Vw­GO.

Be­schluss vom 08.03.2018 -
BVer­wG 2 C 37.17ECLI:DE:BVer­wG:2018:080318B2C37.17.0

  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 2 C 37.17

  • VG Cott­bus - 28.02.2013 - AZ: VG 5 K 914/11
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 32.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 8. März 2018
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung und Dol­lin­ger
be­schlos­sen:

  1. Die An­hö­rungs­rü­ge und die Ge­gen­vor­stel­lung des Klä­gers ge­gen das Ur­teil des Se­nats vom 20. Ju­li 2017 wer­den zu­rück­ge­wie­sen.
  2. Der Klä­ger trägt die Kos­ten des Ver­fah­rens der An­hö­rungs­rü­ge.

Grün­de

1 1. Die in­ner­halb der ge­setz­li­chen Frist nach § 152a Abs. 2 Satz 1 Vw­GO er­ho­be­ne An­hö­rungs­rü­ge ist zu­läs­sig, so­dass es der vom Klä­ger be­an­trag­ten Wie­der­ein­set­zung in den vo­ri­gen Stand nach § 60 Vw­GO nicht be­darf. Die An­hö­rungs­rü­ge ist aber un­be­grün­det.

2 Mit dem Re­vi­si­ons­ur­teil vom 20. Ju­li 2017 - 2 C 36.16 - hat der Se­nat das an­ge­foch­te­ne Be­ru­fungs­ur­teil auf­ge­ho­ben und die Sa­che, so­weit sie vom Se­nat nicht selbst ent­schie­den wer­den konn­te (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 Vw­GO), an das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ver­wie­sen. Die An­nah­men des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts, der uni­ons­recht­li­che Haf­tungs­an­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit set­ze kei­ne erst­ma­li­ge Gel­tend­ma­chung durch den Be­trof­fe­nen vor­aus und ver­lan­ge nicht den Nach­weis der über die wö­chent­li­che Höchst­ar­beits­zeit von 48 Stun­den hin­aus kon­kret ge­leis­te­ten Dienst­stun­den, ver­let­zen re­vi­si­bles Recht.

3 Mit der An­hö­rungs­rü­ge ge­mäß § 152a Vw­GO macht der Klä­ger gel­tend, das Re­vi­si­ons­ur­teil ver­let­ze sei­nen An­spruch auf Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs. So­weit sich der Klä­ger da­bei in­halt­lich ge­gen die Rich­tig­keit der Ent­schei­dung des Se­nats wen­det, hat sie ei­ne sol­che Ge­hörs­ver­let­zung je­doch be­reits nicht dar­ge­legt (§ 152a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 2 Satz 6 und Abs. 4 Satz 1 Vw­GO). Im Üb­ri­gen ist die Rü­ge der Ver­let­zung des recht­li­chen Ge­hörs un­be­grün­det.

4 Die An­hö­rungs­rü­ge be­schränkt sich im We­sent­li­chen dar­auf zu be­an­stan­den, dass der Se­nat sich die be­reits im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren von dem Klä­ger vor­ge­tra­ge­ne Rechts­auf­fas­sung nicht zu Ei­gen ge­macht hat. Spe­zi­fi­sche Be­an­stan­dun­gen, die ei­ne Ver­let­zung recht­li­chen Ge­hörs im ge­schil­der­ten Sin­ne stüt­zen könn­ten, wer­den ent­we­der nicht hin­rei­chend dar­ge­legt oder er­ge­ben sich dar­aus nicht.

