Ver­fah­rens­in­for­ma­ti­on

Der Rechts­streit be­trifft ein Dis­zi­pli­nar­k­la­ge­ver­fah­ren we­gen des an­ge­schul­dig­ten Ver­sto­ßes ge­gen die Ver­fas­sungs­treue­pflicht.


Der Be­klag­te steht seit 1990 im Po­li­zei­dienst des kla­gen­den Lan­des Ber­lin und be­klei­det das Amt ei­nes Po­li­zei­kom­mis­sars (Be­sol­dungs­grup­pe A 9). Im Jahr 2007 lei­te­te die Staats­an­walt­schaft ver­schie­de­ne Er­mitt­lungs­ver­fah­ren ge­gen den Be­klag­ten ein. Ihm wur­de u.a. vor­ge­wor­fen, an der Er­stel­lung von CDs und Book­lets mit rechts­ex­tre­mis­ti­scher Mu­sik be­tei­ligt ge­we­sen zu sein, Tä­to­wie­run­gen mit Kenn­zei­chen ver­fas­sungs­wid­ri­ger Or­ga­ni­sa­tio­nen zu tra­gen und in der Öf­fent­lich­keit den „Hit­ler­gruß" ge­zeigt zu ha­ben. Die straf­recht­li­chen Er­mitt­lungs­ver­fah­ren wur­den ein­ge­stellt oder der Klä­ger von den Straf­ge­rich­ten frei­ge­spro­chen.


Der Dienst­herr ent­hob den Be­klag­ten be­reits im Jahr 2007 vor­läu­fig des Diens­tes. Im Dis­zi­pli­nar­k­la­ge­ver­fah­ren hat das Ver­wal­tungs­ge­richt ge­gen den Be­klag­ten zwar ei­ne Geld­bu­ße i.H.v. 300 € we­gen un­ge­neh­mig­ter Ne­ben­tä­tig­kei­ten ver­hängt. Hin­sicht­lich der üb­ri­gen An­schul­di­gun­gen hat das Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin den Be­klag­ten vom Dis­zi­pli­nar­vor­wurf da­ge­gen frei­ge­stellt.


Die hier­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung des kla­gen­den Lan­des hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg zu­rück­ge­wie­sen. Den Tä­to­wie­run­gen kom­me ei­ne dis­zi­pli­nar­recht­li­che Re­le­vanz nicht zu; ins­be­son­de­re sei ih­nen kein Ver­stoß ge­gen die Ver­fas­sungs­treue­pflicht zu ent­neh­men. Da­bei kön­ne da­hin­ste­hen, ob es sich bei ein­zel­nen Mo­ti­ven um Kenn­zei­chen ver­fas­sungs­wid­ri­ger Or­ga­ni­sa­tio­nen hand­le. Denn das An­brin­gen und das Un­ter­las­sen der Ent­fer­nung von Tä­to­wie­run­gen be­inhal­te al­len­falls die Mit­tei­lung, ei­ne ver­fas­sungs­feind­li­che Über­zeu­gung zu ha­ben. Ein für die An­nah­me ei­nes Dienst­ver­ge­hens er­for­der­li­ches ver­fas­sungs­feind­li­ches Ver­hal­ten sei da­mit nicht ver­bun­den. Auch das öf­fent­li­che Dar­bie­ten des „Hit­ler­gru­ßes" rei­che für die An­nah­me ei­nes Ver­sto­ßes ge­gen die Ver­fas­sungs­treue­pflicht nicht aus. Dem pri­va­ten, nicht öf­fent­lich zur Schau ge­stell­ten Be­sitz von Ge­gen­stän­den mit Be­zug zum Na­tio­nal­so­zia­lis­mus las­se sich zwar mög­li­cher­wei­se ein In­diz für das Ha­ben ei­ner ver­fas­sungs­feind­li­chen Ge­sin­nung ent­neh­men; ei­nen Ver­stoß ge­gen die Pflicht zur Ver­fas­sungs­treue­pflicht be­grün­de Der­ar­ti­ges aber nicht. Auch in Be­zug auf den Vor­wurf des Um­gangs mit übel­be­leum­de­ten Per­so­nen der rechts­ex­tre­mis­ti­schen Sze­ne sei ein Dienst­ver­ge­hen nicht fest­stell­bar. Al­lein das Un­ter­hal­ten ei­ner Part­ner­schaft kön­ne grund­sätz­lich kein ge­eig­ne­ter Um­stand für die An­nah­me ei­nes Ver­sto­ßes ge­gen die po­li­ti­sche Treue­pflicht dar­stel­len.


Hier­ge­gen wen­det sich die vom Be­ru­fungs­ge­richt we­gen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung be­reits zu­ge­las­se­ne Re­vi­si­on des kla­gen­den Lan­des.


Pres­se­mit­tei­lung Nr. 79/2017 vom 17.11.2017

Ent­fer­nung ei­nes Po­li­zis­ten aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis we­gen man­geln­der Ver­fas­sungs­treue

Ein Be­am­ter, der Tä­to­wie­run­gen mit ver­fas­sungs­wid­ri­gem In­halt trägt und den sog. Hit­ler­gruß zeigt, kann aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis ent­fernt wer­den. Das hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in Leip­zig heu­te ent­schie­den.


Der im Dis­zi­pli­nar­k­la­ge­ver­fah­ren be­klag­te Be­am­te steht als Po­li­zei­kom­mis­sar (Be­sol­dungs­grup­pe A 9) im Dienst des Lan­des Ber­lin. Im Jahr 2007 lei­te­te die Staats­an­walt­schaft ver­schie­de­ne Er­mitt­lungs­ver­fah­ren ein, in de­nen dem Be­klag­ten vor­ge­wor­fen wur­de, an der Er­stel­lung von CDs und Book­lets mit volks­ver­het­zen­den Lied­tex­ten be­tei­ligt ge­we­sen zu sein, Tä­to­wie­run­gen mit Kenn­zei­chen ver­fas­sungs­wid­ri­ger Or­ga­ni­sa­tio­nen zu tra­gen und in der Öf­fent­lich­keit den Hit­ler­gruß ge­zeigt zu ha­ben. Die­se Er­mitt­lungs­ver­fah­ren wur­den ein­ge­stellt, weil dem Be­am­ten nicht ha­be nach­ge­wie­sen wer­den kön­nen, dass er den Hit­ler­gruß im In­land und sei­ne Tä­to­wie­run­gen öf­fent­lich ge­zeigt ha­be. Vom Vor­wurf der Volks­ver­het­zung wur­de der Be­klag­te frei­ge­spro­chen, weil nach Auf­fas­sung des Straf­ge­richts nicht mit der ge­bo­te­nen Ein­deu­tig­keit ha­be fest­ge­stellt wer­den kön­nen, dass sich das be­an­stan­de­te Schmäh­lied auf das Ta­ge­buch der An­ne Frank be­zog.


Das Land ent­hob den Be­klag­ten be­reits im Jahr 2007 vor­läu­fig des Diens­tes. In dem nach Ab­schluss der Straf­ver­fah­ren fort­ge­führ­ten Dis­zi­pli­nar­k­la­ge­ver­fah­ren hat das Ver­wal­tungs­ge­richt ge­gen den Be­klag­ten ei­ne Geld­bu­ße i.H.v. 300 € we­gen un­ge­neh­mig­ter Ne­ben­tä­tig­kei­ten ver­hängt, den Be­klag­ten von den üb­ri­gen An­schul­di­gun­gen aber frei­ge­stellt. Die hier­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung des Lan­des hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin-Bran­den­burg zu­rück­ge­wie­sen. Auf die Re­vi­si­on des kla­gen­den Lan­des hat das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt den Be­klag­ten aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis ent­fernt. Zur Be­grün­dung hat es im We­sent­li­chen aus­ge­führt:


Be­am­te ste­hen in ei­nem be­son­de­ren öf­fent­lich-recht­li­chen Dienst- und Treue­ver­hält­nis, auf­grund des­sen sie zur Aus­übung ho­heits­recht­li­cher Be­fug­nis­se er­mäch­tigt wer­den kön­nen. Sie müs­sen sich da­her zu der Ver­fas­sungs­ord­nung, auf die sie ver­ei­digt wor­den sind, be­ken­nen und für sie ein­tre­ten. Wer die frei­heit­lich-de­mo­kra­ti­sche, rechts- und so­zi­al­staat­li­che Ord­nung des Grund­ge­set­zes ab­lehnt, ist für die Aus­übung ei­nes öf­fent­li­chen Am­tes nicht ge­eig­net. Auf die Straf­bar­keit treue­pflicht­wid­ri­ger Ver­hal­tens­wei­sen kommt es da­bei nicht an.


Die Treue­pflicht ei­nes Be­am­ten kann auch durch das Tra­gen von Tä­to­wie­run­gen mit ver­fas­sungs­wid­ri­gem In­halt ver­letzt wer­den. Zwar stellt ei­ne Tä­to­wie­rung zu­nächst nur ei­ne Kör­per­de­ko­rie­rung dar; durch die­se wird der Kör­per in­des be­wusst als Kom­mu­ni­ka­ti­ons­me­di­um ein­ge­setzt. Mit ei­ner Tä­to­wie­rung ist ei­ne pla­ka­ti­ve Kund­ga­be ver­bun­den, zu der sich der Trä­ger schon an­ge­sichts ih­rer Dau­er­haf­tig­keit in be­son­ders in­ten­si­ver Wei­se be­kennt. Iden­ti­fi­ziert sich ein Be­am­ter der­art mit ei­ner ver­fas­sungs­wid­ri­gen Or­ga­ni­sa­ti­on oder Ideo­lo­gie, dass er sich ent­spre­chen­de Sym­bo­le ein­tä­to­wie­ren lässt, zieht er au­ßen­wirk­sa­me Fol­ge­run­gen aus sei­ner Über­zeu­gung und bringt ei­ne die ver­fas­sungs­mä­ßi­ge Ord­nung ab­leh­nen­de Ein­stel­lung zum Aus­druck, was im We­ge des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens ge­ahn­det wer­den kann.


Die Be­ur­tei­lung, ob ein Be­am­ter sei­ne Treue­pflicht ver­letzt hat, setzt ei­ne Ge­samt­wür­di­gung sei­nes Ver­hal­tens vor­aus. Dies gilt bei Tä­to­wie­run­gen an­ge­sichts des oft nicht ein­deu­ti­gen Aus­sa­ge­ge­halts bild­haf­ter Ge­stal­tun­gen in be­son­de­rer Wei­se. Da der Be­klag­te nicht nur Tä­to­wie­run­gen von Ru­nen­zei­chen und Em­ble­men rechts­ex­tre­mis­ti­scher, ras­sis­ti­scher Mu­sik­grup­pen trägt, son­dern wie­der­holt den Hit­ler­gruß ge­zeigt, mit ei­ner Ha­ken­kreuz­flag­ge po­siert und na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche De­vo­tio­na­li­en in sei­ner Woh­nung ver­wahrt hat, ist sein durch die Tä­to­wie­run­gen do­ku­men­tier­tes Be­kennt­nis als grund­sätz­li­che und dau­er­haf­te Ab­kehr von den Prin­zi­pi­en der Ver­fas­sungs­ord­nung zu wer­ten, die zur Ent­fer­nung aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis führt.


BVer­wG 2 C 25.17 - Ur­teil vom 17. No­vem­ber 2017

Vor­in­stan­zen:

OVG Ber­lin-Bran­den­burg, 80 D 6.13 - Ur­teil vom 04. Mai 2017 -

VG Ber­lin, 80 K 22.12 OL - Ur­teil vom 09. April 2013 -


Ur­teil vom 17.11.2017 -
BVer­wG 2 C 25.17ECLI:DE:BVer­wG:2017:171117U2C25.17.0

Ent­fer­nung aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis we­gen Tä­to­wie­rung mit ver­fas­sungs­feind­li­chem In­halt

Leit­sät­ze:

1. Die Re­ge­lung des zu­läs­si­gen Aus­ma­ßes von Tä­to­wie­run­gen bei Be­am­ten setzt ei­ne hin­rei­chend be­stimm­te ge­setz­li­che Er­mäch­ti­gung vor­aus.

2. Fol­ge­run­gen für sei­ne Ein­stel­lung ge­gen­über der ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Ord­nung kann ein Be­am­ter auch durch pla­ka­ti­ve Kund­ga­be in Ge­stalt des Tra­gens ei­ner Tä­to­wie­rung mit ver­fas­sungs­feind­li­chem In­halt zie­hen.

3. Ein Ver­stoß ge­gen die Ver­fas­sungs­treue­pflicht setzt we­der ein öf­fent­lich sicht­ba­res noch ein straf­ba­res Ver­hal­ten des Be­am­ten vor­aus.

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  • Zi­tier­vor­schlag

Ur­teil

BVer­wG 2 C 25.17

  • VG Ber­lin - 09.04.2013 - AZ: VG 80 K 22.12 OL
  • OVG Ber­lin-Bran­den­burg - 04.05.2017 - AZ: OVG 80 D 6.13

In der Ver­wal­tungs­streit­sa­che hat der 2. Se­nat des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts auf die münd­li­che Ver­hand­lung vom 16. No­vem­ber 2017 durch den Vor­sit­zen­den Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dom­gör­gen und die Rich­ter am Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt Dr. von der Wei­den, Dr. Har­tung, Dr. Kennt­ner und Dr. Gün­ther am 17. No­vem­ber 2017 für Recht er­kannt:

  1. Die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 4. Mai 2017 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin vom 9. April 2013 wer­den auf­ge­ho­ben.
  2. Der Be­klag­te wird aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis ent­fernt.
  3. Der Be­klag­te trägt die Kos­ten des Ver­fah­rens.

Grün­de

I

1 Der Rechts­streit be­trifft ein Dis­zi­pli­nar­k­la­ge­ver­fah­ren; im Vor­der­grund steht ein an­ge­schul­dig­ter Ver­stoß ge­gen die Ver­fas­sungs­treue­pflicht.

2 Der 1974 ge­bo­re­ne Be­klag­te steht als Po­li­zei­kom­mis­sar (Be­sol­dungs­grup­pe A 9 LBe­sO) im Dienst des Lan­des Ber­lin. Im Jahr 2007 lei­te­te die Staats­an­walt­schaft ein Er­mitt­lungs­ver­fah­ren we­gen des Ver­dachts der Volks­ver­het­zung ge­gen den Be­klag­ten ein. Ihm wur­de vor­ge­wor­fen, an der Er­stel­lung von CDs und Book­lets mit volks­ver­het­zen­den Lied­tex­ten be­tei­ligt ge­we­sen zu sein. Das Land­ge­richt Ber­lin sprach den Be­klag­ten im Jahr 2011 von die­sem Vor­wurf frei, weil nicht mit der ge­bo­te­nen Ein­deu­tig­keit ha­be fest­ge­stellt wer­den kön­nen, dass sich das be­an­stan­de­te Schmäh­lied auf das Ta­ge­buch der An­ne Frank be­zie­he.

