Verfahrensinformation

Der Kläger ist als selbstständiger Steuerberater tätig. Seine berufliche Niederlassung befindet sich seit dem Jahr 2015 in Hattingen. Die beklagte, zuständige Steuerberaterkammer erteilte ihm, wie schon für vorausgegangene Zeitabschnitte die vormals zuständige Kammer, gemäß § 34 Abs. 2 Satz 4 StBerG eine Ausnahmegenehmigung vom Leitererfordernis für eine weitere Beratungsstelle in Iserlohn befristet auf zwei Jahre. Seinen im Jahr 2017 gestellten Verlängerungsantrag lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, die Erteilung der Ausnahmegenehmigung setze im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung eine atypische Situation voraus, die nicht vorliege.


Die hiergegen gerichtete Klage wies das Verwaltungsgericht ab. Auf die Berufung des Klägers änderte das Oberverwaltungsgericht die erstinstanzliche Entscheidung und verurteilte die Beklagte die Ausnahmegenehmigung für die Dauer von zwei Jahren zu erteilen. Zur Begründung führte es aus, dem Steuerberater stehe ein Anspruch auf Erteilung zu, wenn er nachweise, in der weiteren Beratungsstelle die Einhaltung seiner Berufspflichten sicherstellen zu können. Dies sei vorliegend der Fall.


Zur Begründung der vom Oberverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision macht die Beklagte geltend, es ergebe sich unter anderem aus der gesetzlichen Regelungssystematik, dass eine Ausnahmegenehmigung nur bei Vorliegen atypischer Umstände möglich sei und diese im Ermessen der Steuerberaterkammer stehe.


Pressemitteilung Nr. 5/2024 vom 01.02.2024

Anspruch auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung vom Leitererfordernis bei Steuerberatern

Ein Steuerberater hat Anspruch auf Genehmigung einer Ausnahme vom Erfordernis der Bestellung eines anderen Leiters für eine weitere Beratungsstelle (Zweigstelle), wenn er die Erfüllung der Berufspflichten nachweist und sich seine Praxis am Ort oder im Nahbereich der Zweigstelle befindet. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig heute entschieden.


Der Kläger wurde 2005 zum Steuerberater bestellt. Seit 2015 ist er in eigener Praxis tätig. Die beklagte Steuerberaterkammer erteilte ihm im März 2015 eine auf zwei Jahre befristete Ausnahmegenehmigung vom Leitererfordernis für eine neu gegründete Zweigstelle in einer 40 km entfernten Stadt. Eine Verlängerung lehnte die Beklagte ab. Atypische Umstände, die den weiteren Verzicht auf die Leitung durch einen anderen Steuerberater oder Steuerbevollmächtigten rechtfertigten, lägen nicht mehr vor. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Verlängerung der Ausnahmegenehmigung abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat dieses Urteil geändert und die Beklagte zur Erteilung der begehrten Genehmigung verpflichtet. Darauf bestehe nach § 34 Abs. 2 Satz 4 Steuerberatungsgesetz (StBerG) ein Anspruch, wenn nachgewiesen werde, dass bei eigener Leitung der Zweigstelle die Erfüllung der Berufspflichten im konkreten Fall nicht gefährdet sei.


Die Revision der Beklagten hatte keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass dem Kläger eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen ist. Nach § 34 Abs. 2 Satz 2 StBerG muss Leiter der weiteren Beratungsstelle jeweils ein anderer Steuerberater oder Steuerbevollmächtigter sein, der seine berufliche Niederlassung am Ort dieser Beratungsstelle oder in deren Nahbereich hat. Nach Satz 4 der Vorschrift kann die Steuerberaterkammer eine Ausnahme davon zulassen, nach Satz 6 aber nur für eine weitere Beratungsstelle des Steuerberaters. Liegt sie im Nahbereich der Praxis (nach ständiger Rechtsprechung ca. 50 km Luftlinie), ist die Ausnahmegenehmigung zu erteilen, wenn der Steuerberater - wie hier - nachweist, dass er seine Berufspflichten auch bei eigener Leitung der Zweigstelle uneingeschränkt erfüllt. Unter diesen Bedingungen sind zusätzliche Genehmigungsvoraussetzungen rechtlich nicht begründbar. Zugleich bleibt der vom Gesetzgeber gewollte Ausnahmecharakter der Genehmigung gewahrt. Außerhalb des Nahbereichs bleiben Ausnahmegenehmigungen Sondersituationen vorbehalten.


BVerwG 8 C 1.23 - Urteil vom 01. Februar 2024

Vorinstanzen:

OVG Münster, OVG 4 A 2856/18 - Urteil vom 29. November 2022 -

VG Arnsberg, VG 7 K 5837/17 - Urteil vom 07. Juni 2018 -