5 Mit der An­hö­rungs­rü­ge ge­mäß § 152a Vw­GO trägt der Klä­ger vor, das Re­vi­si­ons­ur­teil vom 20. Ju­li 2017 ver­let­ze sei­nen An­spruch auf Ge­wäh­rung recht­li­chen Ge­hörs, in­dem es ge­gen den Grund­satz der Amts­er­mitt­lung, die ge­richt­li­chen Hin­weis- und Do­ku­men­ta­ti­ons­pflich­ten, das Prin­zip des ge­setz­li­chen Rich­ters, den Grund­satz des fai­ren Ver­fah­rens und das Will­kür­ver­bot ver­sto­ße. Der Se­nat ha­be sich nicht mit sei­nem Vor­brin­gen aus­ein­an­der­ge­setzt, wie es sich aus den Be­hör­den- und Ge­richts­ak­ten der Vor­in­stan­zen und aus den im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren vor­ge­leg­ten Schrift­sät­zen er­ge­be. Der Klä­ger ha­be für den ge­sam­ten streit­ge­gen­ständ­li­chen Zeit­raum vom Jahr 2007 bis zum Jahr 2011 so­wohl An­sprü­che aus Zu­viel­ar­beit als auch sol­che aus be­hörd­lich ge­neh­mig­ter Mehr­ar­beit ver­folgt. Dies sei in den an­ge­foch­te­nen Be­schei­den und in den vor­in­stanz­li­chen Ur­tei­len do­ku­men­tiert, vom Se­nat aber ver­kannt wor­den. Der Klä­ger ha­be die ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Tat­sa­chen vor­ge­tra­gen.

6 Die Ver­fah­rens­ga­ran­tie des recht­li­chen Ge­hörs ge­mäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 Vw­GO, de­ren Ver­let­zung nach § 152a Vw­GO ge­rügt wer­den kann, ver­mit­telt den Pro­zess­be­tei­lig­ten ei­nen An­spruch dar­auf, sich zum Sach­ver­halt so­wie zur Rechts­la­ge zu äu­ßern so­wie An­trä­ge zu stel­len und Aus­füh­run­gen zu ma­chen. Da­bei ob­liegt es den Ge­rich­ten, von sich aus den Be­tei­lig­ten al­les für das Ver­fah­ren We­sent­li­che mit­zu­tei­len (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 9. Ok­to­ber 1973 - 2 BvR 482/72 - BVerf­GE 36, 85 <88>). An­de­rer­seits nor­miert Art. 103 Abs. 1 GG kei­ne um­fas­sen­de Fra­ge-, Auf­klä­rungs- und In­for­ma­ti­ons­pflicht des Ge­richts, ins­be­son­de­re nicht im Blick auf des­sen Rechts­an­sich­ten (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 15. Mai 1984 - 1 BvR 967/83 - BVerf­GE 67, 90 <96>, Kam­mer­be­schluss vom 1. Au­gust 2017 - 2 BvR 3068/14 - NJW 2017, 3218 Rn. 49 f.).

7 Ge­mäß § 137 Abs. 2 Vw­GO um­fasst die re­vi­si­ons­ge­richt­li­che Prü­fung ei­nes an­ge­foch­te­nen Ur­teils al­lein die Ver­let­zung re­vi­si­blen Rechts auf der Grund­la­ge der "im an­ge­foch­te­nen Ur­teil ge­trof­fe­nen tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen", so­weit nicht hin­sicht­lich die­ser Fest­stel­lun­gen zu­läs­si­ge und be­grün­de­te Re­vi­si­ons­grün­de vor­ge­bracht wer­den. Die vom Klä­ger in der Be­grün­dung der An­hö­rungs­rü­ge ein­ge­hend dar­ge­stell­ten Aus­füh­run­gen zum Sach­ver­halt und zur Rechts­la­ge im be­hörd­li­chen und ge­richt­li­chen Ver­fah­ren vor dem Er­ge­hen des Be­ru­fungs­ur­teils in­des sind re­vi­si­ons­recht­lich oh­ne Be­lang. Im hier al­lein ma­ß­geb­lich an­ge­foch­te­nen Be­ru­fungs­ur­teil fehlt es an den er­for­der­li­chen tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen zu dem vom Klä­ger gel­tend ge­mach­ten An­spruch auf Aus­gleich von Mehr­ar­beit. Das Be­ru­fungs­ge­richt hat über ei­ne et­wai­ge Mehr­ar­beit des Klä­gers nicht ent­schie­den, son­dern al­lein über Aus­gleichs­an­sprü­che aus Zu­viel­ar­beit ge­ur­teilt (zur be­griff­li­chen Ab­gren­zung von Zu­viel­ar­beit zu Mehr­ar­beit vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 20. Ju­li 2017 - 2 C 36.16 - ju­ris Rn. 66). Des­halb ist dem Se­nat von vorn­her­ein ei­ne Ent­schei­dung über et­wai­ge An­sprü­che des Klä­gers aus Mehr­ar­beit ver­wehrt ge­we­sen.