3 Im Rah­men der er­ken­nungs­dienst­li­chen Be­hand­lung im o.g. Straf­ver­fah­ren wur­den Kör­per­tä­to­wie­run­gen des Be­klag­ten fest­ge­stellt und in Licht­bild­auf­nah­men do­ku­men­tiert, weil sie den Ver­dacht der Ver­wen­dung von Kenn­zei­chen ver­fas­sungs­wid­ri­ger Or­ga­ni­sa­tio­nen be­grün­de­ten. Das hier­zu ge­führ­te Er­mitt­lungs­ver­fah­ren stell­te die Staats­an­walt­schaft Ber­lin im Jahr 2008 ge­mäß § 170 Abs. 2 StPO ein. Es kön­ne nicht mit der er­for­der­li­chen Si­cher­heit fest­ge­stellt wer­den, dass der Be­klag­te die Kenn­zei­chen öf­fent­lich ver­wen­det ha­be. Ins­be­son­de­re las­se sich nicht fest­stel­len, dass der Be­klag­te am Po­li­zei­sport teil­ge­nom­men ha­be, oh­ne ein sei­ne Kör­per­tä­to­wie­run­gen ver­de­cken­des lan­g­är­me­li­ges Hemd ge­tra­gen zu ha­ben.

4 Auf­grund ei­nes rich­ter­li­chen Durch­su­chungs­be­schlus­ses wur­de im Zu­ge der straf­recht­li­chen Er­mitt­lun­gen auch die Woh­nung des Be­klag­ten durch­sucht. Dort wur­den zahl­rei­che Ge­gen­stän­de mit Be­zug zum Na­tio­nal­so­zia­lis­mus auf­ge­fun­den - et­wa ge­rahm­te Ab­bil­dun­gen von Adolf Hit­ler, Por­traits von Ru­dolf Heß und Horst Wes­sel, ein Trink­be­cher mit dem Auf­druck "Ru­dolf Heß 1894-1987 Fo­re­ver in our hearts", Bü­cher und Zeit­schrif­ten mit na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schem In­halt so­wie Klei­dungs­stü­cke und Ge­gen­stän­de mit Auf­dru­cken ver­schie­de­ner rechts­ex­tre­mis­ti­scher Mu­sik­grup­pen. Dar­über hin­aus wur­den zahl­rei­che Fo­tos und Fo­to-CDs si­cher­ge­stellt, auf de­nen u.a. auch der Be­klag­te bei der Aus­füh­rung des sog. Hit­ler­gru­ßes ab­ge­bil­det ist. Auch ein dies­be­züg­li­ches Er­mitt­lungs­ver­fah­ren stell­te die Staats­an­walt­schaft Ber­lin ein. Da ei­ni­ge der Ab­bil­dun­gen of­fen­bar an­läss­lich ei­nes Kon­zerts in Großbri­tan­ni­en auf­ge­nom­men wor­den sei­en, las­se sich nicht mit hin­rei­chen­der Si­cher­heit fest­stel­len, dass der Be­klag­te die Kenn­zei­chen ver­fas­sungs­wid­ri­ger Or­ga­ni­sa­tio­nen im In­land ver­brei­tet ha­be.

5 Im Hin­blick auf die straf­recht­li­chen Be­schul­di­gun­gen und den Ver­dacht der Aus­übung ei­ner nicht ge­neh­mig­ten Ne­ben­tä­tig­keit lei­te­te der Dienst­herr be­reits im Au­gust 2007 ein Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ge­gen den Be­klag­ten ein, das bis zum rechts­kräf­ti­gen Ab­schluss des Straf­ver­fah­rens aus­ge­setzt wur­de. Im Sep­tem­ber 2007 wur­de der Be­klag­te un­ter un­ge­kürz­ter Be­zü­ge­zah­lung vor­läu­fig des Diens­tes ent­ho­ben.

6 Im Jahr 2012 hat der Klä­ger Dis­zi­pli­nar­k­la­ge mit dem Ziel der Ent­fer­nung des Be­klag­ten aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis er­ho­ben. Dar­in wird dem Be­klag­ten vor­ge­wor­fen, er ha­be durch sein in­ner- und au­ßer­dienst­li­ches Ver­hal­ten ge­gen sei­ne Pflicht zur Ver­fas­sungs­treue, zu ach­tungs- und ver­trau­ens­wür­di­gem Ver­hal­ten und zur Be­fol­gung dienst­li­cher An­ord­nun­gen ver­sto­ßen. Der Be­klag­te ha­be mehr­mals den Hit­ler­gruß ge­zeigt und sich die Sym­bo­le sei­ner of­fen­sicht­lich na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ge­sin­nung in die Haut "ein­bren­nen" las­sen. Er ha­be sei­ne Woh­nung mit zahl­rei­chen De­vo­tio­na­li­en und Bil­dern füh­ren­der Ver­tre­ter des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus aus­ge­stat­tet und pfle­ge in­ten­si­ven Um­gang mit Per­so­nen aus der rechts­ex­tre­mis­ti­schen Sze­ne. Selbst sein Au­to­kenn­zei­chen füh­re die Kom­bi­na­ti­on B-HH, was in der rechts­ex­tre­mis­ti­schen Sze­ne die üb­li­che Ab­kür­zung für "Heil Hit­ler" dar­stel­le. All dies be­le­ge, dass der Be­klag­te sich mit ei­nem Ge­dan­ken­gut iden­ti­fi­zie­re, das den Grund­la­gen ei­nes de­mo­kra­ti­schen Rechts­staats dia­me­tral ent­ge­gen­setzt sei.

7 Im Ein­zel­nen stützt sich die Dis­zi­pli­nar­k­la­ge auf fünf An­schul­di­gungs­kom­ple­xe. Zum Ers­ten tra­ge der Be­klag­te aus­weis­lich der im straf­recht­li­chen Er­mitt­lungs­ver­fah­ren an­ge­fer­tig­ten Bil­der­map­pe 1 meh­re­re Kör­per­tä­to­wie­run­gen mit Kenn­zei­chen ver­bo­te­ner Or­ga­ni­sa­tio­nen und na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Sym­bo­len. Zum Zwei­ten ha­be der Be­klag­te aus­weis­lich der bei ihm auf­ge­fun­de­nen Fo­to­gra­fi­en wie­der­holt den Hit­ler­gruß ge­zeigt und sich auch mit ei­ner Ha­ken­kreuz­fah­ne ab­lich­ten las­sen. Zum Drit­ten ver­wah­re der Be­klag­te na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Ge­gen­stän­de, Sym­bo­le, De­vo­tio­na­li­en und Li­te­ra­tur in sei­ner Woh­nung, was nach Art und Men­ge des Ma­te­ri­als nur den Schluss zu­las­se, dass der Be­klag­te dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus und sei­nen Prot­ago­nis­ten hul­di­ge. Zum Vier­ten pfle­ge der Be­klag­te Um­gang mit übel­be­leum­de­ten Per­so­nen, in­dem er ei­ne Part­ner­schaft zu Frau ... ... un­ter­hal­te, die rechts­ex­tre­mis­ti­schen Ak­ti­vi­tä­ten für die NPD nach­ge­he und sog. "Front­frau" der "Ge­mein­schaft deut­scher Frau­en" sei. Auch pfle­ge er Kon­tak­te zu den Brü­dern ... und ... ..., die Mit­glie­der der Mu­sik­grup­pe "Deutsch, Stolz, Treue" (D.S.T) sei­en. Zum Fünf­ten be­trei­be der Be­klag­te als Mit­ge­schäfts­füh­rer ein Ge­wer­be (...), oh­ne im Be­sitz der hier­für er­for­der­li­chen Ne­ben­tä­tig­keits­ge­neh­mi­gung zu sein.

8 Das Ver­wal­tungs­ge­richt hat ge­gen den Be­klag­ten ei­ne Geld­bu­ße in Hö­he von 300 € ver­hängt. Die vom Be­klag­ten ein­ge­räum­te un­ge­neh­mig­te Ne­ben­tä­tig­keit stel­le ein Dienst­ver­ge­hen dar. Hin­sicht­lich der üb­ri­gen An­schul­di­gun­gen hat das Ver­wal­tungs­ge­richt den Be­klag­ten vom Dis­zi­pli­nar­vor­wurf frei­ge­stellt.

9 Die hier­ge­gen ge­rich­te­te Be­ru­fung des kla­gen­den Lan­des hat das Ober­ver­wal­tungs­ge­richt zu­rück­ge­wie­sen. Zur Be­grün­dung hat es ins­be­son­de­re aus­ge­führt, we­der aus den Tä­to­wie­run­gen noch aus den an­ge­schul­dig­ten Ver­hal­tens­wei­sen kön­ne ein Ver­stoß ge­gen die Ver­fas­sungs­treue­pflicht ent­nom­men wer­den. Da­bei kön­ne da­hin­ste­hen, ob es sich bei ein­zel­nen Mo­ti­ven der vom Be­klag­ten ge­tra­ge­nen Tä­to­wie­run­gen um Kenn­zei­chen ver­fas­sungs­wid­ri­ger Or­ga­ni­sa­tio­nen hand­le. Das An­brin­gen und das Un­ter­las­sen der Ent­fer­nung von Tä­to­wie­run­gen be­inhal­te al­len­falls die Mit­tei­lung, ei­ne ver­fas­sungs­feind­li­che Über­zeu­gung zu ha­ben. Ein für die An­nah­me ei­nes Dienst­ver­ge­hens er­for­der­li­ches ver­fas­sungs­feind­li­ches Ver­hal­ten sei da­mit je­doch nicht ver­bun­den. Auch das öf­fent­li­che Dar­bie­ten des Hit­ler­gru­ßes rei­che für die An­nah­me ei­nes Ver­sto­ßes ge­gen die Ver­fas­sungs­treue­pflicht nicht aus. Durch das auf­grund der vor­lie­gen­den Be­weis­mit­tel fest­stell­ba­re ge­mein­schaft­li­che Zei­gen des Hit­ler­gru­ßes auf dem Kon­zert ei­ner rechts­ex­tre­men Mu­sik­grup­pe mö­ge der Be­klag­te ei­ne rechts­ex­tre­mis­ti­sche Hal­tung in ei­ner Grup­pe von Gleich­ge­sinn­ten mit­ge­teilt ha­ben. Ein po­li­tisch wer­ben­des Ver­hal­ten, das auf die Ver­brei­tung na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ge­dan­ken­guts oder auf die Ver­än­de­rung der po­li­ti­schen Ver­hält­nis­se ge­rich­tet sei, kön­ne hier­aus je­doch nicht ab­ge­lei­tet wer­den. So­weit hier­durch ei­ne Ver­let­zung der Pflicht zu ach­tungs- und ver­trau­ens­ge­rech­tem Ver­hal­ten vor­lie­ge, weil der Be­klag­te in zu­re­chen­ba­rer Wei­se den An­schein ge­setzt ha­be, sich mit dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus zu iden­ti­fi­zie­ren oder mit ihm zu sym­pa­thi­sie­ren, schei­de ei­ne dis­zi­pli­na­ri­sche Ahn­dung in­fol­ge des Maß­nah­me­ver­bots we­gen Zeit­ab­laufs aus.

10 Mit der vom Be­ru­fungs­ge­richt we­gen grund­sätz­li­cher Be­deu­tung zu­ge­las­se­nen Re­vi­si­on be­an­tragt das kla­gen­de Land,
die Ur­tei­le des Ober­ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin-Bran­den­burg vom 4. Mai 2017 und des Ver­wal­tungs­ge­richts Ber­lin vom 9. April 2013 - so­weit die­ses noch nicht in Teil­rechts­kraft er­wach­sen ist (An­schul­di­gungs­punk­te 1 bis 4) - auf­zu­he­ben und den Be­klag­ten aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis zu ent­fer­nen.

11 Der Be­klag­te be­an­tragt,
die Re­vi­si­on zu­rück­zu­wei­sen.

II

12 Die zu­läs­si­ge Re­vi­si­on des kla­gen­den Lan­des ist be­grün­det. Das an­ge­grif­fe­ne Be­ru­fungs­ur­teil ver­letzt re­vi­si­bles Recht. Die Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts, auch das Tra­gen ei­ner Tä­to­wie­rung mit ver­fas­sungs­feind­li­chen Mo­ti­ven kön­ne als blo­ßes Ha­ben und Mit­tei­len ei­ner be­stimm­ten Ge­sin­nung nicht als Dienst­ver­ge­hen be­wer­tet wer­den, weil es nicht auf die wirk­sa­me Ver­brei­tung ei­nes ver­fas­sungs­feind­li­chen Stand­punk­tes ge­rich­tet sei, ist mit der in Art. 33 Abs. 5 GG und § 33 Abs. 1 Satz 3 Be­amtStG ver­an­ker­ten Ver­fas­sungs­treue­pflicht des Be­am­ten nicht ver­ein­bar (1.). Durch den In­halt der ge­tra­ge­nen Tä­to­wie­run­gen, das Zei­gen des Hit­ler­gru­ßes und sein wei­te­res Ver­hal­ten hat der Be­klag­te ei­ne na­tio­nal­so­zia­lis­tisch ge­präg­te Ein­stel­lung kund­ge­tan, die mit sei­nem Dienst­eid auf das Grund­ge­setz und den Eig­nungs­an­for­de­run­gen für die Aus­übung ei­nes öf­fent­li­chen Am­tes un­ver­ein­bar ist (2.). Der Be­klag­te muss da­her aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis ent­fernt wer­den; zu die­sem Aus­spruch ist das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt auch im Re­vi­si­ons­ver­fah­ren be­fugt (3.).

13 1. Die Ver­pflich­tung auf die Ver­fas­sung und ih­re fun­da­men­ta­len Prin­zi­pi­en ge­hört zu den tra­gen­den Grund­sät­zen des Be­rufs­be­am­ten­tums (a). Die­se Ver­fas­sungs­treue­pflicht kann auch durch das Tra­gen ei­ner Tä­to­wie­rung mit ver­fas­sungs­feind­li­chem In­halt ver­letzt wer­den, wenn da­durch ei­ne Ab­leh­nung der ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Ord­nung des Grund­ge­set­zes zum Aus­druck kommt (b). Dies gilt auch dann, wenn ei­ne hin­rei­chen­de ge­setz­li­che Re­ge­lung über das zu­läs­si­ge Aus­maß von Tä­to­wie­run­gen bei Be­am­ten fehlt (c).