8 Im Üb­ri­gen hat der Se­nat das Vor­brin­gen des Klä­gers zur Mehr­ar­beit zur Kennt­nis ge­nom­men und ge­wür­digt, wenn er im Re­vi­si­ons­ur­teil wört­lich aus­führt (BVer­wG, Ur­teil vom 20. Ju­li 2017 - 2 C 36.16 - ju­ris Rn. 68):
"10. Nach den für den Se­nat re­vi­si­ons­recht­lich bin­den­den Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ur­teils ist dem Klä­ger al­lein Geld­aus­gleich für von ihm uni­ons­rechts­wid­rig ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit zu­ge­spro­chen wor­den. Mehr­ar­beits­ver­gü­tung ge­mäß § 76 Abs. 2 S. 3 LBG BB ist dem Klä­ger hin­ge­gen nicht ge­währt wor­den (vgl. zur Ab­gren­zung von Zu­viel- und Mehr­ar­bei­ten oben und II 9.). Be­reits im zwei­ten Ein­gangs­satz des Tat­be­stands des Be­ru­fungs­ur­teils hei­ßt es, dass der Klä­ger zu­letzt ei­nen Geld­aus­gleich für ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit be­gehrt. In den Ent­schei­dungs­grün­den wird im Ober­satz der Be­gründet­heits­prü­fung aus­ge­führt, dass dem Klä­ger ein An­spruch auf den ihm vom Ver­wal­tungs­ge­richt zu­ge­spro­che­nen Geld­aus­gleich für rechts­wid­rig ge­leis­te­te Zu­viel­ar­beit zu­steht. Auch in der Fol­ge der Aus­füh­run­gen des Be­ru­fungs­ur­teils (vgl. et­wa UA S. 8 und 14) wird von Zu­viel­ar­beit und aus­zu­glei­chen­der Zu­viel­ar­beit ge­spro­chen. Ein­zu­räu­men ist dem Klä­ger zwar, dass das Be­ru­fungs­ge­richt ne­ben dem Be­griff der Zu­viel­ar­beit wohl syn­onym auch den Be­griff der 'frei­wil­li­gen Mehr­ar­beit' ver­wen­det, et­wa bei der Aus­le­gung von Art. 22 RL 2003/88/EG (UA S. 10). Ei­ne Ent­schei­dung über et­wa im Fall des Klä­gers an­ge­ord­ne­te Mehr­ar­beit der Be­klag­ten nach § 76 Abs. 2 LBG BB hat das Be­ru­fungs­ge­richt im hier an­ge­foch­te­nen Ur­teil aber nicht ge­trof­fen. Denn es hat we­der die tat­be­stand­li­chen Vor­aus­set­zun­gen da­für mit­ge­teilt noch hat es sich in den Ent­schei­dungs­grün­den zu ei­nem et­wai­gen An­spruch auf Mehr­ar­beit ge­mäß § 76 Abs. 2 LBG BB ver­hal­ten. An­ge­sichts des im Tat­be­stand des Be­ru­fungs­ur­teils sinn­ge­mäß wie­der­ge­ge­be­nen Klä­ger­an­trags - 'die Be­klag­te zu ver­ur­tei­len, für die vom Klä­ger im Zeit­raum vom 1. Ok­to­ber 2007 bis 31. De­zem­ber 2011 ge­leis­te­te Mehr­ar­beit über die 48. wö­chent­li­che Dienst­stun­de hin­aus an den Klä­ger 16 147,20 € zu zah­len', wird das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt im zu­rück­ver­wie­se­nen Ver­fah­ren zu prü­fen ha­ben, ob dem Klä­ger ggf. Ver­gü­tungs­an­sprü­che we­gen ge­leis­te­ter Mehr­ar­beit zu­ste­hen. Mit dem vor­lie­gen­den Ur­teil ver­neint der Se­nat ab­schlie­ßend al­lein vom Klä­ger gel­tend ge­mach­te und vom Be­ru­fungs­ge­richt aus­ge­ur­teil­te An­sprü­che aus Zu­viel­ar­beit im Zeit­raum vom 1. Ok­to­ber 2007 bis zum 31. De­zem­ber 2010."

9 So­weit mit der An­hö­rungs­rü­ge dar­über hin­aus gel­tend ge­macht wird, der Se­nat ha­be das recht­li­che Ge­hör ver­letzt, weil er für den Klä­ger auch hin­sicht­lich der Fra­ge der Aus­gleichs­an­sprü­che we­gen Zu­viel­ar­beit über­ra­schend ent­schie­den ha­be, ist sie eben­falls zu­rück­zu­wei­sen. Es kommt zwar im Er­geb­nis der Ver­hin­de­rung ei­nes Vor­trags gleich, wenn das Ge­richt oh­ne vor­he­ri­gen Hin­weis An­for­de­run­gen an den Sach­vor­trag stellt, mit de­nen auch ein ge­wis­sen­haf­ter und kun­di­ger Pro­zess­be­tei­lig­ter nach dem bis­he­ri­gen Pro­zess­ver­lauf nicht zu rech­nen brauch­te (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 29. Mai 1991 - 1 BvR 1383/90 - BVerf­GE 84, 188 <190>). Hier ver­kennt der Klä­ger in­des aber­mals, dass das Re­vi­si­ons­ge­richt le­dig­lich zu ei­ner an­de­ren als der von ihm ver­tre­te­nen Rechts­auf­fas­sung ge­langt ist und des­halb die Kla­ge teil­wei­se ab­ge­wie­sen hat. Dar­in liegt kein Ge­hörs­ver­stoß.

10 Die vom Klä­ger in der Sa­che an­ge­grif­fe­ne Se­nats­recht­spre­chung zur Gel­tend­ma­chung von Aus­gleichs­an­sprü­chen we­gen Zu­viel­ar­beit kann ihn zu­dem schon des­halb nicht über­rascht ha­ben, weil der Se­nat be­reits lan­ge vor Zu­las­sung der Re­vi­si­on im vor­lie­gen­den Ver­fah­ren - 2 C 36.16 - (Be­schluss vom 27. Sep­tem­ber 2015 - 2 B 84.15 -) durch Ur­teil vom 26. Ju­li 2012 - 2 C 29.11 - (BVer­w­GE 143, 381 Rn. 26 f. <eben­falls betr. Zu­viel­ar­beit>) ent­schie­den hat, dass Aus­gleichs­an­sprü­che für uni­ons­rechts­wid­ri­ge Zu­viel­ar­beit auf die ab dem Fol­ge­mo­nat der erst­ma­li­gen Gel­tend­ma­chung ge­leis­te­ten Zu­viel­ar­beit be­grenzt sind. Der Se­nat hat die­se Recht­spre­chung in der Fol­ge­zeit fort­ent­wi­ckelt (vgl. BVer­wG, Ur­tei­le vom 17. Sep­tem­ber 2015 - 2 C 26.14 - Buch­holz 232.0 § 87 BBG 2009 Nr. 1 Rn. 26 f. <betr. Zu­viel­ar­beit>, vom 17. No­vem­ber 2016 - 2 C 23.15 - BVer­w­GE 156, 262 Rn. 29 <betr. den Aus­gleich für Zei­ten des Be­reit­schafts­diens­tes> und vom 6. April 2017 - 2 C 11.16 - NVwZ 2017, 1627 Rn. 39 <betr. Aus­gleichs­an­sprü­che we­gen al­ters­dis­kri­mi­nie­ren­der Be­sol­dung>). Auf die­se Recht­spre­chung hat der Se­nats­vor­sit­zen­de zu­dem wäh­rend der münd­li­chen Ver­hand­lung des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens am 20. Ju­li 2017 hin­ge­wie­sen. Auf­grund all des­sen muss­te je­der Ver­fah­rens­be­tei­lig­te in sei­ne recht­li­chen Über­le­gun­gen ein­be­zie­hen, dass der streit­ge­gen­ständ­li­che An­spruch we­gen Zu­viel­ar­beit (teil­wei­se) an die­sem Er­for­der­nis schei­tern könn­te.