14 a) Be­am­te sind zur Ver­fas­sungs­treue ver­pflich­tet.

15 aa) Die Aus­übung ho­heits­recht­li­cher Be­fug­nis­se und die da­mit ver­bun­de­nen Ein­griffs­rech­te des Staa­tes sind durch Art. 33 Abs. 4 GG ei­nem Per­so­nen­kreis vor­be­hal­ten, des­sen Rechts­stel­lung in be­son­de­rer Wei­se Ge­währ für Ver­läss­lich­keit und Rechts­staat­lich­keit bie­tet. Be­am­te rea­li­sie­ren die Macht­stel­lung des Staa­tes (BVerfG, Ur­teil vom 27. April 1959 - 2 BvF 2/58 - BVerf­GE 9, 268 <282>), sie ha­ben als "Re­prä­sen­tan­ten der Rechts­staats­idee" dem gan­zen Volk zu die­nen und ih­re Auf­ga­ben im In­ter­es­se des Wohls der All­ge­mein­heit un­par­tei­isch und ge­recht zu er­fül­len (BVer­wG, Ur­teil vom 11. De­zem­ber 2014 - 2 C 51.13 - BVer­w­GE 151, 114 Rn. 26). Be­am­te ste­hen da­her in ei­nem be­son­de­ren öf­fent­lich-recht­li­chen Dienst- und Treue­ver­hält­nis. Auf­grund die­ser Treue­pflicht ge­hört es je­den­falls zu den her­ge­brach­ten Grund­sät­zen des Be­rufs­be­am­ten­tums im Sin­ne von Art. 33 Abs. 5 GG, dass sich der Be­am­te zu der Ver­fas­sungs­ord­nung, auf die er ver­ei­digt ist, be­kennt und für sie ein­tritt (BVerfG, Ur­teil vom 27. April 1959 - 2 BvF 2/58 - BVerf­GE 9, 268 <286> so­wie Be­schluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerf­GE 39, 334 <346>; BVer­wG, Ur­teil vom 27. No­vem­ber 2014 - 2 C 24.13 - BVer­w­GE 150, 366 Rn. 30).

16 Der Be­am­te, der "so­zu­sa­gen als Staat Be­feh­le ge­ben kann" (BVerfG, Ur­teil vom 27. April 1959 - 2 BvF 2/58 - BVerf­GE 9, 268 <282>), muss sich mit den Prin­zi­pi­en der ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Ord­nung oh­ne in­ne­re Di­stanz iden­ti­fi­zie­ren. Da­mit ist nicht ei­ne Ver­pflich­tung ge­meint, sich die Zie­le oder ei­ne be­stimm­te Po­li­tik der je­wei­li­gen Re­gie­rung zu ei­gen zu ma­chen. Ge­for­dert ist aber die Be­reit­schaft, sich mit der Idee des Staa­tes, dem der Be­am­te die­nen soll, mit der frei­heit­lich-de­mo­kra­ti­schen, rechts- und so­zi­al­staat­li­chen Ord­nung die­ses Staa­tes zu iden­ti­fi­zie­ren und für sie ein­zu­tre­ten. Dies schlie­ßt nicht aus, an Er­schei­nun­gen die­ses Staa­tes Kri­tik zu üben und für Än­de­run­gen der be­stehen­den Ver­hält­nis­se mit den ver­fas­sungs­recht­lich vor­ge­se­he­nen Mit­teln ein­zu­tre­ten, so­lan­ge in die­sem Ge­wand nicht eben die­ser Staat und sei­ne ver­fas­sungs­mä­ßi­ge Grund­la­ge in Fra­ge ge­stellt wer­den. An ei­ner "un­kri­ti­schen" Be­am­ten­schaft kön­nen Staat und Ge­sell­schaft kein In­ter­es­se ha­ben. Un­ver­zicht­bar ist aber, dass der Be­am­te den Staat und die gel­ten­de ver­fas­sungs­recht­li­che Ord­nung be­jaht, sie als schüt­zens­wert an­er­kennt, in die­sem Sin­ne sich zu ih­nen be­kennt und ak­tiv für sie ein­tritt. Der Staat ist dar­auf an­ge­wie­sen, dass sei­ne Be­am­ten für ihn ein­ste­hen und Par­tei für ihn er­grei­fen (BVerfG, Be­schluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerf­GE 39, 334 <347 f.>).

17 Die Be­fug­nis ei­nes de­mo­kra­ti­schen Staa­tes, von sei­nen Be­am­ten die Treue zu den grund­le­gen­den Ver­fas­sungs­grund­sät­zen zu ver­lan­gen, ist auch in der Recht­spre­chung des Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hofs für Men­schen­rech­te an­er­kannt (EGMR, Ur­teil vom 26. Sep­tem­ber 1995 - 7/1994/454/535 "Vogt" - NJW 1996, 375 <377>). Die Ver­fas­sungs­treue stellt da­mit auch ei­ne we­sent­li­che und ent­schei­den­de be­ruf­li­che An­for­de­rung im Sin­ne von § 8 Abs. 1 des All­ge­mei­nen Gleich­be­hand­lungs­ge­set­zes vom 14. Au­gust 2006 (BGBl. I S. 1897) so­wie Art. 4 Abs. 1 der Richt­li­nie 2000/78/EG des Ra­tes vom 27. No­vem­ber 2000 zur Fest­le­gung ei­nes all­ge­mei­nen Rah­mens für die Ver­wirk­li­chung der Gleich­be­hand­lung in Be­schäf­ti­gung und Be­ruf (ABl. EG L 303 vom 2. De­zem­ber 2000 S. 16) für Be­am­te dar (vgl. BAG, Ur­teil vom 6. Sep­tem­ber 2012 - 2 AZR 372/11 - ZTR 2013, 261 Rn. 34).

18 Die Grund­ent­schei­dung des Grund­ge­set­zes zur Kon­sti­tu­ie­rung ei­ner wehr­haf­ten De­mo­kra­tie lässt es nicht zu, dass Be­am­te im Staats­dienst tä­tig wer­den, die die frei­heit­lich-de­mo­kra­ti­sche, rechts- und so­zi­al­staat­li­che Ord­nung ab­leh­nen und be­kämp­fen. Die­sen Per­so­nen fehlt die Eig­nung für die Aus­übung ei­nes öf­fent­li­chen Am­tes (vgl. BVerfG, Ur­teil vom 8. Ju­li 1997 - 1 BvR 2111/94 u.a. - BVerf­GE 96, 171 <181>; BAG, Ur­teil vom 12. Mai 2011 - 2 AZR 479/09 - ZTR 2011, 739 Rn. 23; EGMR, Ent­schei­dung vom 22. No­vem­ber 2001 - 39799/98 "Volk­mer" - NJW 2002, 3087 <3088>). Ih­nen kann von den Bür­gern nicht das zur Wahr­neh­mung des öf­fent­li­chen Am­tes be­rufs­er­for­der­li­che Ver­trau­en ent­ge­gen­ge­bracht wer­den (BVer­wG, Ur­teil vom 18. Ju­ni 2015 - 2 C 9.14 - BVer­w­GE 152, 228 Rn. 11 ff.).

19 bb) Sind sol­che Per­so­nen be­reits zu Be­am­ten er­nannt, kön­nen sie im We­ge des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis ent­fernt wer­den.

20 Dis­zi­pli­nar­maß­nah­men set­zen al­ler­dings ein kon­kre­tes Dienst­ver­ge­hen vor­aus. Die­ses be­steht nicht be­reits in der "man­geln­den Ge­währ" da­für, dass der Be­am­te je­der­zeit für die frei­heit­li­che de­mo­kra­ti­sche Grund­ord­nung ein­tre­ten wer­de, son­dern erst in der nach­ge­wie­se­nen Ver­let­zung je­ner Amts­pflicht (BVerfG, Be­schlüs­se vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerf­GE 39, 334 <350 f.> und vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 337/08 - NJW 2008, 2568 Rn. 31).

21 Das blo­ße Ha­ben ei­ner Über­zeu­gung und die blo­ße Mit­tei­lung, dass man die­se ha­be, rei­chen für die An­nah­me ei­ner Ver­let­zung der dem Be­am­ten auf­er­leg­ten Treue­pflicht grund­sätz­lich nicht aus. Ein Dienst­ver­ge­hen be­steht erst, wenn der Be­am­te aus sei­ner po­li­ti­schen Über­zeu­gung Fol­ge­run­gen für sei­ne Ein­stel­lung ge­gen­über der ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Ord­nung der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land, für die Art der Er­fül­lung sei­ner Dienst­pflich­ten, für den Um­gang mit sei­nen Mit­ar­bei­tern oder für po­li­ti­sche Ak­ti­vi­tä­ten im Sin­ne sei­ner po­li­ti­schen Über­zeu­gung zieht (BVerfG, Be­schlüs­se vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerf­GE 39, 334 <350 f.> und vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 337/08 - BVerf­GK 13, 531 <540>; vgl. zum Er­for­der­nis ei­nes durch ent­spre­chen­de Ak­ti­vi­tä­ten deut­lich ge­wor­de­nen Loya­li­täts­man­gels auch BAG, Ur­teil vom 6. Sep­tem­ber 2012 - 2 AZR 372/11 - ZTR 2013, 261 Rn. 21).

22 Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts liegt ei­ne der­ar­ti­ge Ver­let­zung der Ver­fas­sungs­treue­pflicht nicht erst dann vor, wenn der Be­am­te ein Ver­hal­ten zeigt, das auf die wirk­sa­me Ver­brei­tung ei­nes ver­fas­sungs­feind­li­chen Stand­punk­tes oder auf die Teil­nah­me am po­li­ti­schen Mei­nungs­kampf ge­rich­tet ist. Ent­spre­chen­des folgt auch nicht aus den in Be­zug ge­nom­me­nen For­mu­lie­run­gen des Dis­zi­pli­nar­se­nats des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 20. Fe­bru­ar 2001 - 1 D 55.99 - BVer­w­GE 114, 37 <45>), die im Üb­ri­gen kei­ne Maß­st­abs­bil­dung, son­dern le­dig­lich Sub­sum­ti­ons­er­wä­gun­gen ent­hal­ten.

23 Das in der ver­fas­sungs­ge­richt­li­chen Recht­spre­chung ge­for­der­te "Mehr" als das blo­ße Ha­ben und Mit­tei­len ist nicht erst bei ei­nem of­fen­si­ven Wer­ben er­reicht. Zwi­schen dem "blo­ßen" Ha­ben und Mit­tei­len ei­ner Über­zeu­gung und dem plan­mä­ßi­gen wer­ben­den Agie­ren oder gar Agi­tie­ren lie­gen dif­fe­ren­zie­rungs­fä­hi­ge und er­heb­li­che Ab­stu­fun­gen.

24 b) Fol­ge­run­gen für sei­ne Ein­stel­lung ge­gen­über der ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Ord­nung kann ein Be­am­ter auch durch pla­ka­ti­ve Kund­ga­be in Ge­stalt des Tra­gens ei­ner Tä­to­wie­rung mit ver­fas­sungs­feind­li­chem In­halt zie­hen.

25 aa) Die Be­tä­ti­gung ei­ner ver­fas­sungs­feind­li­chen Ge­sin­nung durch "blo­ße" Tä­to­wie­rung ist mög­lich. Zwar stellt ei­ne Tä­to­wie­rung zu­nächst nur ei­ne Kör­per­de­ko­rie­rung dar. Durch die­se wird der Kör­per in­des be­wusst als Kom­mu­ni­ka­ti­ons­me­di­um ein­ge­setzt (Lob­städt, Tä­to­wie­rung, Nar­ziss­mus und Thea­tra­li­tät, 2011, S. 125 ff.; Schmidt, Das äu­ße­re Er­schei­nungs­bild von Be­am­ten­be­wer­bern, 2017, S. 161 f. m.w.N.). Mit dem Tra­gen ei­ner Tä­to­wie­rung ist ei­ne pla­ka­ti­ve Kund­ga­be ver­bun­den, durch die ei­ne mit ihr ver­bun­de­ne Aus­sa­ge das "fo­rum in­ter­num" ver­lässt. Durch ei­ne Tä­to­wie­rung er­folgt ei­ne nach au­ßen ge­rich­te­te und do­ku­men­tier­te Mit­tei­lung durch de­ren Trä­ger über sich selbst. Die­ser kommt im Fal­le der Tä­to­wie­rung so­gar ein be­son­de­rer Stel­len­wert zu, weil das Mo­tiv in die Haut ein­ge­sto­chen wird und der Trä­ger sich da­mit dau­er­haft und in be­son­ders in­ten­si­ver Wei­se be­kennt.

26 Ein Be­am­ter, der sich mit ei­ner Auf­fas­sung, die der Wer­te­ord­nung des Grund­ge­set­zes wi­der­spricht, der­art iden­ti­fi­ziert, dass er sie sich in die Haut ein­tä­to­wie­ren lässt, ist nicht trag­bar. Er do­ku­men­tiert mit dem Tra­gen der Tä­to­wie­rung sein dau­er­haf­tes Be­kennt­nis zu die­ser An­schau­ung und da­mit sei­ne Ab­kehr von der Ver­fas­sungs­ord­nung (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 17. Mai 2001 - 1 DB 15.01 - Buch­holz 232 § 52 BBG Nr. 13 S. 23). Ei­ne hier­an an­knüp­fen­de Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me sank­tio­niert nicht die in­ne­re Hal­tung und Ge­sin­nung des Be­am­ten, son­dern sein äu­ße­res Han­deln (vgl. BVer­wG, Ur­teil vom 20. Ja­nu­ar 1987 - 1 D 114.85 - NJW 1987, 2691 <2692>).

27 bb) Dass sich die Tä­to­wie­rung in dem beim Tra­gen von Dienst­klei­dung sicht­ba­ren Be­reich des Kör­pers be­fin­det, ist nicht er­for­der­lich.