11 2. Schlie­ß­lich än­dert auch die vom Klä­ger hilfs­wei­se er­ho­be­ne Ge­gen­vor­stel­lung nichts an dem Er­geb­nis. Es kann da­hin­ste­hen, ob die Ge­gen­vor­stel­lung, so­weit sich der Klä­ger da­mit ge­gen die teil­wei­se Ab­wei­sung und Zu­rück­ver­wei­sung sei­ner Kla­ge durch das an­ge­grif­fe­ne Re­vi­si­ons­ur­teil wen­det, des­halb un­zu­läs­sig ist, weil der Ge­setz­ge­ber mit der Schaf­fung der An­hö­rungs­rü­ge nach § 152a Vw­GO zum Aus­druck ge­bracht hat, dass da­ne­ben die nicht ge­re­gel­te Ge­gen­vor­stel­lung nicht mehr zu­zu­las­sen ist (BVer­wG, Be­schlüs­se vom 20. Fe­bru­ar 2017 - 5 B 56.16 - ju­ris Rn. 2 und vom 25. Au­gust 2014 - 5 B 24.14 - ju­ris Rn. 2 m.w.N.) oder sie je­den­falls des­halb nicht statt­haft und da­mit un­zu­läs­sig ist, weil die Ge­gen­vor­stel­lung die glei­che Ziel­rich­tung wie die An­hö­rungs­rü­ge ver­folgt (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 2. Ja­nu­ar 2017 - 5 B 77.16 - ju­ris Rn. 9 m.w.N.). Denn die Ge­gen­vor­stel­lung hat je­den­falls des­halb kei­nen Er­folg, weil der Vor­trag des Klä­gers aus den obi­gen Grün­den kei­nen An­lass zur Kor­rek­tur und Auf­he­bung des an­ge­grif­fe­nen Re­vi­si­ons­ur­teils gibt.

12 Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 154 Abs. 2 Vw­GO.

Be­schluss vom 24.04.2018 -
BVer­wG 2 C 36.16ECLI:DE:BVer­wG:2018:240418B2C36.16.0

Un­zu­läs­si­ger Tat­be­stands­be­rich­ti­gungs- und -er­gän­zungs­an­trag zu ei­nem Re­vi­si­ons­ur­teil

Leit­sät­ze:

1. Über ei­nen An­trag auf Tat­be­stands­be­rich­ti­gung hat der Spruch­kör­per in der Be­set­zung al­ler Rich­ter zu ent­schei­den, die an dem Ur­teil mit­ge­wirkt ha­ben, so­weit sie dem Ge­richt noch an­ge­hö­ren, auch wenn sie zwi­schen­zeit­lich den Spruch­kör­per ge­wech­selt ha­ben.

2. Der Tat­be­stand ei­nes Re­vi­si­ons­ur­teils un­ter­liegt der Tat­be­stands­be­rich­ti­gung ge­mäß § 119 Abs. 1 Vw­GO nur be­züg­lich ei­ge­ner Fest­stel­lun­gen des Re­vi­si­ons­ge­richts, auf die sich die ur­kund­li­che Be­weis­kraft des Ur­teils er­streckt und die für ei­nen nach­fol­gen­den Ver­fah­rens­ab­schnitt bin­dend wä­ren; dies sind ins­be­son­de­re Fest­stel­lun­gen zu den Re­vi­si­ons­an­trä­gen und sons­ti­gen Pro­zess­er­klä­run­gen in der Re­vi­si­ons­in­stanz.

3. Ein An­trag auf Be­rich­ti­gung des Tat­be­stands ei­nes Re­vi­si­ons­ur­teils ist un­zu­läs­sig, wenn sich der An­trag le­dig­lich auf die an­geb­lich un­rich­ti­ge Wie­der­ga­be von Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen der Vor­in­stanz be­zieht, an die das Re­vi­si­ons­ge­richt ge­mäß § 137 Abs. 2 Vw­GO man­gels durch­grei­fen­der Ver­fah­rens­rü­gen ge­bun­den war.

4. Ein An­trag auf Ur­teilser­gän­zung ge­mäß § 120 Abs. 1 Vw­GO ist nur zu­läs­sig, wenn zu­min­dest die Mög­lich­keit des Über­ge­hens ei­nes ge­stell­ten An­trags oder der Kos­ten­fol­ge schlüs­sig auf­ge­zeigt wird.

  • Rechts­quel­len
  • Zi­tier­vor­schlag

Be­schluss

BVer­wG 2 C 36.16

  • VG Cott­bus - 28.02.2013 - AZ: VG 5 K 914/11
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 18.06.2015 - AZ: OVG 6 B 32.15

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts
am 24. April 2018
durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen
und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. Har­tung, Dr. Kennt­ner, Dol­lin­ger und Dr. Gün­ther
be­schlos­sen:

Der An­trag des Klä­gers auf Be­rich­ti­gung des Tat­be­stands des Ur­teils vom 20. Ju­li 2017 - BVer­wG 2 C 36.16 - wird ver­wor­fen.