28 Ent­schei­dungs­maß­stab für die Fra­ge, in wel­chem Um­fang der Dienst­herr und die All­ge­mein­heit dem Be­am­ten noch Ver­trau­en in ei­ne zu­künf­tig pflicht­ge­mä­ße Amts­aus­übung ent­ge­gen­brin­gen kann, ist die An­nah­me, dass das Dienst­ver­ge­hen ein­schlie­ß­lich al­ler be- und ent­las­ten­den Um­stän­de be­kannt wür­de (BVer­wG, Ur­teil vom 20. Ok­to­ber 2005 - 2 C 12.04 - BVer­w­GE 124, 252 <260>; Be­schluss vom 2. März 2012 - 2 B 8.11 - ju­ris Rn. 16). Für die da­nach ge­bo­te­ne ob­jek­ti­ve Be­wer­tung der Ver­trau­ens­be­ein­träch­ti­gung ist es un­er­heb­lich, in­wie­weit das Dienst­ver­ge­hen im kon­kre­ten Ein­zel­fall in der Öf­fent­lich­keit tat­säch­lich be­kannt ge­wor­den und in­wie­weit hier­über be­rich­tet wor­den ist (BVer­wG, Ur­teil vom 28. Fe­bru­ar 2013 - 2 C 62.11 - Buch­holz 235.1 § 13 BDG Nr. 19 Rn. 56; Be­schluss vom 20. Ju­ni 2017 - 2 B 84.16 - ju­ris Rn. 36).

29 Dies gilt auch für die Kund­ga­be po­li­ti­scher Über­zeu­gun­gen. Auch wenn sich ein An­hän­ger ver­fas­sungs­feind­li­cher Zie­le nur im Kreis Gleich­ge­sinn­ter of­fen­bart und be­tä­tigt, zieht er Fol­ge­run­gen aus sei­ner Über­zeu­gung für sei­ne Ein­stel­lung ge­gen­über der ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Ord­nung der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land. Selbst wenn sich ein Be­am­ter in ei­ner ver­fas­sungs­feind­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­on rein in­tern en­ga­giert und sei­ne Über­zeu­gung nur dort of­fen­legt, liegt hier­in ei­ne ge­leb­te Fol­ge­rung und Be­tä­ti­gung sei­ner po­li­ti­schen Auf­fas­sung. Die Über­zeu­gung führt in die­sen Fäl­len nicht zu ei­ner bloß pas­si­ven Zu­ge­hö­rig­keit zu ei­ner Or­ga­ni­sa­ti­on, son­dern zu ei­ner ge­leb­ten Iden­ti­fi­zie­rung (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 31. Ju­li 1981 - 2 BvR 321/81 - NJW 1981, 2683). Die Öf­fent­lich­keit ei­ner ver­fas­sungs­feind­li­chen Be­tä­ti­gung ist da­mit nicht Vor­aus­set­zung für ei­nen Ver­stoß ge­gen die Treue­pflicht des Be­am­ten.

30 Ent­spre­chen­des gilt für Tä­to­wie­run­gen. Die­sen kommt viel­fach ei­ne grup­pen­in­ter­ne Funk­ti­on als sicht­ba­res Sym­bol ge­teil­ter Über­zeu­gun­gen zu, die es Gleich­ge­sinn­ten er­laubt, ein­an­der zu er­ken­nen und sich als ei­ne von den "an­de­ren" ab­grenz­ba­re Grup­pe zu iden­ti­fi­zie­ren (Lob­städt, Tä­to­wie­rung, Nar­ziss­mus und Thea­tra­li­tät, 2011, S. 138 f.; BGH, Be­schlüs­se vom 31. Ju­li 2002 - 3 StR 495/01 - BGHSt 47, 354 <359> und vom 1. Ok­to­ber 2008 - 3 StR 164/08 - BGHSt 52, 364 Rn. 26). Die in Tä­to­wie­run­gen ent­hal­te­nen Sym­bo­le wer­den so im Sin­ne ei­ner So­li­da­ri­sie­rung nutz­bar ge­macht (BGH, Be­schluss vom 7. Ok­to­ber 1998 - 3 StR 370/98 - NJW 1999, 435 <436>). So­weit es sich da­bei um Kenn­zei­chen ver­fas­sungs­wid­ri­ger Or­ga­ni­sa­tio­nen mit na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schem Hin­ter­grund han­delt, läuft dies auch dem An­lie­gen zu­wi­der, die Wie­der­be­le­bung na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Ten­den­zen in­fol­ge des Ge­brauchs ent­spre­chend as­so­zi­ie­rungs­ge­eig­ne­ter Sym­bo­le zu hin­dern (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 18. Mai 2009 - 2 BvR 2202/08 - NJW 2009, 2805 Rn. 17).

31 Al­ler­dings muss bei ei­ner der­ar­ti­gen und nur ein­ge­schränkt sicht­ba­ren Be­tä­ti­gung der In­halt der ge­leb­ten Auf­fas­sung von be­son­de­rem Ge­wicht sein, da­mit die in der Be­ja­hung ei­ner Pflicht­ver­let­zung lie­gen­de Ein­schrän­kung der Mei­nungs­frei­heit in ei­nem an­ge­mes­se­nen Ver­hält­nis zur be­zweck­ten Ge­währ­leis­tung der Ver­fas­sungs­treue des Be­am­ten steht (EGMR, Ur­teil vom 26. Sep­tem­ber 1995 - 7/1994/454/535 "Vogt" - NJW 1996, 375 <376>). Die Ent­schei­dung über die Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me setzt ei­ne Ge­samt­wür­di­gung vor­aus, die nach pflicht­ge­mä­ßem Er­mes­sen un­ter Be­rück­sich­ti­gung der Schwe­re des Dienst­ver­ge­hens, des Per­sön­lich­keits­bil­des des Be­am­ten und der Be­ein­träch­ti­gung des Ver­trau­ens des Dienst­herrn oder der All­ge­mein­heit zu er­ge­hen hat (BVer­wG, Ur­teil vom 18. Ju­ni 2015 - 2 C 9.14 - BVer­w­GE 152, 228 Rn. 35).

32 c) Un­er­heb­lich ist, dass im Land Ber­lin ei­ne aus­rei­chen­de ge­setz­li­che Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge zur Re­gle­men­tie­rung des zu­läs­si­gen Aus­ma­ßes von Tä­to­wie­run­gen bei Be­am­ten we­der be­stand noch be­steht.

33 aa) Das Ver­bot des Tra­gens be­stimm­ter Tä­to­wie­run­gen greift in das auch den Be­am­ten durch Art. 2 Abs. 1 GG ge­währ­leis­te­te Per­sön­lich­keits­recht ein. Es be­darf da­her ei­ner ge­setz­li­chen Grund­la­ge.

34 Auch wenn die Re­gle­men­tie­rung des Er­schei­nungs­bil­des von Be­am­ten wäh­rend ih­rer Dienst­aus­übung auf ei­ne be­hör­den­in­ter­ne Wir­kung ge­rich­tet ist, näm­lich auf die Art und Wei­se, in der der Be­am­te sei­nen Dienst­pflich­ten nach­zu­kom­men hat, ist ih­re Wir­kung nicht auf die Zei­ten der Dienst­aus­übung be­schränkt. An­ders als die Vor­ga­be, ei­ne be­stimm­te Dienst­klei­dung zu tra­gen oder wäh­rend der Dienst­zeit Schmuck­stü­cke ab­zu­le­gen, greift das Ver­bot be­stimm­ter Tä­to­wie­run­gen zwangs­läu­fig auch in die pri­va­te Le­bens­füh­rung und da­mit in sub­jek­ti­ve Rech­te der Be­am­ten ein. Die Re­ge­lung be­darf da­her ei­ner hin­rei­chend be­stimm­ten Er­mäch­ti­gung durch den Ge­setz­ge­ber (BVer­wG, Ur­teil vom 2. März 2006 - 2 C 3.05 - BVer­w­GE 125, 85 Rn. 17; BVerfG, Be­schluss vom 10. Ja­nu­ar 1991 - 2 BvR 550/90 - NJW 1991, 1477 f.).

35 In der Recht­spre­chung ist hier­für auf die ge­ne­rel­le Be­fug­nis zur Re­ge­lung der Dienst­klei­dung (vgl. § 74 BBG) ver­wie­sen wor­den. Die Ent­schei­dun­gen des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts be­tra­fen in der Sa­che zwar nur die Ge­stal­tung der Haar­tracht; in ih­nen ist aber aus­drück­lich auch auf die Mög­lich­keit ei­ner Vor­ga­be für Tä­to­wie­run­gen ver­wie­sen wor­den (BVer­wG, Ur­teil vom 2. März 2006 - 2 C 3.05 - BVer­w­GE 125, 85 Rn. 18; eben­so Be­schluss vom 17. De­zem­ber 2013 - 1 WRB 2.12 u.a. - BVer­w­GE 149, 1 Rn. 48 für das Sol­da­ten­recht). An die­ser Auf­fas­sung hält der Se­nat nicht fest.

36 Wie bei der Ein­schät­zung, wel­che recht­li­chen Grund­la­gen für die Vor­ga­be von Ein­stel­lungs­höchst­al­ters­gren­zen er­for­der­lich sind, stellt sich auch im Hin­blick auf die Re­gle­men­tie­rung des zu­läs­si­gen Aus­ma­ßes von Tä­to­wie­run­gen bei Be­am­ten die Fra­ge der We­sent­lich­keit und da­mit der Er­mäch­ti­gungs­grund­la­ge un­ter dem zwi­schen­zeit­lich ak­tua­li­sier­ten ver­fas­sungs­recht­li­chen Blick­win­kel an­ders dar als noch vor ei­ni­gen Jah­ren (BVerfG, Be­schluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerf­GE 139, 19 Rn. 57).

37 So sind Ein­stel­lungs­höchst­al­ters­gren­zen für Be­am­te tra­di­tio­nell durch Ver­wal­tungs­vor­schrift be­stimmt wor­den; dies hat die Recht­spre­chung lan­ge Zeit ge­bil­ligt (BVer­wG, Ur­tei­le vom 31. Ja­nu­ar 1980 - 2 C 15.78 - Buch­holz 232 § 15 BBG Nr. 11 S. 5 und vom 23. Ok­to­ber 1980 - 2 C 22.79 - Buch­holz 238.4 § 37 SG Nr. 2 S. 5). Erst im Jahr 2009 ist hier­zu ei­ne nor­ma­ti­ve Aus­ge­stal­tung ver­langt (BVer­wG, Ur­teil vom 19. Fe­bru­ar 2009 - 2 C 18.07 - BVer­w­GE 133, 143 Rn. 9), die Re­ge­lung durch Rechts­ver­ord­nung aber wei­ter­hin für aus­rei­chend er­ach­tet wor­den (BVer­wG, Ur­teil vom 23. Fe­bru­ar 2012 - 2 C 76.10 - BVer­w­GE 142, 59 Rn. 26). 2015 hat das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt den Par­la­ments­vor­be­halt im An­wen­dungs­be­reich des Art. 33 Abs. 2 GG wei­ter her­vor­ge­ho­ben und ei­ne hin­rei­chend be­stimm­te Ent­schei­dung des Par­la­ments­ge­setz­ge­bers selbst ver­langt (BVerfG, Be­schluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerf­GE 139, 19 Rn. 52 ff.). Dem ist die Recht­spre­chung des er­ken­nen­den Se­nats ge­folgt (BVer­wG, Ur­teil vom 11. Ok­to­ber 2016 - 2 C 11.15 - BVer­w­GE 156, 180 Rn. 17 ff.).

38 Die vom Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt hin­sicht­lich der Re­ge­lung von Ein­stel­lungs­höchst­al­ters­gren­zen ge­ge­be­ne Be­grün­dung trifft auch für die Re­gle­men­tie­rung des Aus­ma­ßes zu­läs­si­ger Tä­to­wie­run­gen für Be­am­te zu. Grund­rech­te gel­ten auch im Be­am­ten­ver­hält­nis. Die Aus­ta­rie­rung wi­der­strei­ten­der Grund­rech­te (vgl. BVerfG, Ur­teil vom 24. Sep­tem­ber 2003 - 2 BvR 1436/02 - BVerf­GE 108, 282 <310> in Be­zug auf Klei­dungs­vor­schrif­ten für Lehr­kräf­te) oder kol­li­die­ren­der Ver­fas­sungs­po­si­tio­nen ist dem Par­la­ment vor­be­hal­ten. We­sent­li­che In­hal­te des Be­am­ten­ver­hält­nis­ses sind da­her durch Ge­setz zu re­geln. Dies gilt ins­be­son­de­re für Re­ge­lun­gen mit sta­tus­bil­den­dem oder sta­tus­be­rüh­ren­den Cha­rak­ter, durch die Be­din­gun­gen der Ein­stel­lung oder Ent­las­sung nor­miert wer­den (BVerfG, Be­schluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerf­GE 139, 19 Rn. 69).

39 Mit der Be­stim­mung un­zu­läs­si­ger Tä­to­wie­run­gen wer­den Eig­nungs­an­for­de­run­gen fest­ge­legt, die zur zwin­gen­den Ab­leh­nung ei­nes Ein­stel­lungs­be­geh­rens füh­ren (vgl. OVG Müns­ter, Be­schluss vom 14. Ju­li 2016 - 6 B 540/16 - ju­ris Rn. 3 und 5). Für be­reits er­nann­te Be­am­te bil­den ent­spre­chen­de Re­ge­lun­gen die Grund­la­ge für Wei­sun­gen, kei­ne der­ar­ti­ge Tä­to­wie­rung im Dienst zu tra­gen (VG Hal­le, Ur­teil vom 18. Mai 2016 - 5 A 54/16 - ju­ris Rn. 21 f.).

40 In­so­weit ist ne­ben dem all­ge­mei­nen Per­sön­lich­keits­recht (Art. 2 Abs. 1 GG) auch das Grund­recht auf kör­per­li­che Un­ver­sehrt­heit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG be­rührt. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt hat des­sen An­wen­dungs­be­reich für das Schnei­den der Kopf­haa­re zwar grund­sätz­lich ver­neint (BVer­wG, Ur­teil vom 2. März 2006 - 2 C 3.05 - BVer­w­GE 125, 85 Rn. 16). Die Vor­ga­be, die Haa­re in Hemd­kra­gen­län­ge zu tra­gen, kön­ne nicht zu ei­ner Ent­stel­lung oder Ver­un­stal­tung füh­ren. An­ge­sichts des in­ten­si­ven kör­per­li­chen Ein­griffs und der da­mit ver­bun­de­nen Schmer­zen kann Ent­spre­chen­des für die Ent­fer­nung von Tä­to­wie­run­gen aber of­fen­kun­dig nicht gel­ten. Die Auf­for­de­rung, groß­flä­chi­ge Tä­to­wie­run­gen an Kopf, Hals, Hän­den oder Un­ter­ar­men zu be­sei­ti­gen, greift da­her auch in den Schutz­be­reich aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG ein.

41 An­de­res könn­te nur an­ge­nom­men wer­den, wenn man von der Mög­lich­keit ei­ner Ab­de­ckung der Tä­to­wie­run­gen im Dienst aus­gin­ge. Dies dürf­te je­doch kei­nes­falls im­mer mög­lich oder prak­ti­ka­bel sein (vgl. zum "Stör­fak­tor" ei­nes Lang­arm­hemds Schmidt, Das äu­ße­re Er­schei­nungs­bild von Be­am­ten­be­wer­bern, 2017, S. 218 ff.). Ei­ne Ein­stel­lung be­trof­fe­ner Be­wer­ber wird in der Pra­xis je­den­falls ab­ge­lehnt. Die Vor­ga­be be­wirkt da­mit nicht nur ei­ne Be­rufs­aus­übungs­re­ge­lung, son­dern ein Be­rufs­wahl- und -aus­übungs­ver­bot.

42 Die Re­gle­men­tie­rung zu­läs­si­ger Tä­to­wie­run­gen im Be­am­ten­ver­hält­nis be­darf folg­lich ei­ner hin­rei­chend be­stimm­ten ge­setz­li­chen Re­ge­lung. Auch im Fal­le der Ver­ord­nungs­er­mäch­ti­gung muss da­bei schon aus der par­la­men­ta­ri­schen Leit­ent­schei­dung der Er­mäch­ti­gung er­kenn­bar und vor­her­seh­bar sein, was dem Bür­ger ge­gen­über zu­läs­sig sein soll (BVerfG, Be­schluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerf­GE 139, 19 Rn. 55).

43 bb) Die­sen An­for­de­run­gen ent­spricht die Be­fug­nis zum Er­lass von Be­stim­mun­gen über die Dienst­klei­dung nicht.

44 Die Er­mäch­ti­gung zum Er­lass von "Be­stim­mun­gen über Dienst­klei­dung" (§ 74 BBG) oder zur Re­ge­lung von "Ein­zel­hei­ten über die Dienst­klei­dung" (§ 70 LBG BE bzw. § 39 LBG BE a.F.) ist schon von ih­rem Wort­laut her er­sicht­lich nicht auf die Re­gle­men­tie­rung der Zu­läs­sig­keit von Tä­to­wie­run­gen ge­rich­tet. Die For­mu­lie­rung "Dienst­klei­dung" weist von Aus­maß und In­ten­si­tät der Re­ge­lungs­mög­lich­keit ei­ne gänz­li­che an­de­re Ziel­rich­tung und In­ten­si­tät auf als ei­ne Er­mäch­ti­gung, die Dienst­aus­übung für Be­am­te mit be­stimm­ten Tä­to­wie­run­gen zu ver­bie­ten. Wäh­rend die Dienst­klei­dung nur wäh­rend der Dienst­aus­übung ge­tra­gen und an­schlie­ßend wie­der ab­ge­legt wer­den kann, ist ei­ne Tä­to­wie­rung un­trenn­ba­rer Be­stand­teil des Kör­pers.

45 Auch die Ent­ste­hungs­ma­te­ria­li­en las­sen kei­nen Hin­weis dar­auf er­ken­nen, dass der Ge­setz­ge­ber mit die­ser Er­mäch­ti­gung auch an Re­ge­lun­gen des zu­läs­si­gen Aus­ma­ßes von Tä­to­wie­run­gen ge­dacht ha­ben könn­te (vgl. zum Dienst­rechts­neu­ord­nungs­ge­setz des Bun­des BT-Drs. 16/7076 S. 117).

46 Die Er­mäch­ti­gung weist schlie­ß­lich kei­nen hin­rei­chend be­reichs­spe­zi­fi­schen Be­zug zum Ver­bot von Tä­to­wie­run­gen auf. Dem Ge­setz sind kei­ner­lei Maß­stä­be für In­halt, Art und Aus­maß ei­ner der­ar­ti­gen Re­ge­lungs­be­fug­nis zu ent­neh­men. Ins­be­son­de­re fehlt es an ei­ner er­kenn­ba­ren par­la­men­ta­ri­schen Leit­ent­schei­dung für die Gren­zen ei­ner zu­läs­si­gen Re­gle­men­tie­rung - et­wa auf den bei Tra­gen ei­ner Uni­form noch "sicht­ba­ren" Be­reich.

47 Die­se An­for­de­run­gen stel­len auch nicht le­dig­lich ei­ne in­halts­lee­re For­ma­lie dar. Die Re­ge­lung durch die Exe­ku­ti­ve be­trifft nicht ei­ne tech­ni­sche Norm, de­ren Aus­ge­stal­tung ma­ß­geb­lich durch die Nach­füh­rung ver­än­der­ter wis­sen­schaft­li­cher Er­kennt­nis­se ge­prägt ist. Die Ein­schrän­kung von Tä­to­wie­run­gen für Be­am­te hängt viel­mehr von ge­sell­schafts­po­li­ti­schen Fra­ge­stel­lun­gen ab, die "in öf­fent­li­cher De­bat­te zu klä­ren" sind (BVerfG, Be­schluss vom 21. April 2015 - 2 BvR 1322/12 u.a. - BVerf­GE 139, 19 Rn. 53).

48 Mit der Dienst­klei­dung und ins­be­son­de­re der von Po­li­zei­voll­zugs­be­am­ten zu tra­gen­den Uni­form soll, ne­ben ei­ner Kenn­zeich­nung der Aus­stat­tung mit ho­heit­li­chen Be­fug­nis­sen, die Neu­tra­li­tät ih­rer Trä­ger zum Aus­druck ge­bracht wer­den. Die Uni­form soll sicht­ba­res Zei­chen da­für sein, dass die In­di­vi­dua­li­tät der Po­li­zei­voll­zugs­be­am­ten im Dienst hin­ter die An­for­de­run­gen des Am­tes zu­rück­tritt. Po­li­zei­li­che Maß­nah­men sol­len los­ge­löst von der Per­son der han­deln­den Be­am­ten als Maß­nah­men des Staa­tes wahr­ge­nom­men wer­den. Die Zu­läs­sig­keit der Un­ter­sa­gung be­stimm­ter äu­ße­rer Er­schei­nungs­for­men beim Tra­gen der Dienst­klei­dung setzt da­her in ma­te­ri­el­ler Hin­sicht vor­aus, dass die­se ge­eig­net sind, die Neu­tra­li­täts­funk­ti­on der Uni­form zu be­ein­träch­ti­gen (BVer­wG, Ur­teil vom 2. März 2006 - 2 C 3.05 - BVer­w­GE 125, 85 Rn. 25). Die Ent­schei­dung über die Fra­ge, ob und un­ter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen dies bei Tä­to­wie­run­gen der Fall ist, wird ma­ß­geb­lich von den all­ge­mei­nen ge­sell­schaft­li­chen An­schau­un­gen be­stimmt.

49 Die Re­gle­men­tie­rung macht über­dies ei­ne Be­ob­ach­tung er­for­der­lich, ob die Vor­aus­set­zun­gen ei­nes Ver­bots in An­se­hung mög­li­cher­wei­se ge­wan­del­ter An­schau­un­gen in der Be­völ­ke­rung zu die­ser Fra­ge noch ge­ge­ben sind (BVerfG, Be­schluss vom 10. Ja­nu­ar 1991 - 2 BvR 550/90 - NJW 1991, 1477 <1478> für das Ver­bot von Ohr­schmuck bei männ­li­chen Be­am­ten; BVer­wG, Ur­teil vom 2. März 2006 - 2 C 3.05 - BVer­w­GE 125, 85 Rn. 27 für die Ge­stal­tung der Haar­tracht).

50 An­halts­punk­te da­für, dass ge­wan­del­te ge­sell­schaft­li­che Vor­stel­lun­gen zwi­schen­zeit­lich auch hin­sicht­lich Tä­to­wie­run­gen vor­lie­gen könn­ten, lie­gen durch­aus vor (vgl. zur Ein­ord­nung als "Mo­de­phä­no­men" et­wa Schmidt, Das äu­ße­re Er­schei­nungs­bild von Be­am­ten­be­wer­bern, 2017, S. 175 und 177 mit dem Hin­weis, mitt­ler­wei­le ge­be es et­wa 3000 Tat­too­stu­di­os in Deutsch­land). Dies gilt nicht nur in Be­zug auf das Ver­hal­ten pro­mi­nen­ter Vor­bil­der in Sport, Mu­sik und Show­busi­ness (vgl. Lob­städt, Tä­to­wie­rung, Nar­ziss­mus und Thea­tra­li­tät, 2011, S. 115 ff.). Nach ei­ner Stu­die des In­sti­tuts für De­mo­sko­pie Al­lens­bach (Al­lens­ba­cher Kurz­be­richt vom 8. Ju­li 2014) hat sich der An­teil der Tä­to­wier­ten in Deutsch­land in den letz­ten zehn Jah­ren um über 40 % er­höht. 24 % der 16- bis 29-Jäh­ri­gen - und da­mit fast je­der Vier­te - hat zwi­schen­zeit­lich ei­ne Tä­to­wie­rung. Bei Frau­en liegt der An­teil in die­ser Al­ters­grup­pe so­gar bei 30 %, in Ost­deutsch­land (ge­schlech­ter­über­grei­fend) bei 41 %. Ins­be­son­de­re bei jün­ge­ren Men­schen und in Ost­deutsch­land hat die Ver­brei­tung von Tä­to­wie­run­gen da­her of­fen­bar den Be­reich von Sub­kul­tu­ren ver­las­sen und "die Mit­te der Ge­sell­schaft er­reicht" (VG Hal­le, Ur­teil vom 18. Mai 2016 - 5 A 54/16 - ju­ris Rn. 31; hier­zu auch VG Düs­sel­dorf, Be­schluss vom 24. Au­gust 2017 - 2 L 3279/17 - ju­ris Rn. 30). Die Fra­ge, ob an­ge­sichts die­ser Ent­wick­lung wei­ter­hin von ei­ner all­ge­mei­nen Ab­leh­nung oder Ge­fähr­dun­gen für die Re­prä­sen­ta­ti­ons- oder Neu­tra­li­täts­funk­ti­on aus­ge­gan­gen wer­den kann, be­darf da­her ei­ner ak­tua­li­sier­ten Prü­fung.

51 Da­bei er­scheint nicht aus­ge­schlos­sen, dass für die Tä­to­wie­rung be­son­ders ex­po­nier­ter und auch beim Tra­gen ei­ner Uni­form sicht­ba­rer Be­rei­che, wie Kopf, Hals, Hän­de und viel­leicht auch Un­ter­ar­me wei­ter­hin von ei­ner aus­rei­chen­den Ge­fähr­dungs­la­ge aus­ge­gan­gen wer­den kann. Prä­zi­se Aus­sa­gen hier­zu sind den vor­han­de­nen Er­kennt­nis­quel­len nicht zu ent­neh­men. Die nor­ma­ti­ve Leit­ent­schei­dung hier­zu muss je­doch durch das Par­la­ment und auf­grund ak­tu­el­ler Er­kennt­nis­grund­la­gen er­fol­gen.

52 Das Ha­ben von Tä­to­wie­run­gen an sich ver­stö­ßt da­mit nicht ge­gen ei­ne dem Be­klag­ten wirk­sam auf­er­leg­te Pflicht. Auf die Fra­gen, ob der Be­klag­te Kennt­nis von ent­spre­chen­den Ver­wal­tungs­vor­schrif­ten (ins­be­son­de­re der Po­li­zei­dienst­vor­schrift 350) hat­te oder hät­te ha­ben müs­sen und wann (ins­be­son­de­re vor oder nach der Er­nen­nung) wel­che Tä­to­wie­rung am Kör­per des Be­klag­ten vor­ge­nom­men wur­de, kommt es da­mit nicht an.

53 cc) Das Tra­gen ei­ner Tä­to­wie­rung stellt gleich­wohl ei­ne Pflicht­ver­let­zung dar, wenn und so­weit die­se durch ih­ren In­halt ge­gen an­de­re be­am­ten­recht­li­che Pflich­ten ver­stö­ßt.

54 Dies ist nicht nur der Fall, wenn sich aus dem In­halt der Tä­to­wie­rung ei­ne Straf­tat er­gibt - wie et­wa im Fal­le der Ver­wen­dung von Kenn­zei­chen ver­fas­sungs­wid­ri­ger Or­ga­ni­sa­tio­nen nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Ei­ne Tä­to­wie­rung be­grün­det viel­mehr auch dann ein Dienst­ver­ge­hen, wenn ihr In­halt ei­nen Ver­stoß ge­gen die Ver­fas­sungs­treue­pflicht des Be­am­ten of­fen­bart.

55 Der An­nah­me ei­nes Ver­sto­ßes ge­gen die Ver­fas­sungs­treue­pflicht steht nicht ent­ge­gen, wenn ein­zel­ne Tä­to­wie­run­gen für sich ge­nom­men we­der straf­recht­lich zu be­an­stan­den sind noch ei­nen un­mit­tel­ba­ren Be­zug zum Drit­ten Reich auf­wei­sen (BVerfG, Be­schluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 337/08 - NJW 2008, 2568, Rn. 31 und 34).

56 Eben­so we­nig ist von Be­lang, ob das Ver­bot ent­spre­chen­der Tä­to­wie­run­gen durch ei­ne wirk­sa­me (Ver­wal­tungs-)Vor­schrift kon­kre­ti­siert wor­den ist. So­weit durch Tä­to­wie­run­gen die Ver­fas­sungs­treue­pflicht be­rührt ist, be­trifft dies ein un­mit­tel­bar kraft ge­setz­li­cher An­ord­nung und Ver­fas­sungs­recht gel­ten­des Eig­nungs­merk­mal (VG Düs­sel­dorf, Be­schluss vom 24. Au­gust 2017 - 2 L 3279/17 - ju­ris Rn. 15).

57 2. Bei Zu­grun­de­le­gung die­ser Maß­stä­be hat der Be­klag­te ein Dienst­ver­ge­hen be­gan­gen. Sei­ne Tä­to­wie­run­gen er­fül­len zwar kei­nen Straf­tat­be­stand (a). Durch den In­halt der Tä­to­wie­run­gen und sein wei­te­res Ver­hal­ten hat der Be­klag­te aber ei­ne na­tio­nal­so­zia­lis­tisch ge­präg­te Ein­stel­lung kund­ge­tan, die mit der Ver­fas­sungs­treue­pflicht von Be­am­ten un­ver­ein­bar ist (b).