Grün­de

1 Der Se­nat ent­schei­det durch Be­schluss in sei­ner Be­set­zung zum Zeit­punkt der münd­li­chen Re­vi­si­ons­ver­hand­lung vom 20. Ju­li 2017.  § 119 Abs. 2 Satz 3 Vw­GO ver­langt, dass al­le da­mals sach­be­fass­ten Rich­ter mit­wir­ken müs­sen, die dem Ge­richt noch an­ge­hö­ren, al­so auch Rich­ter, die zwi­schen­zeit­lich den Spruch­kör­per ge­wech­selt ha­ben (vgl. Ren­nert, in: Eyer­mann, Vw­GO, 2014, § 119 Rn. 5; Stuhl­fauth, in: Ba­der/Fun­ke-Kai­ser/Stuhl­fauth/von Al­be­dyll, Vw­GO, 2014, § 119 Rn. 9; Ki­li­an, in: So­dan/Zie­kow, Vw­GO, 2014, § 119 Rn. 18).

2 Der auf Be­rich­ti­gung und Er­gän­zung des Tat­be­stands ge­rich­te­te An­trag des Klä­gers ist un­zu­läs­sig.

3 Der Tat­be­stand ei­nes Re­vi­si­ons­ur­teils un­ter­liegt der Tat­be­stands­be­rich­ti­gung ge­mäß § 119 Abs. 1 Vw­GO nur be­züg­lich ei­ge­ner Fest­stel­lun­gen des Re­vi­si­ons­ge­richts, auf die sich die ur­kund­li­che Be­weis­kraft des Ur­teils ge­mäß § 173 Vw­GO i.V.m. § 314 ZPO oder § 98 Vw­GO, § 417 ZPO er­streckt und die für ei­nen nach­fol­gen­den Ver­fah­rens­ab­schnitt bin­dend wä­ren. Das sind ins­be­son­de­re Fest­stel­lun­gen zu den Re­vi­si­ons­an­trä­gen und sons­ti­gen Pro­zess­er­klä­run­gen in der Re­vi­si­ons­in­stanz. Die re­vi­si­ons­ge­richt­li­che Wie­der­ga­be von Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen der Vor­in­stanz, an die das Re­vi­si­ons­ge­richt nach § 137 Abs. 2 Vw­GO ge­bun­den ist, kann da­ge­gen nicht nach § 119 Abs. 1 Vw­GO be­rich­tigt wer­den (stRspr, vgl. zu­letzt BVer­wG, Be­schlüs­se vom 31. Mai 2013 - 2 C 6.11 - NVwZ 2013, 1237 Rn. 2 m.w.N. und vom 12. März 2014 - 8 C 16.12 - ju­ris Rn. 7 ff. m.w.N.).

4 Die Be­weis­kraft des Tat­be­stands des Re­vi­si­ons­ur­teils er­streckt sich nur auf die dar­in be­zeug­ten ei­ge­nen Fest­stel­lun­gen des Re­vi­si­ons­ge­richts und nicht auf die Wie­der­ga­be der Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen der Vor­in­stanz, an die es nach Ma­ß­ga­be des § 137 Abs. 2 Vw­GO man­gels wirk­sa­mer Ver­fah­rens­rü­gen ge­bun­den ist. Selbst wenn die Wie­der­ga­be feh­ler­haft sein und sich nicht mehr als Zu­sam­men­fas­sung des von der Vor­in­stanz an­ge­nom­me­nen Sach­ver­halts dar­stel­len soll­te, lä­ge dar­in noch kei­ne ei­ge­ne, der ur­kund­li­chen Be­weis­kraft fä­hi­ge Tat­sa­chen­fest­stel­lung des Re­vi­si­ons­ge­richts. Mit ei­nem Tat­be­stands­be­rich­ti­gungs­an­trag nach § 119 Abs. 1 Vw­GO kann auch kei­ne Än­de­rung der Sach­ver­halts­be­wer­tung oder gar ei­ne Kor­rek­tur der recht­li­chen Wür­di­gung ver­langt wer­den (BVer­wG, Be­schlüs­se vom 12. März 2014 - 8 C 16.12 - ju­ris Rn. 10 und vom 13. Fe­bru­ar 2012 - 9 B 77.11 - Buch­holz 310 Vw­GO § 108 Abs. 1 Nr. 73 S. 8).

5 Dar­über hin­aus be­stimmt § 120 Abs. 1 Vw­GO, dass auf An­trag das Ur­teil durch nach­träg­li­che Ent­schei­dung zu er­gän­zen ist, wenn ein nach dem Tat­be­stand von ei­nem Be­tei­lig­ten ge­stell­ter An­trag oder die Kos­ten­fol­ge bei der Ent­schei­dung ganz oder zum Teil über­gan­gen wor­den ist. Der An­trag auf Er­gän­zung ei­nes Ur­teils nach § 120 Abs. 1 Vw­GO ist nur zu­läs­sig, wenn zu­min­dest die Mög­lich­keit des Über­ge­hens ei­nes ge­stell­ten An­trags oder der Kos­ten­fol­ge schlüs­sig auf­ge­zeigt wird (BVer­wG, Be­schluss vom 9. Ju­ni 2011 - 3 C 14.11 - Buch­holz 310 § 120 Vw­GO Nr. 10 Rn. 14).

6 Der Tat­be­stands­be­rich­ti­gungs- und -er­gän­zungs­an­trag des Klä­gers be­trifft kei­ne im Ur­teil vom 20. Ju­li 2017 do­ku­men­tier­ten Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen oder An­trä­ge des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts, auf die sich die Be­weis­kraft des Tat­be­stands ge­mäß § 173 Vw­GO i.V.m. § 314 ZPO oder § 98 Vw­GO, § 417 ZPO er­streckt und die des­halb der Ent­schei­dung in ei­nem nach­fol­gen­den Ver­fah­ren zu­grun­de zu le­gen wä­ren. Statt­des­sen rügt der Klä­ger die un­rich­ti­ge Wie­der­ga­be von Sach­ver­halts­fest­stel­lun­gen und An­trä­gen der Vor­in­stanz, ei­ne Miss­ach­tung der re­vi­si­ons­recht­li­chen Bin­dung an die­se Fest­stel­lun­gen ge­mäß § 137 Abs. 2 Vw­GO und die recht­li­che Wür­di­gung fest­ge­stell­ter Tat­sa­chen.

7 Die mit der An­trags­schrift vom 7. De­zem­ber 2017 er­ho­be­nen Ein­wän­de des Klä­gers be­tref­fen die Aus­füh­run­gen in den Rand­num­mern 1, 2 und 3 des an­ge­grif­fe­nen Re­vi­si­ons­ur­teils. Die­se Text­pas­sa­gen ent­hal­ten kei­ne ei­ner Tat­be­stands­be­rich­ti­gung zu­gäng­li­che Dar­stel­lung von Pro­zess­er­klä­run­gen oder Ver­fah­rens­hand­lun­gen im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren, son­dern al­lein die ge­dräng­te in­for­ma­to­ri­sche Wie­der­ga­be der we­sent­li­chen tat­be­stand­li­chen Fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ge­richts. Aus­las­sun­gen im Tat­be­stand, die über die tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen im Be­ru­fungs­ur­teil hin­aus­ge­hen, rügt der Klä­ger nicht.

8 Ei­ne Tat­be­stand­ser­gän­zung ist aus­ge­schlos­sen, weil kein nach dem Tat­be­stand von ei­nem Be­tei­lig­ten im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren ge­stell­ter An­trag bei der Ent­schei­dung über­gan­gen wor­den ist. Der Klä­ger ver­langt in der Sa­che viel­mehr die Rich­tig­stel­lung ei­ner von ihm für falsch ge­hal­te­nen Ent­schei­dung. Da­zu aber dient das Ver­fah­ren nach § 120 Vw­GO eben­so we­nig wie das Ver­fah­ren der An­hö­rungs­rü­ge nach § 152a Vw­GO (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 8. März 2018 - 2 C 37.17 - ju­ris Rn. 4 ff. in dem den Klä­ger be­tref­fen­den An­hö­rungs­rü­ge­ver­fah­ren).