58 a) Der Be­klag­te hat sich Ru­nen­zei­chen und an­de­re Mo­ti­ve ein­tä­to­wie­ren las­sen, de­nen ein na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Be­deu­tungs­ge­halt zu­kommt. Es han­delt sich in­des nicht um Kenn­zei­chen ver­fas­sungs­wid­ri­ger Or­ga­ni­sa­tio­nen im Sin­ne des § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB.

59 Nach den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen im an­ge­grif­fe­nen Be­ru­fungs­ur­teil ist der Be­klag­te an Rü­cken, Bauch, Ober­kör­per, Ober- und Un­ter­ar­men so­wie an den Un­ter­schen­keln groß­flä­chig mit ver­schie­de­nen Mo­ti­ven tä­to­wiert. Hin­sicht­lich der Ein­zel­hei­ten hat das Be­ru­fungs­ge­richt auf die im straf­recht­li­chen Er­mitt­lungs­ver­fah­ren ge­fer­tig­te Bil­der­map­pe 1 ver­wie­sen. Von der Vor­der- bis zur Rück­sei­te des lin­ken Ober­arms sind meh­re­re Sym­bo­le zu ei­nem Schrift­zug an­ein­an­der­ge­reiht, dar­un­ter ei­ne so ge­nann­te Wolfs­an­gel, ei­ne Odal­ru­ne und ei­ne Sig­ru­ne. Die­se Sym­bo­le wer­den auch als Kenn­zei­chen ver­fas­sungs­wid­ri­ger Or­ga­ni­sa­tio­nen ver­wen­det.

60 Die Sig­ru­ne in ih­rer dop­pel­ten Ver­wen­dung war Kenn­zei­chen der Waf­fen-SS (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 17. Mai 2001 - 1 DB 15.01 - Buch­holz 232 § 52 BBG Nr. 13 S. 25; OLG Bam­berg, Ur­teil vom 18. Sep­tem­ber 2007 - 2 Ss 43/2007 - ju­ris Rn. 9). Die Wolfs­an­gel war von meh­re­ren SS-Pan­zer­di­vi­sio­nen als Em­blem ver­wen­det wor­den (vgl. LG Ber­lin, Ur­teil vom 29. Au­gust 2002 - 544 StVK (Vollz) 490/02 - ju­ris Rn. 20). Die Odal­ru­ne schlie­ß­lich wur­de im Drit­ten Reich u.a. als Sym­bol der Hit­ler­ju­gend, als Ab­zei­chen des Ras­se- und Sied­lungs­amts so­wie als Em­blem der 7. SS-Frei­wil­li­gen-Ge­birgs-Di­vi­si­on "Prinz Eu­gen" ver­wen­det (vgl. VGH Mün­chen, Be­schluss vom 7. März 2007 - 16a CD 07.1 - ju­ris Rn. 27; KG Ber­lin, Be­schluss vom 18. Mai 2016 - (4) 161 Ss 54/16 (75/16) - ju­ris Rn. 3). Die Odal­ru­ne stell­te auch nach­fol­gend ein Kenn­zei­chen ver­schie­de­ner rechts­ex­tre­mis­ti­scher Ver­ei­ni­gun­gen, wie et­wa der Wi­king-Ju­gend, dar (vgl. BGH, Be­schluss vom 7. Ok­to­ber 1998 - 3 StR 370/98 - NJW 1999, 435); die Wi­king-Ju­gend ist we­gen ih­rer We­sens­ver­wandt­schaft zur Hit­ler­ju­gend und ih­rer ras­sis­tisch-an­ti­se­mi­ti­schen Aus­rich­tung als ver­fas­sungs­wid­ri­ge Ver­ei­ni­gung ver­bo­ten (BVer­wG, Ur­teil vom 13. April 1999 - 1 A 3.94 - Buch­holz 402.45 Ver­einsG Nr. 30 S. 5 und 9). All die­se Sym­bo­le wer­den auch in der Ge­gen­wart von rechts­ex­tre­mis­ti­schen Or­ga­ni­sa­tio­nen ein­ge­setzt (vgl. Mi­nis­te­ri­um für In­ne­res und Sport Meck­len­burg-Vor­pom­mern, Ri­tua­le und Sym­bo­le der rechts­ex­tre­mis­ti­schen Sze­ne, 2015, S. 14).

61 Die Ru­nen wer­den je­doch auch in an­de­rem Zu­sam­men­hang ver­wen­det, et­wa von An­hän­gern der Wi­kin­ger­kul­tur so­wie auf Schmuck und Kunst­ge­wer­be­ge­gen­stän­den (vgl. KG Ber­lin, Be­schluss vom 18. Mai 2016 - (4) 161 Ss 54/16 (75/16) - ju­ris Rn. 9). Die Wolfs­an­gel fin­det sich in ver­schie­de­nen Stadt- und Ge­mein­de­wap­pen, die Odal­ru­ne gleicht dem Kopf­win­kel auf dem Dienst­grad­ab­zei­chen der Haupt­feld­we­bel und Ober­f­ähn­ri­che in der Bun­des­wehr (vgl. BGH, Be­schluss vom 7. Ok­to­ber 1998 - 3 StR 370/98 - NJW 1999, 435; OLG Bam­berg, Ur­teil vom 18. Sep­tem­ber 2007 - 2 Ss 43/2007 u.a. - ju­ris Rn. 11).

62 Die Mehr­deu­tig­keit der Kenn­zei­chen macht da­her ei­ne Er­mitt­lung des mit dem Ge­brauch des Kenn­zei­chens ver­bun­de­nen Aus­sa­ge­ge­halts an­hand al­ler ma­ß­geb­li­chen Um­stän­de des Falls er­for­der­lich (BGH, Be­schluss vom 1. Ok­to­ber 2008 - 3 StR 164/08 - BGHSt 52, 364 Rn. 29). § 86a StGB dient nicht da­zu, jed­we­des Be­kennt­nis zu ei­ner ver­fas­sungs­feind­li­chen Or­ga­ni­sa­ti­on un­ter Stra­fe zu stel­len, son­dern ta­bui­siert le­dig­lich tat­säch­lich exis­tie­ren­de oder die­sen zum Ver­wech­seln ähn­li­che Sym­bo­le (BGH, Ur­teil vom 13. Au­gust 2009 - 3 StR 228/09 - BGHSt 54, 61 Rn. 17). Als abs­trak­tes Ge­fähr­dungs­de­likt wehrt die Vor­schrift nur Ge­fah­ren ab, die al­lein mit dem äu­ße­ren Er­schei­nungs­bild sol­cher Kenn­zei­chen ver­bun­den sind. Der ob­jek­ti­ve Tat­be­stand der Straf­norm ist des­halb nur er­füllt, wenn sich aus den Ge­samt­um­stän­den die Ver­wen­dung ei­nes Sym­bols als Kenn­zei­chen ei­ner ver­fas­sungs­wid­ri­gen Or­ga­ni­sa­ti­on er­gibt.

63 Im Um­ge­bungs­zu­sam­men­hang der Ru­nen-Tä­to­wie­run­gen des Be­klag­ten ent­steht je­doch kein spe­zi­fisch na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Ein­druck. Im Vor­der­grund der Mo­tiv­ge­bung ste­hen sti­li­sier­te Wi­kin­ger­sze­ne­ri­en, die den kom­plet­ten Rü­cken be­de­cken. Hier­an schlie­ßt sich zur lin­ken Schul­ter ein im Halb­kreis ge­hal­te­ner Ring von Ru­nen­zei­chen an, der ei­nen Wi­kin­ger­kopf und ein Wi­kin­ger­schiff um­schlie­ßt. Die Ein­bet­tung der Ru­nen in die­sen Zu­sam­men­hang lässt je­den­falls ei­ne ein­deu­ti­ge Zu­ord­nung der Sym­bo­le in ei­nen na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Kon­text nicht zu.

64 Die Ein­schät­zung des Be­ru­fungs­ge­richts, dass die Tä­to­wie­rung kei­ne Straf­tat nach § 86a StGB be­inhal­te, ist da­her frei von Rechts­feh­lern.

65 b) Durch den In­halt der Tä­to­wie­run­gen und sein wei­te­res Ver­hal­ten hat der Be­klag­te bei ei­ner Ge­samt­wür­di­gung aber ei­ne na­tio­nal­so­zia­lis­tisch ge­präg­te Ein­stel­lung kund­ge­tan, die mit der Ver­fas­sungs­treue­pflicht von Be­am­ten un­ver­ein­bar ist.

66 aa) Der Be­klag­te trägt ne­ben den auf sei­ner lin­ken Schul­ter tä­to­wier­ten Ru­nen­zei­chen - aus­weis­lich der bei den Ak­ten be­find­li­chen Bild­map­pe 1 - ei­ne Viel­zahl wei­te­rer ein­tä­to­wier­ter Sym­bo­le:

67 Ne­ben ei­ner groß­flä­chi­gen Farb­tä­to­wie­rung des preu­ßi­schen Kö­nigs Fried­rich II. (am rech­ten Un­ter­arm) hat sich der Be­klag­te ei­ne Rei­he von To­ten­köp­fen, ei­ser­nen Kreu­zen und an­de­ren mar­tia­li­schen Mo­ti­ven ein­tä­to­wie­ren las­sen. Es fin­den sich da­bei auch zwei ge­kreuz­te Häm­mer (an der lin­ken Wa­de). Zwar kann auch in­so­weit auf die Ver­wen­dung im Berg­bau oder ei­ne sti­li­sier­te Thor-Sym­bo­lik ver­wie­sen wer­den. Das Mo­tiv er­in­nert in­des auch an das Lo­go der sog. Ham­mer­s­kins, ei­ner Sam­mel­be­we­gung, die ein ras­sis­ti­sches Welt­bild ver­tritt und sich selbst als Eli­te der "Na­zis­kins" ver­steht (Lan­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz Ham­burg, Rechts­ex­tre­mis­mus in Stich­wor­ten, 2001, S. 55). Die­ses Sym­bol hat in der rechts­ex­tre­mis­ti­schen Sze­ne ei­nen kla­ren Er­ken­nungs­wert (Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz, Rechts­ex­tre­mis­mus: Sym­bo­le, Zei­chen und ver­bo­te­ne Or­ga­ni­sa­tio­nen, 2015, S. 65). Ent­spre­chen­des gilt für die Ab­bil­dung zwei­er sich kreu­zen­der Stiel­hand­gra­na­ten (auf der lin­ken Schul­ter), die im Na­tio­nal­so­zia­lis­mus von SS-Di­vi­sio­nen als Trup­pen­kenn­zei­chen ver­wen­det wor­den ist.

68 Der Be­klag­te hat sich wei­ter­hin ein Wap­pen mit der Auf­schrift "Bru­tal At­tack" tä­to­wie­ren las­sen. Die­sen Na­men trägt ei­ne neo­na­zis­ti­sche Mu­sik­grup­pe aus Großbri­tan­ni­en, die zu den Grün­dungs­mit­glie­dern des Neo­na­zi-Mu­sik­netz­werks "Blood and Ho­nour" ge­hört. Bei den be­schlag­nahm­ten Licht­bil­dern fin­det sich aus­weis­lich der bei den Ak­ten be­find­li­chen Bil­der­map­pe 2 ei­ne Auf­nah­me, bei der un­ter ei­nem Ban­ner, das noch den Schrift­zug "od & Ho­nour" (mit ei­ner Tris­ke­le) er­ken­nen lässt, ei­ne Viel­zahl stark tä­to­wier­ter Män­ner ab­ge­bil­det sind, die den ge­streck­ten rech­ten Arm zum Hit­ler­gruß er­ho­ben ha­ben. Die Di­vi­si­on Deutsch­land von "Blood & Ho­nour" ist ver­bo­ten (BGH, Ur­teil vom 13. Au­gust 2009 - 3 StR 228/09 - BGHSt 54, 61 Rn. 4). Die­se Grup­pie­rung - de­ren Be­zeich­nung das ins Eng­li­sche über­setz­te Mot­to der Hit­ler­ju­gend ist - hat es sich zur Auf­ga­be ge­macht, die na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Welt­an­schau­ung auf dem mu­si­ka­li­schen Sek­tor zu ver­brei­ten, und tritt of­fen für ras­sis­ti­sche Zie­le ein (vgl. un­ter Be­zug­nah­me auf die Ver­bots­ver­fü­gung des BMI vom 14. Sep­tem­ber 2000: Bun­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz, Rechts­ex­tre­mis­mus: Sym­bo­le, Zei­chen und ver­bo­te­ne Or­ga­ni­sa­tio­nen, 2015, S. 29 so­wie Lan­des­amt für Ver­fas­sungs­schutz Ham­burg, Rechts­ex­tre­mis­mus in Stich­wor­ten, 2001, S. 22).

69 Wei­ter­hin fin­det sich ein tä­to­wier­ter Schrift­zug "ul­ti­ma thu­le" über dem Na­bel des Be­klag­ten. Die­sen Na­men trägt ei­ne schwe­di­sche Vi­king­rock-Band, die wie­der­holt durch Kon­tak­te zur rechts­ex­tre­men Sze­ne auf­ge­fal­len ist. Der Be­klag­te hat sich auch das Lo­go der bri­ti­schen Neo­na­zi-Band "Skrewdri­ver" ein­tä­to­wiert (an der lin­ken Wa­de). Bei den be­schlag­nahm­ten Licht­bil­dern der Bil­der­map­pe 2 be­fin­det sich schlie­ß­lich ein Fo­to, auf dem der Be­klag­te ein T-Shirt mit die­sem Sym­bol und dem Na­mens­zug der Band trägt. An dem Zu­sam­men­hang des Sym­bols mit der Neo­na­zi-Band be­steht da­her kein ver­nünf­ti­ger Zwei­fel.

70 Ei­ne Ge­samt­schau der am Kör­per des Be­klag­ten be­find­li­chen Tä­to­wie­run­gen lässt da­her je­den­falls den Schluss auf ei­ne Iden­ti­fi­ka­ti­on mit rechts­ex­tre­mis­ti­schen Mu­sik­grup­pen zu.

71 Der Be­klag­te hat die­se Sym­bo­le auch als Be­kun­dungs­mit­tel so­wie zur Stär­kung und Ge­mein­schafts­bil­dung Gleich­ge­sinn­ter ein­ge­setzt. Auf den in der Bil­der­map­pe 2 ent­hal­ten­den Fo­to­gra­fi­en ist er wie­der­holt mit nack­tem Ober­kör­per im Krei­se Gleich­ge­sinn­ter ab­ge­bil­det. Die­se Be­tä­ti­gung sei­ner Über­zeu­gung fand aus­weis­lich der Licht­bil­der auch öf­fent­lich, weil für ei­nen grö­ße­ren und nicht durch per­sön­li­che Be­zie­hun­gen zu­sam­men­hän­gen­den Per­so­nen­kreis wahr­nehm­bar (vgl. BGH, Be­schluss vom 19. Au­gust 2014 - 3 StR 88/14 - NStZ 2015, 81 Rn. 17), statt. Im Üb­ri­gen hat der Be­klag­te auch schon in der Kla­ge­er­wi­de­rung ein­ge­räumt, dass die Tä­to­wie­run­gen sei­nen Dienst­vor­ge­setz­ten und Kol­le­gen be­kannt ge­we­sen sei­en.

72 Dar­über hin­aus fin­det sich un­ter den Tä­to­wie­run­gen ei­ne Viel­zahl wei­te­rer Mo­ti­ve, de­ren Be­deu­tungs­ge­halt vom Ge­richt oh­ne sach­ver­stän­di­ge Be­gut­ach­tung nicht ab­schlie­ßend er­mit­telt wer­den kann, so­dass der Se­nat hier­auf nicht ent­schei­dungs­tra­gend ab­stellt. So dürf­te es sich et­wa bei dem um den Hals des Be­klag­ten ein­tä­to­wier­ten No­ten­band um die ers­ten Tak­te des Horst-Wes­sel-Lie­des han­deln. Die Ein­las­sung des Be­klag­ten in der münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt, dies wä­re ihm neu und er wis­se nicht, um wel­ches Mu­sik­stück es sich han­de­le, ist un­glaub­haft und steht dem nicht ent­ge­gen.

73 Ei­ne wei­te­re Auf­klä­rung zum ge­nau­en Be­deu­tungs­ge­halt al­ler ein­tä­to­wier­ten Sym­bo­le ist an­ge­sichts der Viel­zahl wei­te­rer und ein­deu­tig na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Be­tä­ti­gun­gen des Be­klag­ten in­des ent­behr­lich. Un­be­scha­det ei­ner feh­len­den Zu­ord­nung zu ei­nem be­stimm­ten Kenn­zei­chen ei­ner ver­fas­sungs­wid­ri­gen Or­ga­ni­sa­ti­on kann aus der Ge­samt­schau mit hin­rei­chen­der Si­cher­heit der Be­zug zur na­tio­nal­so­zia­lis­tisch-ras­sis­tisch ge­präg­ten Ein­stel­lung des Be­klag­ten ab­ge­lei­tet wer­den. Das vom Be­klag­ten in An­spruch ge­nom­me­ne In­ter­es­se an der Wi­kin­ger­kul­tur schei­det als plau­si­ble Er­klä­rung sei­nes Ver­hal­tens aus.

74 bb) Nach den tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen im an­ge­grif­fe­nen Be­ru­fungs­ur­teil hat der Be­klag­te aus­weis­lich der bei den Ak­ten be­find­li­chen Bil­der­map­pe 2 je­den­falls in zwei Fäl­len den Hit­ler­gruß ge­zeigt. Auf dem ers­ten Fo­to zei­ge der Be­klag­te den Hit­ler­gruß in ei­ner Woh­nung vor ei­nem Pla­kat mit der Auf­schrift "Kraft durch Freu­de". Auf den an­de­ren bei­den Fo­to­gra­fi­en sei ab­ge­bil­det, wie der Be­klag­te und wei­te­re männ­li­che Per­so­nen den Hit­ler­gruß zei­gen. Das Ge­sche­hen ha­be in ei­nem Saal in ei­ner Grup­pe von Män­nern statt­ge­fun­den, die nach ih­rem Äu­ße­ren der rech­ten Sze­ne zu­zu­ord­nen sei­en und auf ei­ne Büh­ne blick­ten. Die­se - nicht mit Ver­fah­rens­rü­gen an­ge­grif­fe­nen und da­mit bin­den­den - Tat­sa­chen­fest­stel­lun­gen des Be­ru­fungs­ur­teils legt der Se­nat sei­ner Be­wer­tung zu­grun­de (§ 137 Abs. 2 Vw­GO).

75 Die wei­te­ren in der Dis­zi­pli­nar­k­la­ge be­nann­ten Fo­tos sind nach Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts zum Be­weis der vor­ge­wor­fe­nen Pflicht­ver­let­zun­gen nicht ge­eig­net. Teil­wei­se sei der Be­klag­te nicht ein­deu­tig zu er­ken­nen, zum Teil sei der aus­ge­streck­te rech­te Arm nicht voll­stän­dig ab­ge­bil­det. Auf ei­nem Bild schlie­ß­lich sei nicht si­cher aus­zu­ma­chen, ob es sich bei dem Stoff auf dem Schoß des Be­klag­ten um ei­ne Ha­ken­kreuz­fah­ne hand­le. Ob die­se Ein­schät­zung der Ak­ten­la­ge ent­spricht oder der Be­klag­te auch auf wei­te­ren Licht­bil­dern hin­rei­chend si­cher beim Zei­gen des Hit­ler­gru­ßes zu iden­ti­fi­zie­ren ist, kann da­hin­ste­hen. Je­den­falls hat der Be­klag­te nicht nur in ei­nem Ein­zel­fall, son­dern mehr­fach den Hit­ler­gruß dar­ge­bo­ten.

76 Dass ein In­lands­be­zug die­ser Hand­lun­gen nicht mit hin­rei­chen­der Si­cher­heit nach­ge­wie­sen wer­den kann, hin­dert zwar ei­ne Straf­bar­keit nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB (BGH, Be­schluss vom 19. Au­gust 2014 - 3 StR 88/14 - NStZ 2015, 81 Rn. 7). Die­ser Um­stand steht je­doch der An­nah­me ei­nes Ver­sto­ßes ge­gen die Ver­fas­sungs­treue­pflicht nicht ent­ge­gen. Die Ver­fas­sungs­treue­pflicht en­det nicht an der Staats­gren­ze.

77 Ent­ge­gen der Auf­fas­sung des Be­ru­fungs­ge­richts kann dem Be­klag­ten auch das Po­sie­ren mit ei­ner Ha­ken­kreuz­fah­ne zur Last ge­legt wer­den. Die ab­wei­chen­de Fest­stel­lung im Be­ru­fungs­ur­teil ist ak­ten­wid­rig.

78 Die An­nah­me des Be­ru­fungs­ge­richts, ei­ne Iden­ti­fi­zie­rung müs­se schon des­halb aus­schei­den, weil die ab­ge­bil­de­te Per­son nur von hin­ten zu se­hen ist, ist of­fen­kun­dig un­zu­tref­fend. Die un­ge­wöhn­li­che und den ge­sam­ten Rü­cken be­de­cken­de Tä­to­wie­rung des Be­klag­ten ein­schlie­ß­lich der Farb­ge­bung auf der lin­ken Schul­ter lässt viel­mehr ei­ne Iden­ti­fi­zie­rung zu, die si­che­rer ist als bei blo­ßer Be­trach­tung des Ge­sichts. Da­bei kön­nen die Ein­zel­ge­stal­tun­gen an­ge­sichts der in der Bil­der­map­pe 1 be­find­li­chen Fo­to­gra­fi­en von den auf dem Rü­cken des Be­klag­ten be­find­li­chen Tä­to­wie­run­gen prä­zi­se ab­ge­gli­chen wer­den. Die Mög­lich­keit, dass ei­ne an­de­re Per­son ge­nau die­sel­be Tä­to­wie­rung an ge­nau den­sel­ben Kör­per­stel­len be­sit­zen könn­te, er­scheint rein theo­re­tisch.

79 Auf­grund der Ak­ten­wid­rig­keit der Fest­stel­lung im Be­ru­fungs­ur­teil ent­fällt die in § 137 Abs. 2 Vw­GO an­ge­ord­ne­te Bin­dungs­wir­kung (BVer­wG, Ur­teil vom 29. April 1988 - 9 C 54.87 - BVer­w­GE 79, 291 <297 f.> und vom 25. No­vem­ber 2008 - 10 C 25.07 - Buch­holz 402.25 § 71 AsylVfG Nr. 15 Rn. 17). Da die Bil­der­map­pe Be­stand­teil der vom Be­ru­fungs­ur­teil in Be­zug ge­nom­me­nen Ver­wal­tungs­vor­gän­ge ist, kann das Re­vi­si­ons­ge­richt die Tat­sa­che, dass es sich bei der mit ei­ner Ha­ken­kreuz­fah­ne ab­ge­bil­de­ten Per­son um den Be­klag­ten han­delt, selbst an­hand der Ak­ten fest­stel­len und sei­ner Ent­schei­dung zu­grun­de le­gen.

80 Der Be­klag­te hat wei­ter­hin zahl­rei­che Ge­gen­stän­de mit Be­zug zum Na­tio­nal­so­zia­lis­mus in sei­ner Woh­nung ver­wahrt, ins­be­son­de­re ei­ne ge­rahm­te Ab­bil­dung von Adolf Hit­ler so­wie Bil­der von Ru­dolf Heß und Horst Wes­sel.

81 cc) Ei­ne Ge­samt­schau die­ser Pflicht­ver­let­zun­gen und des sich aus ih­nen er­ge­ben­den Per­sön­lich­keits­bilds des Be­klag­ten lässt ei­ne in­ne­re Ab­kehr von den Fun­da­men­tal­prin­zi­pi­en der frei­heit­lich-de­mo­kra­ti­schen Grund­ord­nung ein­deu­tig er­ken­nen (vgl. hier­zu BVer­wG, Be­schluss vom 17. Mai 2001 - 1 DB 15.01 - Buch­holz 232 § 52 BBG Nr. 13 S. 23).

82 Mit sei­nen Tä­to­wie­run­gen und dem Auf­tre­ten je­den­falls un­ter Gleich­ge­sinn­ten, bei dem er wie­der­holt den Hit­ler­gruß ge­zeigt und da­mit die Ge­walt- und Will­kür­herr­schaft des Na­zi-Re­gimes sicht­bar ver­herr­licht hat (BVer­wG, Be­schluss vom 21. De­zem­ber 2010 - 2 B 29.10 - Buch­holz 232 § 77 BBG Nr. 32 Rn. 2; Ur­teil vom 23. März 2017 - 2 WD 16.16 - ju­ris Rn. 67) und - min­des­tens ein­mal - auch ei­ne Ha­ken­kreuz­flag­ge hoch­ge­hal­ten hat, so­wie im Hin­blick auf die bei ihm auf­ge­fun­de­nen Por­traits her­aus­ge­ho­be­ner Per­so­nen des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus do­ku­men­tiert der Be­klag­te sei­ne Iden­ti­fi­zie­rung mit dem Na­tio­nal­so­zia­lis­mus und zieht hier­aus Fol­ge­run­gen für sei­ne Ein­stel­lung zur ver­fas­sungs­mä­ßi­gen Ord­nung. Ei­ne plau­si­ble an­der­wei­ti­ge Deu­tung lässt sich ins­be­son­de­re auch dem Vor­brin­gen des Be­klag­ten nicht ent­neh­men.

83 Auf die Fra­ge, ob be­reits der zu­re­chen­ba­re "bö­se Schein" ei­ner ver­fas­sungs­feind­li­chen Ein­stel­lung als Pflicht­ver­let­zung ge­wer­tet wer­den könn­te (vgl. hier­zu BVer­wG, Be­schlüs­se vom 17. Mai 2001 - 1 DB 15.01 - Buch­holz 232 § 52 BBG Nr. 13 S. 26, vom 21. De­zem­ber 2010 - 2 B 29.10 - Buch­holz 232 § 77 BBG Nr. 32 Rn. 8 und vom 7. Sep­tem­ber 2015 - 2 B 56.14 - Buch­holz 235.2 LDis­zi­pli­narG Rn. 37 Rn. 5; hier­zu auch BGH, Ur­teil vom 18. Ok­to­ber 1972 - 3 StR 1/71 I - BGHSt 25, 30 <32>) und der Be­klag­te da­mit je­den­falls zu ei­ner Di­stan­zie­rung ver­pflich­tet ge­we­sen wä­re, kommt es da­mit nicht an. Der Be­klag­te hat au­ßen­wirk­sa­me Fol­ge­run­gen aus sei­ner Über­zeu­gung ge­zo­gen und ge­lebt.

84 Eben­so we­nig steht der An­nah­me ei­nes Dienst­ver­ge­hens ent­ge­gen, dass die ein­zel­nen Tä­to­wie­run­gen je­weils für sich ge­nom­men we­der straf­recht­lich zu be­an­stan­den sind noch ei­nen un­mit­tel­ba­ren Be­zug zum Na­tio­nal­so­zia­lis­mus auf­wei­sen. All dies schlie­ßt ei­nen Ver­stoß ge­gen die dem Be­klag­ten ob­lie­gen­de Ver­fas­sungs­treue­pflicht nicht aus (BVerfG, Be­schluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 337/08 - NJW 2008, 2568, Rn. 31 und 34).

85 Schlie­ß­lich kommt es auch nicht dar­auf an, dass die po­li­ti­sche Über­zeu­gung des Be­klag­ten kei­nen (be­kann­ten) Ein­fluss auf die Art der Er­fül­lung sei­ner Dienst­pflich­ten im Üb­ri­gen hat­te und es nicht zu kon­kre­ten Be­an­stan­dun­gen sei­ner Dienst­aus­übung ge­kom­men ist (BVer­wG, Ur­teil vom 12. März 1986 - 1 D 103.84 - BVer­w­GE 83, 158 <161>). Die Treue­ver­pflich­tung des Be­am­ten auf die Ver­fas­sungs­ord­nung stellt ein per­so­nen­be­zo­ge­nes Eig­nungs­merk­mal dar und be­trifft das dienst­li­che wie das au­ßer­dienst­li­che Ver­hal­ten des Be­am­ten glei­cher­ma­ßen.

86 Die na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Staats­vor­stel­lun­gen in­des stan­den und ste­hen "in schärfs­tem Wi­der­spruch zum Be­griff ei­nes Be­rufs­be­am­ten­tums, das dem Staat und Volk als Gan­zem ver­pflich­tet ist" (BVerfG, Ur­teil vom 17. De­zem­ber 1953 - 1 BvR 147/52 - BVerf­GE 3, 58 <118>). Ein Be­am­ter, der sich öf­fent­lich als An­hän­ger des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus zu er­ken­nen gibt, wi­der­spricht dem Vor­stel­lungs­bild des auf die Ver­fas­sungs­ord­nung des Grund­ge­set­zes ver­pflich­te­ten Be­am­ten in dia­me­tra­ler Wei­se. Er ist ver­pflich­tet, be­reits dem An­schein ei­ner Wie­der­be­le­bung na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Ten­den­zen ent­ge­gen­zu­tre­ten und hat den Ge­brauch ent­spre­chend as­so­zi­ie­rungs­ge­eig­ne­ter Sym­bo­le und Ver­hal­tens­wei­sen zu un­ter­las­sen (vgl. BVerfG, Be­schluss vom 18. Mai 2009 - 2 BvR 2202/08 - NJW 2009, 2805 Rn. 13 und 17; BVer­wG, Be­schluss vom 17. Mai 2001 - 1 DB 15.01 - Buch­holz 232 § 52 BBG Nr. 13 S. 23).

87 c) Kei­ne Ver­let­zung der ihm ob­lie­gen­den Pflich­ten hat der Be­klag­te in­des durch die ihm vor­ge­wor­fe­nen Kon­tak­te zu sei­ner Part­ne­rin und den Mit­glie­dern ei­ner Mu­sik­grup­pe ver­wirk­licht. In­so­weit ist er von den Dis­zi­pli­nar­vor­wür­fen frei­zu­stel­len.

88 Dem Be­klag­ten ist nicht vor­ge­wor­fen wor­den, sei­ne Part­ne­rin oder an­de­re Per­so­nen bei ver­fas­sungs­feind­li­chen Hand­lun­gen oder po­li­ti­schen Ak­ti­vi­tä­ten un­ter­stützt oder auch nur be­stärkt zu ha­ben. Ge­gen­stand des Dis­zi­pli­nar­k­la­ge­vor­wurfs ist viel­mehr al­lein die Auf­recht­erhal­tung des per­sön­li­chen Kon­takts.

89 In der Auf­recht­erhal­tung freund­schaft­li­cher Kon­tak­te oder part­ner­schaft­li­cher Be­zie­hun­gen liegt je­doch kein Dienst­ver­ge­hen. Auch die Ver­fas­sungs­treue­pflicht ei­nes Be­am­ten ver­pflich­tet die­sen nicht da­zu, rein per­sön­li­che und nicht auf die Ver­wirk­li­chung po­li­ti­scher Zie­le ge­rich­te­te Kon­tak­te zu an­de­ren, auch mög­li­cher­wei­se übel­be­leu­mun­de­ten Men­schen zu un­ter­las­sen. In­so­weit kann auf die zu­tref­fen­den Aus­füh­run­gen im Be­ru­fungs­ur­teil ver­wie­sen wer­den.

90 3. Der Be­klag­te ist aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis zu ent­fer­nen.

91 a) Nach der Schwe­re des von ihm be­gan­ge­nen Dienst­ver­ge­hens (§ 13 Abs. 1 Satz 2 DiszG BE) und dem Per­sön­lich­keits­bild des Be­klag­ten (§ 13 Abs. 1 Satz 3 DiszG BE) so­wie im Hin­blick auf die durch ei­ne Ver­let­zung der Ver­fas­sungs­treue­pflicht ein­ge­tre­te­ne Ver­trau­ens­ver­let­zung (§ 13 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Satz 1 DiszG BE) kann als an­ge­mes­se­ne Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me nur auf die Ent­fer­nung aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis er­kannt wer­den (§ 10 DiszG BE). Die Grund­la­gen des Be­am­ten­ver­hält­nis­ses las­sen es nicht zu, Per­so­nen mit der Aus­übung staat­li­cher Ho­heits­ge­walt zu be­trau­en, die die frei­heit­lich-de­mo­kra­ti­sche Ver­fas­sungs­ord­nung ab­leh­nen.

92 Dies gilt auch in An­se­hung der Dau­er des Dis­zi­pli­nar­ver­fah­rens. Er­gibt die Ge­samt­wür­di­gung al­ler be- und ent­las­ten­den Um­stän­de, dass we­gen ei­nes schwer­wie­gen­den Dienst­ver­ge­hens die Ent­fer­nung aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis ge­bo­ten ist, so lässt sich der Ver­bleib im Be­am­ten­ver­hält­nis al­lein auf­grund ei­ner un­an­ge­mes­sen lan­gen Ver­fah­rens­dau­er nicht mit dem Zweck des Dis­zi­pli­nar­rechts ver­ein­ba­ren, näm­lich dem Schutz der In­te­gri­tät des Be­rufs­be­am­ten­tums und der Funk­ti­ons­fä­hig­keit der öf­fent­li­chen Ver­wal­tung. Die­se Schutz­gü­ter und der Grund­satz der Gleich­be­hand­lung schlie­ßen es aus, dass ein Be­am­ter, der durch gra­vie­ren­des Fehl­ver­hal­ten im öf­fent­li­chen Dienst un­trag­bar ge­wor­den ist, wei­ter­hin Dienst leis­ten und als Re­prä­sen­tant des Dienst­herrn ho­heit­li­che Be­fug­nis­se aus­üben kann, weil das ge­gen ihn ge­führ­te Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren un­an­ge­mes­sen lan­ge ge­dau­ert hat.

93 Aus der Eu­ro­päi­schen Men­schen­rechts­kon­ven­ti­on folgt nichts an­de­res. Für die in­ner­staat­li­chen Rechts­fol­gen ei­ner un­an­ge­mes­sen lan­gen Ver­fah­rens­dau­er im Sin­ne von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EM­RK ist zu be­ach­ten, dass die­se Be­stim­mung nur Ver­fah­rens­rech­te ein­räumt. Die­se die­nen der Durch­set­zung und Si­che­rung des ma­te­ri­el­len Rechts; sie sind aber nicht dar­auf ge­rich­tet, das ma­te­ri­el­le Recht zu än­dern. Da­her kann ei­ne un­an­ge­mes­sen lan­ge Ver­fah­rens­dau­er nicht da­zu füh­ren, dass den Ver­fah­rens­be­tei­lig­ten ei­ne Rechts­stel­lung zu­wächst, die ih­nen nach dem in­ner­staat­li­chen ma­te­ri­el­len Recht nicht zu­steht. Viel­mehr kann sie für die Sach­ent­schei­dung in dem zu lan­ge dau­ern­den Ver­fah­ren nur be­rück­sich­tigt wer­den, wenn das ma­te­ri­el­le Recht dies vor­schreibt oder zu­lässt. Im Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren kann ei­ne über­lan­ge Ver­fah­rens­dau­er da­her be­rück­sich­tigt wer­den, wenn der Be­trof­fe­ne im Be­am­ten­ver­hält­nis ver­blei­ben kann. Hier kann das dis­zi­pli­nar­recht­li­che Sank­ti­ons­be­dürf­nis ge­min­dert sein, weil die mit dem Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren ver­bun­de­nen be­ruf­li­chen und wirt­schaft­li­chen Nach­tei­le po­si­tiv auf den Be­am­ten ein­ge­wirkt ha­ben. Un­ter die­ser Vor­aus­set­zung kann ei­ne un­an­ge­mes­sen lan­ge Ver­fah­rens­dau­er bei der Be­stim­mung der Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me aus Grün­den der Ver­hält­nis­mä­ßig­keit mil­dernd be­rück­sich­tigt wer­den. Lässt das Dienst­ver­ge­hen ei­nen wei­te­ren Ver­bleib im Be­am­ten­ver­hält­nis da­ge­gen nicht zu, ver­mag ei­ne über­lan­ge Ver­fah­rens­dau­er an die­sem Be­fund nichts zu än­dern (BVer­wG, Ur­teil vom 28. Fe­bru­ar 2013 - 2 C 3.12 - BVer­w­GE 146, 98 Rn. 44 ff. m.w.N.)

94 b) Zu der vor­lie­gen­den Dis­zi­pli­nar­ent­schei­dung ist das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt selbst be­fugt. Es kann auch im Rah­men des Re­vi­si­ons­ver­fah­rens auf der Grund­la­ge der tat­säch­li­chen Fest­stel­lun­gen im Be­ru­fungs­ur­teil und des Ak­ten­in­halts ei­ne ei­gen­stän­di­ge Be­mes­sungs­ent­schei­dung tref­fen (§ 41 DiszG BE i.V.m. § 60 Abs. 2 Satz 2, § 65 Abs. 1 Satz 1, § 70 Abs. 1 BDG und § 137 Abs. 2 und Abs. 3 Satz 2 Vw­GO). Da die Re­vi­si­on vom Land ein­ge­legt wor­den ist, gilt auch kein Ver­bot der re­for­ma­tio in pei­us zu­guns­ten des Be­klag­ten (vgl. § 141 Satz 1 i.V.m. § 129 Vw­GO). Auf bei­des ist er vor­ab hin­ge­wie­sen wor­den.

95 c) Aus der Ver­hän­gung der Höchst­maß­nah­me für das Dienst­ver­ge­hen folgt, dass die vom Ver­wal­tungs­ge­richt aus­ge­spro­che­ne Geld­bu­ße un­ter Durch­bre­chung der in­so­weit ein­ge­tre­te­nen Teil­rechts­kraft auf­ge­ho­ben wer­den muss.

96 Nach dem Grund­satz der Ein­heit des Dienst­ver­ge­hens (§ 77 Abs. 1 Satz 1 BBG, § 47 Abs. 1 Satz 1 Be­amtStG) sind Pflicht­ver­let­zun­gen ei­nes Be­am­ten ein­heit­lich zu wür­di­gen. Dem liegt die Über­le­gung zu­grun­de, dass es im Dis­zi­pli­nar­recht nicht pri­mär um die Fest­stel­lung und Ma­ß­re­ge­lung ein­zel­ner Ver­feh­lun­gen geht, son­dern um die dienst­recht­li­che Be­wer­tung des Ge­samt­ver­hal­tens des Be­am­ten, das im Dienst­ver­ge­hen als der Sum­me der fest­ge­stell­ten Pflicht­ver­let­zun­gen sei­nen Aus­druck fin­det. Der Be­am­te wird dis­zi­pli­na­risch nicht ge­ma­ß­re­gelt, weil er be­stimm­te Pflich­ten ver­letzt hat, son­dern weil er da­durch Per­sön­lich­keits­män­gel of­fen­bart, die ei­ne Pflich­ten­mah­nung oder ei­ne Be­en­di­gung des Be­am­ten­sta­tus für ge­bo­ten er­schei­nen las­sen (BVer­wG, Ur­teil vom 25. Au­gust 2009 - 1 D 1.08 - NVwZ 2010, 713 Rn. 63).

97 Hier­aus folgt je­doch kein ver­fah­rens­recht­li­ches Ge­bot der gleich­zei­ti­gen Ent­schei­dung über meh­re­re Pflich­ten­ver­stö­ße. Viel­mehr lässt das Bun­des­dis­zi­pli­nar­ge­setz auch ei­ne Wür­di­gung in auf­ein­an­der­fol­gen­den Ver­fah­ren zu. Der ma­te­ri­ell-recht­li­che Grund­satz der Ein­heit des Dienst­ver­ge­hens muss dann je­weils im letz­ten Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren be­ach­tet wer­den: Dort ist ei­ne ein­heit­li­che Wür­di­gung des ge­sam­ten Dienst­ver­ge­hens vor­zu­neh­men (BVer­wG, Ur­teil vom 14. Fe­bru­ar 2007 - 1 D 12.05 - BVer­w­GE 128, 125 Rn. 24 f.; Be­schluss vom 29. Ju­li 2009 - 2 B 15.09 - Buch­holz 232 § 77 BBG Nr. 29 Rn. 7 f.). Da in die­sem Dis­zi­pli­nar­ver­fah­ren die frü­her ab­ge­ur­teil­ten Pflicht­ver­let­zun­gen nicht Ver­fah­rens­ge­gen­stand sind, kann die­se Ein­be­zie­hung nur im Rah­men der Wür­di­gung des Per­sön­lich­keits­bil­des er­fol­gen (vgl. BVer­wG, Be­schluss vom 11. Fe­bru­ar 2014 - 2 B 37.12 - ju­ris Rn. 21; zur Be­rück­sich­ti­gung nicht an­ge­klag­ter Ta­ten im Straf­ver­fah­ren auch BGH, Be­schluss vom 19. No­vem­ber 2013 - 4 StR 448/13 - NJW 2014, 645 Rn. 7 f.).

98 So­weit ein ab­grenz­ba­rer Teil des Streit­ge­gen­stan­des vor­liegt, kann da­her auch ei­ne Rechts­mit­tel­be­schrän­kung er­fol­gen (BVer­wG, Ur­teil vom 28. Ju­li 2011 - 2 C 16.10 - BVer­w­GE 140, 185 Rn. 13 ff.). Die­se Vor­aus­set­zun­gen sind hin­sicht­lich des An­schul­di­gungs­kom­ple­xes der Aus­übung ei­ner un­ge­neh­mig­ten Ne­ben­tä­tig­keit hier grund­sätz­lich er­füllt.

99 Die in­so­weit ein­ge­tre­te­ne Teil­rechts­kraft des ver­wal­tungs­ge­richt­li­chen Ur­teils muss in der vor­lie­gen­den Kon­stel­la­ti­on je­doch durch­bro­chen wer­den. An­dern­falls wür­de ge­gen den Be­klag­ten zu­sätz­lich zur nun­mehr aus­ge­spro­che­nen Höchst­maß­nah­me der Ent­fer­nung aus dem Be­am­ten­ver­hält­nis ei­ne Geld­bu­ße ver­hängt. Der­ar­ti­ges ist für ein vom Dienst­herrn ein­heit­lich an­ge­schul­dig­tes Dienst­ver­ge­hen ge­setz­lich aber nicht vor­ge­se­hen. Die Ge­samt­wür­di­gung muss da­her auch auf die­sen An­schul­di­gungs­punkt er­streckt und die hier­für iso­liert aus­ge­wor­fe­ne Dis­zi­pli­nar­maß­nah­me auf­ge­ho­ben wer­den.

100 4. Die Kos­ten­ent­schei­dung folgt aus § 41 DiszG BE i.V.m. § 77 Abs. 1 BDG und § 154 Abs. 1 Vw­GO.

101 5. Ei­ner Streit­wert­fest­set­zung be­darf es nicht, weil sich die Hö­he der Ge­richts­ge­büh­ren aus dem ge­setz­lich be­stimm­ten streit­wer­tu­n­ab­hän­gi­gen Ge­büh­ren­be­trag er­gibt (§ 41 DG BE i.V.m. Ziff. 10 und 30 des Ge­büh­ren­ver­zeich­nis­ses der An­la­ge zu § 78 BDG).